Kommission prüft Verrechnungspreisvereinbarungen im Rahmen der Besteuerung von Apple, Starbucks und Fiat Finance and Trade

Die Europäische Kommission hat in drei Fällen eine eingehende Untersuchung wegen staatlicher Beihilfen eingeleitet. Zu prüfen ist, ob Entscheide der Steuerbehörden in Irland, den Niederlanden und Luxemburg über die von den Unternehmen Apple, Starbucks und Fiat Finance and Trade zu entrichtende Körperschaftsteuer mit den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen in Einklang stehen. Die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens gibt sowohl den drei betroffenen Mitgliedstaaten als auch Dritten die Gelegenheit zur Stellungnahme, ohne dem Ergebnis vorzugreifen.

Der für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsident der Kommission, Joaquín Almunia, erklärte: „Angesichts der angespannten Lage der öffentlichen Kassen ist es derzeit besonders wichtig, dass die großen multinationalen Konzerne ihren Steuerbeitrag leisten. Nach den EU-Beihilfevorschriften dürfen die nationalen Behörden keine Maßnahmen ergreifen, die dazu führen würden, dass bestimmte Unternehmen weniger Steuern zahlen als bei einer fairen und nichtdiskriminierenden Anwendung der jeweiligen Steuervorschriften.“

Algirdas Semeta, der für Steuern zuständige EU-Kommissar, erklärte: „Der faire Steuerwettbewerb ist für die Integrität des Binnenmarktes, die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen der EU-Mitgliedstaaten und gleiche Wettbewerbsbedingungen für unsere Unternehmen unerlässlich. Unser Wirtschafts- und Sozialmodell ist darauf angewiesen. Also müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um den fairen Steuerwettbewerb zu schützen.“

Nachdem Medienberichten zufolge einige Unternehmen durch Steuerentscheide der nationalen Behörden beträchtliche Steuervergünstigungen erhalten haben sollen, prüft die Kommission nun nach den EU-Beihilfevorschriften bestimmte Steuerpraktiken in verschiedenen Mitgliedstaaten. Steuerentscheide als solche sind nicht problematisch: Die Steuerbehörden erläutern darin einzelnen Unternehmen, wie die von ihnen zu entrichtende Körperschaftsteuer berechnet wird oder bestimmte Steuervorschriften angewendet werden. Steuerentscheide können jedoch staatliche Beihilfen im Sinne der EU-Vorschriften beinhalten, wenn ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Unternehmensgruppe selektiv begünstigt wird.

Nach Artikel 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sind staatliche Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen den Wettbewerb zu verfälschen drohen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen, grundsätzlich mit dem Binnenmarkt unvereinbar. Selektive Steuervergünstigungen können einer staatlichen Beihilfe entsprechen. Die allgemeinen Steuervorschriften der drei betroffenen Mitgliedstaaten stellt die Kommission nicht in Frage.

Steuerentscheide dienen insbesondere zur Bestätigung von Verrechnungspreisvereinbarungen. Verrechnungspreise sind die Preise, die für Transaktionen zwischen verschiedenen Teilen derselben Unternehmensgruppe in Rechnung gestellt werden, insbesondere Preise für Waren oder Dienstleistungen, die eine Tochtergesellschaft eines Konzerns an eine andere Tochtergesellschaft desselben Konzerns liefert bzw. erbringt. Die Verrechnungspreise haben Einfluss darauf, wie der steuerbare Gewinn zwischen den in unterschiedlichen Ländern ansässigen Tochtergesellschaften einer Unternehmensgruppe verteilt ist.

Bestehen die Steuerbehörden bei der Annahme der von einem Unternehmen vorgeschlagenen Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage darauf, dass eine Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung eine Vergütung zu Marktbedingungen erhält, die normale Wettbewerbsverhältnisse widerspiegeln, ist ausgeschlossen, dass eine staatliche Beihilfe vorliegt. Liegt der Berechnung aber nicht die Vergütung zu Marktbedingungen zugrunde, kann dies darauf hinweisen, dass die Behandlung des betreffenden Unternehmens günstiger ist als die, die normalerweise anderen Steuerpflichtigen bei der Anwendung der Steuervorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zuteil wird. Dies kann eine staatliche Beihilfe darstellen.

Die Kommission wird prüfen, ob die drei mit den nachstehenden Steuerentscheiden validierten Verrechnungspreisvereinbarungen staatliche Beihilfen zugunsten der betreffenden Unternehmen beinhalten:

  • die Einzelentscheide der irischen Steuerbehörden zur Berechnung des steuerbaren Gewinns der irischen Zweigniederlassungen von Apple Sales International und Apple Operations Europe;
  • der Einzelentscheid der niederländischen Steuerbehörden zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage für die Produktionstätigkeit von Starbucks Manufacturing EMEA BV in den Niederlanden;
  • der Einzelentscheid der luxemburgischen Steuerbehörden zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage für die Finanzierungstätigkeit von Fiat Finance and Trade in Luxemburg.

Die Kommission hat die Berechnungen zur Festsetzung der Steuerbemessungsgrundlage in diesen Entscheiden geprüft. Nach einer vorläufigen Analyse hat sie Bedenken, dass der steuerbare Gewinn in den Entscheiden unterschätzt wird, womit die betreffenden Unternehmen begünstigt werden, da ihre Steuerbelastung sinkt. Die Kommission stellt fest, dass die drei Entscheide nur Vereinbarungen über die Steuerbemessungsgrundlage und nicht den anzuwendenden Steuersatz selbst betreffen.

Parallel zu den drei förmlichen Prüfverfahren wird die Kommission ihre umfassenderen Nachforschungen zu Steuerentscheiden fortführen, von denen mehr Mitgliedstaaten betroffen sind.

Anders als die Niederlande und Irland hat Luxemburg der Kommission nur einen Teil der erbetenen Informationen vorgelegt (siehe IP/14/309), darunter den Fiat Finance and Trade betreffenden Entscheid, nicht aber die vollständige Dokumentation, um die die Kommission ersucht hatte. Daher hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und ein Aufforderungsschreiben an Luxemburg gerichtet.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 11.06.2014

Verwendung eines mit hälftigem Vorsteuerabzug erworbenen Pkw für private Zwecke

Anwendungsbereich von § 27 Abs. 5 Satz 2 UStG – Auslegung einer Ausnahmevorschrift

BFH, Urteil XI R 29/12 vom 05.03.2014

Leitsatz

Macht ein Unternehmen in Besteuerungszeiträumen ab 2004 aus Eingangsleistungen für die Miete oder den Betrieb eines sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Pkw, der nach dem 31. März 1999 und vor dem 1. Januar 2004 angeschafft wurde, den vollen Vorsteuerabzug geltend, ist die Versteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nicht nach § 3 Abs. 9a Satz 2 UStG a. F. ausgeschlossen.

Schweigegeld keine außergewöhnliche Belastung

Mit inzwischen rechtskräftigem Urteil vom 01. April 2014 (5 K 1989/12) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass „Erpressungsgelder“ nicht als außergewöhnliche Belastungen i. S. des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich geltend gemacht werden können.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 machten die Kläger (u. a.) Aufwendungen für ein „Ermittlungsverfahren wegen Erpressung“ in Höhe von rund 14.500 Euro (inkl. Anwaltskosten) als außergewöhnliche Belastungen geltend. Zur Begründung schilderten sie folgenden Sachverhalt:

Im April 2005 hätten sie im Rahmen eines Auslandsurlaubs einen Teppich gekauft, der auch wenige Monate später geliefert worden sei. Sechs Jahre später habe die ausländische Lieferfirma bei ihnen angerufen und mitgeteilt, dass im Rahmen einer Prüfung durch Zoll- und Finanzbehörde festgestellt worden sei, das sie – die Kläger – bei der Ausreise seinerzeit keine Erklärung beim Zoll abgegeben hätten. Der Zoll werde – so die Auskunft der Lieferfirma – nun den Teppich konfiszieren und ein Strafgeld von 7.000 Euro kassieren, was die Kläger allerdings verhindern könnten, wenn sie das Geld über die „Western Union“ versenden würden. Da man sie – so die Kläger – massiv unter Druck gesetzt habe, hätten sie zwei Überweisungen vorgenommen. Nach Auskunft ihrer Bank sei der eine Betrag schon fünf Minuten nach der Einzahlung abgehoben worden. Im Dezember 2011 hätten sie Strafanzeige erstattet und ihre Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt.

Das Finanzamt lehnte eine Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2011 ab. Auch der dagegen eingelegte Einspruch und die nachfolgende Klage der Kläger blieben erfolglos.

In seinem (inzwischen rechtskräftigen) Urteil vom 01. April 2014 (5 K 1989/12) folgte das FG der Rechtsauffassung des beklagten Finanzamtes, dass die von den Klägern gezahlten „Erpressungsgelder“ nicht als außergewöhnliche Belastungen i. S. des § 33 EStG berücksichtigt werden können. Zur Begründung führte das FG aus, Ziel des § 33 EStG sei es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die wegen ihrer Außergewöhnlichkeit nicht pauschal in allgemeinen Entlastungsbeträgen (z. B. dem Grund- oder Kinderfreibetrag, Kindergeld usw.) berücksichtigt werden könnten. Auch Kosten, die einem Steuerpflichtigen als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur Lebensgestaltung und Lebensführung erwachsen würden, stellten keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Dementsprechend seien nach ständiger Rechtsprechung des BFH für die Beantwortung der Frage, ob Aufwendungen nach § 33 EStG zwangsläufig angefallen seien, die Ursachen zu erforschen. Entscheidend sei auf die wesentliche Ursache abzustellen, die zu den Aufwendungen geführt habe. Habe diese ihren Ursprung in der vom Einzelnen gestalteten Lebensführung, komme ein Abzug nicht in Betracht. Es sei insbesondere nicht entscheidend, ob sich der Steuerpflichtige subjektiv zu dieser Handlung verpflichtet gefühlt habe. Komme ein alternatives Handeln in Betracht, das nicht zu Aufwendungen führe, fehle es an der Zwangsläufigkeit, es sei denn, diese anderen Handlungsmöglichkeiten seien dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar.

Für Erpressungsgelder folge daraus, dass zwischen den Fallgruppen zu unterscheiden sei, in denen der Steuerpflichtige durch sein frei gewähltes Verhalten selbst eine wesentliche Ursache für eine Erpressung bereitet habe, und jenen, in denen es an einem solchen Verhalten fehle. Der letztere Fall könne in Betracht kommen, wenn ein Steuerpflichtiger allein aufgrund des Umstandes, dass er wohlhabend sei, zum Opfer einer Erpressung werde, bei der Angehörige oder andere nahe stehende Personen mit dem Tod oder einem anderen empfindlichen Übel bedroht würden. Anders liege der Fall dagegen, wenn sich der Steuerpflichtige strafbar oder sonst sozialwidrig verhalten oder gegen die von ihm selbst oder von ihm nahestehenden Personen für verbindlich anerkannten Verhaltensmaximen verstoßen habe. Ein auf diese Weise vom Steuerpflichtigen selbst und ohne Zwang geschaffener Erpressungsgrund nehme der Zahlung der Erpressungsgelder regelmäßig die Zwangsläufigkeit i. S. des § 33 EStG.

Vor diesem Hintergrund seien die von den Klägern aufgewendeten Beträge nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. Denn die Erpressung gründe letztlich darauf, dass die Kläger seinerzeit (2005) die gesetzlich geschuldete Einfuhrumsatzsteuer für den Teppich nicht entrichtet hätten. Auf diesem Steuervergehen basiere letztlich der gegen sie (angeblich) gerichtete Erpressungsversuch im Jahr 2011. Zudem hätten die Kläger auch durch eine umgehende Selbstanzeige bei der zuständigen Zollbehörde und/oder einen rechtzeitigen Strafantrag gegen die Erpresser die Zahlung der „Erpressungsgelder“ ohne Not abwenden können.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 11.06.2014 zum Urteil 5 K 1989/12 vom 01.04.2014 (rkr)

Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen wegen eines Sanierungsgewinns – Rechtlicher Hinweis nach § 76 Abs. 2 FGO

BFH, Urteil X R 39/10 vom 12.12.2013

Leitsatz

  1. Bei einem Einzelunternehmer kann die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit nicht auf die Wirtschaftslage des Unternehmens beschränkt werden. Vielmehr ist auch die private Leistungsfähigkeit des Unternehmers einschließlich seines Privatvermögens zu beleuchten, da eine Krise im privaten Bereich eine Unternehmenskrise verstärken kann. Dies bedeutet, dass der Einzelunternehmer vorhandenes Privatvermögen zur Lösung der Unternehmenskrise einsetzen muss.
  2. Ein rechtlicher Hinweis, den das FG in der mündlichen Verhandlung erteilt, stellt einen wesentlichen Vorgang der Verhandlung dar und ist deshalb protokollierungspflichtig (§ 94 FGO i. V. m. § 160 Abs. 2 ZPO).

 

Von einem Hotelier ausgeführte Verpflegungsleistungen sind Nebenleistungen zur Übernachtungsleistung

Anwendbarkeit der Margenbesteuerung bei der Erbringung von Reiseleistungen

BFH, Urteil V R 25/11 vom 20.03.2014

Leitsatz

  1. Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG über die Margenbesteuerung bei der Erbringung von Reiseleistungen ist nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von der Unternehmereigenschaft des Leistungsempfängers anzuwenden.
  2. Demgegenüber setzt § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG voraus, dass die vom Unternehmer erbrachten Reiseleistungen nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers erbracht werden. Für Reiseleistungen an andere Unternehmer (sog. Kettengeschäft) ist § 25 UStG daher nicht anwendbar. Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG kommt in diesem Fall nur zur Anwendung, wenn sich der Steuerpflichtige auf diese Regelung beruft.
  3. Dienstleistungen eines Hotelunternehmers, wie z. B. Verpflegungsleistungen, die gewöhnlich mit Reisen verbunden sind, nur einen im Vergleich zu den Umsätzen, die die Unterbringung betreffen, geringen Teil des pauschalen Entgelts ausmachen und zudem zu den traditionellen Aufgaben eines Hoteliers gehören, stellen für die Kundschaft lediglich das Mittel dar, um die Hauptdienstleistung des Hoteliers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
  4. Sie sind deshalb Nebenleistungen zu den von § 4 Nr. 12 UStG umfassten und deshalb gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG am Belegenheitsort des Hotels ausgeführten Übernachtungsleistungen.

Umsatzsteuerfreie Unterrichtsleistungen – Sachlicher Anwendungsbereich von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG – Supervisionsleistungen

BFH, Urteil V R 3/13 vom 20.03.2014

Leitsatz

 

  1. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst auch die Aus- und Fortbildung, so dass es nicht darauf ankommt, ob sich der Privatlehrer an Schüler oder Hochschüler wendet oder ob es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (Änderung der Rechtsprechung).
  2. Supervisionen können als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein.

Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen als haushaltsnahe Dienstleistung – Aufwendungen für einen Hausanschluss als steuerbegünstigte Handwerkerleistung

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 20. März 2014 (VI R 55/12) entschieden, dass auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt sein können.

Im Streitfall beauftragten die Kläger ein Unternehmen mit der Schneeräumung der in öffentlichem Eigentum stehenden Straßenfront entlang des von ihnen bewohnten Grundstücks. Ausweislich der Rechnung vom 2. Juni 2008 entstanden ihnen hierfür Kosten in Höhe von 142,80 Euro. In ihrer Einkommensteuererklärung machten sie diesen Betrag als Aufwendungen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen geltend. Das Finanzamt gewährte die beantragte Steuerermäßigung für die Kosten der Schneebeseitigung jedoch nicht. Denn die Dienstleistung sei außerhalb der Grundstücksgrenzen und damit nicht innerhalb des Haushalts durchgeführt worden. Soweit Dienstleistungen (z. B. Straßen- und Gehwegreinigung, Winterdienst) auf öffentlichem Gelände durchgeführt würden, seien sie nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG begünstigt.

Auf die Revision der Kläger hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben. Denn der Begriff „im Haushalt“ sei nicht räumlich, sondern funktionsbezogen auszulegen. Daher würden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a EStG nicht ausnahmslos – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen – durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Es genüge, wenn die Dienstleistung für den Haushalt (zum Nutzen des Haushalts) erbracht werde. Es müsse sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Hiervon sei insbesondere auszugehen, wenn der Steuerpflichtige als Eigentümer oder Mieter zur Reinigung und Schneeräumung von öffentlichen Straßen und (Geh)Wegen verpflichtet sei. In einem solchen Fall seien Aufwendungen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen in vollem Umfang und nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände entfallen, nach § 35a EStG begünstigt.

Nach einem weiteren Urteil des VI. Senats vom 20. März 2014 (VI R 56/12) gilt entsprechendes bei der Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen (nicht aber bei einem Neubau), die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Im entschiedenen Fall war der Haushalt des Steuerpflichtigen nachträglich an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen worden. Bei Hausanschlüssen handele es sich zwar auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb des Privatgrundstücks des Anschlussnehmers verlaufe um Betriebsanlagen des Wasserversorgungsunternehmens. Gleichwohl sei der Hausanschluss insgesamt und damit auch, soweit er im öffentlichen Straßenraum verlaufe, zum Haushalt zu zählen und damit als Handwerkerleistung nach § 35a EStG begünstigt.

BFH, Pressemitteilung Nr. 41/14 vom 11.06.2014 zu den Urteilen VI R 55/12 (LEXinform 0929431) und VI R 56/12 (LEXinform 0929462) vom 20.03.2014

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.3.2014, VI R 56/12

Aufwendungen für einen Hausanschluss als steuerbegünstigte Handwerkerleistung

Leitsätze

1. Auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, kann als Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sein (entgegen BMF-Schreiben vom 10. Januar 2014 IV C 4-S 2296-b/07/0003:004, 2014/0023765, BStBl I 2014, 75).

 

2. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob und in welchem Umfang auch die auf das öffentliche Straßenland vor dem Grundstück entfallenden Aufwendungen für den Anschluss eines Grundstücks an zentrale Anlagen der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung durch den zuständigen Zweckverband als Handwerkerleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum Streitjahr geltend Fassung (EStG) zu berücksichtigen sind.
2
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erwarben mit Kaufvertrag vom Dezember 2001 das Grundstück X in Y-Dorf und errichteten darauf in 2002 ein Einfamilienhaus, das sie seit der Fertigstellung für eigene Wohnzwecke nutzten. Zunächst wurde das Objekt durch einen Brunnen mit Trinkwasser versorgt. Das Abwasser wurde über eine Grube entsorgt.
3
Ab 2005 schloss der zuständige Zweckverband das Grundstück an zentrale Anlagen der Trinkwasserversorgung und der Abwasserentsorgung an. Für die Herstellung der Hausanschlüsse setzte der Zweckverband gegenüber den Klägern mit Bescheiden vom Juni 2007 Kostenersatzbeträge in Höhe von 910,21 EUR und 651,99 EUR fest, die die Kläger am 31. Juli 2007 durch Überweisung von ihrem Bankkonto beglichen. Darüber hinaus sind den Klägern Kosten für die Installation eines Wasserzählers in Höhe von 58,75 EUR entstanden, die ebenfalls durch Überweisung getilgt wurden.
4
Diese Aufwendungen machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) erfolglos als Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG geltend. Auch der Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
5
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 2208 veröffentlichten Gründen statt.
6
Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) die Verletzung materiellen Rechts.
7
Es beantragt,

das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15. August 2012  7 K 7310/10 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8
Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9
II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass den Klägern für die streitigen Kosten für den Haus(wasser)anschluss (Trink- und Abwasser) die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG zu gewähren ist.
10
1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens um 600 EUR. Nach § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.
11
a) Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 2010 VI R 4/09, BFHE 229, 534, BStBl II 2011, 909). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks 16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur, Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 25).
12
b) Nach allgemeiner Meinung ist nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 15. Februar 2010 IV C 4-S 2296-b/07/0003, 2010/0014334, BStBl I 2010, 140, Tz. 21, ersetzt durch BMF-Schreiben vom 10. Januar 2014 IV C 4-S 2296-b/07/0003:004, 2014/0023765, BStBl I 2014, 75, Tz. 23). Auch Kleinunternehmer i.S. des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 21, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 23) oder die öffentliche Hand können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen (Apitz in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 35a EStG Rz 21; vgl. Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 86; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140 <Schornsteinfeger>). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem Verlegen der Hausanschlussleitungen (= die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers, vgl. § 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser –AVBWasserV– vom 20. Juni 1980, BGBl I 1980, 750) gegen Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art unternehmerisch tätig geworden ist (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Oktober 2008 V R 61/03, BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321; BMF-Schreiben vom 7. April 2009 IV B 8-S 7100/07/10024, 2009/0215132, BStBl I 2009, 531). Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag) für den Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese Leistung „eigenhändig“ oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden Dritten erbracht wird. Denn auch insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine, wenn auch durch eine juristische Person vermittelte, Handwerkerleistung in Anspruch.
13
c) Die Handwerkerleistung muss ferner „in“ einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Hieraus wird geschlossen, dass nur handwerkliche Tätigkeiten, die in der privaten Wohnung bzw. dem Haus nebst Zubehörräumen und Garten geleistet werden, nicht aber solche, die „für“ den Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sind (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15; FG München vom 24. Oktober 2011  7 K 2544/09, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2012, 1118).
14
Dieses enge Verständnis der Vorschrift greift nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch zu kurz. Denn der Begriff „im Haushalt“ ist räumlich-funktional auszulegen (vgl. Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 35a Rz 77; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 7, E 7; Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4).
15
Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos –unabhängig von den Eigentumsverhältnissen– durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt (Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15). Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; vgl. auch Köhler in Bordewin/Brandt, EStG, § 35a Rz 300 f.). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird.
16
Zwar handelt es sich bei Hausanschlüssen (auch insoweit als die Anschlussleitung innerhalb des Privatgrundstücks des Anschlussnehmers verläuft) um Betriebsanlagen des Wasserversorgungsunternehmens (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV; Urteile des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2008 III ZR 307/05, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht –NJW-RR– 2008, 771, und vom 1. Februar 2007 III ZR 289/06, NJW-RR 2007, 823). Gleichwohl ist der Hausanschluss insgesamt und damit auch, soweit er im öffentlichen Straßenraum verläuft, zum Haushalt i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG zu zählen (entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 12, 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 9, 15). Denn über diesen wird der auf dem Grundstück gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. Ein Hausanschluss stellt sich damit als notwendige Voraussetzung eines Haushalts dar.
17
Entsprechende Handwerkerleistungen sind folglich nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände entfallen, sondern in vollem Umfang nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt (Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4; Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 7, E 7; Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 35a Rz 71 f., 77; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; a.A. Fischer in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 35a Rz 7; Durst in Korn, § 35a EStG Rz 41; Heß/Görn, Deutsches Steuerrecht 2007, 1804 <1805>).
18
d) Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG stehen dieser Auslegung der Vorschrift nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 55/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15).
19
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die streitigen Aufwendungen der Kläger für den Wasserhausanschluss zu Recht in Höhe der geschätzten Arbeitskosten als Handwerkerleistungen für eine Modernisierungsmaßnahme beurteilt, die den Klägern die begehrte Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG vermitteln. Die vom FA erhobenen Einwendungen gegen die Schätzung der Arbeitskosten greifen nicht durch. Die Erkenntnis des FG, dass die mit der Herstellung des Hausanschlusses verbundenen Tiefbauarbeiten höhere Arbeitskosten als Materialkosten nach sich gezogen hätten, diese Materialkosten jedoch nicht von gänzlich untergeordneter Bedeutung seien und die daraufhin vorgenommene Aufteilung der Gesamtkosten (60 % Arbeitskosten) begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Denn Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich. Damit war die Revision des FA zurückzuweisen.

Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden

Der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (V R 1/10) seine bisherige Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 22. August 2013 – V R 19/09) bestätigt, wonach sich bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel richtet. Darüber hinausgehend hat er entschieden, dass die Vorsteuerbeträge jedoch nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen sind, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen.
In der Sache ging es – erneut – um die Höhe des Vorsteuerabzugs für Eingangsleistungen zur Herstellung eines Gebäudes, mit dem sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Vermietungsumsätze erzielt werden. Da der Vorsteuerabzug nur für steuerpflichtige Ausgangsumsätze möglich ist, war eine Aufteilung der Vorsteuern erforderlich. Die Klägerin nahm die Aufteilung nach dem sog. Umsatzschlüssel vor, während die Finanzverwaltung die Vorsteuern nach dem ungünstigeren Flächenschlüssel aufteilte.

Der BFH hob das der Klage stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) auf und verwies die Sache an das FG zurück. Da der Flächenschlüssel in der Regel eine präzisere Bestimmung des Pro-rata-Satzes ermöglicht, schließt er sowohl den gesamtunternehmensbezogenen wie auch den objektbezogenen Umsatzschlüssel aus. Der Flächenschlüssel findet aber dann keine Anwendung, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten (Höhe der Räume, Dicke der Wände, Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist. In solchen Fällen ist die Vorsteueraufteilung anhand des objektbezogenen Umsatzschlüssels vorzunehmen. Ob derartige Unterschiede in der Ausstattung vorliegen, ist vom FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen.

BFH, Pressemitteilung Nr. 42/14 vom 11.06.2014 zum Urteil V R 1/10 vom 07.05.2014

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 7.5.2014, V R 1/10

Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden

Leitsätze

1. Bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes richtet sich die Vorsteueraufteilung im Regelfall nach dem objektbezogenen Flächenschlüssel.

 

2. Vorsteuerbeträge sind aber dann nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob die Vorsteuern auf Eingangsleistungen zur Herstellung eines gemischt genutzten Gebäudes im Streitjahr (2004) nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze aufgeteilt werden konnten.
2
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine vermögensverwaltende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie errichtete von 2002 bis 2004 ein gemischt genutztes Gebäude. Das Erdgeschoss vermietete sie plangemäß umsatzsteuerpflichtig an Betreiber eines Coffeeshops, Kioskes und Döner-Imbisses, das Obergeschoss umsatzsteuerfrei an private Mieter. Die auf die Herstellungskosten entfallenden und nicht direkt zuzuordnenden Vorsteuerbeträge des Streitjahres teilte sie –ebenso wie in den Vorjahren– nach einem sog. Umsatzschlüssel auf. Im Streitjahr betrugen die Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten (Baukosten des Gebäudes) insgesamt 82.075,79 EUR.
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Nach Eingang der Umsatzsteuer-Voranmeldungen I-IV/2004 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, deren Feststellungen er folgte. Das FA kürzte dementsprechend die Vorsteuerbeträge auf 49.939 EUR. Deren Höhe ermittelte es, indem es Vorsteuerbeträge in Höhe von 29.212 EUR direkt dem Erdgeschoss zurechnete. Die verbliebenen Vorsteuerbeträge von 39.256,79 EUR teilte es nach Abzug der direkt dem Obergeschoss zugeordneten, nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge entsprechend dem steuerpflichtig vermieteten Flächenanteil von 52,8 % auf.
4
Das FA erließ am 14. September 2005 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid IV/2004, in dem die Änderungen zusammengefasst berücksichtigt wurden. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 17. November 2005 als unbegründet zurück.
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Nach Klageerhebung und Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2004 erging am 23. Oktober 2006 ein –die Prüfungsfeststellungen berücksichtigender– Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Dieser Bescheid wurde vom FA –aus den Streitfall nicht betreffenden Gründen– am 12. April 2007 erneut geändert und nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens.
6
Die Klägerin beantragte mit ihrer Klage zunächst einen um 7.852 EUR höheren Vorsteuerabzug aus der Herstellung des gemischt genutzten Gebäudes. Auf den Hinweis des Finanzgerichts (FG) auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach die Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit der Herstellung eines Gebäudes einheitlich und insgesamt aufzuteilen sind, erweiterte die Klägerin ihren Klageantrag, indem sie nunmehr um 9.813 EUR höhere Vorsteuerbeträge begehrte. Diese ergeben sich bei Anwendung des Umsatzschlüssels auf die gesamten Vorsteuern (82.075,79 EUR x 72,8 % = 59.751,18 EUR) abzüglich der bereits im angegriffenen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigten 49.939 EUR. Zur Begründung ihrer Klage berief sie sich auf den Anwendungsvorrang des in der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgesehenen Umsatzschlüssels und machte geltend, § 15 Abs. 4 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (UStG) sei wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig.
7
Das FG gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 604 veröffentlichten Urteil statt. Die Klägerin sei zur Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel berechtigt. Die Anwendung des Umsatzschlüssels sei zwar nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 ab 1. Januar 2004 ausgeschlossen, diese Norm stehe aber nicht mit dem Unionsrecht in Einklang, sodass sich die Klägerin unmittelbar auf die Regelungen der Richtlinie 77/388/EWG berufen könne.
8
Mit der Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Aufgrund der Neuregelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG sei die Aufteilung der streitbefangenen Vorsteuerbeträge nach dem sog. Umsatzschlüssel ab dem 1. Januar 2004 ausgeschlossen.
9
Das FA beantragt,

das Urteil des FG vom 8. Dezember 2009  15 K 5079/05 U aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11
Zur Begründung verweist sie auf das ihrer Ansicht nach zutreffende Urteil des FG. Die Richtlinie entfalte unmittelbare Wirkung. Entgegenstehendes nationales Recht sei wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht mehr anzuwenden.
12
Die Anwendung eines Flächenschlüssels führe nicht zu einem präziseren Ergebnis, da die Ausstattung der unterschiedlich genutzten Geschosse erheblich voneinander abweiche. Die Ausrichtung auf gewerbliche Mieter im Erdgeschoss habe erhebliche Investitionen in Brandschutz, Hygiene und Lüftung erfordert.
13
Mit Zustimmung der Beteiligten hatte der Senat durch Beschluss vom 8. Dezember 2010 ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache BLC Baumarkt (C-511/10, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2012, 968) angeordnet, die am 8. November 2012 erging.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
15
Das Urteil ist aufzuheben, weil die Vorentscheidung § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2003 nicht angewandt und die Vorsteuern, um die es hier geht, stattdessen unmittelbar nach Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG zugeordnet hat. Die Sache ist nicht spruchreif, weil Feststellungen des FG dazu fehlen, ob die Anwendung des Flächenschlüssels im Streitfall zu einer präziseren Bestimmung des Pro-rata-Satzes führt.
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1. Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG regelt schließlich für die ab dem 1. Januar 2004 bezogenen Eingangsleistungen, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
17
2. Das Unionsrecht gibt für die Vorsteueraufteilung gemäß Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG (seit 1. Januar 2007: Art. 173 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 –MwStSystRL–) vor: Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, darf nur der Teil der Mehrwertsteuer abgezogen werden, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze „entfällt“. Dieser Pro-rata-Satz wird nach Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 173 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 174 MwStSystRL) für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.
18
Jedoch können die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL) (…)
„c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen“.
19
3. Das UStG enthält in § 15 Abs. 4 Satz 1 als Zuordnungselement die „wirtschaftliche Zurechnung“. Der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge ist nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Der unbestimmte Rechtsbegriff „wirtschaftliche Zurechnung“ ist nach den Vorgaben des Unionsrechts auszulegen (BFH-Urteile vom 5. September 2013 XI R 4/10, BFHE 243, 60, BStBl II 2014, 95; vom 17. August 2001 V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833, unter II.1.a, sowie vom 18. November 2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503, unter II.3.a).
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a) Wenn das Gesetz den Teil der nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge den Umsätzen wirtschaftlich zurechnet, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führen, so sagt es nichts darüber aus, in welcher Weise dies geschehen soll. Bereits nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG sind die Vorsteuerbeträge deshalb nicht zwingend gegenstands- oder bereichsbezogen aufzuteilen; die Vorschrift lässt vielmehr auch einen auf die gesamten Umsätze des Unternehmens bezogenen Aufteilungsschlüssel zu.
21
Dem so verstandenen Zuordnungselement widerspricht es nicht, wenn frühere Fassungen des § 15 Abs. 4 UStG (z.B. § 15 Abs. 4 UStG 1980 i.d.F. bis zur Aufhebung des Abs. 5 durch Art. 7 Nr. 4 des Wohnungsbauförderungsgesetzes, BGBl I 1989, 2408) die Zurechnung möglicherweise eher –verwendungsabhängig– auf den Gegenstand bezogen. Denn diese Vorschriften standen in einem gegenüber der aktuellen Rechtslage andersgearteten normativen Kontext. Demgegenüber ergibt sich aus § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, dass das Gesetz mit „wirtschaftlicher Zurechnung“ alle dort genannten Zuordnungsmethoden umfasst, also sowohl die Aufteilung nach den (beiden) Umsatzschlüsseln wie auch z.B. einen Flächenschlüssel als „andere wirtschaftliche Zurechnung“.
22
Soweit der V. Senat bislang ein gegenstandsbezogenes Verständnis des § 15 Abs. 4 UStG vertreten und auf die Nutzung des jeweiligen Gegenstandes (Gebäudes) abgestellt hat (z.B. BFH-Urteile vom 10. Dezember 2009 V R 13/08, BFH/NV 2010, 960; in BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833, und vom 12. März 1998 V R 50/97, BFHE 185, 530, BStBl II 1998, 525; Wagner in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 684, m.w.N.), hält er daran nicht mehr fest, sodass auch die Vorsteueraufteilung nach den Gesamtumsätzen des Unternehmens gemäß Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG als Methode wirtschaftlicher Zurechnung i.S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG anzusehen ist.
23
Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des XI. Senats im Urteil vom 13. August 2008 XI R 53/07 (BFH/NV 2009, 228) ab. Dieses Urteil betrifft die Abzugsfähigkeit von Vorsteuern aus der Errichtung eines Treppenhauses und der Installation einer Fahrstuhlanlage. Die dafür bezogenen Eingangsleistungen betrafen ausschließlich den für steuerfreie Ausgangsumsätze verwendeten Wohnteil des neu errichteten Gebäudes. Der XI. Senat entschied unter Hinweis auf die Rechtsprechung des V. Senats, dass der Kläger den nach einem objektbezogenen Umsatzschlüssel ermittelten Vorsteuerabzug für die Fahrstuhlanlage und das Treppenhaus beanspruchen könne. Die dafür angefallenen Aufwendungen gehörten zu den Herstellungskosten eines Gegenstandes (Gebäudes), der für Zwecke besteuerter Umsätze verwendet werde. Das Urteil enthält jedoch keine Ausführungen zur Zulässigkeit eines Vorsteuerabzugs nach den Gesamtumsätzen des Unternehmens, obwohl dieses Unternehmen unstrittig aus mehreren Mietobjekten bestand (Objekt „B“ und Objekt „A-Straße“).
24
b) Da das Unionsrecht in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 173 Abs. 1, Art. 174 MwStSystRL) den gesamtunternehmensbezogenen Umsatzschlüssel als Regel-Aufteilungsmaßstab vorschreibt, geht der Senat bei richtlinienkonformer Auslegung davon aus, dass es sich bei dem Gesamtumsatzschlüssel um eine sachgerechte Aufteilungsmethode i.S. von § 15 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 UStG handelt (BFH-Urteil in BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503, unter II.3.a).
25
Nach den Ausführungen des Senats im Vorlagebeschluss vom 22. Juli 2010 V R 19/09 (BFHE 231, 280, BFH/NV 2010, 2367, unter IV.2.b) ist die Bestimmung des Pro-rata-Satzes nach dem Gesamtumsatz des Unternehmers in einer Fallkonstellation wie der des Streitfalls indes unpräzise, da sie außer Betracht lässt, für welchen Bereich des Unternehmens die Eingangsleistungen bezogen wurden. Obwohl diese Unzulänglichkeiten bekannt waren, als Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 173 MwStSystRL) geschaffen wurde, ist der Umsatzschlüssel nicht verworfen, sondern den Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Ungleichmäßigkeiten gestattet worden, spezielle Pro-rata-Sätze zu regeln (vgl. dazu Birkenfeld in Umsatzsteuer-Berater 2001, 309 ff., unter V.1.).
26
c) Eine von dem Gesamtumsatzschlüssel abweichende Vorsteueraufteilung ermöglicht das Unionsrecht in den bereichs- und gegenstandsbezogenen Fällen des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG (entspricht Art. 173 Abs. 2 MwStSystRL). Diese Regelungen sollen „für ganz bestimmte Fälle gelten“, da sie „unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Tätigkeit des Steuerpflichtigen darauf abzielen, es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs zu präziseren Ergebnissen zu gelangen“ (EuGH-Urteil BLC Baumarkt in UR 2012, 968, Rdnr. 18; so auch EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2008 C-488/07, Royal Bank of Scotland, Slg. 2008, I-10409, Rdnr. 23).
27
d) Der nationale Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG zwar von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht (vgl. Regierungsentwurf eines Steueränderungsgesetzes 2003, BTDrucks 15/1562, S. 51 „zu Buchstabe d“), ist aber über den Ermächtigungsrahmen hinausgegangen, indem er die Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur dann für zulässig erklärt, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist.
28
Der Senat hat daher in seinem Urteil vom 22. August 2013 V R 19/09 (BFHE 243, 8, BFH/NV 2014, 278, unter II.2.) entschieden, dass § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG insoweit nicht den Erfordernissen des Unionsrechts entspricht. An dieser Begründung hält der Senat indes nicht mehr in vollem Umfang fest, sondern ergänzt sie um folgende Erwägungen: Wie die Auslegung des § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG zeigt (siehe oben unter II.3.a), weicht das Gesetz nicht in allen Fällen von dem auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogenen Pro-rata-Satz nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 173 Abs. 1, Art. 174 MwStSystRL) ab. Es lässt in § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG eine derartige Aufteilung implizit zu, beschränkt sie aber in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG auf Fälle, in denen keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Was „möglich“ ist, muss indes richtlinienkonform ausgelegt werden.
29
4. Ist nach dem EuGH-Urteil BLC Baumarkt in UR 2012, 968 (Leitsatz sowie Rdnrn. 18 und 24) die Ermittlung des Pro-rata-Satzes für den Abzug von Vorsteuern vorrangig nach einem –von den Umsatzmethoden abweichenden– Aufteilungsschlüssel zulässig, wenn sich dieser Aufteilungsschlüssel auf einen „bestimmten Umsatz“ bezieht und die herangezogene Methode eine „präzisere Bestimmung“ des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs als die Bestimmung anhand der Umsatzmethode gewährleistet, so gilt danach für die richtlinienkonforme Auslegung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG: Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere —präzisere— wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Soweit der Senat mit Urteil in BFHE 243, 8, BFH/NV 2014, 278 (Leitsatz 1) die Vorschriften des § 15 Abs. 4 UStG weitergehend teleologisch reduziert hat, indem sie nur Vorsteuerbeträge erfassen, die zugleich nach § 15a UStG berichtigungspflichtig sind, hält er daran nicht fest.
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a) Nach Auffassung des EuGH (im Urteil BLC Baumarkt in UR 2012, 968, Leitsatz sowie unter Rdnr. 19) können die Mitgliedstaaten zum Zwecke der Berechnung des Pro-rata-Satzes für den Abzug der Vorsteuern aus einem bestimmten Umsatz „wie der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes“ vorrangig einen anderen Aufteilungsschlüssel als den auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogenen Umsatzschlüssel nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (Art. 174 MwStSystRL) vorschreiben. Der Streitfall betrifft die Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes und fällt damit ersichtlich in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG.
31
b) Der Flächenschlüssel als andere wirtschaftliche Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG beruht auf Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG und ist objektbezogen. Als solcher ermöglicht dieser Aufteilungsschlüssel   in der Regel   eine „präzisere“ Bestimmung des Pro-rata-Satzes als die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Gesamtumsätzen des Unternehmens (Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, Art. 174 MwStSystRL). Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen im Urteil in BFHE 243, 8, BFH/NV 2014, 278 (Rz 41). Der Flächenschlüssel schließt deshalb gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG als im Regelfall präzisere mögliche Zurechnung die Umsatzschlüssel aus, und zwar sowohl den gesamtunternehmensbezogenen wie auch den objektbezogenen.
32
c) Die Vorsteuerbeträge sind aber nicht nach dem Verhältnis der Flächen aufteilbar, wenn die Ausstattung der Räumlichkeiten, die verschiedenen Zwecken dienen (z.B. wegen der Höhe der Räume, der Dicke der Wände und Decken oder in Bezug auf die Innenausstattung) erhebliche Unterschiede aufweist (vgl. BFH-Urteil vom 12. März 1992 V R 70/87, BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755; vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 21. Mai 1987 V S 11/85, BFH/NV 1987, 536, unter II.2.; BFH-Urteil vom 20. Juli 1988 X R 8/80, BFHE 154, 255, BStBl II 1988, 1012, Abschn. 208 Abs. 2 Satz 9 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 und Abschn. 15.17. Abs. 7 Satz 6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses –UStAE–). In solchen Fällen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Eingangsbezüge gleichmäßig auf die Fläche verteilen, sodass der Flächenschlüssel sich nicht als genauere Aufteilung erweist. Da das Gebäude als der herzustellende oder der hergestellte Gegenstand endgültiges Zuordnungsobjekt ist, müssen in die Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG sämtliche der Herstellung des Gebäudes dienenden Aufwendungen einbezogen werden (BFH-Urteile vom 28. September 2006 V R 43/03, BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417, Leitsatz 3, sowie vom 22. November 2007 V R 43/06, BFHE 219, 450, BStBl II 2008, 770; Abschn. 15.17. Abs. 5 UStAE).
33
d) Ist keine präzisere wirtschaftliche Zurechnung durch den Flächenschlüssel möglich, gilt der Umsatzschlüssel. § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG regelt nicht ausdrücklich, ob sich das dort bestimmte Verhältnis –wie der Pro-rata-Satz nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 sowie Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (entspricht Art. 17 Abs. 1 Satz 1, Art. 174 MwStSystRL)– an dem Gesamtbetrag der Umsätze des Unternehmens oder an den Umsätzen des einzelnen Objekts orientiert. Um den Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs „möglichst präzise“ zu berechnen (EuGH-Urteil BLC Baumarkt in UR 2012, 968, Rdnr. 23), gilt die Methode, die eine genauere Aufteilung ermöglicht. Die Vorsteuerbeträge sind dann anhand des objektbezogenen Umsatzschlüssels aufzuteilen, wenn sie den Gegenstand selbst –wie hier das Gebäude– betreffen und die objektbezogene gegenüber einer gesamtumsatzbezogenen Aufteilung genauer ist, weil ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zu den Ausgangsumsätzen durch Verwendung (Nutzung) dieses Gebäudes besteht (z.B. durch Vermietung) und es nicht um seine Verwendung für Umsätze des gesamten Unternehmens (wie z.B. bei einem Verwaltungsgebäude, vgl. dazu Abschn. 15.17. Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UStAE) geht. Im letzteren Fall gehören die Aufwendungen zur Herstellung des Gebäudes zu den allgemeinen Aufwendungen des Unternehmers und hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen. Dies rechtfertigt es auch, Vorsteuerbeträge nach dem allgemeinen Umsatzschlüssel gesamtumsatzbezogen aufzuteilen (BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 25/10, BFHE 241, 451, BStBl II 2014, 346, Rz 27, 28; so jetzt auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. April 2014, BStBl I 2014, 802; Abschn. 15.16. Abs. 2a UStAE).
34
5. Das Urteil des FG widerspricht diesen Maßstäben und ist deshalb aufzuheben. Die Vorsteuerbeträge, um die es hier geht, sind gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG aufzuteilen. Mangels Spruchreife ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
35
a) Das FG ist bei seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG bei der Errichtung eines gemischt genutzten Gebäudes wegen Richtlinienwidrigkeit nicht anwendbar ist und sich der Unternehmer daher auf die für ihn günstigere Anwendung des Umsatzschlüssels nach Art. 17 Abs. 5 i.V.m. Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann. Nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG sind die Vorsteuerbeträge nur dann nach Umsatzschlüssel zu verteilen, wenn keine andere präzisere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hat das FG nicht geprüft.
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b) Die Sache ist nicht spruchreif und deshalb zum Nachholen der erforderlichen Feststellungen an das FG zurückzuverweisen. Nach den Feststellungen des FG hat das FA den Vorsteuerabzug dahingehend korrigiert, dass es die insgesamt angefallenen Vorsteuerbeträge von 82.075,79 EUR um direkt dem Erd- und Obergeschoss zugeordnete Vorsteuerbeträge vermindert und nur die verbliebenen 39.256,79 EUR nach dem steuerpflichtig vermieteten Flächenanteil von –unstrittig– 52,8 % aufgeteilt hat. Wie das FG zu Recht entschieden hat, sind in die Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG jedoch sämtliche der Herstellung des Gebäudes dienenden Aufwendungen einzubeziehen. Ob die Vorsteuerbeträge insgesamt nach dem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel aufzuteilen sind und deshalb statt der im angegriffenen Umsatzsteuerbescheid 2004 bereits berücksichtigten 49.939 EUR nach der Vorentscheidung weitere Vorsteuerbeträge von 9.813 EUR abzuziehen sind, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Umsatzschlüssels vorliegen. Ob dies der Fall ist, hat das FG auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung nicht geprüft. Hierfür könnten jedoch die im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (Anhang 4 bis 10) getroffenen Feststellungen zur erheblich voneinander abweichenden Höhe der Baukosten für die beiden Geschosse sprechen. Das FG wird dem in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzugehen haben.

Investitionsabzugsbetrag bei Nutzung des Wirtschaftsguts sowohl in einem landwirtschaftlichen als auch in einem gewerblichen Betrieb des Steuerpflichtigen

BFH, Urteil X R 46/11 vom 19.03.2014

Leitsatz
Die Nutzungsvoraussetzung des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EStG ist auch dann erfüllt, wenn der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut sowohl in seinem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb als auch in den landwirtschaftlichen Betrieben Dritter einsetzt, selbst wenn der Einsatz in den fremden Betrieben dazu führt, dass diese Tätigkeit ertragsteuerrechtlich zu einem Gewerbebetrieb (Lohnunternehmen) verselbständigt und das Wirtschaftsgut dem Betriebsvermögen dieses Gewerbebetriebs zugeordnet wird.
In derartigen Fällen setzt die Gewährung des Investitionsabzugsbetrags allerdings voraus, dass das Größenmerkmal des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in Bezug auf denjenigen Betrieb, in dem die Investition vorgenommen werden soll, auch dann noch erfüllt ist, wenn die Größe desjenigen Betriebs, in dem das Wirtschaftsgut ebenfalls genutzt werden soll, in die Betrachtung einbezogen wird.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin