Keine Aufrechnung Strom gegen Gas

Beziehen Leistungsempfänger nach dem SGB II Strom und Gas vom selben Anbieter und rechnet dieser in der Jahresabrechnung ein vorhandenes Stromguthaben gegen eine Heizkostennachforderung auf, muss der SGB II-Leistungsträger die gesamte Heizkostennachforderung übernehmen und nicht nur den um das Stromguthaben geminderten Betrag. So hat es das Sozialgericht Schleswig mit Urteil vom 10. August 2022 entschieden (Az. S 35 AS 635/18).

Geklagt hatten die Eltern dreier Kinder, die als Familie Leistungen nach dem SGB II vom Kreis Schleswig-Flensburg erhalten. Sie beziehen sowohl den Strom für ihre Wohnung als auch Gas, das sie zum Heizen nutzen, über die Stadtwerke. Mit der Jahresabrechnung für das Jahr 2017 teilten die Stadtwerke ihnen mit, dass aus den für Strom gezahlten Abschlägen ein Guthaben resultiere, für Gas aber noch eine Nachzahlung geleistet werden müsse. Die Stadtwerke rechneten diese beiden Beträge gegeneinander auf und forderten insgesamt noch einen Betrag in Höhe von 37,45 Euro von den Klägern. Diese Nachzahlung übernahm der Kreis. Die Kläger forderten aber den gesamten Betrag für die Heizkostennachforderung in Höhe von 649,24 Euro.

Zum Hintergrund: Die Heizkosten werden zusammen mit den Kosten der Unterkunft vom Jobcenter bzw. Kreis als SGB II-Leistungsträger übernommen. Strom zahlen die Leistungsempfänger hingegen aus ihrem Regelsatz selbst. Somit steht ihnen grundsätzlich auch das aus einer Jahresabrechnung resultierende Guthaben für zu viel gezahlte Stromabschläge zu, ohne dass dies als Einkommen zu berücksichtigen ist. Ist der Stromanbieter ein anderer als der Gaslieferant, bekommen Leistungsempfänger daher ein etwaiges Stromguthaben zurück, während sie eine Nachforderung für Gas vollständig über die SGB II-Leistungen erstattet erhalten. Werden aber Strom und Gas vom selben Versorger geliefert, werden Guthaben und Nachforderungen in der Regel gegeneinander aufgerechnet und nur der verbleibende Anteil geltend gemacht oder ausbezahlt. Der Kreis Schleswig/Flensburg ging bislang in solchen Fällen davon aus, dass er nur die tatsächlich vom Versorger verlangte Nachforderung übernehmen müsse, da nur insoweit ein Bedarf bestehe. Das sah das Sozialgericht Schleswig anders. Es ging davon aus, dass der Bedarf an Heizkosten in der vollen Höhe der Heizkostennachforderung entstehe, auch wenn davon ein Teil aus eigenen Mitteln der Leistungsbezieher, nämlich durch das Stromguthaben, bereits beglichen worden sei. Den Klägern dürfe außerdem durch den Bezug von Strom und Gas aus einer Hand kein Nachteil entstehen.

Das Sozialgericht hat die Sprungrevision zum Bundessozialgericht zugelassen, da es dieser Frage grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Der Kreis hat die Sprungrevision eingelegt (Az. beim Bundessozialgericht: B 7 AS 21/22 R).

Quelle: SG Schleswig, Pressemitteilung vom 30.09.2022 zum Urteil S 35 AS 635/18 vom 10.08.2022