Finanzgericht schätzt Umsatz und Gewinn aufgrund eigener Schätzungsbefugnis und bestätigt Gewerbesteuerpflichtigkeit

Im Streitfall war die Klägerin als Prostituierte tätig und mietete sich hierfür in einem sog. Laufhaus ein Zimmer. Steuern zahlte sie nicht und gab auch keine Steuererklärungen ab. Als sich im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen wegen Betrugstaten bei ihr Preislisten und Quittungen fanden, schätzte das Finanzamt Umsätze zwischen 170.000 € bis 320.000 € pro Jahr und erließ Steuerbescheide für Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer über mehrere Jahre.

Die Klägerin wandte sich an das Finanzgericht Hamburg. Die Schätzungen seien völlig überhöht, zumal sie nur tageweise gearbeitet habe. Die Klägerin reichte nun Steuererklärungen ein, nach denen sie maximal 17.200 € pro Jahr eingenommen haben wollte. Die Klägerin meinte zudem, als Kleinunternehmerin unterliege sie nicht der Umsatzsteuer und habe auch keine Gewerbesteuern zu zahlen.
Dem ist der 2. Senat in seinem Urteil nicht gefolgt. Trotz ihrer inzwischen eingereichten Steuererklärungen sei die Klägerin zu schätzen, weil sie keine nachvollziehbaren Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben vorgelegt habe. Der 2. Senat ging von 48 Arbeitswochen pro Jahr und Tageseinnahmen von durchschnittlich 500 € aus, die die Klägerin nach den aufgefundenen Quittungen mit ein bis drei Kunden habe erzielen können, und berechnete einen Umsatz der Klägerin von jährlich 120.000 €. Unter Berücksichtigung der Zimmermiete von täglich 120 € und geschätzten weiteren Betriebsausgaben von 5.000 € verblieb ein Gewinn von 85.000 € pro Jahr. Der 2. Senat stellte nach Vernehmung eines Milieubeamten und des Zimmervermieters fest, dass die Klägerin auf eigene Rechnung gearbeitet und in keinem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Das Laufhaus sei kein eigenständiger Bordellbetrieb. Weil die Klägerin selbst in Abrede genommen hatte, Zahlungen an einen Zuhälter abgeführt zu haben, konnte das Gericht auch keine weiteren Betriebsausgaben schätzen.

Mit dem 3. Senat des Bundesfinanzhofs bejahte der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg die Gewerbesteuerpflicht. Eigenprostitution sei ein Gewerbebetrieb, denn die Prostituierten beteiligten sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und böten ihre Leistungen am Markt an. Die entgegenstehende Rechtsprechung, die auf einem Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs von 1964 beruht, sei überholt. Der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat in seinem Urteil (Az.: 2 K 169/11) die Revision nicht zugelassen. Da die Beschwerdefrist noch läuft, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.