Keine Verzinsung der Wegzugsteuer

Keine Verzinsung der Wegzugsteuer

Kernaussage

Das Ziel der so genannten „Wegzugsbesteuerung“ besteht darin, sicherzustellen, dass die im Inland gelegten stillen Reserven auch im Inland steuerlich erfasst werden. Dazu werden in der Regel bei einem Wohnsitzwechsel in ein anderes Land die stillen Reserven erfasst und besteuert. Es wird also ein fiktiver Veräußerungsvorgang angenommen. Die deutsche Wegzugsbesteuerung ist in § 6 des Außensteuergesetzes (AStG) geregelt. Sofern eine natürliche Person, die insgesamt mindestens 10 Jahre in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlegen hat, ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt, werden die stillen Reserven in sämtlichen Anteilen (bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2006 inländische Anteile) an Kapitalgesellschaften, an denen der Steuerpflichtige in den vergangenen 5 Jahren zu mindestens 1 % beteiligt war bzw. ist (s. § 17 EStG) besteuert, soweit er im Zeitpunkt des Wegzuges noch Anteile hält. Da kein Verkauf stattgefunden hat, gilt als Veräußerungspreis der gemeine Wert (in etwa der Marktwert) der Anteile zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels. In diesem Zusammenhang hat das Finanzgericht Düsseldorf kürzlich entschieden, dass die Wegzugsteuer nicht der Vollverzinsung unterliegt.

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute, die nach mehr als 10-jähriger unbeschränkter Steuerpflicht ihren Wohnsitz von Deutschland nach Österreich verlagerten. Die zum Zeitpunkt des Wegzugs vorhandenen Anteile an Kapitalgesellschaften waren im Zusammenhang mit der Wohnsitzverlegung steuerlich nach § 6 AStG zu erfassen. Da die Kläger innerhalb der EU verzogen sind, war die zu erhebende Steuer aber zinslos zu stunden (§ 6 Abs. 5 AStG). Die Festsetzung der Steuer nach § 6 AStG erfolgte mit einer zeitlichen Verzögerung von mehr als 4 Jahren und führte nach Auffassung des Finanzamtes zu einer Vollverzinsung ab dem 15 Monat (§ 233a AO).

Entscheidung

Das Finanzgericht Düsseldorf entschied, dass eine Vollverzinsung nicht zulässig ist, weil sie den Kläger in seinen aus dem EU-Vertrag ableitbaren Grundrechten verletzt. Dabei bezieht sich das Gericht auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), in der entschieden worden war, dass die Wegzugsbesteuerung des AStG so auszugestalten ist, dass sie zwar eine Festsetzung der Steuer ermöglicht, die Erhebung aber grundsätzlich so lange ausschließt, bis der Steuerpflichtige einen tatsächlichen Veräußerungsgewinn erzielt. In diesem Zusammenhang führt bereits eine Verzinsung des Steueranspruchs zu einer Benachteiligung, die vom EuGH nicht toleriert wird.

Konsequenz

Neben diesem grundsätzlichen Hinderungsgrund für eine Erhebung von Zinsen stützt das FG Düsseldorf seine Entscheidung noch auf die folgenden Argumente: Die Festsetzung der Steuer nach § 6 AStG ist nur im Hinblick auf die in Deutschland entstandenen stillen Reserven zulässig. Wenn gleichzeitig geregelt wird, dass diese Steuer zinslos zu stunden ist, kann es nicht zu einer Fälligkeit kommen, die eine Zinsbelastung auslösen könnte. Wenn die Steuer zwar festgesetzt aber nicht erhoben werden kann, kann es auch nicht zu dem von der Vollverzinsungsregelung beabsichtigten Nachteilsausgleich kommen. Insoweit reicht die Zielsetzung des § 6 Abs. 5 AStG über seinen Wortlaut hinaus. Er steht nach Auffassung des Gericht nicht nur einer zinsbewehrten Stundung, sondern auch einer Vollverzinsung entgegen.