Finanzgerichtsordnung, Prozesskostenhilfe: Im Rahmen der Prozesskostenhilfe besteht kein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters, wenn Gegenstand der Klage die Anfechtung von Schätzungsbescheiden ist und mit den zur Begründung der Klage vorgelegten Steuererklärungen nur das im finanzgerichtlichen Verfahren erbracht wird, was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten des Steuer-pflichtigen gewesen ist, und die Prozessführung ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist, Beschluss des 6. Senats vom 8.10.2013, 6 K 92/13, rechtskräftig.

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 6 K 92/13
Beschluss des Einzelrichters vom 08.10.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: FGO § 142 Abs. 2, ZPO § 121 Abs. 2
Leitsatz: Die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters ist dann nicht erforderlich, wenn im Zuge der Anfechtung von Schätzungsbescheiden mit der Vorlage von Steuererklärungen im finanzgerichtlichen Verfahren nur das erbracht wird, was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten gewesen ist und die Prozessführung ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist.
Überschrift: Prozesskostenhilfe: Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten bei Verletzung von Mitwirkungspflichten
Gründe:
I.
Weil der Antragsteller trotz Aufforderung keine Einkommensteuererklärung für 2011 abgegeben hatte, schätzte das Finanzamt Hamburg-1 (Finanzamt) die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) und setzte mit Bescheid vom 30.11.2012 die Einkommensteuer für 2011 auf 1.401 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der durch den Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller fristgerecht Einspruch ein, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.2013 als unbegründet zurückwies.
Mit Schreiben vom 18.04.2013 hat der Antragsteller, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben und angekündigt, die Begründung in Form der Einkommensteuererklärung für 2011 nachreichen zu wollen. Mit Schreiben vom 15.05.2013 hat der Antragsteller beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Klage sei zur Abwendung der Rechtskraft des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2011 erhoben worden; die der Klagebegründung dienende Steuererklärung habe er beim Finanzamt eingereicht. Mit Schreiben vom 26.06.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mitgeteilt, dass wegen Zahlungsschwierigkeiten seines Mandanten die Steuererklärungen erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung erstellt worden seien.
Mit Bescheid vom 04.06.2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2011 erklärungsgemäß auf 385 € geändert fest. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen des Finanzamts vom 23.05.2013 wie auch des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 18.06.2013 sind die Kosten des Verfahrens mit Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 19.06.2013 dem Antragsteller zur Last gelegt worden.
Mit Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2013 ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Mit Schreiben vom 01.10.2013 hat der Antragsteller beantragt, ihm den Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
II.
Der Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers war zu versagen.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) kann nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gestellt werden (Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rn. 7). Der Antrag kann somit nicht mehr wirksam gestellt werden, nachdem die Beteiligten des Verfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit der Hauptsache beendigt haben (vgl. BFH Beschluss vom 11.11.1985 IV B 77/85, BFHE 145, 28, BStBl II 1986, 67). Denn die Erledigungserklärung ist eine prozessuale Bewirkungshandlung, die den Rechtsstreit in gleicher Weise wie ein – eine Steuerfestsetzung abänderndes – Urteil beendet, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Gegner abgegeben wird. Die Prozesslage wird durch diese übereinstimmenden Erklärungen abschließend gestaltet (BFH Urteil vom 14.05.2003 XI R 21/02, BFHE 202, 228, BStBl II 2003, 888). Dieses gilt gleichermaßen für den Antrag auf Beiordnung eines Steuerberaters gemäß § 142 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2013 erfolgte im Streitfall erst nach Vorliegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 23.05. und 18.06.2013 und damit nach Beendigung des Verfahrens. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Antragstellers vom 15.05.2013 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe dahin auszulegen wäre, dass er zugleich auch einen Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten umfasst, und damit das Beiordnungsbegehren vor Beendigung des Verfahrens geltend gemacht worden wäre.
2. Denn dem Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten muss in der Sache der Erfolg versagt bleiben.
Gemäß § 142 Abs. 2 FGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO wird ein Rechtsanwalt oder ein Steuerberater in einem Verfahren ohne Anwaltszwang – wie im Finanzgerichtsprozess (§ 62 Abs. 1 FGO) – auf Antrag beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater erforderlich erscheint. Hieran fehlt es, wenn nach dem Umfang, der Schwierigkeit und der Bedeutung der Rechtssache vom Antragsteller zur Rechtsverfolgung bei Gericht ersichtlich nichts anderes verlangt wird, als was zuvor schon Gegenstand seiner außerprozessualen Mitwirkungspflichten gewesen und ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist (vgl. §§ 90, 365 Abs. 1 AO einerseits und § 76 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 FGO andererseits; BFH Beschluss vom 19.09.1986 V B 39/86, DStZ 1987, 155). Eine Beiordnung ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn im Zuge der Anfechtung von Schätzungsbescheiden mit der Vorlage von Steuererklärungen im finanzgerichtlichen Verfahren nur das erbracht wird, was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten gewesen ist und die Prozessführung ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist (vgl. BFH Beschlüsse vom 27.01.1989 III B 130/88, BFH/NV 1989, 767; vom 26. 10.1994 X B 156/94, BFH/NV 1995, 725; vom 27.12.2000 XI B 123/00, BFH/NV 2001, 919). Denn der Steuerpflichtige kann bereits in dem Verwaltungsverfahren, das einem Finanzrechtsstreit vorgeschaltet ist, seine Interessen wahrnehmen und hat andererseits aber auch seine steuerlichen Pflichten
zu erfüllen, ohne dass ihm dafür ein Gebührenanspruch für eine in Anspruch genommene Beratung gegenüber dem Staat zusteht; die Allgemeinheit soll dementsprechend im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten auch nicht mit Kosten des Prozessbevollmächtigten belastet werden (vgl. Lück, DStZ 1987, 155 f.).
Im Streitfall hat der Antragsteller seine steuerlichen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren dadurch verletzt, dass er es versäumt hat, die Einkommensteuererklärung 2011 rechtzeitig einzureichen. Das Einspruchs- und Klageverfahren wäre bei Erfüllung der Mitwirkungspflichten für den vorliegenden Streitgegenstand zu vermeiden gewesen. Die Prozessführung wäre auch ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen gewesen, da außer der Erfüllung der Mitwirkungspflichten in Gestalt der Vorlage der Einkommensteuererklärung 2011 keine sonstigen Streitpunkte, zu denen Rechtsausführungen erforderlich gewesen wären, vorlagen.
III.
Die Unanfechtbarkeit des Beschlusses beruht auf § 128 Abs. 2 FGO. Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren der Prozesskostenhilfe, hier auf Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters, nicht veranlasst.