BRAK, Mitteilung vom 10.10.2025
„Law as Code“, KI in der Verwaltung und 24-Stunden-Unternehmensgründung – Bundesregierung beschließt umfassendes Reformprogramm zur Modernisierung von Staat und Gesetzgebung.
Digitalisierung und Entbürokratisierung als Staatsziel
Mit der bei der Kabinettklausur am 1. Oktober 2025 verabschiedeten Modernisierungsagenda hat die Bundesregierung ein ressortübergreifendes Reformprogramm zur Digitalisierung von Staat und Verwaltung beschlossen.
Ziel ist laut offizieller Pressemitteilung ein „schneller, digitaler und handlungsfähiger Staat, der zügig entscheidet und verlässlich liefert“.
Die Agenda verfolgt dabei zwei Hauptziele:
- Verwaltungsmodernisierung – durch digitale Prozesse, Bürokratieabbau und KI-gestützte Entscheidungsunterstützung.
- Bessere Rechtsetzung – durch neue Standards in der Gesetzgebung, insbesondere die Einführung von „Law as Code“, also maschinenlesbaren Rechtsnormen.
Neue Maßstäbe für Gesetzgebung: „Law as Code“
Besonders für Juristinnen und Juristen ist der Teil zur „Besseren Rechtsetzung“ von großer Bedeutung.
Erstmals will die Bundesregierung Rechtsnormen künftig nicht nur in Textform, sondern auch als maschinenlesbaren Code formulieren. Ziel ist eine direkte Integration von Gesetzen in IT-Systeme von Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.
Kernpunkte der Reformidee:
- Einführung einer strukturierten „Frühphase“ bei der Gesetzgebung, in der bereits vor dem Entwurf geprüft wird, ob und wie eine staatliche Regelung erforderlich ist.
- Einsatz von „Reallaboren“ und Experimentierklauseln, um Gesetze vorab unter realen Bedingungen zu testen.
- Nutzung von digitalen Werkzeugen wie Rulemapping (grafische Darstellung von Rechtsregeln) und KI-gestützten Editoren, die Gesetzestexte semantisch analysieren und in konsistente Codierungen überführen.
- Aufbau eines digitalen Gesetzgebungskreislaufs, der von der Konzeption über den Entwurf bis zur praktischen Anwendung reicht.
Dabei soll der natursprachliche Gesetzestext weiterhin rechtsverbindlich bleiben – der Code ergänzt ihn lediglich und erleichtert die maschinelle Verarbeitung.
Mehr Effizienz durch KI und digitale Verwaltung
Neben der Gesetzgebung sollen auch Verwaltungsprozesse digitalisiert und vereinfacht werden.
Künstliche Intelligenz soll in Zukunft bei der Entscheidungsunterstützung in verschiedenen Bereichen helfen – etwa in Visa-Verfahren, bei Verwaltungsakten oder der gerichtlichen Prüfung von Vorgängen.
Die Bundesregierung betont, dass der KI-Einsatz stets kontrolliert und rechtsstaatlich überprüfbar bleiben müsse. Datenschutz, Transparenz und Nachvollziehbarkeit sollen gewahrt werden.
Bürokratieabbau und neue Service-Strukturen
Die Agenda enthält zudem konkrete Entlastungsziele:
- Bürokratiekosten sollen bis 2030 um 25 % reduziert werden.
- Der Personalbestand der Bundesverwaltung soll um 8 %, die Sachkosten um 10 % sinken.
- Verwaltungsleistungen werden künftig stärker zentralisiert und über digitale Serviceportale angeboten.
- Bürgerinnen und Bürger erhalten über ein zentral erreichbares Kontaktcenter (Telefon und Online-Zugang) leichter Unterstützung bei Verwaltungsfragen.
Ein zentrales Symbolprojekt ist die geplante „24-Stunden-Unternehmensgründung“:
Ein einheitliches digitales Gründungsportal soll es ermöglichen, ein Unternehmen innerhalb eines Tages vollständig online zu registrieren – ohne Behördengänge, ohne Papierformulare, über ein bundesweit standardisiertes Verfahren.
Weitere Projekte sind:
- die Zentralisierung der internetbasierten Fahrzeugzulassung (iKfz) beim Kraftfahrt-Bundesamt,
- der sogenannte „Bau-Turbo“ zur Beschleunigung von Bauverfahren und
- die Reduktion von Bundesbehörden zur Effizienzsteigerung.
Rechtsetzung der Zukunft: Qualität vor Quantität
Im Handlungsfeld „Bessere Rechtsetzung“ (ab Seite 18 der Agenda) liegt der Fokus auf Qualität, Verständlichkeit und digitaler Tauglichkeit von Gesetzen.
Geplant sind unter anderem:
- eine vereinheitlichte Methodik für Gesetzesfolgenabschätzungen,
- Basisschulungen für Referentinnen und Referenten in den Ressorts,
- eine digitale Evaluierungsplattform für Gesetzeswirkungen,
- und die Einrichtung eines Zentrums für Legistik, das die Umsetzung koordiniert und vereinfacht.
Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass Gesetze künftig praxisnäher, verständlicher und digital kompatibel werden.
Fazit: Aufbruch in eine digitalisierte Rechtsordnung
Mit der Modernisierungsagenda Digitalisierung markiert die Bundesregierung einen Wendepunkt in der deutschen Verwaltungs- und Gesetzgebungspraxis.
Die Vision: Ein digitaler Rechtsstaat, der bürokratische Hemmnisse abbaut, Innovation fördert und zugleich Rechtsstaatlichkeit und Bürgernähe wahrt.
Für die Praxis bedeutet das:
- Juristische Arbeit wird zunehmend datenbasiert und interdisziplinär.
- Rechtsinformatik und Legal Tech gewinnen weiter an Bedeutung.
- Steuer-, Anwalts- und Beratungskanzleien sollten ihre digitale Kompetenz ausbauen, um künftig mit maschinenlesbaren Normen und automatisierten Verwaltungsprozessen effektiv arbeiten zu können.
Quelle:
Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Mitteilung vom 10.10.2025