Kein Schadensersatz gegen Hersteller des Dieselmotors EA 189 bei Kauf im Januar 2016

Kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Hersteller des Dieselmotors EA 189, wenn das betroffene Fahrzeug im Januar 2016 bei einem Vertragshändler erworben wurde.

Eine Käuferin, die im Januar 2016 bei einem Vertragshändler ein gebrauchtes Fahrzeug erworben hat, in dem der Dieselmotor der Baureihe EA 189 verbaut ist, kann von dem Motorenhersteller keinen Schadensersatz verlangen. Das hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 29.11.2019 entschieden.

Zum Sachverhalt

Die Klägerin kaufte im Januar 2016 von einem VW-Vertragshändler einen gebrauchten VW Touran 1,6 l TDI (Erstzulassung April 2012). In dem Fahrzeug ist der von der Beklagten hergestellte Dieselmotor der Baureihe EA 189 verbaut. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von dem „Abgasskandal“ hatte. Sie behauptet, erstmals davon erfahren zu haben, als sie schriftlich aufgefordert wurde, das Software-Update aufspielen zu lassen. Sie verlangt von der Beklagten als Herstellerin des Motors Schadensersatz, und zwar Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht hatte keinen Erfolg. Der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Berufung zurückgewiesen.

Aus den Gründen

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu, denn im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses lag kein vorsätzliches Schädigungsverhaltender Beklagten vor.

Zwar handelte die Beklagte sittenwidrig, als sie das Fahrzeug mit dem manipulierten Motor im April 2012 in den Verkehr brachte, denn dem Fahrzeug drohte die Stilllegung. Doch selbst wenn sie in diesem Zeitpunkt auch vorsätzlich gehandelt haben sollte, so wirkt dieser Vorsatz nicht bis in den Januar 2016 fort. Die Beklagte ergriff nämlich in dem Zeitraum nach Veröffentlichung ihrer „ad-hoc-Mitteilung“ (September 2015) weitere Maßnahmen zur Aufklärung. Diese Maßnahmen betrafen insbesondere die Aufklärung potentieller Käufer, die ein Fahrzeug – so wie im vorliegenden Fall – bei einem Vertragshändler erwerben wollten. Die Beklagte teilte den Vertragshändlern im internen Händlerinformationssystem mit, welche Fahrzeuge betroffen waren und wies die Vertragshändler unmissverständlich darauf hin, dass eine Pflicht bestehe, die Käufer zu informieren. Die Beklagte stellte dafür ein Formular zur Verfügung, aus dem sich für die Käufer mit ausreichender Deutlichkeit ergab, dass sie mit dem Erwerb des Fahrzeugs Nachteile auf sich nehmen würden. Die Beklagte machte also jedenfalls im Januar 2016 deutlich, dass sie an der Aufklärung der betroffenen Käufer interessiert war und wirkte hieran mit. Sie kooperierte mit den staatlichen Stellen und verdeckte den Einsatz der Manipulationssoftware nicht mehr. Zudem arbeitete sie im Januar 2016 bereits an der Entwicklung eines Software-Updates und anderer Maßnahmen, um die Zulassungsfähigkeit der betroffenen Fahrzeuge für den Straßenverkehr wiederherzustellen. Damit war ihr Wille insgesamt darauf gerichtet, insbesondere für Gebrauchtwagenkäufer, die ein Fahrzeug bei einem Vertragshändler erwerben wollten, die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs und damit den Zustand, der den Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung begründet, zu beseitigen.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin ergibt sich darüber hinaus auch nicht aus anderen Vorschriften.

Quelle: OLG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 29.11.2019 zum Urteil 1 U 32/19 vom 29.11.2019