Wiedereinsetzung gem. § 110 AO 4 Wochen nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgeschlossen

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist gem. § 110 AO ist ausgeschlossen, wenn sich aus dem Tatbestand der Einspruchsentscheidung ergibt, dass die Frist um 3 Tage versäumt worden ist und dann nicht innerhalb von 4 Wochen nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung der Wiedereinsetzungsantrag gestellt wird. Der Umstand, dass das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist gewährt hat, schließt ein Verschulden insoweit nicht aus.

Erweisen sich die für die Geltendmachung von Betriebsausgaben vorgelegten Rechnungen als Scheinrechnungen, besteht kein Anlass für die Schätzung von Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige insoweit keine Angaben zu den Empfängern (hier Subunternehmer oder Hilfsarbeiter) macht, Urteil des 2. Senats vom 10.10.2012, 2 K 130/11, rechtskräftig.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 130/11
Urteil des Senats vom 10.10.2012
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: AO § 110 Abs. 1, AO § 110 Abs. 2, EStG § 4 Abs. 4
Leitsatz: 1. Die Gewährung von Wiedereinsetzung gem. § 110 AO ist ausgeschlossen, wenn sich aus dem Tatbestand der Einspruchsentscheidung ergibt, dass die Frist um 3 Tage versäumt worden ist und dann nicht innerhalb von 4 Wochen nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung der Wiedereinsetzungsantrag gestellt wird. Der Umstand, dass das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Einspruchsfrist gewährt hat, schließt ein Verschulden insoweit nicht aus.

2. Erweisen sich die für die Geltendmachung von Betriebsausgaben vorgelegten Rechnungen als Scheinrechnungen, besteht kein Anlass für die Schätzung von Betriebsausgaben, wenn der Steuerpflichtige insoweit keine Angaben zu den Empfängern (hier Subunternehmer oder Hilfsarbeiter) macht.
Überschrift: Abgabenordnung/Einkommensteuergesetz: Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist/Keine Schätzung von Betriebsausgaben bei Vorlage von Scheinrechnungen

Tatbestand:

Streitig ist in formeller Hinsicht, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist erfüllt sind. Materiell besteht Streit über die Höhe der Betriebsausgaben.
Der Kläger lebt seit 1989 in Deutschland und ist hier seit 1999 gewerblich tätig. Für die Streitjahre erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14.272 € (Einnahmen lt. Gewinnermittlung 28.887,90 €, Ausgaben 14.615,87 €) für 2003 und in Höhe von 17.132 € (Einnahmen lt. Gewinnermittlung 64.391,80 €, Ausgaben 47.275,32 €) für 2004. Das seinerzeit zuständige Finanzamt A verzichtete gem. § 156 der Abgabenordnung (AO) auf die Festsetzung von Einkommensteuer. Im Januar 2008 wurde ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger für 2003 eingeleitet und im Juni 2008 auf 2004 erweitert. Aufgrund der Erkenntnisse der Steuerfahndung berücksichtigte der Beklagte mit Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden vom 12.10.2009 für 2003 einen Gewinn von 74.110 € und für 2004 von 84.459 €. Die Bescheide waren an den Kläger persönlich adressiert. Mit beim Beklagten am 15.12.2009 eingegangenem Schriftsatz legitimierte sich der jetzige Verfahrensbevollmächtigte für den Kläger und beantragte Aussetzung der Vollziehung, weil „über die Steuerfestsetzungen für 2003 und 2004“ noch streitig zu verhandeln sein werde und erbat eine Frist für die Sachverhaltsaufklärung bis zum 15.01.2010.

Mit beim Beklagten am 18.01.2010 eingegangenem Schriftsatz vom 12.01.2010 beantragte der Klägervertreter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfristen. Der Kläger habe sich seit mehreren Jahren von Dipl. Kaufmann B, …, vertreten lassen, ohne zu wissen, dass dieser kein öffentlich bestellter Steuerberater gewesen sei. Dieser habe die buchhalterischen Aufgaben erfüllt und den Kläger auch in allen steuerlichen Angelegenheiten beraten und dabei den Eindruck erweckt, hierzu auch berechtigt zu sein. Diesen habe der Kläger beauftragt, Einsprüche gegen die Bescheide einzulegen. Erst am 15.12.2009 habe der Kläger auf energisches Nachfragen erfahren, dass Einsprüche nicht eingelegt worden seien. In der Sache beantragte der Klägervertreter die Änderung der Bescheide, weil bislang nicht berücksichtigte Betriebsausgaben in Ansatz zu bringen seien. Die von der Steuerfahndung festgestellten Aufträge habe der Kläger nicht alleine ausführen können und hierfür Subunternehmer eingesetzt. Erst jetzt habe der Kläger Rechnungen von Subunternehmern gefunden, die noch zu berücksichtigen seien. Für 2003 berief sich der Kläger auf drei Rechnungen in Höhe von insgesamt 50.112,00 €, für 2004 auf drei Rechnungen in Höhe von insgesamt 48.520 ,00 €.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2011 gewährte der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und setzte die Steuer niedriger fest unter Zurückweisung der Einsprüche im Übrigen. Zwar seien die vorgelegten Rechnungen der Firma C als Scheinrechnungen zu qualifizieren, es bestünden aber gewisse Unsicherheiten beim Betriebsausgabenabzug. Für 2004 seien daher weitere Betriebsausgaben in Höhe von 9.000 € zu berücksichtigen. Am 05.07.2011 hat der Kläger Klage erhoben.

Hinsichtlich der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger während des Klageverfahrens am 22.05.2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist beantragt, nachdem im Erörterungstermin vom 25.04.2012 angesprochen worden war, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 18.01.2010 verspätet eingegangen sei. Zur Begründung trägt der klägerische Verfahrensbevollmächtigte vor, er habe davon ausgehen können, dass der Wiedereinsetzungsantrag vom 12.01.2010, der ausweislich des Postausgangsbuchs am 12.01.2010 abgesandt worden sei, innerhalb der gesetzlichen Frist beim Finanzamt eingehen werde. In seinem Büro sei sichergestellt, dass die Post an den Tagen, wie im Posteingangsbuch eingetragen, abgesandt werde.
In der Sache trägt der Klägervertreter vor, die Beauftragung von Subunternehmern sei erforderlich gewesen, weil der Kläger allein das Auftragsvolumen nicht habe bewältigen können. Hiervon gehe ersichtlich auch die Steuerfahndung aus, die Betriebsausgaben von 117.000 € im Zusammenhang mit der Einschaltung des Subunternehmers D anerkannt habe. Die jetzt streitigen Rechnungen des Subunternehmers E seien ebenfalls zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen. Zwar seien sie auf inkorrekten Formularen erstellt worden, der C, die 2003 und 2004 nicht existent gewesen sei. Der Kläger habe aber den Kontakt unmittelbar zu E als seinem Subunternehmer gehabt und in gutem Glauben handelnd die Rechnungen akzeptiert, weil E als Geschäftsführer ausgewiesen gewesen sei. Dieser habe den Erhalt der Beträge -insgesamt 98.632 €– auch persönlich bestätigt. Nur weil die ursprünglichen Rechnungen verloren gegangen seien, seien nachträglich die Rechnungen nochmals erstellt worden. Soweit der Beklagte die Authentizität der Unterschriften von E in Zweifel gezogen habe, verkenne er, dass auch die Druckbuchstaben der Unterschrift eine individuelle Zuordnung ermöglichten, auch wenn sie nicht so akkurat ausgeführt worden sei wie die Vergleichsprobe aus den Handelsregisterunterlagen.

Im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren habe der Kläger mangels steuerlicher Beratungshilfe die für ihn günstigen Umstände nicht vortragen können. Er habe sich zudem als Ausländer unsicher gefühlt.
Der Kläger beantragt, unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist die Einkommensteuerbescheide und die Gewerbesteuermessbescheide für 2003 und 2004, jeweils vom 12.10.2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2011 mit der Maßgabe zu ändern, dass ein Gewinn aus Gewerbebetrieb unter Berücksichtigung weiterer Betriebsausgaben in 2003 von 56.756 € und in 2004 von 53.243 € berücksichtigt wird.

der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger die geltend gemachten Betriebsausgaben nicht nachgewiesen habe. Während der Vernehmung im Steuerfahndungsverfahren habe der Kläger angegeben, die Namen seiner vier bis fünf Subunternehmer nicht nennen zu können. Erstmals im Einspruchsverfahren habe er sich für die Geltendmachung weiterer Betriebsausgaben auf nunmehr nach diversen Umzügen aufgefundene Eingangsrechnungen der Firma C berufen. Diese Rechnungen seien aber nicht unter ihrem Ausstellungsdatum verfasst worden, denn die C GmbH sei erst später am … 2006 in das Handelsregister eingetragen worden. Dies habe der Kläger damit zu erklären versucht, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer der C GmbH, E, als Einzelunternehmer für ihn tätig geworden sei und ihn getäuscht habe. Insoweit habe der Kläger weder neue Rechnungen von E noch die angekündigte eidesstattliche Versicherung des E vorgelegt. Auch die vorgelegten Quittungen von E seien unzulänglich.

Der Kläger habe zudem das Verlangen nach Empfängerbenennung gem. § 160 der Abgabenordnung (AO) nicht erfüllt. Im Zusammenhang mit E existierten vier Handelsregistereintragungen, die dort hinterlegten Unterschriften von E stimmten nicht mit denen auf den Eingangsrechnungen überein (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 22.07.2011 und 02.09.2011 Bezug genommen).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird im Übrigen auf die Sitzungsniederschriften über den Erörterungstermin und die Senatssitzung Bezug genommen.
Die den Kläger betreffenden Einkommen- und Gewerbesteuerakten zur Steuernummer …/…/… nebst RB-Akten haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Klage ist bereits in formeller Hinsicht unbegründet. Es fehlt an der für die Klage erforderlichen Sachurteilsvoraussetzung der Zulässigkeit des Einspruchs. Der Einspruch gegen die angegriffenen Bescheide ist verspätet eingelegt worden, die
Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt.
a) Gem. § 110 Abs. 1 AO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. Der Antrag muss innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden, § 110 Abs. 2 AO. Die in diesem Verfahren streitigen Bescheide vom 12.10.2009 gelten gem. § 122 AO als am 15.10.2009 bekannt gegeben; die gem. § 355 Abs. 1 AO einen Monat betragende Einspruchsfrist lief damit am Montag, den 16.11.2009 ab (§ 108 Abs. 3 AO). Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist beantragt hat der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 12.01.2010, der am 18.01.2010 beim Beklagten eingegangen ist. Am 18.01.2010 war die Wiedereinsetzungsfrist aber bereits abgelaufen. Diese begann am 15.12.2009 zu laufen, denn an diesem Tage hatten der Kläger und sein Bevollmächtigter erfahren, dass der vormalige Bevollmächtigte des Klägers es versäumt hatte, Einspruch einzulegen. Daraufhin hatte sich der jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Klägers am 15.12.2009 beim Beklagten gemeldet und Aussetzung der Vollstreckung beantragt, weil „über die Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuern 2003 und 2004 noch streitig zu verhandeln sein wird“. Zugleich beantragte er „für die genaue Sachverhaltsaufklärung und Darstellung“ eine Frist bis 15.01.2010.
Der Beklagte hat zwar mit der Einspruchsentscheidung das Schreiben vom 15.12.2009 als Einspruch gewertet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Diese Entscheidung bindet das Gericht aber nicht, weil es die Sachurteilsvoraussetzungen, zu denen auch die Rechtzeitigkeit des Einspruchs gehört, von Amts wegen zu prüfen hat. Tatsächlich kann das Schreiben vom 15.12.2009 aber nicht als Einspruch gewertet werden. Es ist von einem mit dem Verfahrensrecht vertrauten Berufsträger verfasst worden und bezieht sich allein auf einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung. Verbunden ist dieser Antrag lediglich mit der Bitte um Einräumung einer Frist für die Sachverhaltsaufklärung und die weitere Darstellung. Dass der Verfahrensbevollmächtigte dieses Schreiben selbst nicht als Einspruch verstanden wissen wollte, zeigt sich daran, dass er erst mit dem am 18.01.2010 eingegangenen Schriftsatz vom 12.01.2010 Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung hat. Selbst wenn in Übereinstimmung mit dem Beklagten das Schreiben vom 15.12.2009 als Einspruch gewertet würde, wären die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht erfüllt, weil innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 2 AO der Antrag nicht begründet und glaubhaft gemacht worden ist.

b) Allerdings kann auch wegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (Bundesfinanzhof -BFH– vom 25.01.1989 V B 143/87, BFH/NV 1989, 705; vom 19.08.1992, V B 27792, BFH/NV 1993, 480). Im Streitfall sind die Voraussetzungen hierfür aber nicht erfüllt.
Der klägerische Verfahrensbevollmächtigte hat nach einem Hinweis auf den verspäteten Eingang des Wiedereinsetzungsantrages im Erörterungstermin vom 25.04.2012 am 22.05.2012 einen entsprechenden Wiedereinsetzungsantrag gestellt unter Hinweis darauf, dass er angesichts der Aufgabe zur Post seines Schriftsatzes vom 12.01.2009 noch am selben Tage mit einem rechtzeitigen Eingang beim Beklagten habe rechnen können. Die Aufgabe zur Post hat er durch Vorlage seines Postausgangsbuchs belegt. Allerdings kann auch insoweit Wiedereinsetzung nur gewährt werden, wenn es an einem Verschulden für die Fristversäumnis fehlt und der Antrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Klägervertreter hat den Wiedereinsetzungsantrag zwar binnen eines Monats nach dem Erörterungstermin gestellt, in dem über die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist gesprochen worden ist. Tatsächlich begann diese Wiedereinsetzungsfrist aber bereits früher zu laufen, und zwar mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2011, d. h. am 17.06.2011. Denn im Tatbestand dieser Einspruchsentscheidung heißt es, dass der Wiedereinsetzungsantrag am 18.01.2010 gestellt worden sei.

Das Gericht verkennt nicht, dass es angesichts des Umstandes, dass der Beklagte mit eben dieser Einspruchsentscheidung Wiedereinsetzung gewährt hatte, einer gewissen Umsicht bedurfte, wahrzunehmen, dass die Wiedereinsetzungsfrist versäumt war und die Beantragung von Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist geboten gewesen wäre. Gleichwohl beginnt die Frist zu laufen, wenn der Beteiligte bei sorgfältiger Prüfung die Fristversäumnis hätte erkennen können und müssen (vgl. z. B. BFH v. 18.02.2004 I R 45/03, BFH/NV 2004, 1108; vom 22.08.2006 I R 24/05, BFH/NV 2007, 63). Bei sorgfältiger Lektüre des Tatbestandes der Einspruchsentscheidung hätte ohne weiteres erkannt werden können, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet eingegangen war. Als mit dem Verfahrensrecht vertrauten Steuerberater hätte der Klägervertreter wissen müssen, dass die -möglicherweise irrige- Gewährung von Wiedereinsetzung in der Einspruchsentscheidung keine Bindungswirkung für das Gericht entfaltet.

II. Die Klage ist aber auch aus materiellen Gründen abzuweisen. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Die angegriffenen Bescheide verletzen den Kläger folglich nicht in seinen Rechten.
Die für die Streitjahre zusätzlich geltend gemachten Betriebsausgaben aus den Rechnungen der C GmbH sind nicht zum Abzug zuzulassen. Das Gericht ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 der Finanzgerichtsordnung -FGO) davon überzeugt, dass es sich um Scheinrechnungen handelt, denen kein Leistungsaustausch zugrunde liegt.

Im Einzelnen gilt Folgendes:
Sämtliche Rechnungen, datierend aus 2003 und 2004, sind unter dem Briefkopf der C GmbH verfasst worden, die erst im Juli 2006 gegründet und am … 2006 in das Handelsregister eingetragen worden ist. Auch die auf zwei Rechnungen mit Datum versehenen Vermerke über den Erhalt des Rechnungsbetrages in bar datieren vom 15.11.2003 und 23.05.2004. Somit handelt es sich bei diesen Rechnungen um Fälschungen bzw. schriftliche Lügen. Die hierzu vom Kläger unterbreitete Erläuterung vermag den Senat nicht zu überzeugen.

Der Kläger hat sich in der Klageschrift darauf berufen, er habe mit E als Subunternehmer kontrahiert, der mit unterschiedlichen GmbH unternehmerisch tätig gewesen sei und der ihm den Erhalt der vereinbarten Entgelte bestätigt habe, allerdings auf unzutreffenden Rechnungsformularen der C GmbH. Er, der Kläger, habe bei Erhalt der Rechnungen nicht wissen können, dass die C GmbH zu diesem Zeitpunkt noch nicht existent gewesen sei und die Rechnungen gutgläubig akzeptiert. Diese Darstellung macht schon deshalb keinen Sinn, weil E 2003 und
2004 noch nicht die in den Rechnungsformularen aufgeführte Handelsregisternummer aus dem Jahr 2006 kennen konnte. Somit kann der Kläger in den Streitjahren diese Rechnungen nicht erhalten haben.
Im Erörterungstermin hat der Kläger dann angegeben, die ursprünglichen Rechnungen seien verloren gegangen. Deshalb habe er E gebeten, die Rechnungen nochmals zu schreiben und die Barzahlung handschriftlich zu quittieren. Diese Rechnungen habe er dann zu seinem Verfahrensbevollmächtigten gebracht. Abgesehen davon, dass es wenig überzeugend ist, dass der „Ersatz“ für verloren gegangene Rechnungen auf dem Briefpapier einer GmbH erfolgt, die es zur Zeit der Ausführung der Arbeiten nicht gab, und die Rechnung keinerlei Hinweis darauf enthält, dass es sich um eine Ersatzrechnung handelt, steht dieser Vortrag auch im Widerspruch zu dem Vorbringen im Rechtsbehelfsverfahren. Hier hat der Kläger mit Schriftsatz vom 18.05.2010 vortragen lassen, seine Buchhaltungsunterlagen seien durch zwei trennungsbedingte Umzüge in 2003 und 2004 an verschiedenen Stellen aufbewahrt worden, deshalb habe er die in Rede stehenden Eingangsrechnungen erst jetzt, d. h. während des Rechtsbehelfsverfahrens, gefunden. Er habe die Eingangsrechnungen abgelegt, weil er sie zunächst als durchlaufende Posten für steuerlich irrelevant angesehen habe.
Darüber hinaus weisen die Rechnungen weitere gravierende Unstimmigkeiten auf, die die Einordnung als Scheinrechnungen bestätigen:

Die Rechnung des Klägers vom 05.01.2004 an F, enthält eine außerordentlich detaillierte Leistungsbeschreibung über Putzarbeiten u. Ä., im Anschriftenfeld wird als Absender aber nicht der Kläger genannt, sondern „Hans Mustermann“ aus Musterstadt, die Zeile für die Bankverbindung ist nicht ausgefüllt, der Ort des Bauvorhabens wird ebenso wenig genannt wie der Zeitraum der Leistungserbringung. Zur Überzeugung des Gerichts handelt es sich bei dieser Ausgangsrechnung nicht um eine authentische Rechnung des Klägers, sondern um ein mutmaßlich aus dem Internet heruntergeladenes Rechnungsmuster. Insoweit weisen auch alle anderen Rechnungen des Klägers keine vergleichbar detaillierte Leistungsbeschreibung auf. Die dazu gehörige Eingangsrechnung vom 03.01.2004 schlüsselt die Leistungen nicht annähernd so detailliert auf, Leistungszeitraum und Bauvorhaben werden ebenfalls nicht genannt.
Im Falle der Ausgangsrechnung an die Firma Gerüstbau G datieren Ausgangs-und Eingangsrechnung vom selben Tag, Schreibfehler bei den vermeintlichen Einsatzstellen stimmen in beiden Rechnungen überein: die Straße Juhafenstraße existiert nicht. Ebenso verhält es sich bei der Ausgangsrechnung vom 30.10.2003 und der zugehörigen Eingangsrechnung vom 28.10.2003, hier wird in beiden Rechnungen die nichtexistente Straße Lasseler Damm (möglicherweise gemeint sein dürfte der Y- Damm) genannt. Diese Fehler legen die Annahme nahe, dass die Einsatzorte für die Scheinrechnungen nur abgeschrieben worden sind, ohne dass Leistungen erbracht wurden.
Auch der Umstand, dass sämtliche Rechnungen bar beglichen sein sollen bestärkt die Annahme von Scheinrechnungen. Denn es handelt sich zum Teil um sehr hohe Beträge von über 20.000 €. Zudem sollen ausweislich der mit Datum versehenen Quittungen die Barzahlungen umgehend, noch vor Weiterbelastung der Beträge an die Kunden des Klägers erfolgt sein. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist der sehr unterschiedliche Gewinnaufschlag auf die Leistungen der Eingangsrechnungen gegenüber dem Empfänger der Ausgangsrechnung, hier ergibt sich eine Bandbreite von 25 % bis zu 5,7 %. Keine plausible Erklärung gibt es auch dafür, dass der Kläger im Ermittlungsverfahren angegeben hat, Betriebsausgaben nur in Höhe von ca. 2000 € gehabt und vier bis fünf Subunternehmer beschäftigt zu haben, deren Namen er nicht mehr nennen könne. Wenn E tatsächlich die in den streitigen Eingangsrechnungen bezeichneten Leistungen erbracht hätte, ist es nicht vorstellbar, dass sich der Klägerin angesichts des beträchtlichen Leistungsumfanges in den Rechnungen hieran nicht mehr erinnern konnte.
Soweit sich der Kläger schließlich darauf berufen hat, die geltend gemachten zusätzlichen Betriebsausgaben seien in jedem Fall angefallen und zu berücksichtigen, weil er die erzielten Erlöse, beispielsweise aus Gerüstbauarbeiten, unmöglich alleine habe erwirtschaften können, trifft schon diese Prämisse nicht zu. Der Beklagte hat im Einzelnen in der Einspruchsentscheidung dargestellt, dass es dem Kläger durchaus möglich gewesen sein könnte, die Leistungen selbst zu erbringen. Überdies ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Kläger anderer Hilfskräfte bedient hat. Insoweit ist er aber dem Benennungsverlangen des Beklagten gem. § 160 AO nicht nachgekommen, so dass ein weiterer Betriebsausgabenabzug –ggfs. auch auf der Grundlage einer Schätzung– nicht in Betracht kommt.
Nach alledem kommt ein Betriebsausgabenabzug aus den streitigen Rechnungen nicht in Betracht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.