Justizminister erzielen Einigung über moderne Insolvenzvorschriften

Ein „Rettungs- und Sanierungsansatz“ im Insolvenzrecht soll grenzüberschreitend tätigen Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, eigentlich aber rentabel sind, eine zweite Chance geben – darauf haben sich die Minister im Rat „Justiz“ am 04.12.2014 geeinigt. Die neuen Insolvenzvorschriften (IP/12/1354) werden Unternehmensumstrukturierungen erleichtern und Gläubigern helfen, ihr Geld zurückzubekommen, und sie werden sicherstellen, dass die grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren wirksam und effizient sind.
EU-Justizkommissarin Vera Jourová erklärte hierzu: „EU-weit sind jedes Jahr 50.000 Unternehmen von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren betroffen; das ist ein Viertel aller Verfahren in der EU. Gegenwärtig verlieren jährlich schätzungsweise 400.000 Menschen ihren Arbeitsplatz infolge von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren. Die heute erzielte politische Einigung ist eine wichtige Etappe bei unserem Vorhaben, in Europa bestmögliche Voraussetzungen für Wachstum und Investitionen zu schaffen. Wir haben die Herausforderungen der Finanzkrise erfolgreich gemeistert, und nun wollen wir mit neuen Insolvenzvorschriften den Binnenmarkt stärken.“

„Es war dringend notwendig, rentablen Unternehmen eine zweite Chance zu geben. Die neuen Vorschriften werden dies ermöglichen und zudem die Wirksamkeit der Insolvenzverfahren in der EU verbessern. Mit diesen neuen Vorschriften legen wir eine solide Grundlage für die Förderung von Wachstum und Beschäftigung in Europa. Wir sorgen dafür, dass Unternehmer in Europa zuversichtlich investieren können. Arbeitnehmer können darauf vertrauen, dass ihr Unternehmen bei finanziellen Schwierigkeiten nun bessere Aussichten hat, wieder auf die Beine zu kommen, und dass ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt. Ich danke dem italienischen Ratsvorsitz für seine zielstrebigen Bemühungen um eine Einigung über diese für die Schaffung eines attraktiven Investitionsumfelds in Europa so wesentlichen Vorschriften.“

Die neue Verordnung sieht Folgendes vor:

  • Einen größeren Anwendungsbereich: Die Vorschriften finden auf eine größere Zahl von Insolvenzverfahren für juristische und natürliche Personen Anwendung, beispielsweise das spanische Vergleichsverfahren, das italienische Reorganisationsplan-Verfahren und die finnischen Verbraucherinsolvenzverfahren. Die Reform ermöglicht es, insgesamt 19 neue nationale Insolvenzverfahren mit der Verordnung abzudecken.
  • Rechtssicherheit und Verhütung von „Insolvenztourismus“: Verlegt ein verschuldetes Unternehmen seinen Sitz, kurz bevor es Konkurs anmeldet, muss das Gericht den Fall sorgfältig prüfen, um festzustellen, ob die Verlegung des Firmensitzes durch legitime Gründe gerechtfertigt und nicht missbräuchlich war.
  • Vernetzung der Insolvenzregister: Das Europäische Justizportal bietet Unternehmen, Gläubigern und Anlegern einen einfachen Zugang zu sämtlichen nationalen Insolvenzregistern. In sieben Mitgliedstaaten wird das System bereits genutzt(IP/14/774).
  • Bessere Überlebenschancen für Unternehmen: Mit den neuen Vorschriften wird vermieden, dass in anderen Mitgliedstaaten Sekundärverfahren eröffnet werden. Gleichzeitig wird der Schutz der Interessen der einheimischen Gläubiger sichergestellt. Die Umstrukturierung von Unternehmen mit grenzüberschreitenden Tätigkeiten wird einfacher.
  • Ein Rahmen für Gruppeninsolvenzverfahren: Eine höhere Effizienz der Insolvenzverfahren für die einzelnen Mitglieder einer Unternehmensgruppe verbessert die Aussichten, die Unternehmensgruppe insgesamt zu retten.

Die am 04.12.2014 erzielte politische Einigung folgt dem allgemeinen Ansatz, auf den sich die Minister im Juni (MEMO/14/88) verständigt haben und spiegelt das Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über den Wortlaut der neuen Rechtsvorschriften wider.

Die neue Verordnung ersetzt die bisherigen europäischen Vorschriften zum Insolvenzrecht(Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren), die seit dem 31. Mai 2002 in Kraft sind. Zusammen mit der Empfehlung der Kommission für einen neuen Ansatz im Umgang mit unternehmerischem Scheitern und Unternehmensinsolvenzen (IP/14/254) wird sie in Europa ein Insolvenzrecht schaffen, bei dem die Unternehmenssanierung im Vordergrund steht.

Nächste Schritte
Der Rat dürfte die Verordnung im März 2015 formell annehmen. Anschließend wird sie vom Europäischen Parlament (Rechtsausschuss (JURI) und Plenum) im April oder Mai 2015 offiziell verabschiedet. Die Verordnung tritt dann 24 Monate später in Kraft.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 04.12.2014

 

Januar bis September 2014: 8,7 % weniger Unternehmensinsolvenzen

Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 05.12.2014

In den Monaten Januar bis September 2014 meldeten die deutschen Amtsgerichte 18.199 Unternehmensinsolvenzen. Das waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 8,7 % weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen lag im Zeitraum Januar bis September 2014 mit 65.255 Fällen um 5,8 % niedriger als in den ersten neun Monaten 2013. Zusammen mit den Insolvenzen von anderen privaten Schuldnern und Nachlässen summierte sich die Gesamtzahl der Insolvenzen auf insgesamt 101.935 Fälle, das waren 5,2 % weniger als in den Monaten Januar bis September 2013.

Im Wirtschaftsbereich Handel (einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftwagen) gab es in den Monaten Januar bis September 2014 mit 3.469 Fällen die meisten Unternehmensinsolvenzen. 3.052 Insolvenzanträge stellten Unternehmen des Baugewerbes. Im Wirtschaftsbereich Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen wurden 2.082 Insolvenzanträge gemeldet.

Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger aus beantragten Unternehmensinsolvenzen bezifferten die Amtsgerichte für den Zeitraum Januar bis September 2014 auf knapp 20,2 Milliarden Euro. Die durchschnittliche Forderungshöhe je beantragter Unternehmensinsolvenz lag damit bei etwa 1 Million Euro.

Auf Basis der bisherigen Entwicklung rechnet das Statistische Bundesamt für das gesamte Jahr 2014 mit rund 24.500 Unternehmensinsolvenzen (2013: 25.995) und rund 87.000 Verbraucherinsolvenzen (2013: 91.200). Insgesamt werden rund 135.700 Insolvenzfälle (2013: 141.332) erwartet.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Statistischen Bundesamtes.

Quelle: Statistisches Bundesamt