FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 31.03.2025 – 3 K 28/24 (rechtskräftig)
Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 06.10.2025
🔍 Kernaussagen des Urteils
- Der vorzeitige Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht an land- und forstwirtschaftlichen Flächen führt nicht zur Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG (a. F.), wenn die Kontinuitätsanforderungen an das Betriebsvermögen nicht erfüllt sind.
- Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten – eine Abzinsung für die Zeit zwischen Vertragsabschluss und Bedingungseintritt ist nicht zulässig, sofern § 12 Abs. 3 BewG keine Anwendung findet.
⚖️ Sachverhalt
Der Kläger hatte im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge von seinem Vater einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erhalten.
Der Vater (Schenker) behielt sich dabei ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an den übertragenen Flächen vor und bewirtschaftete diese weiter selbst.
Einige Jahre später übertrug der Vater weitere Grundstücke auf den Sohn und erklärte zugleich den teilweisen Verzicht auf das vorbehaltene Nießbrauchsrecht.
Im Gegenzug verpflichtete sich der Sohn im Rahmen des Schenkungsvertrages, ein eigenes Grundstück zu übertragen, sobald der Vater und dessen Ehefrau dort ihren Wohnsitz nehmen wollten – eine aufschiebend bedingte Gegenleistung, die später tatsächlich eintrat.
Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest.
- Es erkannte keine Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG für den Nießbrauchsverzicht an.
- Zudem diskontierte es den Wert des später übertragenen Grundstücks auf den Vertragszeitpunkt ab.
Der Kläger wandte sich gegen beides:
Er verlangte die Steuerbegünstigung für den Nießbrauchsverzicht und wandte sich gegen die Abzinsung der Gegenleistung.
🧾 Entscheidung des Finanzgerichts
Der 3. Senat des FG Schleswig-Holstein entschied zweigeteilt:
✅ 1. Keine Abzinsung der bedingten Last
Das Gericht gab dem Kläger teilweise Recht:
Eine aufschiebend bedingte Last darf nicht auf den Vertragszeitpunkt abgezinst werden.
Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts, an dem die Verpflichtung tatsächlich wirtschaftlich wirksam wird.
Das FG folgt damit der BFH-Rechtsprechung und lehnt eine erweiternde Anwendung des § 12 Abs. 3 BewG ab.
Einen entsprechenden Nichtanwendungserlass des BMF hielt das Gericht für rechtswidrig.
❌ 2. Keine Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG (a. F.)
Für den Nießbrauchsverzicht versagte das Gericht hingegen die Steuerbegünstigung:
- Der Nießbraucher hatte die Flächen selbst bewirtschaftet – es handelte sich damit um eigenes Betriebsvermögen.
- Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht führte zwar zu einer Übertragung von Nutzungsrechten, nicht aber zur Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Ganzen.
- Eine „Gesamtbetrachtung“ von Schenker und Erwerber, wie vom Kläger begehrt, scheidet aus.
- Das Kontinuitätsgebot der §§ 13a, 13b ErbStG (a. F.) – also die ununterbrochene Fortführung desselben Betriebsvermögens – wurde nicht erfüllt.
Damit ist ein Nießbrauchsverzicht, der aus einer ursprünglichen Hofübertragung stammt, nicht begünstigt, wenn sich die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen des Betriebsvermögens zwischen Schenker und Erwerber unterscheiden.
Das Urteil ist rechtskräftig.
🧩 Bedeutung für die Praxis
Das Urteil verdeutlicht zwei zentrale Punkte der Schenkungsteuer bei land- und forstwirtschaftlichen Übertragungen:
- Steuerbegünstigungen nach §§ 13a, 13b ErbStG greifen nur bei kontinuierlichem Betriebsvermögen – das gilt auch bei mehrfach gestuften oder zeitlich versetzten Übertragungen.
→ Wird der Betrieb durch einen Nießbrauchsvorbehalt zivilrechtlich geteilt oder verändert, geht der Zusammenhang verloren. - Bewertung aufschiebend bedingter Lasten erfolgt erst bei Eintritt der Bedingung – keine Abzinsung bei schwebenden Verpflichtungen, sofern § 12 Abs. 3 BewG nicht einschlägig ist.
🧰 Praxisbox
1️⃣ Gestaltungshinweise:
- Bei der vorweggenommenen Hofübertragung sollte geprüft werden, ob ein Nießbrauchsvorbehalt später steuerlich hinderlich ist.
- Wird ein Nießbrauch vorzeitig aufgehoben, ist die Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG in der Regel nicht mehr anwendbar.
- Eine steuerneutrale Gestaltung ist nur möglich, wenn der Nießbrauchsverzicht Bestandteil einer einheitlichen, zusammenhängenden Betriebsübertragung ist.
2️⃣ Bewertungshinweise:
- Aufschiebend bedingte Verpflichtungen (z. B. Rückübertragungen, Wohnrechts- oder Grundstücksübertragungen) sind erst im Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten.
- Eine Abzinsung darf nur erfolgen, wenn der Tatbestand des § 12 Abs. 3 BewG erfüllt ist (z. B. bei Renten oder wiederkehrenden Leistungen).
3️⃣ Beratungsempfehlung:
„Wer Nießbrauchsrechte im Rahmen von Hof- oder Grundstücksübertragungen einräumt, sollte frühzeitig prüfen, ob ein späterer Verzicht steuerlich als schenkungsteuerpflichtiger Vorgang gilt. Eine Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG ist dann nur noch eingeschränkt möglich.“
📘 Infobox: §§ 13a und 13b ErbStG – alte und neue Rechtslage
Aspekt | Alte Fassung (bis 2018, hier relevant) | Aktuelle Fassung (ab 2023/2024) |
---|---|---|
Begünstigtes Vermögen | Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften | Unverändert, jedoch differenziertere Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und begünstigtem Vermögen |
Kontinuitätserfordernis | Ununterbrochene Fortführung desselben Betriebsvermögens erforderlich | Fortführung des Betriebs über 5 Jahre (§ 13a Abs. 6 ErbStG n. F.); Nießbrauchsverzicht isoliert weiterhin nicht begünstigt |
Bewertung | 85 %- oder 100 %-Verschonung je nach Betriebsgröße | Zusätzliche Grenzen (§ 13a Abs. 10 ErbStG n. F.), Verwaltungsvermögensprüfung nach § 13b ErbStG |
Nießbrauch / Teilübertragungen | Keine Begünstigung bei bloßer Nutzungsüberlassung oder Nießbrauchsverzicht | Fortführung als Einheit erforderlich; isolierte Rechte oder spätere Verzichtserklärungen bleiben unbegünstigt |
Bedeutung für die Praxis | Häufiger Streitpunkt bei Hof- und Grundstücksübertragungen mit Vorbehaltsnießbrauch | Auch unter neuem Recht bleibt die Gesamtschau des Betriebsvermögens entscheidend; Gestaltungsberatung notwendig |
💬 Fazit
Das FG Schleswig-Holstein stellt klar:
Ein vorzeitiger Verzicht auf ein vorbehaltenes Nießbrauchsrecht an land- und forstwirtschaftlichen Flächen führt nicht zu einer Steuervergünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG, wenn die betriebliche Kontinuität nicht gewahrt bleibt.
Für die Bewertung aufschiebend bedingter Verpflichtungen gilt:
Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Bedingungseintritts, nicht der Vertragsabschluss – eine Abzinsung ist unzulässig.
📚 Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 31.03.2025 – 3 K 28/24 (rechtskräftig)
Mitteilung vom 06.10.2025, Newsletter II/2025