OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2025 – 14 A 4745/19
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat mit Urteil vom 11. Dezember 2025 (14 A 4745/19) entschieden, dass die Stadt Mülheim an der Ruhr den Hebesatz der Grundsteuer B für das Veranlagungsjahr 2019 rechtmäßig von 640 % auf 890 % anheben durfte. Die erhebliche Erhöhung verstößt nach Auffassung des Gerichts weder gegen formelle Vorgaben des Kommunalrechts noch gegen verfassungsrechtliche oder haushaltsrechtliche Grundsätze.
Sachverhalt
Der Kläger ist Eigentümer eines in Mülheim an der Ruhr gelegenen Grundstücks. Aufgrund der Hebesatzerhöhung stieg seine Grundsteuer B für das Jahr 2019 um 432,22 Euro – von 1.106,50 Euro auf 1.538,72 Euro.
Gegen die Erhöhung wandte sich der Kläger mit mehreren Argumenten. Er machte im Wesentlichen geltend:
- der Oberbürgermeister habe Zeit, Ort und Tagesordnung der maßgeblichen Ratssitzung nicht rechtzeitig bekannt gemacht,
- während der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangsfrist zur Neuregelung der Einheitsbewertung hätten Gemeinden die Hebesätze nicht erhöhen dürfen,
- die Haushaltswirtschaft der Stadt Mülheim habe gegen das kommunalrechtliche Gebot der Sparsamkeit verstoßen.
Entscheidung des OVG NRW
Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab und bestätigte die Rechtmäßigkeit der Hebesatzerhöhung.
Ordnungsgemäße Bekanntmachung der Ratssitzung
Nach Auffassung des Gerichts war die Bekanntmachung von Zeit, Ort und Tagesordnung der Ratssitzung unter den gegebenen Umständen noch rechtzeitig. Maßgeblich sei gewesen, dass sich die Stadt Mülheim in einer auch zeitlich dringenden Haushaltssanierung befunden habe. Vor diesem Hintergrund genügten die getroffenen Bekanntmachungsmaßnahmen den kommunalrechtlichen Anforderungen.
Hebesatzerhöhung trotz Übergangsfrist zur Grundsteuerreform
Das OVG stellte klar, dass sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14 u. a.) kein Verbot von Hebesatzerhöhungen während der Übergangsfrist zur Neuregelung der Einheitsbewertung ergibt. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist zur Reform der Grundsteuer eingeräumt, zugleich aber deutlich gemacht, dass die Gemeinden weiterhin handlungsfähig bleiben sollten. Dazu gehöre auch die Möglichkeit, Hebesätze anzupassen.
Keine Überprüfung der Haushaltswirtschaft im Grundsteuerverfahren
Schließlich wies das OVG darauf hin, dass die Frage, ob die Haushaltsführung der Kommune den Geboten der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Sparsamkeit entsprochen hat, nicht Gegenstand eines Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Grundsteuererhebung ist. Diese Aspekte seien ggf. in anderen kommunalaufsichtlichen oder haushaltsrechtlichen Verfahren zu klären, nicht jedoch im Rahmen einer Anfechtung der Grundsteuerfestsetzung.
Keine Revision zugelassen
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dem Kläger bleibt lediglich die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht zu erheben.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung für Grundstückseigentümer und Kommunen:
- Auch sehr deutliche Hebesatzerhöhungen können rechtmäßig sein, wenn formelle Anforderungen eingehalten werden.
- Die Übergangsphase zur Grundsteuerreform schränkt die Hebesatzautonomie der Gemeinden nicht ein.
- Einwendungen gegen die kommunale Haushaltsführung sind im Grundsteuerverfahren grundsätzlich unbeachtlich.
Für Eigentümer bedeutet dies, dass rechtliche Angriffsmöglichkeiten gegen hohe Grundsteuer-Hebesätze stark begrenzt sind. Für Kommunen bestätigt das Urteil den weiten Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Hebesätze.
Quelle: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.12.2025 – 14 A 4745/19, Pressemitteilung vom 11.12.2025