Die Grundsteuerreform bringt nicht nur neue Bewertungsregeln, sondern auch zahlreiche verfahrensrechtliche Herausforderungen mit sich – insbesondere bei einem Eigentumsübergang nach dem 1. Januar 2022. In der Praxis stellen sich regelmäßig folgende Fragen:
- Wer erhält den Grundsteuerwertbescheid?
- Muss ein neuer Bescheid erlassen werden?
- Wer darf Einspruch einlegen?
- Was passiert bei Verfahrensfehlern der Finanzverwaltung?
I. Eigentumswechsel vor oder nach Bekanntgabe des Bescheids – was gilt?
1. Bekanntgabe an den alten Eigentümer vor Eigentumsübergang
Nach § 182 Abs. 2 AO wirkt der Bescheid über den Grundsteuerwert auch gegenüber dem Erwerber, wenn er dem bisherigen Eigentümer vor dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang (also vor Grundbucheintragung) bekanntgegeben wurde. In diesem Fall:
- Erhält der neue Eigentümer keinen neuen Bescheid über den Grundsteuerwert,
- sondern lediglich eine Zurechnungsfortschreibung zum nächsten 1. Januar.
- Gegen diese Zurechnungsfortschreibung kann der neue Eigentümer nur Einspruch einlegen, wenn er bestreitet, Eigentümer geworden zu sein.
Ein Einspruch gegen die Bewertung selbst ist in diesem Fall nicht möglich – es sei denn, die Einspruchsfrist des ursprünglichen Bescheids läuft noch (§ 355 AO). Hat der alte Eigentümer bereits Einspruch eingelegt, „übernimmt“ der neue Eigentümer den Streitgegenstand, kann aber nicht selbst Einspruchsführer werden.
2. Eigentumsübergang vor Bekanntgabe des Bescheids
Anders ist die Rechtslage, wenn der Grundsteuerwertbescheid erst nach dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang (also nach Eintragung im Grundbuch) erlassen wird:
- Dann muss der Bescheid dem neuen Eigentümer bekanntgegeben werden.
- Eine Bekanntgabe an den alten Eigentümer wäre in diesem Fall unwirksam (§ 182 Abs. 2 Satz 2 AO).
Das gilt entsprechend auch für den Grundsteuermessbescheid (§ 184 Abs. 1 Satz 4 AO).
3. Wer schuldet die Grundsteuer?
Die Grundsteuer ist eine Jahressteuer. Schuldner ist, wer am 1. Januar eines Jahres im Grundbuch steht, unabhängig davon, wann Nutzen und Lasten zivilrechtlich übergehen. Diese vertragliche Regelung ist nur zwischen Käufer und Verkäufer bindend, nicht gegenüber der Finanzbehörde.
Achtung: Der Erwerber haftet neben dem Verkäufer auch für die Grundsteuer des Übergangsjahres sowie des Vorjahres.
II. Wichtige Fallkonstellationen im Überblick
- Rechtsnachfolge vor Erlass des Bescheids:
Der Bescheid wirkt nur, wenn er dem Rechtsnachfolger bekanntgegeben wird. Die Einspruchsfrist beginnt erst mit Bekanntgabe an den neuen Eigentümer. - Rechtsnachfolge während laufender Einspruchsfrist:
Der neue Eigentümer kann selbst Einspruch einlegen, da die Frist durch Bekanntgabe an den alten Eigentümer in Lauf gesetzt wurde. - Rechtsnachfolge nach Ablauf der Einspruchsfrist:
Der neue Eigentümer kann keinen Einspruch mehr einlegen – der Bescheid wirkt gegen ihn fort. - Rechtsnachfolge während eines laufenden Einspruchsverfahrens:
Der alte Eigentümer bleibt Einspruchsführer. Der neue Eigentümer kann (und sollte) beteiligt werden. Nur bei einer Erbschaft wird der Erbe automatisch Verfahrensbeteiligter. - Rechtsnachfolge während der Klagefrist:
Der Rechtsnachfolger kann innerhalb der verbleibenden Frist des Rechtsvorgängers Klage erheben.
III. Fehlerhafte Verwaltungsakte – was tun?
- Finanzamt hebt ursprünglichen Bescheid auf und erlässt neuen an Erwerber:
Das ist rechtswidrig – ein einmal aufgehobener Verwaltungsakt kann nicht einfach ersetzt werden.
→ Einspruch gegen den neuen Bescheid einlegen mit Hinweis auf den Verstoß gegen das Verbot der Doppelbekanntgabe. - Finanzamt erlässt denselben Bescheid erneut an den neuen Eigentümer:
Auch dies ist problematisch, da es sich rechtlich wohl nicht um einen wirksamen neuen Bescheid handelt. Trotzdem:
→ Vorsorglich Einspruch einlegen, insbesondere wenn der erste Bescheid noch nicht bestandskräftig ist.
IV. Gesetzesgrundlage (§ 182 Abs. 2 AO – Auszug)
„Ein Feststellungsbescheid über einen Grundsteuerwert […] wirkt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt mit steuerlicher Wirkung übergeht.
Tritt die Rechtsnachfolge jedoch ein, bevor der Feststellungsbescheid ergangen ist, so wirkt er gegen den Rechtsnachfolger nur dann, wenn er ihm bekannt gegeben wird.“
Fazit
Wer ein Grundstück nach dem 1. Januar 2022 erwirbt, sollte dringend klären:
- Wurde bereits ein Bescheid über den Grundsteuerwert erlassen?
- Ist dieser noch anfechtbar?
- Wurde er an den richtigen (aktuellen) Eigentümer bekanntgegeben?
Tipp für Käufer und Verkäufer:
Regeln Sie im Kaufvertrag, wer sich im Zweifel um den Einspruch kümmern muss – und prüfen Sie gemeinsam, ob der Wert sachgerecht ist.
Bei Unsicherheiten unterstützen wir Sie gerne bei der rechtlichen Einordnung und Einlegung von Einsprüchen – bevor ein zu hoher Bescheid bestandskräftig wird.