Ort der Geschäftsleitung gemäß § 10 AO und die neuesten Entwicklungen im AEAO durch das BMF-Schreiben vom 5. Februar 2024

Einleitung

Die Frage nach dem Ort der Geschäftsleitung eines Unternehmens gewinnt in der steuerrechtlichen Praxis zunehmend an Bedeutung. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund der jüngsten Einfügungen durch das BMF-Schreiben vom 5. Februar 2024 (BStBl 2024 I S. 177) in den Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) besonders relevant. In diesem Beitrag wird die Bedeutung des Orts der Geschäftsleitung in verschiedenen Steuerrechtsgebieten beleuchtet und kritisch gegenüber der aktuellen Rechtsprechung und den Verwaltungsanweisungen analysiert.

Wichtige Funktionen des steuerrechtlichen Begriffs Ort der Geschäftsleitung

Der Ort der Geschäftsleitung hat vielfältige steuerrechtliche Implikationen:

  1. Körperschaftsteuer: Für Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und ähnliche Körperschaften bestimmt der Ort der Geschäftsleitung maßgeblich die unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht nach § 1 KStG.
  2. Personengesellschaften: Obwohl Personengesellschaften keine eigene ertragsteuerliche Rechtsfähigkeit besitzen, spielt der Ort der Geschäftsleitung für die Besteuerung eine entscheidende Rolle, insbesondere bei der Zuordnung von Betriebsstätten und der daraus resultierenden steuerlichen Verpflichtungen.
  3. Gewerbesteuer: Gemäß § 12 AO wird der Ort der Geschäftsleitung als Betriebsstätte betrachtet, was direkte Auswirkungen auf die Gewerbesteuerpflicht hat.
  4. Erbschaft- und Schenkungsteuer: Auch hier ist der Ort der Geschäftsleitung relevant, um die Steuerpflicht für Körperschaften und ähnliche Entitäten zu bestimmen.
  5. Außensteuerrecht und Doppelbesteuerungsabkommen: Der Ort der Geschäftsleitung dient als entscheidendes Kriterium für die Anwendung von Hinzurechnungsbesteuerung und die Feststellung der steuerlichen Ansässigkeit unter Doppelbesteuerungsabkommen.

Aktuelle Verwaltungsauffassungen und ihre Bedeutung

Das BMF-Schreiben vom 5. Februar 2024 hat erstmals konkrete Anweisungen zum Ort der Geschäftsleitung in den AEAO aufgenommen. Dabei orientiert sich die Finanzverwaltung an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), die den Ort der Geschäftsleitung dort sieht, wo der maßgebliche Willensbildungsprozess und die wesentlichen geschäftsführenden Maßnahmen stattfinden.

Kritische Betrachtung und Problemfelder

Die präzise Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung bleibt trotz der neuen Verwaltungsanweisungen problematisch. Insbesondere bei multinationalen Unternehmen, die Aktivitäten über verschiedene Länder verteilen, kann die Feststellung des Orts der Geschäftsleitung komplex sein. Ferner wirft die Bewertung, ob ein Ort als Geschäftsleitung fungiert, oft Fragen auf, die auf einer Einzelfallbasis geklärt werden müssen. Die Finanzverwaltung bleibt hier Antworten schuldig, was die Anwendung in der Praxis erschwert.

Fazit

Das jüngste BMF-Schreiben ist ein Schritt in die richtige Richtung, indem es versucht, Klarheit in einem zunehmend bedeutenden Bereich des Steuerrechts zu schaffen. Nichtsdestotrotz bleibt die Thematik komplex und detailreich, was die Notwendigkeit weiterer juristischer und praktischer Diskussionen unterstreicht. Letztlich wird die Auslegung des Orts der Geschäftsleitung auch in Zukunft ein bedeutsamer Diskussionspunkt zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung bleiben, der weiterhin einer präzisen juristischen Auseinandersetzung bedarf.