Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Betriebsstätten bei Selbständigen

Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 23. Oktober 2014 III R 19/13 entschieden, dass Fahrtkosten eines Selbständigen zu ständig wechselnden Betriebsstätten, denen keine besondere zentrale Bedeutung zukommt, mit den tatsächlichen Kosten und nicht nur mit der Entfernungspauschale abzugsfähig sind.
Die Klägerin erteilte als freiberuflich tätige Musiklehrerin in mehreren Schulen und Kindergärten Musikunterricht. Sie machte die Fahrtkosten für ihr privates Kfz als Betriebsausgaben geltend und setzte für jeden gefahrenen Kilometer pauschal 0,30 Euro an. Das Finanzamt (FA) erkannte dagegen die Fahrtkosten nur mit 0,30 Ero pro Entfernungskilometer an. Die Klage vor dem Finanzgericht war erfolgreich.

Der III. Senat des BFH ist nun der Rechtsauffassung der Klägerin gefolgt. Er hat damit an der bisherigen Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate zum Begriff der „Betriebsstätte“ festgehalten (zuletzt BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 X R 13/13, s. Pressemitteilung Nr. 10/2015). Im Unterschied zu der Entscheidung des X. Senats vom 22. Oktober 2014 (X R 13/13) lagen im Streitfall nicht nur eine Betriebsstätte vor, sondern ständig wechselnde Tätigkeitsorte und damit mehrere Betriebsstätten. Da keinem dieser Tätigkeitsorte eine zentrale Bedeutung beigemessen werden konnte, sind diese Fälle unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug nach den von der Rechtsprechung des VI. Senats für den Fahrtkostenabzug von Arbeitnehmern entwickelten Grundsätze zu behandeln. Hiernach ist der Betriebsausgabenabzug nicht auf die Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden Entfernungskilometer begrenzt, wenn der Arbeitnehmer auf ständig wechselnden Einsatzstellen, unabhängig vom Einzugsbereich, tätig ist. In diesen Fällen sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten absetzbar.

Auch nach der Änderung des Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 (Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20. Februar 2013) sind die Fahrtkosten zu ständig wechselnden Tätigkeitsorten, wie vom III. Senat entschieden, grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.

BFH, Pressemitteilung Nr. 12/15 vom 18.02.2015 zum Urteil III R 19/13 vom 23.10.2014

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 22.10.2014, X R 13/13

Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei den Gewinneinkünften

Leitsätze

1. Aufwendungen eines Erzielers von Gewinneinkünften für regelmäßige PKW-Fahrten zu seinem einzigen Auftraggeber sind nur in Höhe der Entfernungspauschale als Betriebsausgaben abziehbar.

2. Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist –abweichend von § 12 AO– bei einem im Wege eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden (Bestätigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung).

3. Betrieblich genutzte Räume, die sich in der im Übrigen selbstgenutzten Wohnung des Steuerpflichtigen befinden, können wegen ihrer engen Einbindung in den privaten Lebensbereich nicht als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angesehen werden.

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielt als Einzelunternehmer Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Streitjahr 2008 hatte er lediglich einen einzigen Auftraggeber, für den er die Finanzbuchhaltung, die Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie das EDV-System betreute. Er suchte dessen Betrieb an vier bis fünf Tagen wöchentlich auf; weitere betriebliche Tätigkeiten führte er in Räumen durch, die im Obergeschoss des von ihm und seiner Lebensgefährtin bewohnten Einfamilienhauses liegen.
2
In seiner Gewinnermittlung zog der Kläger die Kosten für den zu seinem Betriebsvermögen gehörenden PKW auch insoweit in voller Höhe ab, als sie auf die Fahrten zwischen dem Einfamilienhaus und dem Betrieb des Auftraggebers entfielen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) setzte hingegen nur die Entfernungspauschale an und erhöhte den Gewinn entsprechend. Zur Begründung verwies er auf die Regelungen der § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Gesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20. April 2009 (BGBl I 2009, 774), die gemäß § 52 Abs. 12 Satz 8, Abs. 23d Satz 1 EStG i.d.F. des genannten Gesetzes bereits für das Streitjahr anzuwenden sind.
3
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2013, 765) und setzte wieder den vom Kläger erklärten Gewinn an. Die für Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte geltende Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG sei nicht anwendbar, weil der Kläger im Betrieb des Auftraggebers keine Betriebsstätte unterhalten habe. Zwar sei der in der genannten Vorschrift verwendete Begriff der Betriebsstätte in der bisherigen Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs (BFH) abweichend von der gesetzlichen Definition in § 12 der Abgabenordnung (AO) ausgelegt worden. Daran könne aber angesichts der neueren Rechtsprechung des VI. Senats des BFH, wonach eine betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers nicht als regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers anzusehen sei, nicht mehr festgehalten werden, so dass die Definition des § 12 AO auch für Zwecke der Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG uneingeschränkt heranzuziehen sei. Daher sei die Abzugsbeschränkung hier nur dann noch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige bei seinem Auftraggeber eine eigene Betriebsstätte unterhalte. Vorliegend sei dies mangels der hierfür erforderlichen Verfügungsbefugnis des Klägers über Einrichtungen des Auftraggebers aber nicht der Fall gewesen. Danach komme es nicht mehr darauf an, ob die vom Kläger im Einfamilienhaus genutzten Räume als Betriebsstätte oder aber als häusliches Arbeitszimmer anzusehen seien.
4
Mit seiner Revision beruft das FA sich auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach als Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG auch der Ort anzusehen sei, an dem der Unternehmer die geschuldete Leistung zu erbringen habe. Dies müsse erst recht bei Unternehmern gelten, die nur einen einzigen Auftraggeber hätten. Vor diesem Hintergrund hätte das FG die Frage, ob die Räume im selbstgenutzten Einfamilienhaus eine Betriebsstätte darstellten, nicht offenlassen dürfen.
5
Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6
Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
8
Zur Abgeltung der Aufwendungen für die Wege des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte ist gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG u.a. die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (Entfernungspauschale) entsprechend anzuwenden. Das FG hat zu Unrecht in bewusster Abkehr von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Betriebsstätte des Klägers bei seinem Auftraggeber verneint (dazu unten 1.). Die Sache ist nicht spruchreif, weil es für die Entscheidung des Streitfalls darauf ankommt, ob der Kläger auch in dem ansonsten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhaus eine Betriebsstätte unterhalten hat, das FG diese Frage aber ausdrücklich offengelassen hat (unten 2.).
9
1. Der Kläger hat bei seinem Auftraggeber eine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG unterhalten.
10
a) Nach ständiger Rechtsprechung der für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate des BFH ist als Betriebsstätte bei einem im Wege eines Dienstvertrags tätigen Unternehmer, der nicht über eine eigene Betriebsstätte verfügt, der Ort anzusehen, an dem er die geschuldete Leistung zu erbringen hat, in der Regel also der Betrieb des Auftraggebers (mit ausführlicher Begründung BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; ferner BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701, und vom 19. August 1998 XI R 90/96, BFH/NV 1999, 41). In anderen Entscheidungen wird die Formulierung verwendet, es handele sich um den Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden (BFH-Urteile vom 19. September 1990 X R 110/88, BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208; X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97, unter I.2.; vom 31. Juli 1996 XI R 5/95, BFH/NV 1997, 279, unter II.1., und vom 29. April 2014 VIII R 33/10, BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777, unter II.1.c aa; ebenso Hessisches FG, Urteil vom 20. Juni 2012  12 K 1511/09, Revision III R 59/13), ohne dass in diesem Formulierungsunterschied allerdings eine inhaltliche Abweichung zu sehen ist.
11
Die für Arbeitnehmer entwickelten Ausnahmen von der –für PKW-Nutzer– mit der Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG verbundenen Abzugsbeschränkung gelten allerdings auch zugunsten der Bezieher von Gewinneinkünften. Dies ist bisher vor allem für Steuerpflichtige entschieden worden, die an –so die Terminologie der damaligen Rechtsprechung– ständig wechselnden Einsatzstellen tätig waren (vgl. –im Ergebnis jeweils nicht tragend– die Ausführungen in den BFH-Urteilen vom 5. November 1987 IV R 180/85, BFHE 151, 413, BStBl II 1988, 334, unter 2.a; in BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97, unter I.3.; in BFH/NV 1994, 701, unter II.3., und in BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777, unter II.1.c aa; tragend im BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 279, unter II.2.; im Ergebnis ebenso, wenn auch mit abweichender Begründung Urteile des FG Baden-Württemberg vom 27. Oktober 2011  3 K 1849/09, EFG 2012, 310, Revision VIII R 47/11, und des FG Münster vom 22. März 2013  4 K 4834/10, EFG 2013, 839, Revision III R 19/13).
12
Die dargestellte, zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG entwickelte Definition der Betriebsstätte weicht zwar vom allgemeinen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO ab, der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, unter II.2.a, m.w.N.). Diese normspezifische Gesetzesauslegung ist jedoch im Hinblick auf den mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck, die Bezieher von Gewinneinkünften in Bezug auf regelmäßige Fahrten mit Arbeitnehmern gleichzustellen (vgl. hierzu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Oktober 1969  1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, unter C.II.3.c), geboten (ausführlich BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23). Demgegenüber dient der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO im Wesentlichen der Abgrenzung von Besteuerungsbefugnissen zwischen verschiedenen Steuergläubigern (z.B. Gewerbesteuerzerlegung nach § 28 des Gewerbesteuergesetzes, nationales Zugriffsrecht auf die Einkünfte von Steuerausländern nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, Aufrechterhaltung des nationalen Zugriffsrechts in Anwendung des im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen entwickelten Betriebsstättenbegriffs), was für den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG indes nicht von Bedeutung ist.
13
b) An der dargestellten Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist –entgegen der Auffassung des FG– ungeachtet der neueren Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG verwendeten Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte festzuhalten.
14
Der VI. Senat hat für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in seiner neueren Rechtsprechung allerdings angenommen, regelmäßige Arbeitsstätte könne nur eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein, nicht aber die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers (BFH-Urteile vom 10. Juli 2008 VI R 21/07, BFHE 222, 391, BStBl II 2009, 818, unter II.1.b; vom 9. Juli 2009 VI R 21/08, BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822, und vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852). Dies soll selbst dann gelten, wenn der Arbeitnehmer jahrzehntelang ausschließlich in derselben Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers tätig wird (vgl. den Sachverhalt zum BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 47/11, BFHE 238, 53, BStBl II 2013, 169).
15
Auch nach Bekanntwerden dieser Rechtsprechung haben verschiedene für die Gewinneinkünfte zuständige Senate des BFH hinsichtlich des Begriffs der Betriebsstätte an der dargestellten, langjährigen Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG festgehalten (z.B. BFH-Entscheidungen vom 25. Juli 2012 X B 11/11, BFH/NV 2013, 245, und in BFHE 246, 53, BStBl II 2014, 777, unter II.1.b aa). Der erkennende Senat schließt sich dem an.
16
Eine Abweichung von der neueren Rechtsprechung des VI. Senats liegt darin schon deshalb nicht, weil umgekehrt auch der VI. Senat bei Begründung seiner neueren Rechtsprechung keine Abweichung von der –wesentlich älteren– Rechtsprechung aller für die Gewinneinkünfte zuständigen Senate des BFH zum Betriebsstättenbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG gesehen und folgerichtig von einer Anfrage nach § 11 Abs. 3 FGO bei diesen Senaten abgesehen hat. Vor allem aber ist das vom VI. Senat für Zwecke der Besteuerung von Arbeitnehmern entwickelte Differenzierungskriterium, ob deren Arbeitgeber bei dem Kunden, in dessen Räumen der Arbeitnehmer tätig sei, eine eigene Betriebsstätte unterhalte oder nicht, auf die Gewinneinkünfte nicht übertragbar. Denn dort fehlt es bei typisierender Betrachtung an dem für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit typischen Dreiecksverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer, seinem Arbeitgeber und dem Kunden des Arbeitgebers. Vielmehr ist allein das zweipolige Rechtsverhältnis zwischen dem Gewerbetreibenden und seinem Kunden maßgebend. Zudem fehlt es an einem Direktionsrecht eines Arbeitgebers, das der VI. Senat als entscheidend für seine Differenzierung angesehen hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 449, BStBl II 2009, 822, unter II.1.c). Der Gewerbetreibende ist vielmehr regelmäßig selbst Herr seiner Entscheidungen.
17
Im Übrigen hat der Gesetzgeber der neueren Rechtsprechung des VI. Senats mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 durch Änderungen in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, Abs. 4 EStG teilweise die Grundlage entzogen. Der erkennende Senat erachtet es aber auch im Interesse der Kontinuität der Rechtsanwendung nicht für sachgerecht, die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des Betriebsstättenbegriffs des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG für Sachverhalte, die in der Vergangenheit liegen, zu ändern –zumal dies ohnehin erst nach einer Anfrage bei den meisten für Gewinneinkünfte zuständigen Senaten bzw. nach Anrufung des Großen Senats möglich wäre–, um dann für Veranlagungszeiträume ab 2014 aufgrund der gesetzgeberischen Reaktion auf die Rechtsprechung des VI. Senats wieder zu der bisherigen Handhabung zurückzukehren. Auch die Finanzverwaltung will für die Zeit ab 2014 weiterhin ausdrücklich den dargestellten, normspezifischen Betriebsstättenbegriff i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG anwenden (vgl. Rz 1 des Entwurfs eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen zur ertragsteuerlichen Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und von Reisekosten unter Berücksichtigung der Reform des steuerlichen Reisekostenrechts zum 1. Januar 2014 IV C 6 – S 2145/10/10005:001).
18
c) Vorliegend hatte der Kläger nach den Feststellungen des FG nur einen einzigen Auftraggeber und hat dessen Betrieb an vier bis fünf Tagen wöchentlich aufgesucht. Damit stellt der Betrieb des Auftraggebers für Zwecke des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG in Anwendung der dargestellten ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zugleich eine Betriebsstätte des Klägers dar. Die für ständig wechselnde Einsatzstellen entwickelte Ausnahme ist im Streitfall nicht einschlägig, da der Kläger nicht an unterschiedlichen Einsatzstellen tätig war.
19
2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil es nach dem Vorstehenden für die Entscheidung des Streitfalls darauf ankommt, ob der Kläger auch in den von seiner Lebensgefährtin angemieteten Räumen des im Übrigen selbstgenutzten Einfamilienhauses eine Betriebsstätte unterhalten hat, das FG diese Frage aber ausdrücklich offengelassen hat.
20
a) Sind auch die Räume im Einfamilienhaus als Betriebsstätte anzusehen, stellen die Fahrten des Klägers zu seinem Auftraggeber Wege zwischen zwei Betriebsstätten dar. Derartige Aufwendungen fallen nach ständiger Rechtsprechung nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 1978 I R 69/76, BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564, unter 2.b, betreffend Fahrten von einer Produktionsstätte, die sich auf demselben Grundstück wie die Privatwohnung befindet, zu der auswärtigen Hauptproduktionsstätte; BFH-Urteil vom 29. März 1979 IV R 137/77, BFHE 128, 196, BStBl II 1979, 700, betreffend Fahrten von einem Ingenieurbüro, das sich im selben Gebäude wie die Privatwohnung befindet, zu einem weiteren auswärtigen Ingenieurbüro). Die Sachverhalte, die den beiden vorstehend zitierten Entscheidungen zugrunde lagen, waren allerdings dadurch gekennzeichnet, dass die Betriebsstätten von den jeweils selbstgenutzten Wohnungen räumlich getrennt waren (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 15. Juli 1986 VIII R 134/83, BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744); eine solche räumliche Trennung ist für die Annahme von Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten zwingend erforderlich (BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23).
21
b) Sind die Räume wegen ihrer engen Einbindung in den privaten Lebensbereich hingegen nicht als Betriebsstätte anzusehen, überlagert die Nutzung des Gebäudes als Wohnung die dort auch verwirklichten betrieblichen Zwecke. In einem solchen Fall kann nicht davon gesprochen werden, dass der Steuerpflichtige seine auswärtige Betriebsstätte von einer in der Wohnung befindlichen Betriebsstätte aufsucht; Ausgangs- und Endpunkt der Fahrten ist vielmehr die Wohnung (BFH-Urteil in BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744). Damit würde es sich bei den streitgegenständlichen Fahrtkosten um Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte handeln, die unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG fallen.
22
Der BFH hat in diesem Zusammenhang bereits vielfach entschieden, dass insbesondere ein häusliches Arbeitszimmer stets derart in den privaten Bereich eingebunden ist, dass seine Existenz die Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht ausschließt (BFH-Entscheidungen vom 7. Dezember 1988 X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421; in BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208; in BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97, unter I.1.; in BFH/NV 1994, 701, unter II.1.a; in BFH/NV 1997, 279, unter II.1.; in BFH/NV 1999, 41, und vom 28. Juni 2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243, unter II.2.c). Auch dies dient der Gleichbehandlung der Bezieher von Gewinneinkünften mit Arbeitnehmern, bei denen allein die Existenz eines häuslichen Arbeitszimmers nicht dazu führt, dass die Entfernungspauschale auf ihre Wege zwischen der Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstätte keine Anwendung mehr findet.
23
Schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers im Verwaltungs- und Klageverfahren spricht zwar Vieles dafür, dass die Räume im Einfamilienhaus lediglich als häusliches Arbeitszimmer anzusehen sind und ihre betriebliche Nutzung der Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG daher nicht entgegensteht. Da das FG hierzu aber keine Feststellungen getroffen hat, ist dem Senat eine eigene Entscheidung verwehrt.

 Auslegungsfragen zu § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG bei Betrieben gewerblicher Art als Schuldner der Kapitalerträge

 Nach dem Ergebnis einer Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG , soweit Betriebe gewerblicher Art (BgA) Schuldner der in der Vorschrift genannten Kapitalerträge sind, Folgendes:

 A. Allgemeines

[1]  Durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BStBl 2000 I S. 1428 ) und das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz (UntStFG) vom 20. Dezember 2001 (BStBl 2002 I S. 35 ) sind in § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG für juristische Personen des öffentlichen Rechts neue Einkommenstatbestände eingeführt worden.

[2]  Zu Kapitaleinkünften der Trägerkörperschaft werden qualifiziert

  • nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG :
  • Leistungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit, z. B. Sparkassen und
  • nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG :
  • der durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte Gewinn eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (soweit der Gewinn nicht den Rücklagen zugeführt wird),
  • der nicht den Rücklagen zugeführte Gewinn eines nicht bilanzierenden nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der die in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG genannte Umsatz- oder Gewinngrenze überschreitet (vgl. auch Rdnrn. 16 bis 18),
  • verdeckte Gewinnausschüttungen,
  • die Auflösung von Rücklagen des BgA zu Zwecken außerhalb des BgA,
  • die Gewinne i. S. d. § 22 Abs. 4 UmwStG und
  • die Gewinne aus Werbesendungen durch inländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.

 

[3]  Diese Einkunftstatbestände führen nach § 2 Nr. 2 KStG zu einer beschränkten Steuerpflicht mit einer Kapitalertragsteuerbelastung von 15 % (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b und 7c i. V. m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ). Damit wird die wirtschaftliche Betätigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unabhängig davon, ob sie in der Form eines BgA oder einer Kapitalgesellschaft ausgeübt wird, im Ergebnis der gleichen Steuerbelastung unterworfen.

[4]  Die Körperschaftsteuer für diese – dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegenden – Einkünfte ist in der Regel nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG durch den Steuerabzug abgegolten. Die Kapitalertragsteuer von 15 % ist somit nicht anrechenbar (vgl. aber Rdnrn. 7 und 11). Erfüllt die Trägerkörperschaft des BgA die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 oder 3 EStG , ist der Kapitalertragsteuerabzug nicht vorzunehmen; bei steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben von steuerbegünstigten BgA richtet sich die Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug nach § 44a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 EStG .

 B. Leistungen eines BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG )

 I. Persönlicher Anwendungsbereich

[5]  Die Leistungen (Kapitalerträge) müssen von einem nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 4 KStG ) stammen, der eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Er muss alle Merkmale einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erfüllen, insbesondere im vollen Umfang rechtsfähig sein. Teilrechtsfähigkeit, wie sie bei öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder bei Landesbetrieben bzw. Eigenbetrieben die Regel ist, reicht nicht aus.

[6]  Von den Regelungen erfasst werden BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit (z. B. in der Rechtsform des Zweckverbandes oder einer nach Landes- oder Kommunalrecht errichteten Anstalt des öffentlichen Rechts), die beispielsweise der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme (= Versorgungsbetriebe), dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen (§ 4 Abs. 3 KStG ). Als weitere Beispiele kommen in Betracht: die öffentlich-rechtlich als rechtsfähige Anstalten betriebenen Sparkassen, Landesbanken und Versicherungen sowie Kreditinstitute, die nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG steuerbefreit sind. Sind Teilbereiche öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute von der Körperschaftsteuer befreit (z. B. Landesbanken mit den in § 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG genannten steuerbefreiten Förderbereichen), ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG auf den nicht steuerbefreiten Bereich anzuwenden.

[7]  § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG findet aus Billigkeitsgründen auch dann Anwendung, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts aus ihrem BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit Leistungen an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts (insbesondere an deren BgA) erbringt. Eine solche Leistung liegt nur vor, wenn die Beträge nicht zuvor der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG unterlegen haben.

 Beispiel

Ein Zweckverband, der neben der Frischwasserversorgung (BgA) auch der Abwasserentsorgung (Hoheitsbetrieb) dient, beschließt bei Feststellung der Bilanz für 01 aus dem laufenden Gewinn des BgA von 1000 einen Betrag in Höhe von 200 für eine Leistung an die Mitgliedsgemeinden des Verbandes zu verwenden. Der Betrag von 200 gilt als Leistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG mit der Folge, dass beim Empfänger der Tatbestand des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt ist, wenn der Betrag bei ihm einem BgA zuzurechnen ist. Der Restbetrag von 800 unterliegt § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG . Wird der Betrag von 800 im Folgejahr vom Zweckverband an die Mitgliedsgemeinden überführt, löst dies nicht die Rechtsfolge des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG aus. Ist dieser Betrag beim Empfänger einem BgA zuzurechnen, löst dies nicht die Rechtfolge des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG aus.

Hätte der Verband den anteiligen Gewinn von 800 zulässigerweise in eine Rücklage i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG eingestellt, diese dann aber in 03 aufgelöst, um den Betrag von 800 für eine Leistung an die Mitgliedsgemeinden zu verwenden, ist auf diese Leistung § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG anzuwenden.

 II. Sachlicher Anwendungsbereich

[8]  Der sachliche Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG erstreckt sich auf Leistungen, die zu Einnahmen führen, die mit Gewinnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind. Dazu gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ) sowie Gewinnübertragungen, die aus steuerfreien Zuflüssen (z. B. nach § 8b Abs. 1 KStG ) stammen. Nicht zu den Einnahmen gehören Leistungen des BgA, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a letzter Halbsatz EStG ).

 Beispiele:

Eine Stadtsparkasse führt einen Teil des Jahresüberschusses dem Gewährträger (Stadt) zu. Es handelt sich um eine einer Gewinnausschüttung vergleichbare Leistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG .

Eine Stadtsparkasse macht dem Gewährträger (Stadt) oder einer dem Gewährträger nahe stehenden Person eine Zuwendung für steuerbegünstigte (gemeinnützige) Zwecke, die dem Drittspendenvergleich i. S. d. BFH-Rechtsprechung (vgl. H 47 (Zuwendungen und Spenden von Trägern der Sparkassen [Gewährträger]) KStH2008) nicht standhält. Die Zuwendung ist als verdeckte Gewinnausschüttung zu werten.

 III. Entstehung der Kapitalertragsteuer

[9]  Die Kapitalertragsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalerträge (= Leistungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG ) dem Gläubiger (= Trägerkörperschaft des BgA) zufließen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG ). Der Schuldner der Kapitalertragsteuer ist nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG der Gläubiger der Kapitalerträge (= Trägerkörperschaft des BgA). Im Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge hat der Schuldner der Kapitalerträge (BgA) den Steuerabzug für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge (= Trägerkörperschaft des BgA) vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG ). Auf Leistungen, die wirtschaftlich mit Gewinnausschüttungen vergleichbar sind, ist § 44 Abs. 2 EStG anwendbar.

 IV. Durchführung der Besteuerung

[10]  Von den Kapitalerträgen ist der Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b EStG i. V. m. § 31 KStG vorzunehmen. Die Kapitalertragsteuer beträgt 15 % des Kapitalertrags (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ).

[11]  Ist der Empfänger der Leistungen unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig und fallen die ausschüttungsgleichen Leistungen und verdeckten Gewinnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG bei ihm in einem inländischen gewerblichen Betrieb an, so erfolgt deren steuerliche Erfassung in der Veranlagung zur Körperschaftsteuer. Allerdings ist auf diese Leistungen die Regelung des § 8b KStG anzuwenden, nach der die Leistungen bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben. Die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b i. V. m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einbehaltene Kapitalertragsteuer von 15 % (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG ) ist im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer des Empfängers nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG i. V. m. § 31 KStG in vollem Umfang anzurechnen.

 Beispiel:

An der Landesbank A (= Anstalt des öffentlichen Rechts) sind das Land A (Gebietskörperschaft), der Landschaftsverband A (Gebietskörperschaft) sowie der Sparkassen- und Giroverband A zu je einem Drittel beteiligt. Der Sparkassen- und Giroverband A ist ein von den Sparkassen und ihren Gewährträgern gebildeter Berufsverband mit öffentlich-rechtlichem Charakter in der Rechtsform der Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Die Landesbank A verteilt ihren Gewinn von 120 Mio. EUR zu je einem Drittel an die Beteiligten. Dabei wird die Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7b i. V. m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von 15 % der Kapitalerträge (120 Mio. EUR) = 18 Mio. EUR einbehalten und an das für die Landesbank A zuständige Finanzamt abgeführt (§ 44 Abs. 1 Satz 5 EStG ), so dass zur Auszahlung an die Beteiligten 102 Mio. EUR (120 Mio. EUR abzüglich 18 Mio. EUR) zur Verfügung stehen. Jeder Beteiligte erhält einen Betrag von 34 Mio. EUR (102 Mio. EUR: 3). Auf jeden der Beteiligten entfällt eine einbehaltene Kapitalertragsteuer von 6 Mio. EUR.

Die Körperschaftsteuer der Beteiligten ist durch den Steuerabzug vom Kapitalertrag abgegolten (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG ). Die Beteiligten unterliegen insoweit der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 2 KStG . Dies gilt grundsätzlich auch für den Sparkassen- und Giroverband A.

Leitet der Sparkassen- und Giroverband (Gläubiger der Kapitalerträge) jedoch die zugeflossenen Gewinnanteile ganz oder teilweise an die in ihm zusammengeschlossenen Sparkassen weiter, so erhalten die Sparkassen Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 6 Satz 2 KStG , die bei ihnen im Rahmen der Ermittlung des steuerlichen Einkommens nach Maßgabe des § 8b KStG außer Ansatz bleiben. Zur Anrechnung der auf diese Bezüge entfallenden, von der Landesbank A einbehaltenen Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer der Sparkassen nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG reicht die Vorlage der Bescheinigung nach § 45a Abs. 2 und 3 EStG (Kapitalertragsteuerbescheinigung), die dem Gläubiger der Kapitalerträge (Sparkassen- und Giroverband) ausgestellt wird, aus (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 EStG ).

[12]  In den Fällen des § 8b Abs. 6 Satz 2 KStG wird es für die Anrechnung der Kapitalertragsteuer bei dem BgA nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 EStG nicht beanstandet, wenn die die mittelbare Beteiligung vermittelnde Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse dem BgA auf einer Kopie der ihr vorliegenden Kapitalertragsteuerbescheinigung die auf ihn entfallenden Bezüge und Gewinne und die darauf anteilig entfallende Kapitalertragsteuer mitteilt. Die für Wohnungseigentümergemeinschaften geltenden Grundsätze von Rdnrn. 18 und 19 des BMF-Schreibens vom 20. Dezember 2012 ( BStBl 2013 I S. 36 ) sind entsprechend anzuwenden.

 V. Steuerliche Behandlung der Einlagen

[13]  Auf Leistungen des BgA, die in der Rückgewähr von Einlagen bestehen, ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG nicht anzuwenden (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a letzter Halbsatz EStG ). Um eine Trennung der Einlagen von den übrigen Eigenkapitalteilen (z. B. Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag) des BgA vornehmen zu können, hat auch der BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit das steuerliche Einlagekonto i. S. d. § 27 KStG zu führen (§ 27 Abs. 7 KStG ). Dabei sind Altrücklagen aus Wirtschaftsjahren vor dem Systemwechsel, die das Nennkapital oder eine vergleichbare Kapitalgröße übersteigen, wie Einlagen zu behandeln und als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG ) zu erfassen. Zu dem Anfangsbestand gehören auch Einlagen aus früheren Zeiträumen. Im Ergebnis sind alle im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen Eigenkapitalteile, die das Nennkapital bzw. eine vergleichbare Kapitalgröße des BgA übersteigen, dem steuerlichen Einlagekonto als Anfangsbestand zuzurechnen.

[14]  Nach Rdnrn. 8 und 13 werden BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit im Grundsatz mit Kapitalgesellschaften gleichgestellt. Diese BgA haben ein Nennkapital oder eine hiermit vergleichbare Größe. Solche Eigenkapitalteile sind nicht Bestandteil des steuerlichen Einlagekontos. Eine Herabsetzung des Nennkapitals oder der hiermit vergleichbaren Größe und anschließende Rückzahlung führt grundsätzlich nicht zu steuerpflichtigen Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG und lässt das steuerliche Einlagekonto im Ergebnis unverändert.

 VI. Zeitlicher Anwendungsbereich

[15]  § 52 Abs. 37a Satz 1 EStG in der Fassung des StSenkG verknüpft die erstmalige Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG beim Gläubiger der Leistungen mit der körperschaftsteuerlichen Behandlung des BgA mit eigener Rechtspersönlichkeit. Danach ist die Vorschrift erstmals auf Leistungen anzuwenden, die der Gläubiger der Leistungen nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs des BgA erzielt, für das das KStG i. d. F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist. Bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr des BgA ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG erstmals auf Leistungen anzuwenden, die der Gläubiger der Leistungen in 2002 erzielt, da der BgA bereits mit den Ergebnissen des Wirtschaftsjahrs 2001 im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 2001 dem neuen Recht unterliegt. Hat der leistende BgA ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr, hängt die erstmalige Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG davon ab, wann im Verlauf des Kalenderjahres 2002 die Leistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG erbracht wird.

 Beispiel:

Der BgA hat ein Wirtschaftsjahr vom 1. Dezember bis zum 30. November eines Jahres. Die Leistung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a EStG für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 wird am 15. Dezember 2001, die für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 am 15. Dezember 2002 erbracht.

Für die am 15. Dezember 2001 erbrachte Leistung ist das neue Recht noch nicht anzuwenden, da sie vor Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs des BgA erbracht wird, für das das neue Recht gilt. Für die am 15. Dezember 2002 erbrachte Leistung gilt bereits neues Recht, da sie nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs des BgA erbracht wird, für das das neue Recht gilt.

 C. Gewinne von BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 bis 3 und 5 EStG )

 I. Persönlicher Anwendungsbereich

[16]  Unter die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG fallen – jeweils in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Kapitalerträgen – drei Gruppen von BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit:

  •  Gruppe 1 (Betriebsvermögensvergleich):
  •  [17]  Zu dieser Gruppe gehören die nicht von der Körperschaftsteuer befreiten BgA (einschl. der Verpachtungsbetriebe gewerblicher Art i. S. d. § 4 Abs. 4 KStG ), die ihren Gewinn auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 und § 5 EStG ) ermitteln. Kommunalrechtlich sind diese BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit grundsätzlich nach Eigen- und Regiebetrieben zu unterscheiden. Unter Eigenbetrieb ist ein finanzwirtschaftliches Sondervermögen im haushaltsrechtlichen Sinne zu verstehen, das organisatorisch verselbstständigt, gleichwohl aber rechtlich unselbständiger Teil der Körperschaft öffentlichen Rechts ist. Dabei muss sich das Sondervermögen Eigenbetrieb nicht mit dem steuerlichen BgA decken. Der BgA umfasst in einem solchen Fall nur einen Teil des Eigenbetriebs (z. B. umfasst bei einem Abwasserentsorgungs- und Frischwasserversorgungseigenbetrieb der BgA nur den Frischwasserbereich). Einem Regiebetrieb fehlt die Eigenschaft des Sondervermögens; er ist eine rechtlich unselbständige Einheit der Trägerkörperschaft, die finanzwirtschaftlich kein Sondervermögen der Trägerkörperschaft darstellt. Wird ein Regiebetrieb allerdings auf Grund spezieller landesrechtlicher Vorgaben (z. B. § 139 Abs. 1 Niedersächsische Kommunalverfassung, NKomVG, oder Art. 76 Abs. 6 Landkreisordnung für den Freistaat Bayern, LKrO) kommunalrechtlich nach den Vorschriften für Eigenbetriebe geführt, d. h. liegt im rechtlichen Sinne kein Eigenbetrieb vor (eigenbetriebsähnliche Einrichtung), ist er für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG und § 27 KStG nach den Grundsätzen für Eigenbetriebe zu behandeln. Dies gilt jedoch nur, wenn die eigenbetriebsähnliche Einrichtung nur diesen Betrieb umfasst.
  •  [18]  Zu der Gruppe 1 gehören auch BgA, die – unabhängig von der Gewinnermittlungsart – Umsätze einschließlich der steuerfreien Umsätze, ausgenommen die Umsätze nach § 4 Nr. 8 bis 10 UStG , von mehr als 350.000 EUR im Kalenderjahr oder einen Gewinn von mehr als 30.000 EUR im Wirtschaftsjahr erzielen. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG kommt bei BgA, die ihren Gewinn nicht durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln (vgl. hierzu auch das BMF-Schreiben vom 3. Januar 2013 , BStBl I S. 59 ) und unterhalb der genannten Umsatz- bzw. Gewinngrenzen liegen, nicht zur Anwendung; die Verwaltungsbuchführung (Kameralistik) ist mit einem Betriebsvermögensvergleich nicht vergleichbar.
  •  [19]  Ferner gehören zur Gruppe 1 auch BgA, die nach § 140 oder § 141 AO zur Buchführung und damit zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich verpflichtet sind, die dieser Verpflichtung aber nicht nachkommen.
  •  [20]  Bei den BgA der Gruppe 1 sind Gegenstand der Besteuerung der „Gewinn” und „verdeckte Gewinnausschüttungen”.
  •  Gruppe 2 (Besteuerung von Einbringungsgewinnen und Anteilsveräußerungsgewinnen):
  •  [21]  Zu dieser Gruppe gehören BgA i. S. d. § 22 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG ohne eigene Rechtspersönlichkeit unabhängig von den Voraussetzungen der Gruppe 1.
  •  [22]  Soweit auf einbringungsgeborene Anteile § 21 UmwStG in der am 21. Mai 2003 geltenden Fassung weiter anzuwenden ist (vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG ), sind die Rdnrn. 28 und 29 des BMF-Schreibens vom 11. September 2002, BStBl 2002 I S. 935 , weiter anzuwenden.
  •  Gruppe 3 (Rundfunkanstalten):
  •  [23]  Zu dieser Gruppe gehören unabhängig von den Voraussetzungen der Gruppe 1 die BgA „Veranstaltung von Werbesendungen” der inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Die Besteuerung knüpft in diesen Fällen an das Einkommen i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG an.

 II. Sachlicher Anwendungsbereich

 1. Kapitalerträge der Gruppe 1

[24]  Bei den Steuerpflichtigen der Gruppe 1 werden als Kapitalerträge die nicht den Rücklagen zugeführten Gewinne des BgA, die nachfolgende Auflösung der Rücklagen zu Zwecken außerhalb des BgA sowie verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ) der Besteuerung unterworfen.

 a) Laufende Gewinne

[25]  Bei dem in der Vorschrift genannten Gewinnbegriff handelt es sich um den Gewinn des BgA, den die juristische Person des öffentlichen Rechts für Zwecke außerhalb des BgA verwenden kann (= verwendungs- bzw. rücklagefähiger Gewinn). Bei der hier maßgebenden handelsrechtlichen Betrachtung entspricht dies dem Jahresüberschuss i. S. v. § 275 HGB (vgl. BFH-Urteil vom 11. September 2013, BStBl 2015 II S. 161 ). Bei der Ermittlung des maßgeblichen Jahresüberschusses kommt es nicht zwingend auf das Jahresergebnis nach dem festgestellten Jahresabschluss an, sondern auf das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zutreffende Jahresergebnis. Z. B. von einer Betriebsprüfung aufgedeckte fehlerhafte handelsrechtliche Bilanzansätze sind im Jahr der Fehlbuchung und nicht erst im Zeitpunkt der Anpassung der Handelsbilanz zu korrigieren (BFH-Urteil vom 11. September 2013 ; a. a. O.). Wird später die entsprechende Anpassung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz vorgenommen, hat diese im Anpassungsjahr keine Auswirkung auf den kapitalertragsteuerpflichtigen Gewinn.

[26]  Wird nur eine Steuerbilanz aufgestellt, ist aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn auf den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG (Unterschiedsbetrag nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ) abgestellt wird. Der so ermittelte Gewinn ist weder um nicht abziehbare Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 EStG bzw. § 10 KStG noch um bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleibende Beträge (z. B. § 8b KStG ) zu korrigieren.

[27]  Sofern der Gewinn in Fällen, in denen die Umsatz- oder Gewinngrenze des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG überschritten ist, nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird, ist dieser für Zwecke der Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG auf der Grundlage des Betriebsvermögensvergleichs zu schätzen; eine nach kameralen Grundsätzen oder nach Doppik erstellte Ergebnisrechnung ist als Schätzungsgrundlage nicht geeignet. In den Fällen der Rdnr. 19 ist für Zwecke der Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG der Gewinn im Wege des Betriebsvermögensvergleichs zu schätzen.

[28]  Der Gewinn mindert sich für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG in Höhe des Betrags, zu dem er zum Ausgleich von Fehlbeträgen (Verlusten) aus früheren Wirtschaftsjahren zu verwenden ist, sofern diese Fehlbeträge mangels kommunalrechtlich gebotenen Ausgleichs durch die Trägerkörperschaft noch ausgewiesen sind.

[29]  Bei Regiebetrieben gelten – abweichend von Eigenbetrieben – der Gewinn des BgA und die Einkünfte aus Kapitalvermögen wegen der rechtlichen Identität der Trägerkörperschaft und des BgA als zeitgleich zum Schluss des Wirtschaftsjahrs erzielt (BFH-Urteil vom 11. Juli 2007, BStBl 2007 II S. 841 ). Bei Regiebetrieben kommt es – ebenfalls abweichend von Eigenbetrieben – kommunalrechtlich zum laufenden Ausgleich der im BgA entstandenen Verluste durch die Trägerkörperschaft (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2008, BStBl 2008 II S. 573 ); dieser Ausgleich führt zum Ende des Wirtschaftsjahrs des BgA zu Einlagen beim BgA (vgl. Rdnr. 55). Ein kommunalrechtlicher Ausgleich von Verlusten hat keine Auswirkung auf die Höhe des steuerlichen Verlustvortrags im Sinne des § 10d Abs. 4 EStG des BgA.

[30]  Die Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft begründet bei der beteiligten juristischen Person des öffentlichen Rechts einen bzw. mehrere eigenständige BgA; dieser gilt bzw. diese gelten als Regiebetriebe. Die Beteiligung an einer Personengesellschaft, die keinen Gewerbebetrieb unterhält, kann bei der beteiligten juristischen Person des öffentlichen Rechts nach Maßgabe des § 4 KStG ebenfalls einen bzw. mehrere BgA begründen; auch dieser gilt bzw. diese gelten als Regiebetriebe. Ermittelt die Gesellschaft, an der die Beteiligung besteht, ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, schlägt dies nicht auf die Gewinnermittlung des bzw. der BgA durch. Auf den BgA bzw. die BgA ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG nur anzuwenden, wenn freiwillig bilanziert wird oder der maßgebende Jahresüberschuss bzw. Gewinn i. S. d. der Rdnr. 31 die Gewinngrenze der Norm überschreitet.

[31]  Auf diesen BgA bzw. diese BgA sind die Grundsätze der Rdnr. 25 anzuwenden. Als Jahresüberschuss bzw. aus Vereinfachungsgründen in Fällen, in denen für den BgA bzw. die BgA keine Handelsbilanz aufgestellt wird, als Gewinn ist bei dem BgA bzw. den BgA anzusetzen

  • der aus dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft/Personengesellschaft stammende Gewinnanteil der juristischen Person des öffentlichen Rechts i. S. d. des § 120 Abs. 1 und des § 122 HGB soweit er tatsächlich entnommen wurde. Erzielt die Mitunternehmerschaft/Personengesellschaft handelsrechtlich Verluste, entsteht ein entnahmefähiger Gewinn erst, wenn diese Verluste durch künftige Gewinne ausgeglichen sind, und
  • die der juristischen Person des öffentlichen Rechts von der Mitunternehmerschaft/Personengesellschaft zustehenden Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzüglich der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen.
  • Der Gewinn des BgA mindert sich um bei ihm anfallende Ertragsteuern.

 

[32]  Ist ein BgA i. S. v. Rdnr. 30 zulässigerweise mit einem BgA zusammengefasst, für den die Eigenbetriebsgrundsätze anzuwenden sind, ist der zusammengefasste BgA für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG als Eigenbetrieb anzusehen.

 b) Rücklagen

[33]  Kapitalertragsteuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG liegen insoweit nicht vor, als der Gewinn zulässigerweise durch Rücklagenbildung gemindert wird.

– Eigenbetriebe

[34]  Bei einem Eigenbetrieb unterliegt der Gewinn nicht der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG , soweit er den Rücklagen des BgA zugeführt wird. Als Zuführung zu den Rücklagen gilt jedes Stehenlassen von Gewinnen als Eigenkapital für Zwecke des BgA unabhängig davon, ob dies in der Form der Zuführung zu den Gewinnrücklagen, als Gewinnvortrag oder unter einer anderen Position des Eigenkapitals vorgenommen wird (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2011, BStBl 2013 II S. 328 ). Die Rücklagenbildung ist unabhängig von haushaltsrechtlichen Regelungen anzuerkennen und ist auch nicht davon abhängig, dass die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nachhaltig nicht erfüllt werden können.

– Regiebetriebe

[35]  Über die Gewinne eines Regiebetriebs kann die Trägerkörperschaft unmittelbar verfügen. Für eine Rücklagenbildung ist damit kommunalrechtlich kein Raum. Gleichwohl ist bei einem Regiebetrieb für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG die Rücklagenbildung anzuerkennen, soweit die Zwecke des BgA ohne die Rücklagenbildung nachhaltig nicht erfüllt werden können. Das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit des BgA zu erhalten, reicht für eine anzuerkennende Rücklagenbildung nicht aus. Vielmehr müssen die Mittel für bestimmte Vorhaben – z. B. Anschaffung von Anlagevermögen – angesammelt werden, für deren Durchführung bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen. Besteht noch keine konkrete Zeitvorstellung, ist eine Rücklagenbildung zulässig, wenn die Durchführung des Vorhabens glaubhaft und finanziell in einem angemessenen Zeitraum möglich ist. Eine Mittelreservierung liegt auch vor, soweit die verwendbaren Mittel, die auf Grund eines gewinnrealisierenden Vorgangs dem BgA zugeführt worden sind, bereits im laufenden Wirtschaftsjahr z. B. reinvestiert oder zur Tilgung von betrieblichen Verbindlichkeiten verwendet worden sind. Entsprechendes gilt, wenn dem BgA aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Dividenden zufließen, die dieser im Zuge einer gleichzeitig stattfindenden Kapitalerhöhung wieder in diese Kapitalgesellschaft einlegt. Keine verwendbaren Mittel sind dagegen bloße Buchgewinne, die sich z. B. beim Tausch von Wirtschaftsgütern des BgA ergeben. Werden Gewinne buchungstechnisch in der Bilanz des BgA „stehen gelassen”, obwohl dies nach den o. g. Grundsätzen nicht anzuerkennen ist, ist grundsätzlich Kapitalertragsteuer zu erheben. Wegen der Auswirkung auf das steuerliche Einlagekonto wird auf Rdnr. 54 verwiesen.

– BgA als bloßer Teil des Eigenbetriebs

[36]  Ist der BgA nur ein Teil eines Eigenbetriebs (z. B. Wassereigenbetrieb mit den Geschäftsfeldern Frischwasserversorgung [BgA] und Abwasserentsorgung [hoheitlich]), dann gelten hinsichtlich einer Rücklagenbildung bei diesem BgA die Grundsätze der Rdnr. 35. Den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG erfüllt in einem solchen Fall beispielsweise auch der Ausgleich von Gewinnen des BgA mit hoheitlichen Verlusten des Betriebs.

– Beteiligung an Personengesellschaften

[37]  Auf einen BgA i. S. d. Rdnr. 30 sind die für Regiebetriebe geltenden Rücklagengrundsätze der Rdnr. 35 anzuwenden. Dieser BgA – und nicht die Personengesellschaft an der die juristische Person des öffentlichen Rechts beteiligt ist – muss die dort genannten Rücklagenvoraussetzungen erfüllen. Auf einen BgA i. S. d. Rdnr. 32 sind die für Eigenbetriebe geltenden Rücklagengrundsätze der Rdnr. 34 anzuwenden.

– Teilweise steuerbefreiter BgA

[38]  Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG ist nur für den nicht steuerbefreiten Teil des BgA relevant. Dieser nicht steuerbefreite Teil des BgA gilt für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG als Regiebetrieb. Auf diesen Teil des BgA sind die für Regiebetriebe geltenden Rücklagengrundsätze der Rdnr. 35 anzuwenden. Erfüllt der Träger des BgA bzw. der steuerbegünstigte Teil des BgA die Voraussetzungen des § 44a Abs. 7 EStG , ist § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG nicht anzuwenden.

[39]  Der Beschluss der für die Bilanzfeststellung zuständigen Gremien, Rücklagenmittel des Eigenbetriebs für Zwecke außerhalb des BgA zu überführen, löst den Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG aus (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 2 EStG ). Der insoweit aufgelöste Rücklagenbetrag führt zu einem Gewinn i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG . Wird ein BgA i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 2 zweiter Halbsatz EStG umgewandelt und enthält der umgewandelte BgA Rücklagen, gelten diese als mit der Umwandlung als aufgelöst.

[40]  Eine Gewinnverwendung für Zwecke außerhalb des BgA ist z. B. gegeben, wenn die Gewinne und aufgelösten Rücklagen im hoheitlichen Bereich der Trägerkörperschaft eingesetzt werden. Für Zwecke außerhalb des BgA werden Gewinne und aufgelöste Rücklagen auch dann verwendet, wenn sie einem anderen BgA der gleichen Trägerkörperschaft oder einer Eigengesellschaft zugeführt werden. Dabei ist der Vorgang steuerlich in folgende Schritte zu zerlegen: Die Überführung der Gewinne bzw. aufgelösten Rücklagenbeträge des übertragenden BgA ist im ersten Schritt als Zuführung in den hoheitlichen Bereich der Trägerkörperschaft (mit der Folge der Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG ) und im zweiten Schritt als Zuführung der Trägerkörperschaft (Einlage) an den empfangenden BgA oder die Eigengesellschaft (mit der Folge der Erfassung des Einlagebetrags auf dem steuerlichen Einlagekonto) zu behandeln.

[41]  Verdeckte Gewinnausschüttungen des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit an die Trägerkörperschaft führen stets zu Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG . Im Verhältnis zwischen verschiedenen BgA der gleichen Trägerkörperschaft können auch verdeckte Gewinnausschüttungen die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG auslösen.

 Beispiel:

Der BgA X überträgt auf den BgA Y der gleichen Trägerkörperschaft (unentgeltlich) die zu seinem gewillkürten Betriebsvermögen gehörende Beteiligung an einer GmbH. Die Beteiligung ist aus versteuerten Gewinnen zu 100 angeschafft worden. Der Teilwert im Zeitpunkt der Übertragung beträgt 120; ein Einlagekonto ist beim BgA X nicht vorhanden. Der Vorgang ist steuerrechtlich – in Anlehnung an die Besteuerungsgrundsätze von verdeckten Gewinnausschüttungen bei Schwestergesellschaften – wie folgt zu lösen:

Beim BgA X führt der Vorgang zu einer verdeckten Gewinnausschüttung an die Trägerkörperschaft und zu einer Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG . Die Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer beträgt 120. Beim BgA Y ist die Beteiligung als Einlage der Trägerkörperschaft mit dem Teilwert zu aktivieren. Das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG ) ist um diesen Betrag zu erhöhen.

 c) Steuerliches Einlagekonto

[42]  Kapitalerträge der Gruppe 1 gehören nicht zu den Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG , wenn für die Leistungen des BgA Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 5 i. V. m. Nr. 1 Satz 3 EStG). Auch BgA (Eigen- und Regiebetriebe) haben daher nach § 27 Abs. 7 KStG ein steuerliches Einlagekonto zu führen, das sich entsprechend den Vorschriften des § 27 KStG entwickelt.

– Anfangsbestände

[43]  Dabei sind Altrücklagen aus Wirtschaftsjahren vor dem Systemwechsel, die das Nennkapital oder eine vergleichbare Kapitalgröße übersteigen, wie Einlagen zu behandeln und als Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG ) zu erfassen. Zu dem Anfangsbestand gehören auch noch vorhandene Einlagen aus früheren Zeiträumen. Im Ergebnis sind alle im Zeitpunkt des Systemwechsels vorhandenen Eigenkapitalteile, die das Nennkapital bzw. eine vergleichbare Kapitalgröße des BgA übersteigen, dem steuerlichen Einlagekonto als Anfangsbestand zuzurechnen.

[44]  Sollte ein zur Führung des steuerlichen Einlagekontos verpflichteter BgA später die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG vorübergehend nicht mehr erfüllen, wird er von der Führung eines Einlagekontos nur dann frei, wenn keine Rücklagen i. S. d. § 20 Absatz 1 Nummer 10 Buchstabe b EStG vorliegen. Liegen derartige Rücklagen vor, ist ein steuerliches Einlagekonto weiter zu führen und festzustellen.

[45]  In diesen Fällen führen Eigenkapitalveränderungen in sinngemäßer Anwendung der Rdnr. 43 grundsätzlich zu einer entsprechenden Veränderung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos. Zusätzlich erhöhen nachgewiesene Einlagen, die zum Verlustausgleich in den jeweiligen Wirtschaftsjahren geleistet worden sind, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos. Verringert sich das Eigenkapital aufgrund der schädlichen Auflösung von Rücklagen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 2 EStG , führt dies – abweichend von dem oben dargestellten Grundsatz – nur insoweit zu einer Verringerung des steuerlichen Einlagekontos, wie diese in sinngemäßer Anwendung des § 27 Absatz 1 Satz 3 KStG als Einlagenrückgewähr anzusehen ist.

[46]  Muss das steuerliche Einlagekonto mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG und entsprechender Rücklagen dagegen nicht mehr geführt werden und liegen die Voraussetzungen später wieder vor, ist der neue Anfangsbestand des steuerlichen Einlagekontos grundsätzlich wiederum nach den Grundsätzen der Rdnr. 43 zu ermitteln und festzustellen. Abweichend von diesen Grundsätzen erhöhen Einlagen, die zum Verlustausgleich seit dem Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG nachweislich geleistet worden sind, das steuerliche Einlagekonto. Eine Feststellung des steuerlichen Einlagekontos ist auf Feststellungszeitpunkte, für die nach den vorstehenden Grundsätzen kein steuerliches Einlagekonto geführt werden muss, nur auf Antrag durchzuführen.

– Verminderung des steuerlichen Einlagekontos bei Eigenbetrieben

[47]  Bei Eigenbetrieben kann – abgesehen von verdeckten Gewinnausschüttungen – allein der Ausschüttungsbeschluss zu einem Abfluss der entsprechenden Leistung beim BgA und damit ggf. zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos führen (vgl. Rdnr. 34). Der Ausschüttungsbeschluss führt zu einer Abführung des Gewinns des Wirtschaftsjahrs bzw. der Auflösung und Abführung zuvor stehengelassener und als Rücklagen anzusehender Gewinne der Vorjahre an die Trägerkörperschaft zu Zwecken außerhalb des BgA (§ 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 2 EStG ). Das Gesetz enthält zwar in § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG eine Ausschüttungsfiktion; im Rahmen der Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG kommt es aber – jedenfalls bei Eigenbetrieben – auf den tatsächlichen Abfluss an. Damit werden BgA, die als Eigenbetriebe geführt werden, im Verhältnis zu ihrer Trägerkörperschaft wie selbständige Kapitalgesellschaften behandelt. Wie bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft führt allerdings allein der Ausschüttungsbeschluss zu einem Abfluss der entsprechenden Leistung beim BgA und damit – nach Maßgabe des § 27 KStG  – zu einer Minderung des steuerlichen Einlagekontos.

[48]  Altrücklagen und Rücklagen aus Wirtschaftsjahren, die nicht die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG erfüllen, erhöhen den Bestand des steuerlichen Einlagekontos. Folglich sind entsprechend – von Kapitalherabsetzungen (vgl. Rdnr. 51) abgesehen – sämtliche Transferleistungen des Eigenbetriebs an seine Trägerkörperschaft, die nicht auf der Grundlage eines steuerlich anzuerkennenden (fiktiven) gegenseitigen Vertrages erbracht werden, in die Verwendungsrechnung des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG einzubeziehen (BFH-Urteil vom 16. November 2011, a. a. O.). Das gilt auch dann, wenn nach dem Ausschüttungsbeschluss ausdrücklich Altrücklagen ausgekehrt werden.

– Verminderung des steuerlichen Einlagekontos bei Regiebetrieben

[49]  Soweit der Gewinn eines Regiebetriebs nicht zulässigerweise den Rücklagen zugeführt worden ist, gilt er nach § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG als zum Schluss des Wirtschaftsjahrs an die Trägerkörperschaft abgeführt (BFH-Urteil vom 11. Juli 2007, a. a. O.). Es liegt eine Leistung i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG des nämlichen Wirtschaftsjahrs vor. Entsprechendes gilt für nach Rdnr. 35 nicht anzuerkennende Rücklagen.

[50]  Werden Rücklagen eines Regiebetriebs zu Zwecken außerhalb des Betriebs gewerblicher Art aufgelöst, liegt eine Leistung i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG im Zeitpunkt der Rücklagenauflösung vor.

– Kapitalmaßnahmen und Auswirkung auf das steuerliche Einlagekonto

[51]  Nach Rdnr. 42 haben BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit ein steuerliches Einlagekonto zu führen, dessen Anfangsbestand entsprechend den Rdnrn. 43 ff zu ermitteln ist. Haben solche BgA auf der Grundlage landesrechtlicher Regelungen ein Nennkapital oder eine hiermit vergleichbare Größe, gelten für die „Herabsetzung” und anschließende „Auskehrung” die Ausführungen in Rdnr. 14 entsprechend.

[52]  Dies setzt allerdings voraus, dass diese Maßnahmen nach den landesrechtlichen Regelungen auch zulässig sind. Sie sind in der Regel nicht zulässig, wenn der nach „Herabsetzung” und „Auskehrung” verbleibende Betrag für die zukünftige Entwicklung des Betriebs nicht als ausreichend anzusehen ist. Hierfür kann der Umstand sprechen, dass es alsbald nach der „Auskehrung” wieder zu einer Kapitalzuführung kommt. Ist jedoch nach landesrechtlichen Vorschriften eine Herabsetzung des Nennkapitals und zeitnahe Heraufsetzung des Nennkapitals in nahezu gleicher Höhe zulässig, führt dies unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 KStG zu einem gleichzeitigen grundsätzlich betragsgleichem Zu- und Abgang beim steuerlichen Einlagekonto in Höhe des Nennkapitals, ohne dass die Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG zu beachten ist. Andernfalls handelt es sich bei der Auskehrung des „Kapitalherabsetzungsbetrags” um eine kapitalertragsteuerpflichtige Ausschüttung. Die anschließende Mittelzuführung im Wege der „Kapitalerhöhung” führt zu einer Erhöhung des steuerlichen Einlagekontenbestands im Zuflusszeitpunkt.

[53]  Eine pauschale Annahme von Nennkapital oder einer hiermit vergleichbaren Größe mittels Rückgriff auf die Regelungen in R 33 Abs. 2 KStR 2004 ist nicht möglich.

– Erhöhung des steuerlichen Einlagekontos

[54]  Ob bei Regie- oder Eigenbetrieben eine Einlage anzunehmen ist, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen (R 40 KStR 2004 ). Der Zugang zum steuerlichen Einlagekonto richtet sich nach Zuflussgrundsätzen. Bei Regiebetrieben wird aus kommunalrechtlicher Sicht der Gewinn – losgelöst von einer steuerlichen Rücklagenbildung für Zwecke des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 1 EStG  – an den allgemeinen Haushalt abgeführt. Für Zwecke des § 27 KStG ist jedwede tatsächliche Zuführung von Mitteln sowie ein buchungstechnisches „Stehenlassen” von Gewinnen als Einlage und als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto anzusehen. Dies gilt allerdings nicht, soweit die Gewinne in die steuerliche Rücklage eingestellt wurden.

[55]  Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 23. Januar 2008 (a. a. O.) gilt der Verlust bei Regiebetrieben als zum Schluss des Wirtschaftsjahres der Verlustentstehung durch die Trägerkörperschaft ausgeglichen. In Höhe des Verlustes liegt zeitgleich ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto vor. In entsprechender Anwendung der Rdnr. 25 ff ist dabei der handelsrechtliche Jahresfehlbetrag bzw. der Verlust nach § 4 Abs. 1 EStG maßgeblich. Zur Frage des maßgeblichen Verlusts gelten die Ausführungen in Rdnr. 25 entsprechend. Bei Eigenbetrieben ist ein Zugang zum steuerlichen Einlagekonto erst im Zeitpunkt und in der Höhe des tatsächlichen Verlustausgleichs anzunehmen.

 2. Kapitalerträge der Gruppe 2

[56]  Bei Steuerpflichtigen der Gruppe 2 ist innerhalb einer siebenjährigen Sperrfrist Kapitalertrag der Einbringungsgewinn im Sinne des § 22 Abs. 1 UmwStG und der Gewinn aus der Anteilveräußerung (§ 22 Abs. 4 Nr. 1 UmwStG ). Ersterer fällt rückwirkend in dem BgA an, der seinerzeit eingebracht wurde. Letzterer gilt als in einem BgA (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) entstanden. Auf Rdnrn. 22.34 und 22.35 des BMF-Schreibens vom 11. November 2011, BStBl 2011 I S. 1314 wird verwiesen. Auslöser der Besteuerung sind sowohl die Veräußerung der Anteile nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG als auch die Vorgänge nach § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG . Sind erhaltene Anteile bereits Betriebsvermögen eines BgA (ohne eigene Rechtspersönlichkeit), liegt – bei Veräußerung der Anteile – begrifflich kein Gewinn i. S. d. § 22 Abs. 4 UmwStG vor; ein solcher Gewinn ist vielmehr regelmäßig als Kapitalertrag des BgA (Gruppe 1) zu erfassen.

 3. Kapitalerträge der Gruppe 3

[57]  Bei den BgA „Veranstaltung von Werbesendungen” (ohne eigene Rechtspersönlichkeit) der inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird hinsichtlich des Kapitalertrags an die Einkommensdefinition des § 8 Abs. 1 Satz 3 KStG angeknüpft. Der steuerpflichtige Kapitalertrag (Bemessungsgrundlage) beträgt drei Viertel des Einkommens. Eine Einschränkung der Besteuerung durch Rücklagendotierung ist nicht vorgesehen.

[58]  Soweit die inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neben der Veranstaltung von Werbesendungen noch andere BgA (z. B. Kantinenbetrieb) unterhalten, fallen sie damit unter die Steuerpflicht der Gruppe 1.

 III. Entstehung der Kapitalertragsteuer

[59]  § 44 Abs. 6 EStG regelt als Spezialvorschrift den Entstehungszeitpunkt der Kapitalertragsteuer. Grundsätzlich entsteht die Kapitalertragsteuer bei Regiebetrieben auf den Gewinn des abgelaufenen Wirtschaftsjahres im Zeitpunkt der Bilanzerstellung, spätestens jedoch acht Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs (§ 44 Abs. 6 Satz 2 EStG ); als Zeitpunkt der Bilanzerstellung in diesem Sinne der Vorschrift ist der Zeitpunkt der Bilanzfeststellung zu verstehen. Dies gilt bei Regie- und Eigenbetrieben auch für die verdeckten Gewinnausschüttungen im abgelaufenen Wirtschaftsjahr. Bei Eigenbetrieben, soweit es sich nicht um Eigenbetriebe i. S. d. Rdnrn. 32 und 36 handelt, gilt dies nur, soweit die Überführung des Gewinns des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs in den allgemeinen Haushalt der Trägerkörperschaft beschlossen wird; im Übrigen gilt der Gewinn als in Rücklagen eingestellt (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2011, a. a. O.).

[60]  Bei der Auflösung von Rücklagen entsteht die Kapitalertragsteuer am Tage nach der Beschlussfassung über die Verwendung. Für Gewinne nach § 22 Abs. 4 UmwStG entsteht die Kapitalertragsteuer am Tage nach der Veräußerung bzw. am Tag nach dem die Besteuerungsfolge i. S. d. § 22 Abs. 1 Satz 6 UmwStG auslösenden Ereignis (§ 44 Abs. 6 Satz 2 zweiter Halbsatz EStG ).

[61]  Für die Gewinne aus Werbesendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entsteht die Kapitalertragsteuer mit Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahrs (§ 44 Abs. 6 Satz 3 EStG ).

 IV. Durchführung der Besteuerung

[62]  Die Besteuerung wird in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG im Wege des Kapitalertragsteuerabzugs vorgenommen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c EStG ). Durch § 43 Abs. 2 EStG wird klargestellt, dass die Identität von Gläubiger und Schuldner dem Steuerabzug vom Kapitalertrag nicht entgegensteht.

[63]  Die Kapitalertragsteuer wird in Höhe von 15 % der Kapitalerträge erhoben (§ 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ).

[64]  Die Vorschrift des § 44 Abs. 6 Satz 1 EStG fingiert für die Durchführung des Kapitalertragsteuerabzugs die juristische Person des öffentlichen Rechts als Gläubiger und den BgA als Schuldner der Kapitalerträge. Im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 44 Abs. 1 Satz 5 EStG tritt an die Stelle der einbehaltenen die „entstandene” Kapitalertragsteuer. Die juristische Person des öffentlichen Rechts kann hinsichtlich der Kapitalertragsteuer auch mit dem Vermögen außerhalb des BgA in Anspruch genommen werden (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 KStG i. V. m. § 44 Abs. 6 Satz 4 EStG ).

 V. Zeitlicher Anwendungsbereich

[65]  § 52 Abs. 37a Satz 2 EStG in der Fassung des StSenkG verknüpft die erstmalige Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG beim Empfänger des Gewinns mit der körperschaftsteuerlichen Behandlung des leistenden BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Danach ist die Vorschrift erstmals auf Gewinne anzuwenden, die der Empfänger des Gewinns nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit erzielt, für das das KStG i. d. F. des StSenkG erstmals anzuwenden ist.

[66]  Bezogen auf die Gewinne von als Regiebetrieb geführten BgA heißt das, dass § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG auf Gewinne, die in einem in 2001 endenden Wirtschaftsjahr erzielt worden sind, noch nicht anzuwenden ist (BFH-Urteil vom 11. Juli 2007, a. a. O.). Wurde dieser Gewinn jedoch zulässigerweise einer Rücklage zugeführt und wird diese in späteren Wirtschaftsjahren aufgelöst, liegen insoweit grundsätzlich Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b Satz 2 EStG vor (BFH-Urteil vom 16. November 2011, a. a. O.).

[67]  Bei Eigenbetrieben kommt es nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 16. November 2011 (a. a. O.) nur aufgrund von Ausschüttungsbeschlüssen oder verdeckten Gewinnausschüttungen zu einer Kapitalertragsteuerpflicht. Der Gewinn eines in 2001 endenden Wirtschaftsjahres unterfällt daher der Kapitalertragsteuerpflicht, wenn ein entsprechender Ausschüttungsbeschluss nach dem 31. Dezember 2001 gefasst worden ist.

 Beispiel:

Der Eigenbetrieb hat ein Wirtschaftsjahr vom 1. Dezember bis zum 30. November eines Jahres. Die Bilanz für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 wird am 15. Dezember 2001, die für das Wirtschaftsjahr 2001/2002 am 15. Dezember 2002 erstellt; jeweils Beschluss über Gewinnüberführung in den allgemeinen Haushalt.

Die Bilanzfeststellung am 15. Dezember 2001 führt noch nicht zu Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG , weil für dieses Wirtschaftsjahr des BgA das neue Recht noch nicht anzuwenden ist. Dagegen führt die Bilanzerstellung am 15. Dezember 2002 zu Kapitalerträgen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe b EStG , weil für dieses Wirtschaftsjahr des BgA das neue Recht erstmals anzuwenden ist und ein Beschluss zur Gewinnüberführung vorliegt.

[68]  Verdeckte Gewinnausschüttungen in 2001 werden nicht erfasst.

[69]  Die Kapitalertragsteuerpflicht für das Einkommen aus der Veranstaltung von Werbesendungen durch inländische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gilt bereits für Gewinne des Veranlagungszeitraums 2001 (§ 52 Abs. 37a Satz 3 und Abs. 53 Satz 3 EStG in der Fassung des StSenkG).

 D. Anwendung des Schreibens

[70]  Dieses Schreiben tritt – soweit sich für Veranlagungszeiträume vor 2014 aus gesetzlichen Vorgaben nichts anders ergibt – an die Stelle des BMF-Schreibens vom 11. September 2002, BStBl 2002 I S. 935 , in der durch BMF-Schreiben vom 8. August 2005 , BStBl 2005 I S. 831 , geänderten Fassung.

BStBl 2015 I Seite 110
 

Klage gegen Nullbescheid kann auch bei Aberkennung der Gemeinnützigkeit unzulässig sein

Eine Klage gegen einen auf 0,- Euro lautenden Körperschaftsteuerbescheid ist nicht allein deshalb zulässig, weil im Begründungsteil ausgeführt wird, die Körperschaft sei nicht gemeinnützig. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 23. September 2014 (Az. 9 K 2451/10 K) entschieden.

Die Klägerin ist eine Hochschule und als solche eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Sie unterhält einen Betrieb gewerblicher Art, der der Auftragsforschung nachgeht. Das Finanzamt gelangte nach einer Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass dieser Betrieb die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nicht erfülle. Mangels Jahresüberschusses erließ es Körperschaftsteuerbescheide über 0,- Euro und führte im Begründungsteil aus, dass die Körperschaft nicht gemeinnützig sei. Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, dass sie mit dem Bereich der Auftragsforschung gemeinnützig und daher von der Körperschaftsteuer befreit sei.

Der Senat wies die Klage als unzulässig ab, weil die Klägerin durch die Körperschaftsteuerfestsetzungen auf 0,- Euro nicht beschwert sei. Eine Klagebefugnis ergebe sich auch nicht daraus, dass die Bescheide einen über die bloße Steuerfestsetzung hinausgehenden Regelungsgehalt enthielten. Die möglicherweise unzutreffende Beurteilung der Gemeinnützigkeit könne im Streitfall nicht zu einer Rechtsverletzung der Klägerin führen.

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit könne sich zwar auf die Befugnis auswirken, Spendenbescheinigungen auszustellen. Hierzu sei die Klägerin als Hochschule jedoch ohnehin berechtigt. Überdies habe sie nicht hinreichend dargelegt, für den Bereich der Auftragsforschung überhaupt Spenden erhalten oder eingeworben zu haben.

Im Übrigen seien die Körperschaftsteuerbescheide im Hinblick auf die Entscheidung über die Gemeinnützigkeit nicht bindend für andere Steuerarten (z. B. für die Umsatzsteuer). Eine Vorprägung für Folgejahre bestehe ebenfalls nicht, weil die Beurteilung der Gemeinnützigkeit von der Art der dann durchgeführten Projekte abhängen werde. Ein bloß abstraktes Klärungsbedürfnis bezüglich der Frage der Steuerbefreiung sei für eine Beschwer nicht ausreichend.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs abgewichen ist. Diese ist dort unter dem Aktenzeichen I R 6/15 anhängig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.02.2015 zum Urteil 9 K 2451/10 K vom 23.09.2014, Newsletter 2/2015

Besteuerungsrecht für Dividendenerträge einer niederländischen Tochtergesellschaft

Der 13. Senat des Finanzgerichts Münter hat mit Urteil vom 15. Dezember 2014 (Az. 13 K 624/11 F) entschieden, dass das Besteuerungsrecht für Dividendenerträge, die eine niederländische Tochtergesellschaft erzielt, jedenfalls dann der Bundesrepublik Deutschland zusteht, wenn die Dividenden nicht in einem funktionalen Zusammenhang mit der Tochtergesellschaft stehen.

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft, ist Organträgerin einer GmbH, die nahezu alle Gesellschaftsanteile einer niederländischen Personengesellschaft (C.V.) hält. Die C.V. ist ihrerseits alleinige Gesellschafterin einer ebenfalls in den Niederlanden ansässigen Kapitalgesellschaft (B.V.). Das Finanzamt unterwarf den auf die Klägerin entfallenden Gewinnanteil der C.V. lediglich dem Progressionsvorbehalt, nahm aber die Dividende der B.V. hiervon aus. Diese sei nicht der als Betriebsstätte zu behandelnden C.V. zuzuordnen, da der funktionale Zusammenhang fehle. Die C.V. habe keine geschäftsleitenden Holdingfunktionen für die B.V. übernommen.

Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, dass nach dem zwischen Deutschland und den Niederlanden geschlossenen DBA allein den Niederlanden das Besteuerungsrecht für die Dividende zustehe. Der funktionale Zusammenhang folge daraus, dass die B.V. für das Betriebsergebnis der C.V. eine wesentliche Bedeutung habe. Außerdem habe die C.V. als Holding Dienstleistungen für die B.V. erbracht und Führungsentscheidungen für sie getroffen.

Dem folgte das Gericht nicht und wies die Klage ab. Die Dividende sei nicht von der inländischen Besteuerung auszunehmen, da insoweit die Voraussetzungen des sog. Betriebsstättenvorbehalts (Art. 13 Abs. 5 DBA) nicht erfüllt seien. Die C.V. sei zwar abkommensrechtlich als Betriebsstätte der Klägerin anzusehen, jedoch habe die Klägerin die Dividende nicht „durch die Betriebsstätte“ erzielt.

Dabei ließ der Senat die Frage offen, ob eine Dividende dann einer Betriebsstätte zugeordnet werden kann, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit der dort ausgeübten unmittelbaren unternehmerischen Tätigkeit steht oder ob die funktionale Zuordnung einer nachgeordneten Beteiligungsgesellschaft bereits dem Grunde nach ausgeschlossen ist. Die C.V. habe tatsächlich keine geschäftsleitenden Holdingfunktionen für die B.V. übernommen. Allein die wesentliche Bedeutung der B.V. für das Ergebnis der C.V. reiche hierfür nicht aus. Etwaige Führungsentscheidungen und Weisungen seien nicht schriftlich dokumentiert worden. Da die B.V. einen eigenen Geschäftsführer gehabt habe, sei nicht erkennbar, inwieweit die C.V. Leitungsfunktionen für die B.V. übernommen habe. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.02.2015 zum Urteil 13 K 624/11 F vom 15.12.2014, Newsletter 2/2015

Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2014

Gleich lautende Erlasse

der obersten Finanzbehörden der Länder

 vom 2. Januar 2015

über Steuererklärungsfristen

 

 

  1. Steuererklärungen für das Kalenderjahr 2014

 

  1. Fristverlängerung

 

 

  1. Abgabefrist für Steuererklärungen

 

(1) Für das Kalenderjahr 2014 sind die Erklärungen

 

– zur E i n k o m m e n s t e u e r – einschließlich der Erklärungen zur gesonderten sowie zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteue-rung sowie zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags -,

 

– zur K ö r p e r s c h a f t s t e u e r – einschließlich der Erklärungen zu gesonderten Fest-stellungen von Besteuerungsgrundlagen, die in Zusammenhang mit der Körperschaft-steuerveranlagung durchzuführen sind, sowie für die Zerlegung der Körperschaftsteuer -,

 

– zur G e w e r b e s t e u e r – einschließlich der Erklärungen zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und zur gesonderten Feststellung des Zuwendungs-vortrags sowie für die Zerlegung des Steuermessbetrags -,

 

– zur U m s a t z s t e u e r sowie

 

– zur gesonderten oder zur gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 18 des Außen-steuergesetzes

 

nach § 149 Absatz 2 der Abgabenordnung (AO)

 

b i s  z u m  3 1. M a i  2 0 1 5

 

bei den Finanzämtern abzugeben.

 

(2) Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln, endet die Frist nicht vor Ablauf des fünften Monats, der auf den Schluss des Wirtschaftsjahres 2014/2015 folgt.

 

  1. Fristverlängerung

 

(1) Sofern die vorbezeichneten Steuererklärungen durch Personen, Gesellschaften, Verbände, Vereinigungen, Behörden oder Körperschaften im Sinne der §§ 3 und 4 StBerG angefertigt werden, wird vorbehaltlich des Absatzes 2 die Frist nach § 109 AO allgemein

 

b i s  z u m  3 1. D e z e m b e r  2 0 1 5

 

verlängert. Bei Steuererklärungen für Steuerpflichtige, die den Gewinn aus Land- und Forst-wirtschaft nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr ermitteln (Abschnitt I Absatz 2), tritt an die Stelle des 31. Dezember 2015 der 31. Mai 2016.

 

(2) Es bleibt den Finanzämtern vorbehalten, Erklärungen mit angemessener Frist für einen Zeitpunkt vor Ablauf der allgemein verlängerten Frist anzufordern. Von dieser Möglichkeit soll insbesondere Gebrauch gemacht werden, wenn

 

– für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspä-tet oder nicht abgegeben wurden,

– für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum kurz vor Abgabe der Erklärung bzw. vor dem Ende der Karenzzeit nach § 233a Absatz 2 Satz 1 AO nachträgliche Vorauszahlungen festgesetzt wurden,

– sich aus der Veranlagung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine hohe Abschlusszahlung ergeben hat,

– hohe Abschlusszahlungen erwartet werden,

– für Beteiligte an Gesellschaften und Gemeinschaften Verluste festzustellen sind oder

– die Arbeitslage der Finanzämter es erfordert.

 

Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass die Erklärungen laufend fertig gestellt und unver-züglich eingereicht werden.

 

(3) Aufgrund begründeter Einzelanträge kann die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen bis zum 29. Februar 2016 bzw. in den Fällen des Abschnitts I Absatz 2 bis zum 31. Juli 2016 verlängert werden. Eine weitergehende Fristverlängerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

 

(4) Die allgemeine Fristverlängerung gilt nicht für Anträge auf Steuervergütungen. Sie gilt auch nicht für die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen, wenn die gewerbliche oder beruf-liche Tätigkeit mit Ablauf des 31. Dezember 2014 endete. Hat die gewerbliche oder beruf-liche Tätigkeit vor dem 31. Dezember 2014 geendet, ist die Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr einen Monat nach Beendigung der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit abzugeben (§ 18 Absatz 3 Satz 2 i. V. m. § 16 Absatz 3 des Umsatzsteuergesetzes).

 

Diese Erlasse ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen.

 

 

Ministerium für Finanzen und Wirtschaft

Baden-Württemberg

3 – S 0320/51

 

 

Bayerisches Staatsministerium

der Finanzen, für Landesentwicklung

und Heimat

 

37-S 0320-1/4

 

 

Senatsverwaltung für Finanzen

Berlin

 

S 0320-1/2012

 

 

Ministerium der Finanzen

des Landes Brandenburg

 

33-S 0320/2014#V002

 

 

Die Senatorin für Finanzen der

Freien Hansestadt Bremen

 

S 0320 – 1/2014-2/2014 – 13-2

 

 

Finanzbehörde der Freien

und Hansestadt Hamburg

 

S 0320-2014/001-51

 

 

Finanzministerium 

Mecklenburg-Vorpommern

 

IV-S 0320-00000-2014/001-014

 

 

Niedersächsisches

Finanzministerium

 

S 0320 – 62 – 33 11

 

 

 

Finanzministerium des Landes

Nordrhein-Westfalen

 

S 0320 – 1 – V A 2

 

 

Ministerium der Finanzen

des Landes Rheinland-Pfalz

 

S 0320 A – 10-005 – 446

 

 

Saarland

Ministerium für Finanzen und Europa

 

B/1 – S 0320-1#027

 

 

Sächsisches Staatsministerium

der Finanzen

 

31-S 0320/46/1-2014/62484

 

 

Ministerium der Finanzen

des Landes Sachsen-Anhalt

 

44 – S 0320 – 45

 

 

Finanzministerium des Landes

Schleswig-Holstein

 

S 0320 – 076

 

 

Thüringer Finanzministerium

 

S 0320 A – 1 – 23.1

 

 

 

EuGH klärt den Begriff „Mindestlohnsatz“ entsandter Arbeitnehmer

Die EU-Richtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie, ABl. 1997, L 18, S. 1) sieht vor, dass in Bezug auf die Mindestlohnsätze die entsandten Arbeitnehmern garantierten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen durch die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats und/oder im Bausektor durch im Aufnahmemitgliedstaat für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge festgelegt sind.

Nach dem finnischen Gesetz über die Entsendung von Arbeitnehmern gilt als Mindestlohn die in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag festgelegte Vergütung.

Elektrobudowa Spólka Akcyjna (ESA), ein polnisches Unternehmen, schloss in Polen nach polnischem Recht Arbeitsverträge mit 186 Arbeitnehmern und entsandte diese dann an ihre finnische Zweigniederlassung zur Ausführung von Elektroarbeiten auf der Baustelle des Kernkraftwerks Olkiluoto in Eurajoki, Finnland.

Da die betroffenen Arbeitnehmer der Auffassung sind, ESA habe ihnen nicht den Mindestlohn gezahlt, der ihnen nach den finnischen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für die Stromwirtschaftsbranche und für die Haustechnikbranche zustehe, haben sie ihre Forderungen einzeln zur Einziehung auf Sähköalojen ammattiliitto (finnische Gewerkschaft für die Elektrizitätsbranche) übertragen.

Vor dem Satakunnan käräjäoikeus (erstinstanzliches Gericht Satakunta) trägt Sähköalojen ammattiliitto vor, dass die Tarifverträge eine Berechnung des Mindestlohns der Arbeitnehmer nach für diese günstigeren Kriterien als den von ESA angewandten vorsähen. Diese Kriterien beträfen u. a. die Art der Einteilung der Arbeitnehmer in Lohngruppen, der Einordnung einer Vergütung (als Zeit- oder Akkordlohn) und der Gewährung von Urlaubsgeld, Tagegeld und Wegezeitentschädigung sowie die Übernahme der Unterbringungskosten der Arbeitnehmer. ESA macht u. a. geltend, dass Sähköalojen ammattiliitto nicht befugt sei, im Namen der entsandten Arbeitnehmer zu klagen, weil das polnische Recht die Übertragung von Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis verbiete.

Das Satakunnan käräjäoikeus fragt den Gerichtshof, ob das in der Charta der Grundrechte verankerte Recht auf wirksamen Rechtsschutz es verbietet, dass die Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Übertragung von Forderungen aus Arbeitsverhältnissen untersagt ist, eine Gewerkschaft daran hindern kann, bei einem Gericht des Aufnahmemitgliedstaats eine Klage zu erheben, um Lohnforderungen einzuziehen, die entsandte Arbeitnehmer auf sie übertragen haben. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, ob die Entsenderichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Mindestlohnsätze“ die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lohnbestandteile umfasst, wie sie in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag definiert sind.

In seinem Urteil vom 12.02.2015 stellt der Gerichtshof fest, dass sich die Klagebefugnis von Sähköalojen ammattiliitto vor dem vorlegenden Gericht nach dem finnischen Verfahrensrecht bestimmt und sich aus der Entsenderichtlinie eindeutig ergibt, dass sich Fragen, die den Mindestlohnsatz betreffen, unabhängig von dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht nach dem Recht des Aufnahmemitgliedstaats, hier also Finnland, bestimmen. Im vorliegenden Fall besteht kein Grund, der geeignet wäre, die Klage, die die Sähköalojen ammattiliitto beim Satakunnan käräjäoikeus erhoben hat, und damit das durch die Charta gewährleistete Recht auf wirksamen Rechtsschutz in Frage zu stellen.

Des Weiteren weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie eine doppelte Zielsetzung verfolgt. Zum einen bezweckt sie, zwischen inländischen Unternehmen und Unternehmen, die länderübergreifende Dienstleistungen erbringen, einen lauteren Wettbewerb sicherzustellen, und zum anderen, den entsandten Arbeitnehmern zu garantieren, dass ein Kern zwingender Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaats über ein Mindestmaß an Schutz beachtet wird. Diese Richtlinie hat jedoch nicht den materiell-rechtlichen Inhalt dieser Bestimmungen harmonisiert, auch wenn sie einige Informationen hierzu liefert.

So verweist die Richtlinie für die Bestimmung der Mindestlohnsätze ausdrücklich auf die Rechtsvorschriften oder Praktiken des Aufnahmemitgliedstaats, wobei diese Definition allerdings nicht zu einer Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten führen darf. Daraus folgt, dass die Art und Weise der Berechnung des Mindestlohnsatzes und die dafür herangezogenen Kriterien ebenfalls in die Zuständigkeit des Aufnahmemitgliedstaats fallen müssen.

Nach diesen Erwägungen gelangt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Richtlinie einer Berechnung des Mindeststundenlohns und/oder Mindestakkordlohns auf der Grundlage der Einteilung der Arbeitnehmer in Lohngruppen nicht entgegensteht, sofern diese Berechnung und diese Einteilung nach zwingenden und transparenten Vorschriften vorgenommen werden, was zu prüfen Aufgabe des nationalen Gerichts ist.

Ferner wird das Tagegeld, das den sozialen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer gewährleisten soll, indem es die durch die Entsendung entstehenden Nachteile ausgleicht, den Arbeitnehmern nicht als Erstattung für infolge der Entsendung tatsächlich entstandene Kosten gezahlt. Folglich ist es als Entsendungszulage einzustufen und somit gemäß der Richtlinie unter den gleichen Bedingungen als Bestandteil des Mindestlohns anzusehen, wie sie für seine Einbeziehung in den Mindestlohn gelten, der einheimischen Arbeitnehmern bei ihrer Entsendung innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats gezahlt wird.

Darüber hinaus ist eine Entschädigung für die tägliche Pendelzeit, da sie nicht als Erstattung von Kosten, die dem Arbeitnehmer infolge der Entsendung tatsächlich entstanden sind, gezahlt wird, gemäß der Richtlinie als Entsendungszulage und somit als Bestandteil des Mindestlohns zu betrachten.

Die Übernahme der Kosten für die Unterbringung der betreffenden Arbeitnehmer durch ESA und die Ausgabe von Essensgutscheinen an die Arbeitnehmer, die gewährt werden, um die den Arbeitnehmern infolge ihrer Entsendung tatsächlich entstandenen Lebenshaltungskosten zu erstatten, können hingegen keine Bestandteile des Mindestlohns darstellen.

Hinsichtlich der Zahlung einer Vergütung während des Urlaubs weist der Gerichtshof darauf hin, dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf bezahlten Jahresurlaub hat. Folglich ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass die Vergütung, die dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer des bezahlten Mindestjahresurlaubs zu gewähren ist, dem Mindestlohn entspricht, auf den dieser Arbeitnehmer im Referenzzeitraum Anspruch hat.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 12.02.2015 zum Urteil C-396/13 vom 12.02.2015

 

Buchwertfortführung bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils trotz vorheriger Veräußerung des Sonderbetriebsvermögens möglich

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 9. Dezember 2014 (Az. IV R 29/14) das Urteil der 12. Senats des Finanzgerichts Münster vom 9. Mai 2014 (Az. 12 K 3303/11 F) bestätigt, wonach der Buchwertfortführung bei Übertragung eines Mitunternehmeranteils nicht entgegensteht, dass der Übertragende zuvor sein Sonderbetriebsvermögen an einen Dritten veräußert hat.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG, die ursprünglich einen Einzelhandel betrieben hatte, später aber die Geschäftsräume an Dritte vermietete. Der Kreis der Kommanditisten setzte sich aus einem Vater und seinem Sohn zusammen. Die beiden Betriebsgrundstücke standen im Sonderbetriebsvermögen des Vaters. Dieser veräußerte zunächst eines der Grundstücke an einen der Mieter und übertrug ca. zwei Wochen später seinen Kommanditanteil an den Sohn. Lediglich den Gewinn aus der Grundstücksveräußerung behandelte die Klägerin als Sonderbetriebseinnahme des Vaters. Demgegenüber behandelte das Finanzamt den Vorgang insgesamt als Aufgabe des Mitunternehmeranteils und stellte einen entsprechenden Aufgabegewinn unter Auflösung sämtlicher stiller Reserven fest.

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klage statt. Der Vater habe seinen Mitunternehmeranteil zu Buchwerten gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG auf den Sohn übertragen. Die vorherige Veräußerung des Grundstücks stehe dem nicht entgegen, weil die sog. Gesamtplanrechtsprechung im Hinblick auf den Normzweck des § 16 EStG entwickelt worden sei und daher nicht auf Vorgänge nach § 6 Abs. 3 EStG übertragen werden könne. Überdies habe das Grundstück kein funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen des Verpachtungsbetriebs der Klägerin dargestellt.

Der Bundesfinanzhof wies die vom Finanzamt eingelegte Revision zurück. Die Grundstücksveräußerung und Übertragung des Mitunternehmeranteils seien selbst dann nicht zusammenfassend zu betrachten, wenn dem ein einheitlicher Plan zugrunde gelegen haben sollte. Die Gesamtplanrechtsprechung beruhe auf dem Gedanken, die Tarifvergünstigung nach § 34 EStG nur anzuwenden, wenn in einem einheitlichen Vorgang alle stillen Reserven aus den wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgedeckt werden. Auf § 6 Abs. 3 EStG finde dieser Gedanke jedoch keine Anwendung. Daher komme es auch nicht darauf an, ob das veräußerte Grundstück eine wesentliche Betriebsgrundlage der Klägerin dargestellt hat.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.02.2015 zum Urteil 12 K 3303/11 F vom 09.05.2014, Newsletter 02/2015

 

Keine Verlängerung des Berechtigungszeitraums für Kindergeld durch freiwilligen Wehr-dienst nach Aussetzung der Wehrpflicht

Der Berechtigungszeitraum für den Bezug von Kindergeld verlängert sich nicht über das 25. Lebensjahr hinaus, wenn das Kind nach dem 1. Juli 2011 einen freiwilligen Wehrdienst abgeleistet hat. Dies hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 20. Oktober 2014 (Az. 5 K 2339/14 Kg) entschieden.

Der 1989 geborene Sohn des Klägers leistete nach dem Schulabschluss vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2013 einen freiwilligen Wehrdienst ab. Danach begann er mit einer Berufsausbildung. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung ab Juni 2014 auf, nachdem der Sohn im Mai sein 25. Lebensjahr vollendet hatte. Der Kläger begehrte demgegenüber weiterhin Kindergeld. Seiner Ansicht nach verlängere sich der Berechtigungszeitraum wegen des Wehrdienstes um 18 Monate.

Das Gericht wies die Klage ab. Eine Verlängerung der Kindergeldberechtigung komme im Streitfall nicht in Betracht, weil der Sohn des Klägers weder einen gesetzlichen Wehrdienst noch einen freiwilligen Wehrdienst anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes geleistet habe. Die allgemeine Wehrpflicht sei zum 1. Juli 2011 ausgesetzt worden und lebe nur bei Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalles wieder auf. Ein nach diesem Datum absolvierter freiwilliger Wehrdienst könne daher nicht „anstelle“ des gesetzlichen Wehrdienstes geleistet werden.

Das Gesetz sei insoweit auch nicht nach Sinn und Zweck abweichend vom Wortlaut auszulegen, da nach Aussetzung der Wehrpflicht kein Bedürfnis mehr bestehe, den Bezugszeitraum für das Kindergeld zu verlängern. Die allgemeine Wehrpflicht habe für die Wehrpflichtigen einen erheblichen Grundrechtseingriff dargestellt und die (weitere) Ausbildung zeitlich verzögert. Als Ausgleich dieses Nachteils habe das Kindergeld entsprechend länger gezahlt werden können.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.02.2015 zum Urteil 5 K 2339/14 Kg vom 20.10.2014, Newsletter 02/2015

 

Krankheitskosten, auf deren Erstattung zum Erhalt der Beitragsrückerstattung verzichtet wird, sind keine Sonderausgaben

Mit Urteil vom 17. November 2014 (Az. 5 K 149/14 E) hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass Krankheitskosten, die der Versicherte selbst trägt, um in den Genuss einer Beitragsrückerstattung seiner Krankenversicherung zu kommen, nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind.

Der freiberuflich tätige Kläger und seine Ehefrau machten Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für sich und ihre Kinder als Sonderausgaben geltend. Dabei bezogen sie auch Krankheitskosten ein, die sie nicht mit der Versicherung abgerechnet hatten, um den Anspruch auf Beitragsrückerstattung zu behalten. Das Finanzamt versagte insoweit den Sonderausgabenabzug, da es sich schon begrifflich nicht um Beiträge handele. Auch ein Abzug als außergewöhnliche Belastungen komme nicht in Betracht. Da die Kläger freiwillig auf die Geltendmachung der Erstattung verzichtet hätten, seien die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden.

Der Senat wies die Klage ab. Ein Sonderausgabenabzug komme im Hinblick auf die selbst getragenen Krankheitskosten nicht in Betracht, weil es sich dabei nicht um „Beiträge“ im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a EStG handele. Hierunter fielen nur Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erlangung von Versicherungsschutz stehen, was bei Zahlungen für Heilbehandlungen an Ärzte nicht der Fall sei.

Der Umstand, dass einerseits kein Sonderausgabenabzug möglich sei, aber andererseits die (spätere) Beitragsrückerstattung den Sonderausgabenabzug mindere, ist nach Ansicht des Senats nicht verfassungswidrig. Das Grundgesetz verlange lediglich eine Freistellung des Existenzminimums, was angesichts der geringen steuerlichen Auswirkungen im Streitfall nicht als gefährdet erscheine.

Ein Abzug der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung scheitere daran, dass die zumutbare Belastung nicht überschritten werde. Gegen die zumutbare Belastung bestünden wegen des dem Gesetzgeber eingeräumten Bewertungsspielraums keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Wegen der diesbezüglich bereits beim Bundesfinanzhof anhängigen Verfahren hat der Senat die Revision zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.02.2015 zum Urteil 5 K 149/14 E vom 17.11.2014 (nrkr), Newsletter 02/2015

 

FG Münster: Weitere Entscheidungen im Überblick

 Körperschaftsteuer

Zur steuerlichen Behandlung des Gewinns der Organgesellschaft bei der Organträgerin, wenn diese im zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Organschaft auf den Gewinnabführungsanspruch für das laufende Wirtschaftsjahr verzichtet (Urteil vom 20. August 2014, Az. 10 K 2192/13 F)

Gewerbesteuer/Verfahrensrecht

Zur Entscheidung über die Sicherheitsleistung im Rahmen eines gerichtlichen Aussetzungsverfahrens im Einspruchsverfahren gegen einen Gewerbesteuermessbescheid (Beschlüsse vom 22. Dezember 2014, Az. 9 V 1742/14 G und vom 7. Januar 2015, Az. 8 V 1774/14 G)

 Erbschaftsteuer

Zu den Voraussetzungen einer für die Steuerbefreiung einer Zuwendung an eine gemeinnützige Stiftung (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchstabe b) ErbStG) erforderlichen ordnungsgemäßen Geschäftsführung (Urteil vom 11. Dezember 2014, Az. 3 K 323/12 Erb)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das auf eine liechtensteinische Stiftung übertragene Vermögen bei Zurückbehaltung von Weisungsrechten in den Nachlass des Stifters fällt (Urteil vom 11. Dezember 2014, Az. 3 K 764/12 Erb, Rev. BFH II R 9/15)

 Umsatzsteuer

Gilt die Durchschnittssatzbesteuerung für Landwirte auch für Dienstleistungen, die in der Bodenbearbeitung, dem Pflanzen und der Ernte in einem fremden Betrieb bestehen? (Urteil vom 20. Januar 2015, Az. 15 K 2845/13 U)

Grunderwerbsteuer

Zur Frage, ob der bei Erwerb eines Hauberganteils auf die Haubergpfennige entfallende Kaufpreisanteil in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist (Urteil vom 22. Januar 2015, Az. 8 K 3618/12 GrE

Verfahrensrecht

Zur Zurechnung eines Bankkontos bei behauptetem Treuhandverhältnis und zum Auskunftsverweigerungsrecht eines Zeugen wegen Gefahr der eigenen Strafverfolgung (Urteil vom 3. November 2014, Az. 10 K 1512/10 E)

Quelle: FG Münster

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin