Wann darf das Finanzamt mit Forderungen des Steuerpflichtigen aufrechnen?

Wann darf das Finanzamt mit Forderungen des Steuerpflichtigen aufrechnen?

Kernaussage

Das Finanzamt darf nicht pfänden, wenn es auch aufrechnen könnte. Für eine Aufrechnung ist dabei ausreichend, wenn die Hauptforderung erfüllbar ist; sie muss nicht fällig sein.

Sachverhalt

Die Antragstellerin betreibt ein Handelsunternehmen und hat aufgrund von Überschüssen in der Umsatzsteuer ein Vorsteuerguthaben. Der Steueranmeldung dieses Vorsteuerguthabens hat das Finanzamt noch nicht zugestimmt. Parallel pfändete das Finanzamt wegen eines anderen Anspruchs das Konto der Antragstellerin bei einer Bank. Laut Ansicht des Finanzamts scheitere eine Aufrechnung, da der Anspruch aus dem Vorsteuerguthaben (Hauptforderung) noch nicht fällig sei. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Aussetzungsantrag der Antragstellerin statt. Damit wird bis zur Entscheidung über den Einspruch die Pfändung aufgehoben. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist hier erforderlich, da der bloße Einspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet und daher ohne den Aussetzungsantrag sofort vollzogen, sprich gepfändet, werden kann. Zur Begründung führt das Finanzgericht an, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Pfändungsverfügung vorliegen. Vor Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme muss das Finanzamt ohne Ermessenfehler über deren Einleitung entscheiden. Ein Ermessensfehler liegt aber vor, wenn der Anspruch bereits im Erhebungsverfahren verwirklicht werden kann (Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs). Hier hätte mit dem Anspruch aus dem Vorsteuerguthaben (Hauptforderung) der Antragstellering aufgerechnet werden können, da dafür nicht die Fälligkeit der Hauptforderung erforderlich ist. Vielmehr reicht es aus, wenn die Hauptforderung erfüllbar ist. Daher hätte ein milderes Mittel zur Forderungsdurchsetzung als die Pfändung, nämlich die Aufrechnung, bestanden.

Konsequenz

Das Finanzamt muss vor einer Vollstreckung mildere Mittel – wie eine Aufrechnung – ausschöpfen. Daher sind die zivilrechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung exakt zu prüfen. Die Besonderheit, dass hier zur Festsetzung des Vorsteuerguthabens noch die Zustimmung des Finanzamts (§ 168 AO) erforderlich war, schadet im Rahmen der Aufrechnung nicht.