FG Baden-Württemberg: Unmittelbarer Gesellschafterwechsel löst Steuer aus
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.04.2024 – 5 K 2022/23
(Mitteilung vom 18.12.2025, Revision anhängig: BFH II R 24/24)
Die Reform der grunderwerbsteuerlichen Anteilseignerwechsel zum 1. Juli 2021 sorgt weiterhin für erhebliche Unsicherheiten in der Gestaltungspraxis. Mit Urteil vom 26. April 2024 hat das FG Baden-Württemberg nun klargestellt, dass auch die bloße Verkürzung einer Beteiligungskette einen steuerbaren Vorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG darstellen kann – selbst dann, wenn sich die wirtschaftliche Beteiligung an dem Grundstück nicht verändert.
1. Hintergrund: § 1 Abs. 2b GrEStG
Nach § 1 Abs. 2b GrEStG unterliegt ein Vorgang der Grunderwerbsteuer, wenn:
- eine Kapitalgesellschaft inländischen Grundbesitz hält und
- sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt ändert,
- dass mindestens 90 % der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen.
Die Vorschrift wurde eingeführt, um Umgehungsgestaltungen über Anteilstransaktionen bei grundbesitzenden Gesellschaften zu verhindern.
2. Der entschiedene Sachverhalt (vereinfacht)
- Eine grundbesitzende GmbH (Enkel-GmbH) war zu 100 % im Eigentum einer Mutter-GmbH.
- Alleinige Gesellschafterin der Mutter-GmbH war eine Großmutter-GmbH.
- Bereits 2019 hatte die Großmutter-GmbH mittelbar 100 % der Anteile gehalten.
- Zum 01.01.2022 übertrug die Mutter-GmbH sämtliche Anteile an der grundbesitzenden GmbH direkt auf die Großmutter-GmbH.
Das Finanzamt setzte gegenüber der grundbesitzenden GmbH Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2b GrEStG fest.
Die Klägerin argumentierte:
- Es liege lediglich eine Verkürzung der Beteiligungskette vor.
- Die Großmutter-GmbH sei bereits Altgesellschafterin gewesen.
- Ein steuerbarer Gesellschafterwechsel liege daher nicht vor.
3. Entscheidung des FG Baden-Württemberg
Das Finanzgericht wies die Klage ab und stellte klar:
3.1 Unmittelbarer Gesellschafterwechsel ist entscheidend
Der direkte Erwerb von 100 % der Anteile an der grundbesitzenden GmbH stellt einen unmittelbaren Gesellschafterwechsel dar.
➡️ Damit ist der Tatbestand des § 1 Abs. 2b Satz 1 GrEStG erfüllt.
Ob der Erwerber zuvor bereits mittelbar beteiligt war, ist in diesem Fall unerheblich.
3.2 Mittelbare Beteiligungen spielen keine Rolle
Das Gericht betont:
- Liegt eine unmittelbare Änderung des Gesellschafterbestands vor,
- sind mittelbare Beteiligungsverhältnisse nicht mehr zu prüfen.
Maßgeblich ist allein der zivilrechtlich wirksame Übergang der Geschäftsanteile.
Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise greift hier nicht.
3.3 Keine einschränkende Auslegung zugunsten der Steuerpflichtigen
Eine Auslegung, wonach ein bereits mittelbar beteiligter Erwerber als „Altgesellschafter“ zu behandeln sei, lehnte das Gericht ausdrücklich ab.
Nach Auffassung des FG entspricht die Besteuerung:
- dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 2b GrEStG,
- dem gesetzgeberischen Willen zur Missbrauchsverhinderung,
- und führt nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung.
4. Praktische Konsequenzen für die Beratungspraxis
Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für:
- Konzerninterne Umstrukturierungen
- Holding- und Stiftungsstrukturen
- Share-Deals mit grundbesitzenden Kapitalgesellschaften
- Nachfolgeregelungen innerhalb von Unternehmensgruppen
Wichtiger Praxishinweis:
Auch rein konzerninterne Umhängungen von Anteilen können Grunderwerbsteuer auslösen, selbst wenn sich die wirtschaftliche Eigentümerstellung am Grundstück nicht ändert.
5. Abgrenzung zu § 1 Abs. 3 GrEStG
Das FG stellt zudem klar:
- § 1 Abs. 2b GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG erfassen unterschiedliche Steuerzugriffe.
- § 1 Abs. 3 GrEStG knüpft an die Vereinigung von Anteilen an,
- § 1 Abs. 2b GrEStG an den Gesellschafterwechsel auf Gesellschaftsebene.
Eine unzulässige Doppelbelastung liegt daher nicht vor.
6. Revision beim BFH – was sollten Steuerpflichtige tun?
Die Revision ist beim BFH unter dem Az. II R 24/24 anhängig. Bis zur Entscheidung gilt:
- Gestaltungen sollten vor Umsetzung grunderwerbsteuerlich geprüft werden, auch bei konzerninternen Vorgängen.
- In laufenden Verfahren kann ein Ruhen des Verfahrens sinnvoll sein.
- Bei geplanten Strukturmaßnahmen empfiehlt sich eine vorausschauende Alternativenprüfung (z. B. zeitliche Staffelung, andere Transaktionswege).
7. Fazit
Das FG Baden-Württemberg bestätigt eine strenge Anwendung des § 1 Abs. 2b GrEStG:
Die Verkürzung einer Beteiligungskette ist kein steuerneutraler Vorgang, wenn sie zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel führt.
Für die Praxis bedeutet dies:
Grunderwerbsteuerliche Risiken bestehen auch dort, wo wirtschaftlich „nichts passiert“.
Eine frühzeitige steuerliche Begleitung ist daher unerlässlich.
Hinweis: Dieser Beitrag ersetzt keine individuelle steuerliche Beratung. Die Beurteilung hängt stets von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.