Umsatzsteuer: Steuerbefreiung von in einem Krankenhaus erbrachten medizinischen Leistungen

Kurzfassung: Ärztliche Heilbehandlungen sind nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auch dann steuerfrei, wenn sie in einem Krankenhaus durchgeführt werden – selbst wenn die Krankenhausbefreiung nach Buchst. b im konkreten Fall nicht greift. Entscheidend ist nicht der Ort der Leistung oder die Rechtsform (z. B. GmbH), sondern dass es sich inhaltlich um eine Heilbehandlung handelt. Aber: Zuerst ist stets zu prüfen, ob eine einheitliche Leistung (Heilbehandlung plus stationäre Unterbringung u. a.) vorliegt; ist das der Fall und ist die Hauptleistung nicht steuerfrei, ist alles steuerpflichtig. Das hat der BFH jüngst klargestellt und den Fall zur Einheitsleistungsprüfung an die Vorinstanz zurückverwiesen.


Die Kernaussagen des BFH

  • Heilbehandlung bleibt Heilbehandlung – auch im Krankenhaus: § 4 Nr. 14 a UStG wird nicht von § 4 Nr. 14 b UStG „verdrängt“. Heilbehandlungen eines Arztes sind steuerfrei, gleich wo sie stattfinden.
  • Rechtsform egal: Die Steuerfreiheit greift auch, wenn der Arzt in einer GmbH tätig ist.
  • Subunternehmer & Belegarzt erfasst: Heilbehandlungen eines Subunternehmer-Arztes im Krankenhaus bzw. eines Belegarztes können unter § 4 Nr. 14 a UStG fallen.
  • Einheitliche Leistung vs. Mehrzahl von Leistungen: Vor der Steuerbefreiung steht die Leistungsbündel-Prüfung: Ist die Krankenhausunterbringung eigenständiger (gleichwertiger) Bestandteil eines untrennbaren Vorgangs, kann eine einheitliche (insgesamt steuerpflichtige) Leistung vorliegen. Das muss die Vorinstanz im Einzelfall würdigen.

Praxisfilter: Steuerfreiheit nach Buchst. a greift für die ärztliche Heilbehandlung. Sobald jedoch Unterkunft, Pflege, Infrastruktur etc. gleichwertig mitverkauft werden, droht der „einheitliche Umsatz“ – und damit ggf. USt auf alles.


Was bedeutet das für die Praxis?

1) Struktur & Abrechnung sauber gestalten

  • Leistungsbild trennen, wo es tatsächlich trennbar ist (Heilbehandlung ↔ Krankenhausleistungen). Künstliche Aufspaltungen sind unzulässig und werden u. U. zusammengefasst.
  • Verträge (mit Krankenhäusern/Patient:innen) auf Inhalt & Abrechnung prüfen: Wer schuldet was? Wer stellt wem was in Rechnung?

2) Rollenmodelle im Blick

  • Belegärzte/Subunternehmer-Ärzte: Heilbehandlungen können nach Buchst. a steuerfrei sein – unabhängig vom Ort; die Krankenhausbefreiung nach Buchst. b ist kein Ausschlussgrund.
  • Privatkliniken/GmbHs: Rechtsform unschädlich für die Heilbehandlungsbefreiung – maßgeblich bleibt der ärztliche Charakter der Leistung.

3) Vorsicht Vorsteuer!

  • Steuerfreie Umsätze bedeuten regelmäßig kein Vorsteuerabzug. In gemischten Strukturen (frei/steuerpflichtig) sind Vorsteueraufteilungen und wirtschaftliche Effekte frühzeitig zu kalkulieren.

Der entschiedene Fall – und was noch offen ist

  • Ausgangsfall: Privatklinik (GmbH) in der ästhetisch-plastischen Chirurgie; OPs in angemieteten Krankenhausräumen; medizinische Indikation unstreitig. Das FG Schleswig-Holstein bejahte die Steuerfreiheit; der BFH bestätigte zwar die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 4 Nr. 14 a im Krankenhaus, hob das Urteil jedoch auf und verwies zurück – wegen der Einheitsleistungsfrage (Heilbehandlung plus stationäre Komponenten).
  • Nächster Schritt: Die Vorinstanz muss klären, ob eine einheitliche Leistung vorliegt. Tendenz des BFH: Bei gleichwertigen Bestandteilen sei eine Aufspaltung wirklichkeitsfremd – dann insgesamt steuerpflichtig.

Handlungsempfehlungen für Leistungserbringer

  1. Leistungsketten analysieren: Welche Bausteine (Heilbehandlung, Pflege, Unterkunft, Infrastruktur) werden tatsächlich erbracht und wie?
  2. Verträge & Rechnungen justieren: Klare Leistungsbeschreibung, Abrechnungswege (direkt Patient:in vs. über Krankenhaus) und Leistungsschuldner festlegen.
  3. Dokumentation stärken: Indikation, ärztliche Durchführung, Abgrenzung zu nicht-ärztlichen Komponenten nachvollziehbar dokumentieren.
  4. USt-/VSt-Effekte simulieren: Variantenrechnung (steuerfreie Heilbehandlung vs. einheitliche steuerpflichtige Leistung) inkl. Vorsteuer.
  5. Rechtsprechung verfolgen: Ausgang des zweiten Rechtsgangs beachten; ggf. Einspruch und Ruhen bei vergleichbaren Fällen erwägen.

Einordnung der Vorinstanz

Das Schleswig-Holsteinische FG hatte bereits 2022 entschieden, dass ärztliche Heilbehandlungen auch innerhalb von Krankenhausleistungen nach § 4 Nr. 14 a UStG steuerfrei sein können, wenn die Voraussetzungen des Buchst. b nicht vollständig vorliegen. Diese Linie bestätigt der BFH grundsätzlich – die Einheitsleistungsprüfung bleibt jedoch der Knackpunkt.


Fazit

Gute Nachrichten für Belegärzte, Subunternehmer und Privatkliniken: Heilbehandlungen bleiben auch im Krankenhaus nach § 4 Nr. 14 a UStG steuerfrei – unabhängig von Ort und Rechtsform. Aber: Wer stationäre Elemente mitverkauft, muss die Einheitsleistungsfalle im Blick haben. Jetzt kommt es auf kluge Vertrags- und Abrechnungsstrukturen an – und auf die Entscheidung der Vorinstanz im zweiten Rechtsgang.


Quellen: BFH, Urt. v. 19.12.2024 – V R 10/22 (mit Zurückverweisung); vorgehend FG Schleswig-Holstein, Urt. v. 17.05.2022 – 4 K 119/18; BFH, Urt. v. 18.10.2023 – XI R 18/20; st. Rspr. zu Subunternehmer-/Belegarztfällen.

Eigengenutztes Baudenkmal: Kann der Erbe die Steuerbegünstigung nach § 10f EStG fortführen?

Kurzfassung: Verstirbt die/der Steuerpflichtige innerhalb des 10-jährigen Begünstigungszeitraums des § 10f EStG und nutzt der Erbe das Baudenkmal anschließend zu eigenen Wohnzwecken, stellt sich die Frage: Darf der Erbe die jährlichen Abzugsbeträge fortführen?
Das FG Sachsen-Anhalt hat dies verneint. Der BFH muss nun klären, ob eine analoge Anwendung der Fußstapfentheorie (§ 11d EStDV) möglich ist. Bis zur Entscheidung sollten vergleichbare Fälle offengehalten werden.


Worum geht’s?

  • § 10f EStG (Eigennutzung): Begünstigt sind Modernisierungs-/Instandsetzungsaufwendungen an einem eigenen Baudenkmal mit 9 % jährlich im Jahr des Abschlusses und den neun Folgejahren (insgesamt bis zu 90 %). Voraussetzung: Eigennutzung in jedem Abzugsjahr und denkmalrechtliche Bescheinigung der zuständigen Behörde.
  • Fußstapfentheorie (§ 11d EStDV): Bei unentgeltlichem Erwerb (Erbschaft/Schenkung) bemisst sich die AfA des Erwerbers nach den Kosten und Sätzen des Rechtsvorgängers („tritt in dessen Fußstapfen“).
  • Der Streitpunkt: § 10f ist kein AfA-Tatbestand, sondern ein Sonderausgabenabzug. Gilt die Fußstapfentheorie analog dennoch?

Der entschiedene Einzelfall (erste Instanz)

  • Sachverhalt: Vater nutzt ein Baudenkmal selbst, macht § 10f-Abzüge geltend, verstirbt vor Ablauf der 10 Jahre. Sohn erbt und bewohnt das Baudenkmal weiter.
  • Begehren des Sohnes: Fortführung der restlichen § 10f-Abzugsjahre „in den Fußstapfen“ des Vaters.
  • Finanzamt & FG: Ablehnung. Begründung: § 10f = Sonderausgaben, keine AfA; § 11d EStDV daher nicht anwendbar. Ein automatischer Übergang der noch „offenen“ Abzugsjahre auf den Erben finde nicht statt – selbst bei fortgesetzter Eigennutzung durch den Erben.
  • Jetzt beim BFH: Die Revision ist zugelassen und eingelegt. Der BFH (X. Senat) klärt, ob eine analoge Fußstapfen-Fortführung möglich ist.

Was bedeutet das für die Praxis?

1) Fälle aktiv „offen“ halten

Bis zur BFH-Entscheidung sollten Sie in vergleichbaren Sachverhalten:

  • Einspruch gegen ablehnende Bescheide einlegen und
  • das Ruhen des Verfahrens beantragen (unter Hinweis auf das anhängige BFH-Verfahren).

2) Voraussetzungen sauber dokumentieren

Für jedes Abzugsjahr:

  • Eigennutzung des Erben (Melde-/Nutzungsnachweise),
  • Denkmalschutz-Bescheinigung inkl. Maßnahmenkatalog,
  • Kostenbelege und Zeitpunkte der Maßnahme(n).

3) Alternativen prüfen

  • Vermietung statt Eigennutzung? Dann ggf. Wechsel der Begünstigung zu § 7i EStG (AfA für Baudenkmäler im Privatvermögen), nicht § 10f.
  • Unentgeltliche Übertragung zu Lebzeiten: Je nach Ausgang beim BFH könnte die Entscheidung Signalwirkung für Schenkungsfälle entfalten.

Häufige Beratungsfragen

Gilt § 10f für Anschaffungs- oder nur für Herstellungs-/Modernisierungskosten?
Nur Maßnahmenkosten (Modernisierung, Instandsetzung) sind begünstigt – nicht der Gebäudekaufpreis oder die reinen Herstellungskosten ohne Denkmalbezug.

Muss die Eigennutzung lückenlos vorliegen?
Ja. Für das jeweilige Abzugsjahr ist eine Eigennutzung erforderlich. Leerstand/Vermietung führt in der Regel zum Wegfall des Abzugs in diesem Jahr.

Was passiert bei Verkauf im Begünstigungszeitraum?
Die noch nicht verbrauchten Jahresbeträge gehen grundsätzlich nicht auf Erwerber über. (Genau diese Frage steht im Erbfall nun grundsätzlich zur Klärung.)

Brauche ich die Bescheinigung der Denkmalschutzbehörde?
Ja – sie ist materielle Voraussetzung. Ohne Bescheinigung kein § 10f-Abzug.


Checkliste: So sichern Sie Mandantenfälle

  1. Sachverhalt erfassen: Todeszeitpunkt, Stand der § 10f-Jahre, Eigennutzung durch Erben.
  2. Unterlagen sammeln: Bescheinigung, Kostenbelege, Bauabnahmen, Melde-/Nutzungsnachweise.
  3. Verfahrensstrategie: Einspruch + Ruhensantrag; Fristenkontrolle.
  4. Steuerwirkung simulieren: Vorteil der Fortführung vs. Alternativen (z. B. § 7i bei Vermietung).
  5. Kommunikation dokumentieren: Hinweis an Mandant: vorläufige Rechtslage, Ausgang beim BFH offen.

Musterformulierung (Kurz)

Betreff: Einspruch und Ruhensantrag – § 10f EStG / Fortführung durch Erben
Hiermit lege ich Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid [Jahr] ein.
Begründung: In meinem Fall ist die Fortführung der Abzugsbeträge nach § 10f EStG durch den Erben streitig. Beim BFH ist die Frage der analogen Anwendung der Fußstapfentheorie (§ 11d EStDV) anhängig.
Ich beantrage das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung in dem Parallelverfahren.


Fazit

Die Frage, ob Erben die § 10f-Begünstigung in den Restjahren fortführen dürfen, ist noch ungeklärt. Das erstinstanzliche Nein des FG Sachsen-Anhalt ist nicht das letzte Wort – der BFH entscheidet. Mandate mit entsprechender Konstellation sollten proaktiv gesichert (Einspruch/Ruhen) und sauber dokumentiert werden. Eine positive BFH-Entscheidung könnte zudem Weichen für Schenkungsfälle stellen.

Betriebsausgaben: Incentive-Reisen und Shopping-Gutscheine sind abziehbar

Kurzfassung: Belohnt ein Versicherungsunternehmen angestellte und freie Vermittler im Rahmen eines Vertriebswettbewerbs mit touristisch ausgestalteten Incentive-Reisen (inkl. Stadtrundfahrten, Ausflügen, Restaurantbesuchen, Segeltörns) und Einkaufsgutscheinen, sind die Aufwendungen voll als Betriebsausgaben abziehbar. Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 EStG greift nicht, wenn die Zuwendungen Gegenleistung für bereits erbrachte Vermittlungsleistungen sind (FG Köln, rechtskräftig).


Der Fall in Kürze

  • Setting: Vertriebswettbewerb; Erreichen bestimmter Umsatzziele führt zu „Gold-Club“- bzw. „Platin-Club“-Reisen.
  • Leistungsinhalt: Ausschließlich touristisches Programm (Stadtrundfahrten, Ausflüge, Restaurantbesuche, Segeltörns) + Einkaufsgutscheine (100 €).
  • Betriebsprüfung:
    • 30 % Bewirtung nicht abziehbar (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG),
    • Gutscheine als Geschenke > 50 € komplett nicht abziehbar (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG),
    • Segeltörns als Repräsentation komplett nicht abziehbar (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG).
  • Gericht: Das FG Köln weist alle drei Kürzungen zurück – volle Betriebsausgabenabziehbarkeit.

Die Begründung des FG Köln – drei zentrale Punkte

1) Bewirtungskosten: Leistungsaustausch statt Abzugsbeschränkung

Bewirtungen waren unmittelbare Gegenleistung für die erfolgreiche Vermittlung. Bei einem Leistungsaustausch greift die 70 %-Beschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 EStG nicht.

Praxishinweis: Bei echtem Leistungsaustausch entfallen auch die strengen Bewirtungsnachweise (kein „Bewirtung von Geschäftsfreunden“), übliche Reisekosten-/Event-Dokumentation reicht.

2) Einkaufsgutscheine: Keine Geschenke

Die Gutscheine sind Bestandteil der Reiseprämie (Gegenleistung), nicht unentgeltliche Zuwendung. Damit keine Geschenke i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG.

3) Segeltörns: Nicht automatisch Repräsentation

§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG (Jagd, Fischerei, Segel-/Motorjachten etc.) greift nur, wenn die Nutzung zu Repräsentationszwecken erfolgt.
Hier waren die Segeltörns Teil der vereinbarten Gegenleistung – kein Repräsentationsbezug, deshalb voll abziehbar.

Wichtig: Wären (potenzielle) Kunden eingeladen worden, um Geschäftsbeziehungen zu fördern, läge der Schwerpunkt nahe an Repräsentation – dann drohen Abzugsverbote.


Lohn-/Einkommensteuerliche Einordnung beim Empfänger

  • Angestellte Vermittler: Sach-/Reiseleistungen sind regelmäßig Arbeitslohn (geldwerter Vorteil). Pauschalierungstatbestände (§ 37b EStG) sind regelmäßig nicht einschlägig, weil keine unentgeltliche Zuwendung, sondern Leistungsvergütung.
  • Freie Vermittler: Zufluss ist betrieblich veranlasste Einnahme (Betriebseinnahme).
  • Umsatzsteuer: Incentives können Leistungsentgelt darstellen – Vorsteuer-/USt-Folgen prüfen (Einzelfall!).

Gestaltung & Dokumentation: So wird es sicher

1) Wettbewerbs-/Prämienregeln

  • Ziele, Teilnahmevoraussetzungen, Bewertungslogik schriftlich fixieren.
  • Zuwendungsumfang (Reiseprogramm, Sachbestandteile, Gutscheine) konkretisieren.

2) Verknüpfung „Leistung ↔ Prämie“

  • Direkter Bezug zur erreichten Vermittlungsleistung (Umsatz/Abschlusszahlen) im Vergütungsplan herausstellen.

3) Abgrenzung Repräsentation

  • Keine Einladung externer (potenzieller) Kunden im Rahmen der Incentive-Reise.
  • Kommunikationsmaterial intern halten; Außenwirkung vermeiden.

4) Nachweise & Belege

  • Teilnehmerlisten, Programmabläufe, Kostenaufstellungen, Abrechnungen.
  • Bei Bewirtungen: als Leistungsbestandteil dokumentieren (kein „Geschäftsfreundebewirtungs-Case“).

5) Payroll & Meldungen

  • Für Angestellte Lohnversteuerung/SV-Prüfung; für Freie Abrechnungs-/Bescheinigungsprozesse.
  • Umsatzsteuerliche Würdigung (Eigenverbrauch, unentgeltliche Wertabgabe vs. Entgeltbestandteil) prüfen.

Praxis-Beispiele

A) „Gold-Club“-Reise (nur Mitarbeiter & freie Vermittler)

  • Ziel: Volumen/Qualität der Abschlüsse.
  • Leistung: Reise, Rahmenprogramm, Verpflegung, 100-€-Gutschein.
  • Steuer beim Unternehmen: Voll als Betriebsausgabe abziehbar (Leistungsaustausch).
  • Beim Empfänger: Arbeitslohn bzw. Betriebseinnahme.

B) „Kunden-Event auf dem Wasser“ (Kieler Woche)

  • Ziel: Imagepflege/Neugeschäft.
  • Bewertung: Nähe zu RepräsentationAbzugsverbot nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 4 EStG wahrscheinlich.

Checkliste: „Go/No-Go“ vor Incentive-Start

  • Schriftliche Prämienbedingungen mit Leistungsbezug
  • Keine Einbindung externer Kunden/Prospects in das Reiseprogramm
  • Dokumentation der Zielerreichung je Teilnehmer
  • Kostenaufstellung nach Komponenten (Reise, Bewirtung, Sachbestandteile)
  • Lohnsteuer/SV (Angestellte) und ESt/USt (Freie) geklärt
  • Interne Kommunikation: Incentive = Vergütung (keine „Geschenksprache“)

Fazit

Incentive-Reisen und begleitende Sachzuwendungen wie Shopping-Gutscheine können voll abziehbare Betriebsausgaben sein, wenn sie Vergütung für konkret erbrachte Vermittlungsleistungen sind. Entscheidend sind klare Vertriebsregeln, saubere Dokumentation und die konsequente Abgrenzung zu Repräsentation und Geschenken. So lassen sich unnötige Kürzungen nach § 4 Abs. 5 EStG vermeiden – und steuerlich robuste Anreizsysteme gestalten.

Fahrtkosten: Dienstreisen mit dem Privat-Pkw trotz Dienstwagen – was steuerlich gilt

Kurzfassung: Auch wenn einem Arbeitnehmer ein Dienstwagen zur Verfügung steht, können Dienstreisen mit dem eigenen Privat-Pkw steuermindernd berücksichtigt bzw. steuerfrei erstattet werden – wenn die tatsächliche berufliche Nutzung des Privatwagens nachgewiesen wird. Der bloße Anschein spricht zwar dafür, dass der Dienstwagen für berufliche Fahrten eingesetzt wird; dieser Anscheinsbeweis ist aber widerlegbar.


Ausgangslage in der Praxis

Viele Arbeitgeber überlassen Dienstwagen zur dienstlichen und privaten Nutzung. Kommt es vor, dass Beschäftigte trotz Dienstwagen für Dienstreisen den eigenen Pkw nutzen (z. B. aus organisatorischen oder persönlichen Gründen), stellt sich die Frage: Sind die Privat-Pkw-Kosten abziehbar bzw. steuerfrei erstattungsfähig?
Antwort: Ja, wenn der berufliche Einsatz des Privatwagens verlässlich belegt ist.


Kernaussagen der Finanzgerichtsbarkeit

  • Dienstwagen ≠ Nutzungspflicht für Dienstreisen: Ein überlassener Dienstwagen schließt den Werbungskostenabzug für Dienstreisen mit dem Privat-Pkw nicht aus.
  • Kein besonderer Sachgrund erforderlich: Es braucht keine „besonderen“ betrieblichen Gründe, warum der Privatwagen statt des Dienstwagens genutzt wurde.
  • Beweislast beim Arbeitnehmer: Wegen des Anscheins, dass der Dienstwagen für berufliche Fahrten genutzt wird, muss der Arbeitnehmer aktiv nachweisen, dass die konkrete Dienstreise mit dem Privat-Pkw erfolgte.

Nachweis & Dokumentation: So überzeugen Sie das Finanzamt

Ziel: Lückenlose, plausibilisierte Reisekette.

Empfohlene Unterlagen:

  • Reisekostenübersicht mit Datum, Ziel, Anlass, Kilometerangaben
  • Tank-/Strom- und Maut-/Parkbelege, Dusch-/Sanitärbelege etc. (falls tatsächliche Kosten angesetzt werden)
  • Werkstatt-/Wartungsnachweise zur jährlichen Fahrleistung
  • Kalendereinträge, Terminbestätigungen, Hotelrechnungen, ggf. Projekt-/Einsatzbefehle
  • Indizienbelege wie z. B. Blitzerfotos, Standortprotokolle (sofern vorhanden und datenschutzkonform)

Praxis-Tipp: Führen Sie ein einfaches Fahrtenblatt (kein strenges Fahrtenbuch), das nur Dienstreisen mit dem Privat-Pkw dokumentiert. Das erleichtert die Beweisführung erheblich.


Erstattungsweg oder eigener Abzug: Ihre Optionen

1) Steuerfreie Arbeitgebererstattung

  • Kilometerpauschale für den Privat-Pkw bei Dienstreisen: steuerfrei bis zur jeweils geltenden km-Pauschale.
  • Höhere Erstattung ist möglich, der Mehrbetrag wäre dann steuerpflichtiger Arbeitslohn.
  • Achtung: Steuerfreie Erstattungen mindern einen ggf. eigenen Werbungskostenabzug.

2) Eigener Werbungskostenabzug

  • Pauschal: Ansatz der Entfernungspauschale gilt nur für Arbeitsweg (Wohnung ↔ erste Tätigkeitsstätte), nicht für Dienstreisen.
  • Dienstreisen: Wahlrecht zwischen
    • Kilometerpauschale oder
    • tatsächlichen Kosten pro km (individuell ermittelter Kilometersatz auf Basis der Jahresgesamtkosten und Jahresfahrleistung).
  • Der individuelle Kilometersatz kann – je nach Fahrzeug und Fahrleistung – deutlich über der Pauschale liegen. Eine „Angemessenheitsprüfung“ im Sinne einer Obergrenze findet grundsätzlich nicht statt; maßgeblich ist der berufliche Anlass und die tatsächliche Entstehung der Kosten.

Wichtig: Die Entscheidung „Pauschale vs. tatsächliche Kosten“ sollte einheitlich für das Kalenderjahr erfolgen und sauber belegt werden.


Ein-Prozent-Regelung beim Dienstwagen: Unabhängig vom Nutzungsanteil

Bei Arbeitnehmern kann der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung des Dienstwagens nach der 1-%-Regelung ermittelt werden – unabhängig davon, in welchem Umfang der Wagen tatsächlich beruflich genutzt wird. Selbst eine überwiegend oder ausschließlich private Nutzung schließt die Anwendung nicht aus.

Das häufig gehörte 50-%-Kriterium betrifft Gewinneinkünfte (Betriebsvermögenszuordnung), nicht Arbeitnehmer.


Was derzeit offen ist

Die Frage, wie weit die Grenzen des tatsächlichen Kostenansatzes und der Nachweisführung reichen und ob einzelne restriktive Verwaltungsauffassungen zu halten sind, beschäftigt weiterhin die Rechtsprechung. Gestalten Sie laufende Fälle belastbar – und halten Sie streitige Punkte durch Einspruch offen.


Checkliste für die Lohn- und Steuerpraxis

  1. Dienstreise statt Arbeitsweg? (Nur Dienstreisen sind hier relevant.)
  2. Privat-Pkw tatsächlich genutzt? (Belege/Indizien zusammenstellen.)
  3. Erstattungsweg festlegen: Arbeitgebererstattung (km-Pauschale) oder eigener Werbungskostenabzug.
  4. Kostenmethode wählen: Pauschale oder tatsächlicher km-Satz (einheitlich je Jahr).
  5. Unterlagen bündeln: Reisekostenblatt, Belege, Kalender, Projekt-/Auftragsnachweise.
  6. Dienstwagenbesteuerung prüfen: 1-%-Regelung oder Fahrtenbuch; Entfernungspauschale für Arbeitsweg.
  7. Streitpunkte offenhalten: Einspruch mit Hinweis auf laufende Rechtsprechung.

Muster: Kurze Dokumentationsnotiz (intern)

  • Reise: 12.–13.03., Kunde X, Musterstadt
  • Grund: Vor-Ort-Abnahme
  • Fahrzeug: Privat-Pkw (Kennzeichen …)
  • Strecke: 268 km hin/retour
  • Belege: Tankbeleg 12.03., Hotelrechnung, Terminbestätigung Kunde
  • Erstattungsweg: km-Pauschale / tatsächlicher km-Satz (bitte ankreuzen)
  • Bemerkung: Dienstwagen wurde im Zeitraum privat genutzt; Dienstreise ausdrücklich mit Privat-Pkw durchgeführt.

Fazit

Ja, Dienstreisen mit dem Privat-Pkw sind trotz Dienstwagen steuerlich berücksichtigungsfähig – wenn sie eindeutig nachgewiesen werden. Für die Praxis entscheidend sind stringente Dokumentation, ein klar gewählter Erstattungs-/Abzugsweg und das konsequente Belegmanagement. So lassen sich Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung vermeiden – und legitime steuerliche Vorteile sichern.

Übernachtung: Streit um die Pauschale bei mehrtägiger Auswärtstätigkeit von Berufskraftfahrern

Kurzfassung: Das FG Thüringen hat entschieden: Die Übernachtungspauschale nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b EStG gibt es bei mehrtägigen Touren nur für Kalendertage mit tatsächlicher Übernachtung im Fahrzeug – nicht automatisch für jeden Reisetag mit Verpflegungspauschale. Die Frage liegt jetzt beim BFH (Az. VI R 6/25). Unternehmen sollten entsprechende Fälle offenhalten.


Was ist die Übernachtungspauschale?

Für Berufskraftfahrer, die in der Lkw-Schlafkabine übernachten, gibt es seit 2020 einen gesetzlichen Pauschbetrag für Übernachtungs-Mehraufwendungen.

  • 2020–2023: 8 € pro Kalendertag
  • ab 01.01.2024: 9 € pro Kalendertag (Wachstumschancengesetz)
    Die Pauschale gilt zusätzlich zur Verpflegungspauschale und kann wahlweise als Werbungskosten angesetzt oder vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden. Selbständige Fahrer nutzen sie als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 10 EStG).

Gesetzeswortlaut (Auszug): Begünstigt sind „notwendige Mehraufwendungen im Zusammenhang mit einer Übernachtung in einem Kraftfahrzeugfür Kalendertage, an denen der Arbeitnehmer eine Verpflegungspauschale beanspruchen könnte.“

Typische Kosten, die die Pauschale typisiert: Gebühren für Duschen/Toiletten, Park-/Abstellgebühren, Reinigung der Schlafkabine/Bettwäsche.


Der Streitfall: „Pauschale für jeden Reisetag?“ (FG Thüringen)

Eine Spedition setzte die Pauschale für jeden Reisetag an – also auch für An- und Abreisetage ohne tatsächliche Lkw-Übernachtung –, weil für diese Tage grundsätzlich Verpflegungspauschalen möglich sind.
Das FG Thüringen (Urt. v. 18.06.2024 – 2 K 534/22) lehnte ab: Die 8/9-€-Pauschale setze neben dem Anspruch auf Verpflegungspauschale auch eine tatsächliche Übernachtung im Fahrzeug voraus. Für Tage ohne Übernachtung gibt es keine Übernachtungspauschale.

Status beim BFH: Die Revision wurde über Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen. Der BFH verhandelt das Grundsatzthema unter VI R 6/25 („An- und Abreisetage“). Bis zur Entscheidung empfiehlt sich, Einspruch einzulegen und Ruhen zu beantragen.


Praxisfolgen für Unternehmen und Fahrer

1) Erstattung/Ansatz der Pauschale

  • Sicher anerkannt sind Kalendertage, an denen tatsächlich im Lkw übernachtet wurde und Verpflegungspauschalen beansprucht werden können.
  • Für An- und Abreisetage ohne Übernachtung ist die Rechtslage streitig (BFH anhängig). Fälle offenhalten.

2) Alternativ: tatsächliche Kosten
Statt der Pauschale können höhere tatsächliche Mehraufwendungen (z. B. Dusch-/Sanitärgebühren, Parken) geltend gemacht bzw. steuerfrei erstattet werden – die Entscheidung einheitlich je Kalenderjahr treffen.

3) Mitfahrende Beschäftigte
Die Pauschale ist auch bei mitfahrenden Arbeitnehmern möglich, wenn sie ebenfalls im Fahrzeug übernachten und keine weiteren Übernachtungserstattungen gezahlt werden.

4) Selbständige Berufskraftfahrer
Nutzung als Betriebsausgabe nach § 4 Abs. 10 EStG; kein Vorsteuerabzug aus der Pauschale.


Checkliste für die Lohn- & Reisekostenpraxis

  • Tourenplanung dokumentieren: Reisetage, tatsächliche Übernachtungen im Lkw (Datum/Ort), Abwesenheitszeiten.
  • Erstattungsweg festlegen: Pauschale (9 €) oder tatsächliche Kosteneinheitlich für das Jahr.
  • An-/Abreisetage: Aktuell strittig → Einsprüche gegen abweichende Festsetzungen einlegen und Ruhen bis VI R 6/25 beantragen.
  • Mitfahrerregel prüfen: Pauschale auch für Beifahrer, sofern Übernachtung im Fahrzeug. |
  • Selbständige: § 4 Abs. 10 EStG berücksichtigen.

Beispiele

A) 4-Tage-Tour mit 3 Lkw-Übernachtungen

  • Verpflegung: nach § 9 EStG (28 € / 14 €) je nach Abwesenheit.
  • Übernachtungspauschale: 3 × 9 € sicher; An-/Abreisetag ohne Lkw-Übernachtung aktuell streitig.

B) 2-Tage-Tour, 0 Übernachtungen (Hotel gestellt)

  • Keine Lkw-Übernachtungspauschale; ggf. Arbeitgeber übernimmt Hotelkosten nach Reisekostenrecht.

Rechtliche Einordnung & Entwicklung

  • Einführung 2020: 8-€-Pauschale durch JStG 2019 (EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b; § 4 Abs. 10 für Selbständige).
  • Erhöhung ab 2024: 9 € (Wachstumschancengesetz).
  • Streitfrage: „Kalendertage mit Verpflegungspauschale“ = jeder Reisetag oder nur Tage mit tatsächlicher Lkw-Übernachtung? FG Thüringen sagt: nur letztere; BFH entscheidet.

Fazit

Bis zur BFH-Entscheidung gilt: Unternehmen und Fahrer fahren rechtssicher, wenn sie die 9-€-Pauschale nur für Tage mit tatsächlicher Lkw-Übernachtung ansetzen. Für eine optimistische Auslegung (Ansatz auch für An-/Abreisetage) sollten Sie Einspruch einlegen und das Verfahren ruhen lassen, um an einer positiven BFH-Entscheidung zu partizipieren.


Quellen (Auswahl): FG Thüringen, Urt. v. 18.06.2024 – 2 K 534/22; BFH anhängig VI R 6/25; § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5b EStG; JStG 2019; Wachstumschancengesetz (Erhöhung auf 9 €); BMF-Schreiben v. 25.11.2020 (Reisekosten).

Entwurf eines Steueränderungsgesetzes 2025 veröffentlicht

BMF, Mitteilung vom 04.09.2025

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat den Referentenentwurf für ein Steueränderungsgesetz 2025 vorgelegt. Mit dem Gesetz sollen insbesondere steuerliche Maßnahmen aus dem Sofortprogramm für Deutschland (beschlossen vom Koalitionsausschuss am 28. Mai 2025) sowie weiterer kurzfristig notwendiger Änderungsbedarf umgesetzt werden.

Hintergrund

Das Steueränderungsgesetz 2025 ist Teil der aktuellen Gesetzgebungsoffensive und soll:

  • steuerliche Rechtsanpassungen an aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen ermöglichen,
  • Entlastungen und Vereinfachungen aus dem Sofortprogramm gesetzlich verankern,
  • weitere punktuelle Änderungen im Steuerrecht schaffen, die kurzfristig erforderlich geworden sind.

Nächste Schritte

  • Der Referentenentwurf wurde am 04.09.2025 veröffentlicht und zunächst den Verbänden zur Stellungnahme zugeleitet.
  • Nach Auswertung der Stellungnahmen wird der Regierungsentwurf erarbeitet und in das parlamentarische Verfahren eingebracht.
  • Ziel ist eine Verabschiedung noch im Laufe des Jahres 2025, damit die Änderungen bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2026 greifen können.

Bedeutung für die Praxis

Der Entwurf könnte weitreichende Änderungen für Unternehmen und Privatpersonen mit sich bringen – von Anpassungen bei der Einkommensteuer über Vereinfachungen im Verfahrensrecht bis hin zu Sonderregelungen für bestimmte Branchen. Konkrete Inhalte werden sich aus dem weiteren Gesetzgebungsverfahren ergeben.

Fazit

Mit dem Steueränderungsgesetz 2025 setzt die Bundesregierung ihr Sofortprogramm steuerlich um und nimmt zugleich kurzfristige Korrekturen im Steuerrecht vor. Steuerpflichtige sollten die Entwicklung aufmerksam verfolgen, da sich in einzelnen Bereichen relevante Änderungen für die Praxis ergeben können.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen

BFH: Wiedereinsetzung möglich bei Klageerhebung per Telefax vor Zugang des Erstregistrierungsbriefs für das beSt

BFH, Urteil X R 13/23 vom 06.08.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine per Telefax erhobene Klage in der Übergangszeit zur Einführung des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) zulässig sein kann – zumindest unter den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Leitsatz des Urteils

  • Erhebt ein Steuerberater in der Übergangszeit (01.01.2023 bis zum tatsächlichen Zugang des Erstregistrierungsbriefs) eine Klage noch per Telefax, weil er sich an den Verlautbarungen der Steuerberaterkammern orientiert, kann dies zulässig sein.
  • Eine solche Klage ist jedenfalls unter Wiedereinsetzungsgesichtspunkten zu berücksichtigen.
  • Der BFH schließt sich damit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23.06.2025 (1 BvR 1718/24) an.
  • Seine frühere Auffassung zur Unwirksamkeit der Steuerberaterplattform- und -postfachverordnung verfolgt der Senat nicht weiter.

Hintergrund

Seit dem 01.01.2023 besteht für Steuerberater die Pflicht zur Nutzung des beSt. In der Praxis kam es jedoch zu Verzögerungen, weil der für die Erstregistrierung notwendige Brief der Bundessteuerberaterkammer (BStBK) teils verspätet zugestellt wurde.

Viele Steuerberater gingen daher – im Einklang mit den Informationen der Kammern – davon aus, dass die Nutzungspflicht erst mit Zugang des Erstregistrierungsbriefs beginnt. Wer in dieser Phase noch auf das Fax zurückgriff, riskierte eine formell unwirksame Klageerhebung.

Entscheidung des BFH

Der BFH entschied nun, dass in solchen Fällen zumindest eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Steuerberater hätten sich auf die Mitteilungen ihrer Kammern verlassen dürfen.

Damit wird klargestellt: Formfehler in der Übergangszeit dürfen nicht automatisch zum Rechtsverlust führen.

Bedeutung für die Praxis

  • Rechtssicherheit: Steuerberater, die in der Übergangszeit auf das Fax setzten, können sich auf die Wiedereinsetzung berufen.
  • Klare Abgrenzung: Ab dem Zugang des Erstregistrierungsbriefs gilt jedoch uneingeschränkt die Pflicht zur Nutzung des beSt.
  • Signalwirkung: Das Urteil stärkt das Vertrauen in amtliche und berufsständische Verlautbarungen in Phasen technischer Einführung.

Fazit

Der BFH sorgt mit dieser Entscheidung für Praktikabilität und Rechtsschutz in einer Phase, in der die beSt-Einführung noch von Unsicherheiten geprägt war. Steuerberater können sich darauf verlassen, dass eine Orientierung an den offiziellen Kammerinformationen nicht zum Rechtsverlust führt.


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Quelle: Bundesfinanzhof – Urteil X R 13/23 vom 06.08.2025

BFH: Einkünfteerzielungsabsicht bei unentgeltlicher Bürgschaft wird vermutet

BFH, Urteil VIII R 3/23 vom 01.07.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass bei einer unentgeltlichen Bürgschaftsübernahme unter fremden Dritten grundsätzlich eine Einkünfteerzielungsabsicht vermutet wird. Verluste aus dem Ausfall einer Bürgschaftsregressforderung können daher steuerlich abziehbar sein – es sei denn, es fehlt jeglicher wirtschaftlicher Hintergrund.

Leitsatz des Urteils

  • Die Einkünfteerzielungsabsicht für Verluste aus dem Ausfall einer Bürgschaftsregressforderung wird widerlegbar vermutet, wenn die Bürgschaft unentgeltlich unter fremden Dritten übernommen wurde.
  • Die Vermutung ist erst dann widerlegt, wenn die Bürgschaft ohne jeden wirtschaftlichen Hintergrund gestellt worden ist.

Bedeutung der Entscheidung

Der BFH stärkt mit diesem Urteil die Position von Steuerpflichtigen, die Bürgschaften im wirtschaftlichen Zusammenhang übernehmen:

  • Verlustberücksichtigung: Fällt die Regressforderung aus der Bürgschaft aus, können die Verluste grundsätzlich steuerlich berücksichtigt werden.
  • Wirtschaftlicher Zusammenhang entscheidend: Die Finanzverwaltung muss nachweisen, dass es an einem wirtschaftlichen Hintergrund fehlt, um die Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen.
  • Keine automatische Liebhaberei: Auch unentgeltliche Bürgschaften können steuerlich relevant sein, sofern sie in einem wirtschaftlich nachvollziehbaren Rahmen übernommen werden.

Praxisrelevanz

Für Unternehmer, Gesellschafter oder Investoren, die im Rahmen von Beteiligungen Bürgschaften übernehmen, bedeutet das Urteil mehr Rechtssicherheit. Die steuerliche Anerkennung von Verlusten aus Bürgschaftsregressen wird erleichtert, solange ein nachvollziehbarer wirtschaftlicher Grund für die Bürgschaft besteht.

Fazit

Die Entscheidung verdeutlicht: Bei unentgeltlichen Bürgschaften gilt die grundsätzliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht. Steuerpflichtige profitieren davon, dass Verluste aus ausgefallenen Regressforderungen eher anerkannt werden – es sei denn, die Bürgschaft wurde ohne jeglichen wirtschaftlichen Bezug übernommen.


Quelle: Bundesfinanzhof – Urteil VIII R 3/23 vom 01.07.2025 (LEXinform-Dokument Nr. 0954535)

BFH: Keine gewerbliche Tätigkeit bei bloßer Übernahme der Erschließungskosten

BFH, Urteil VI R 9/23 vom 14.05.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die bloße Übernahme von Erschließungskosten für ein land- oder forstwirtschaftliches Grundstück nicht automatisch zu einer gewerblichen Tätigkeit führt.

Leitsatz des Urteils

Wenn ein Grundstückseigentümer aufgrund eines Vertrags mit dem von der Gemeinde beauftragten Erschließungsträger die Kosten der Erschließung übernimmt, begründet dies allein keine gewerbliche Tätigkeit.

Hintergrund

Im Streitfall ging es um ein land- und forstwirtschaftlich genutztes Grundstück, dessen Eigentümer die Erschließungskosten übernahm. Das Finanzamt sah darin eine gewerbliche Tätigkeit. Der BFH widersprach und stellte klar, dass eine solche Kostenübernahme nicht den Charakter einer unternehmerischen Betätigung hat.

Bedeutung für die Praxis

  • Keine Gewerbesteuerpflicht: Die bloße Beteiligung an Erschließungskosten führt nicht zur Einordnung als Gewerbebetrieb.
  • Klarstellung für Land- und Forstwirte: Auch bei vertraglicher Kostenübernahme bleibt die Tätigkeit im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung.
  • Abgrenzung wichtig: Erst zusätzliche Aktivitäten mit Gewinnerzielungsabsicht – z. B. Parzellierung und Verkauf in größerem Umfang – könnten eine gewerbliche Tätigkeit begründen.

Fazit

Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit für Grundstückseigentümer: Die Übernahme von Erschließungskosten allein führt nicht zur Gewerbesteuerpflicht.


Quelle: Bundesfinanzhof – Urteil VI R 9/23 vom 14.05.2025 (LEXinform-Dokument Nr. 0954798)

BFH: Nur eine Gebühr bei einheitlich erteilter verbindlicher Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern

BFH, Pressemitteilung Nr. 56/25 vom 04.09.2025 zum Urteil IV R 6/23 vom 03.07.2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass bei mehreren Antragstellern nur eine Gebühr für die Bearbeitung einer verbindlichen Auskunft erhoben werden darf, wenn diese den Antragstellern gegenüber tatsächlich einheitlich erteilt wird.

Der Fall

Acht Gesellschafter einer Holdinggesellschaft planten eine Umstrukturierung und stellten gemeinsam einen Antrag auf verbindliche Auskunft gemäß § 89 AO.

  • Das Finanzamt erteilte daraufhin acht inhaltsgleiche Auskünfte.
  • Es setzte gegenüber jedem Antragsteller die gesetzliche Höchstgebühr von 109.736 Euro fest.
  • Die Antragsteller wandten sich dagegen und vertraten die Auffassung, dass die Höchstgebühr nur einmal hätte erhoben werden dürfen.

Das Finanzgericht gab den Klägern Recht – und nun bestätigte auch der BFH diese Entscheidung.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

  • Nach § 89 Abs. 3 Satz 2 AO ist nur eine Gebühr zu erheben, wenn eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt wird.
  • In diesem Fall haften die Antragsteller als Gesamtschuldner für die Gebühr.
  • Dass das Finanzamt acht inhaltsgleiche Bescheide erlassen hatte, änderte nichts daran, dass es sich um eine einzige Auskunft handelte.

Wichtig ist auch die Klarstellung des BFH, dass der Anwendungsbereich des § 89 Abs. 3 Satz 2 AO nicht auf die Fälle der Steuerauskunfts-Verordnung beschränkt ist. Vielmehr gilt die Regelung allgemein, wenn ein gemeinsamer Antrag auf eine einheitliche Auskunft gestellt wurde.

Hintergrund

Bis zur Gesetzesänderung 2016 ging die BFH-Rechtsprechung davon aus, dass gegenüber jedem einzelnen Antragsteller eine eigene Gebühr festzusetzen sei – auch dann, wenn es sich um denselben Sachverhalt handelte. Mit der Einführung von § 89 Abs. 3 Satz 2 AO wurde diese Praxis korrigiert.

Bedeutung für die Praxis

  • Kostenersparnis: Antragsteller, die gemeinsam eine verbindliche Auskunft beantragen, müssen künftig nicht mehr befürchten, dass das Finanzamt die Höchstgebühr mehrfach erhebt.
  • Gestaltungshinweis: Bei Umstrukturierungen oder komplexen Sachverhalten mit mehreren Beteiligten empfiehlt es sich, einen gemeinsamen Antrag zu stellen, um die Gebührenbelastung zu begrenzen.
  • Rechtssicherheit: Die Entscheidung des BFH stärkt die Position der Steuerpflichtigen und sorgt für eine einheitliche Anwendung der gesetzlichen Regelung.

Quelle: Bundesfinanzhof – Urteil IV R 6/23 vom 03.07.2025

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin