Kindergeldberechtigung eines im Inland lebenden EU-Ausländers

Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat in seinem Gerichtsbescheid vom 30. März 2023 (1 K 2050/22) entschieden, dass ein möglicher Verstoß des Arbeitgebers gegen arbeitnehmerschützende Vorschriften, wie das Mindestlohngesetz, nicht zur Versagung von Kindergeld für einen freizügigkeitsberechtigten EU-Staatsangehörigen in Deutschland führen kann. Auch eigene strafrechtliche Verurteilungen des Arbeitnehmers alleine würden nicht dazu führen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeschränkt werden kann.

Wesentliche Punkte des Gerichtsbescheids:

  1. Sachverhalt: Der Kläger, ein südosteuropäischer EU-Staatsangehöriger, arbeitet in Deutschland und lebt während seiner Arbeitstätigkeit in einem Wohncontainer, der von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellt wird. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung auf und forderte überzahltes Kindergeld zurück, da sie der Meinung war, dass die Tätigkeit des Klägers keine Beschäftigung im Sinne der EU-Verordnungen darstelle und möglicherweise illegal sei.
  2. Entscheidung des Gerichts: Das Finanzgericht gab der Klage statt und entschied, dass der Kläger kindergeldberechtigt ist. Die Freizügigkeitsberechtigung des Klägers als EU-Staatsangehöriger und die Tatsache, dass er einer nichtselbständigen Arbeit in Deutschland nachgeht, begründen seine Kindergeldberechtigung.
  3. Begründung:
    • Keine Sanktionierung des Arbeitnehmers: Der mögliche Verstoß des Arbeitgebers gegen das Mindestlohngesetz kann nicht zur Sanktionierung des Arbeitnehmers durch Aberkennung der Kindergeldberechtigung führen. Es liegt im Interesse des Arbeitnehmers, dass arbeitnehmerschützende Vorschriften eingehalten werden.
    • Vorrangige Zuständigkeit Deutschlands für Familienleistungen: Deutschland ist als Beschäftigungsstaat des Klägers vorrangig zuständiger EU-Mitgliedsstaat für die Erbringung von Familienleistungen.
    • Kein Ordre-Public-Vorbehalt: Die Arbeitnehmerfreizügigkeit kann nur aufgrund des Ordre-Public-Vorbehalts eingeschränkt werden, und selbst strafrechtliche Verurteilungen des Arbeitnehmers allein sind dafür nicht ausreichend.

Das Urteil betont, dass die Kindergeldberechtigung eines EU-Ausländers in Deutschland nicht durch mögliche Verstöße des Arbeitgebers gegen arbeitnehmerschützende Vorschriften beeinträchtigt werden kann und dass die Freizügigkeitsrechte des Arbeitnehmers zu schützen sind. Es stellt klar, dass Deutschland als Beschäftigungsstaat des Klägers die Familienleistungen zu erbringen hat und dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit ein hohes Gut innerhalb der EU darstellt.