Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.03.2025 – 9 V 9049/25
(Pressemitteilung vom 29.04.2025)
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat klargestellt: Während eines laufenden gerichtlichen Aussetzungsverfahrens nach § 69 FGO dürfen grundsätzlich keine Vollziehungsmaßnahmen ergriffen werden – auch nicht in Form einer Abtretung der Steuerforderung. Damit stärkt das Gericht die Rechte von Steuerpflichtigen auf effektiven Rechtsschutz.
⚖️ Hintergrund des Verfahrens
Im entschiedenen Fall hatte die Finanzbehörde angekündigt, eine streitige Steuerforderung trotz eines laufenden Aussetzungsverfahrens an eine andere Behörde zur Aufrechnung abzutreten – sowohl gegenüber dem Steuerpflichtigen als auch gegenüber dem Gericht.
Der Steuerpflichtige stellte daraufhin einen Antrag auf einstweilige Anordnung, um diese Maßnahme zu verhindern. Das Gericht gab dem Antrag statt.
🔍 Die Entscheidung im Überblick
- Art. 19 Abs. 4 GG garantiert den effektiven Rechtsschutz und somit das Recht auf ungestörte Durchführung des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens (§ 114 Abs. 1 FGO).
- Eine Abtretung der Steuerforderung zur Aufrechnung stellt eine Vollziehungsmaßnahme dar.
- Besondere Gründe für eine vorzeitige Vollziehung müssen von der Finanzbehörde konkret geltend gemacht und glaubhaft gemacht werden – was im vorliegenden Fall nicht geschehen war.
Das Gericht machte außerdem deutlich, dass es offenlässt, ob es im Ausnahmefall zulässige Vollziehungsmaßnahmen während eines Aussetzungsverfahrens geben kann. Solche Maßnahmen bedürften jedoch einer besonderen Rechtfertigung.
🧾 Bedeutung für die Praxis
Für Steuerpflichtige und deren Berater ist die Entscheidung von großer Bedeutung:
- Finanzämter dürfen während laufender Aussetzungsverfahren grundsätzlich keine Abtretungen oder Vollstreckungen einleiten.
- Betroffene sollten bei drohenden Vollziehungsmaßnahmen unverzüglich gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen (§ 114 FGO).
- Die Entscheidung stärkt das Vertrauen in den Grundsatz: Rechtsschutz darf nicht durch Verwaltungsvollzug ausgehöhlt werden.
📣 Fazit
Das FG Berlin-Brandenburg bekräftigt mit dieser Entscheidung, dass Steuerpflichtige einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf eine faire und ungestörte Durchführung von Aussetzungsverfahren haben. Eine Abtretung zur Vollstreckung stellt dabei eine unzulässige Maßnahme dar, solange kein abschließender gerichtlicher Beschluss über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vorliegt – es sei denn, besondere, begründete Ausnahmesituationen liegen vor.
Quelle: Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 29.04.2025
Beschluss vom 20.03.2025, Az. 9 V 9049/25