Finanzgerichtsordnung: Die Versäumung einer an einem Montag ablaufenden Klagefrist ist nicht unverschuldet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher nicht zu gewäh-ren, wenn der Kläger die Klage erst am Freitag zuvor im Ausland zur Post gegeben hat. Der Grundsatz, wonach bei Postsendungen davon ausgegangen werden darf, dass werktags aufgegebene Sendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden, gilt nur für innerhalb des Bundesgebiets aufgegebene Postsendungen. Für Postsendungen aus Polen ist mit einer Laufzeit von 2-3 Werktagen zu rechnen, Urteil des 4. Senats vom 16.10.2103, 4 K 26/13, rechtskräftig.

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 4 K 26/13
Urteil des Einzelrichters vom16.10.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: FGO § 47, FGO § 56
Leitsatz: Der Grundsatz, wonach bei Postsendungen davon ausgegangen werden darf, dass werktags aufgegebene Sendungen im Bundesgebiet am folgenden Werktag ausgeliefert werden, gilt nur für innerhalb des Bundesgebiets aufgegebene Postsendungen. Für Postsendungen aus Polen ist mit einer Laufzeit von 2-3 Tagen zu rechnen.
Überschrift: Prozessrecht: Wiedereinsetzung wegen der Postlaufzeit
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung von Einfuhrabgaben.
Der in Polen wohnhafte Kläger ließ zwischen November 2008 und November 2010 keramisches Geschirr aus gewöhnlichem Ton bzw. Steinzeug der Codenummern 6912 0010 900 bzw. 6912 0030 000 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiter Lieferung anmelden. Die Anmeldungen wurden von beauftragten Speditionen erstellt. Von den Waren wurden Proben genommen, bei der Untersuchung stellte sich nach Darstellung des Beklagten heraus, dass es sich um Geschirr aus Porzellan und in einem Fall aus Steinzeug handelte. Die insofern nachzuerhebenden Einfuhrabgaben wurden im Wesentlichen über Aufschubkonten der jeweiligen Speditionen entrichtet. Wegen eines noch offenen Betrages wurde seitens des für die Abgabenerhebung zuständigen Hauptzollamts Hamburg-1 ein Vollstreckungstitel gegen den Kläger erwirkt, gegen den er mit Schreiben vom 03.09.2012 Einspruch einlegte.
Der Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 09.01.2013 zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mit Einschreiben – ausweislich des Rückscheins – am 16.01.2013 zugestellt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger sei als Anmelder Schuldner der Einfuhrabgaben, dementsprechend sei auch der Vollstreckungstitel an ihn gerichtet worden. Die Vollstreckung sei auch nicht unbillig. Nachteile könnten durch Vereinbarung einer Ratenzahlung abgewendet werden.
Mit seiner am 22.02.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hält die Einfuhrabgabenerhebung für rechtswidrig. Über die Probenentnahme und die Entscheidung des Zollamts sei er nicht informiert worden.
Nachdem der Senat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2013 wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen hatte, trug der Kläger mit Schriftsatz vom 12.06.2013 vor, die Klageschrift rechtzeitig geschickt zu haben, sie trage den Poststempel vom 15.02.2013.
Der Kläger beantragt,
gegen ihn gerichtete Vollstreckungstitel in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.01.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage wegen des Versäumens der Klagefrist für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Sachakte des Beklagten, die auszugsweise vorgelegen, hat verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2010 nicht vertreten war. Er wurde ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, § 91 Abs. 2 FGO.
Die Klage ist unzulässig.
Gemäß § 47 Abs. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage, die der Kläger vorliegend erhoben hat, einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Der außergerichtliche Rechtsbehelf, also die Einspruchsentscheidung vom 09.01.2013, wurde dem Kläger ausweislich des Rückscheins persönlich am 16.01.2013 übergeben, mithin bekannt gegeben. Die Klagefrist lief, da der 16.02.2013 ein Samstag war, bis zum 18.02.2013. Die Klageschrift ging jedoch ausweislich des Eingangsstempels erst am 22.02.2013 und damit verfristet beim Finanzgericht ein.
Anlass, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO zu gewähren, besteht nicht. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was das Gericht veranlassen könnte, Wiedereinsetzung zu gewähren. Sofern er vorträgt, die Klageschrift ausweislich des polnischen Poststempels am 15.02.2013 zur Post gegeben zu haben, rechtfertigt dies keine Wiedereinsetzung, da das Versäumen der Klagefrist gleichwohl nicht unverschuldet ist. Angesichts der üblichen Postlaufzeiten konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass ein am Freitag, dem 15.02.2013, abgesandtes Einschreiben bereits am kommenden Werktag, also Montag, dem 18.02.2013, bei Gericht eingeht. Lediglich bei Postsendungen innerhalb des Bundesgebietes darf davon ausgegangen werden, dass werktags aufgegebene Sendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden (Brandis in Tipke/Kruse, § 110 AO Rn. 14). Von einer derart kurzen Laufzeit kann allerdings bei der Zustellung einer Postsendung aus Polen mittels Einschreiben ins Bundesgebiet nicht ausgegangen werden. Die Laufzeit für Post von Polen nach Deutschland beträgt 2-3 Tage (Angabe unter www.deutschepost.de, internationale Brieflaufzeiten). Der Kläger darf zwar die Rechtsmittelfrist ausschöpfen und darauf vertrauen, dass die Klageschrift innerhalb der üblichen Laufzeit bei Gericht eingeht, er muss jedoch, wenn die übliche Laufzeit 2-3 Tage beträgt, damit rechnen, dass die
Postsendung drei Tage braucht. Insofern konnte der Kläger jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die Klageschrift vor Dienstag, dem 19.02.2013 bei Gericht eingeht. Selbst bei einem Eingang am 19.02.2013 wäre die Klage indes verfristet, sodass in jedem Fall von einem verschuldeten Versäumen der Klagefrist ausgegangen werden muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.