Tariflicher Zuschlag – Ostersonntag ist ein hoher Feiertag

Der Kläger war seit 1998 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Backwarenindustrie beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für die Betriebe und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, die Betriebe der Großbäckereien und die Betriebe des Brot- und Backwarenvertriebs für das Land Nordrhein-Westfalen (MTV) Anwendung. In § 4 MTV waren folgende Zuschläge vorgesehen. Arbeit an Sonntagen: unter 3 Stunden 75 % (1,75-faches Entgelt je Stunde), mehr als drei Stunden 50 % (1,5-faches Entgelt je Stunde); Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen 150 % (2,5-faches Entgelt je Stunde); Arbeit an hohen Feiertagen (Neujahr, Ostern, 1. Mai, Pfingsten und Weihnachten) 200 % (3-faches Entgelt je Stunde). Bis einschließlich 2016 zahlte die Arbeitgeberin für Oster- und Pfingstsonntag den Zuschlag in Höhe von 200 %. Im Jahr 2017 informierte sie die Mitarbeiter, dass für diese Tage nur noch Sonntagszuschläge gezahlt würden, weil es sich bei diesen Tagen nicht um gesetzliche Feiertage handele. Der Kläger arbeitete am Ostersonntag 2017. Er begehrt mit seiner Klage 282,56 Euro weitere Feiertagsvergütung, die der Differenz zwischen Sonntagszuschlag und dem Zuschlag in Höhe von 200 % entspricht, sowie die Feststellung, dass die Arbeitgeberin Oster- und Pfingstsonntag jeden Jahres als Arbeit an hohen Feiertagen mit 200 % Zuschlag zu vergüten habe.

Die Klage hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Auch wenn Ostersonntag kein gesetzlicher Feiertag ist, handelt es sich um einen hohen Feiertag im Sinne von § 4 MTV. Dies ergibt die Auslegung. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis umfasst der Begriff hoher Feiertag zumindest die hohen christlichen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten in Gänze und damit unter Einbezug von Oster- und Pfingstsonntag. Der Klammerzusatz in § 4 MTV definiert die hohen Feiertage u. a. als Ostern und Pfingsten. Diese Feste umfassen den Oster- und Pfingstsonntag. Auch der erkennbare Sinn und Zweck spricht für eine Zahlung des erhöhten Zuschlages für Arbeit an Oster- und Pfingstsonntagen. Die Arbeitnehmer sollen für die besondere Belastung entschädigt werden, die sich daraus ergibt, dass sie bestimmte als besonders wichtig erachtete Tage nicht frei bestimmt – insbesondere im Kreise der Familie – verbringen können, sondern stattdessen Arbeitsleistungen erbringen müssen. Diese Beeinträchtigung liegt am Ostersonntag mindestens in gleicher Weise – wenn nicht sogar stärker – vor wie am Ostermontag. Entsprechendes gilt für Pfingstsonntag.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen.

Quelle: LAG Düsseldorf, Pressemitteilung vom 18.04.2019 zum Urteil 6 Sa 996/18 vom 22.02.2019

Zeitgrenzen bei kurzfristiger Beschäftigung

Die „dauerhafte Entfristung der 70-Tage-Regelung bei kurzfristiger Beschäftigung“ ist Thema der Antwort der Bundesregierung ( 19/9176 ) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion ( 19/8653 ). Danach stellt die Möglichkeit, saisonale Arbeitskräfte für drei Monate ohne aufwendigen Personalwechsel kurzfristig beschäftigen zu können, für viele Betriebe eine Entlastung dar. Das gelte insbesondere „im Sonderkulturbereich der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe, da Saisonarbeit in diesen Bereichen einen besonders hohen Stellenwert hat“.

In der Antwort verweist die Bundesregierung zugleich auf Beschlussempfehlung und Bericht zum Tarifautonomiestärkungsgesetz vom 2. Juli 2014, „wonach die zeitlichen Grenzen der kurzfristigen Beschäftigung übergangsweise eingeführt wurden, damit dies nicht zu einer generellen Ausweitung der versicherungsfreien geringfügigen Beschäftigung führt'“. Seit Einführung dieser Übergangsregelung zum 1. Januar 2015 seien jedoch keine sozialpolitisch bedenklichen Entwicklungen festgestellt worden, die einer Entfristung der erhöhten Zeitgrenzen entgegenstehen würden. Die Anzahl der kurzfristigen Beschäftigungen habe sich in diesem Zeitraum kaum verändert. Vor diesem Hintergrund habe sie sich „für eine dauerhafte Anhebung der Zeitgrenzen für eine kurzfristige Beschäftigung auf drei Monate oder 70 Arbeitstage entschieden“, führt die Bundesregierung weiter aus.

Quelle: Deutscher Bundestag, hib-Nr. 446/2019

Insolvenzverfahren natürlicher Personen bis 2017: Restschuld in 84,7 % der Fälle erlassen

Von den 142.086 im Jahr 2010 eröffneten Insolvenzverfahren natürlicher Personen in Deutschland haben die Gerichte bis zum Jahresende 2017 in 84,7 % der Fälle (120.403) die Schuldner von ihrer Restschuld befreit. Wie das Statistische Bundesamt weiter mitteilt, gab es die meisten Restschuldbefreiungen bei Verbraucherinsolvenzverfahren (91.258 oder 85,9 % der insgesamt 106.291 Fälle). Darüber hinaus wurde bei 17.422 Insolvenzverfahren von ehemals selbständig Tätigen (83,4 % der insgesamt 20.889 Fälle) und bei 11.723 Insolvenzverfahren von übrigen Schuldnern (insbesondere Einzelunternehmen; 78,6 % der insgesamt 14.906 Fälle) die Restschuldbefreiung erteilt.

Nicht gezahlte Mindestvergütung des Treuhänders häufigster Versagungsgrund

Bei 6 562 Insolvenzverfahren natürlicher Personen (4,6 % der Fälle) wurde die Restschuldbefreiung versagt. Der häufigste Grund war die nicht gezahlte Mindestvergütung des Treuhänders (5.140 Fälle). Weitere wichtige Versagungsgründe sind die Verletzung der Mitwirkungspflicht des Schuldners (738) und der Verstoß des Schuldners gegen Obliegenheiten (566).

Deckungsquote von durchschnittlich 2,0 % bei bis Ende 2017 beendeten Verfahren

Bei den Insolvenzverfahren von natürlichen Personen in Deutschland, die im Jahr 2010 eröffnet und bis Ende 2017 beendet wurden, mussten die Gläubiger auf 98,0 % ihrer Forderungen verzichten. Sie erhielten durchschnittlich nur 2,0 % ihrer Forderungen zurück. Diese Deckungsquote ergibt sich als Anteil des zur Verteilung verfügbaren Betrages (206 Millionen Euro) an den quotenberechtigten Forderungen (10,6 Milliarden Euro). Die Verluste der Gläubiger betrugen damit 10,4 Milliarden Euro.

Nicht berücksichtigt sind bei diesen Angaben Zahlungen des Schuldners, die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens geleistet und zur Schuldentilgung bei den Gläubigern verwendet werden, solange das Restschuldbefreiungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Die Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung wird häufig erst Jahre nach der Beendigung von Insolvenzverfahren natürlicher Personen getroffen.

Entscheidung über die Restschuldbefreiung bei Insolvenzverfahren natürlicher Personen
Insolvenzverfahren: eröffnet im Jahr 2010, Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis 31.12.2017
 Art des Schuldners Eröffnete Insolvenz-
verfahren
Darunter mit Entscheidung über die Restschuldbefreiung
insgesamt Art der Entscheidung
Restschuldbefreiung
wurde erteilt
Restschuldbefreiung
wurde versagt
Sonstige Art
der Entscheidung 1
Anzahl
1 Rücknahme des Antrags, Schuldner/-in verstorben und Restschuldbefreiung wurde nach Erteilung widerrufen.

2 Einzelunternehmen und natürliche Personen als Gesellschafter/-in und Ähnliche.

Insgesamt 142 086 130 080 120 403 6 562 3 115
Verbraucher 106 291 98 734 91 258 5 029 2 447
Ehemals selbstständig Tätige 20 889 18 775 17 422 934 419
Übrige Schuldner 2 14 906 12 571 11 723 599 249
Ausgewählte Versagungsgründe der Restschuldbefreiung bei Insolvenzverfahren natürlicher Personen
Insolvenzverfahren: eröffnet im Jahr 2010, Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis 31.12.2017
 Art des Schuldners Beendete Verfahren mit Versagung der
Restschuldbefreiung insgesamt
Ausgewählte Versagungsgründe 1
Mindestvergütung des
Treuhänders nicht gezahlt
Verletzung der
Mitwirkungspflicht
Verstoß gegen
Obliegenheiten
Anzahl
1 Es kann bei einem Verfahren mehrere Versagungsgründe geben.

2 Einzelunternehmen und natürliche Personen als Gesellschafter/-in und Ähnliche.

Insgesamt 6 562 5 140 738 566
Verbraucher 5 029 4 123 485 365
Ehemals selbständig Tätige 934 632 138 130
Übrige Schuldner 2 599 385 115 71
Finanzielle Ergebnisse bis 2017 beendeter Insolvenzverfahren natürlicher Personen
Insolvenzverfahren: eröffnet im Jahr 2010, beendet bis 31.12.2017 
Art des Schuldners Eröffnete Insolvenzverfahren Quotenberechtigte
Forderungen
Zur Verteilung verfüg-
barer Betrag
Deckungs-
quote 1
Verluste 2
ins-
gesamt
darunter: bisher
beendete Verfahren
Anzahl % Mill. Euro % Mill. Euro
1 Deckungsquote: Anteil des zur Verteilung verfügbaren Betrages an den quotenberechtigten Forderungen.

2 Verluste: Differenz zwischen den quotenberechtigten Forderungen und dem zur Verteilung verfügbaren Betrag.

3 Einzelunternehmen und natürliche Personen als Gesellschafter/-in und Ähnliche.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 16.04.2019

Konsequenzen des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der EU

Am 29. März 2017 unterrichtete das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Vereinigtes Königreich) den Europäischen Rat von seiner Absicht, aus der Europäischen Union auszutreten, und leitete damit das Verfahren nach Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union ein. Sofern keine anderweitige politische Lösung gefunden wird, droht mit Ablauf des 12. April 2019 ein ungeregelter Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union.

Sollte dieser Fall eintreten, gilt unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder das im Schreiben Aufgeführte zu folgenden Punkten:

  1. Anwendbare Vorschriften
  2. Behandlung von Lieferungen vor dem 13. April 2019, bei denen die gelieferten Gegenstände nach dem 12. April 2019 in das Vereinigte Königreich oder in das Inland gelangen
  3. Umsätze in Konsignationslagern
  4. Behandlung von sonstigen Leistungen (Dauerleistungen), deren Erbringung vor dem 13. April 2019 beginnt und nach dem 12. April 2019 endet
  5. Kleine einzige Anlaufstelle (Mini-One-Stop-Shop) für bestimmte Dienstleistungen
  6. Vorsteuer-Vergütungsverfahren
  7. Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG
  8. Haftung für die Umsatzsteuer beim Handel mit Waren im Internet (§§ 22f, 25e und 27 Abs. 25 UStG)
  9. Bearbeitung von Amtshilfeersuchen
  10. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 1 – S-7050 / 19 / 10001 :002 vom 08.04.2019

Falschgeld und Werbungskostenabzug

Der Bezug von Falschgeld im Rahmen eines beruflich veranlassten Geldwechselgeschäfts kann zu Werbungskostenabzug führen.

Ein im Vertrieb auf Provisionsbasis beschäftigter Arbeitnehmer, der im Zuge eines einem Maschinenverkauf vorgeschalteten Geldwechselgeschäfts Falschgeld untergeschoben bekommt, kann seinen Schaden steuerlich als Werbungskosten abziehen. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 9 K 593/18).

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der für die Vermittlung von Maschinenverkäufen von seinem Arbeitgeber Provisionen erhält. Er fiel auf einen Kaufinteressenten herein, der behauptete, eine internationale Investorengruppe zu vertreten, die als Vorbedingung für den Kauf der Maschinen die Durchführung eines Geldwechselgeschäfts mit 500-Euro-Scheinen verlange, weil die Investorengruppe sich ihres entsprechenden Bestandes an 500-Euro-Noten wegen des gerüchteweise insbesondere in Italien bevorstehenden Einzugs solcher Banknoten entledigen wolle. Nachdem die Verkaufsverhandlungen in einen vom Vorgesetzten des Klägers unterschriebenen Vorvertrag gemündet waren, traf sich der Kläger ohne Wissen seines Vorgesetzten mit dem Interessenten im europäischen Ausland in einem Hotel. Dort übergab er diesem 250.000 Euro in 200-Euro-Banknoten und erhielt im Gegenzug ebenfalls 250.000 Euro, jedoch in 500-Euro-Banknoten. Das von dem Kläger mitgeführte Geld stammte aus dessen privatem Bereich. Zunächst stellte der Kläger die Echtheit des erhaltenen Geldes direkt im Zuge der Übergabe im Hotel mithilfe eines Gerätes fest. Später erkannte er jedoch, dass das erhaltene Geld nach der Übergabe noch im Hotel und von ihm unbemerkt in offensichtliches Falschgeld ausgewechselt worden war. Das Finanzamt lehnte den geltend gemachten Werbungskostenabzug in Höhe von 250.000 Euro ab, da das Geldwechselgeschäft ohne das Wissen des Arbeitgebers durchgeführt worden und dem eigentlichen Kaufvertrag nur vorgeschaltet gewesen sei. Zudem sei der strafrechtliche Charakter des Geldwechselgeschäfts ganz offensichtlich gewesen.

Das Hessische Finanzgericht gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Denn der vom Kläger erlittene Verlust aus dem Geldwechselgeschäft sei ausschließlich beruflich veranlasst gewesen. Eine private Mitveranlassung habe nicht bestanden. So erhalte der Kläger ausweislich des Arbeitsvertrages Verkaufsprovisionen für den Abschluss von Verkäufen über die von seinem Arbeitgeber angebotenen Maschinen. Wenn der Verkauf der Maschinen in Millionenhöhe an die angebliche Investorengruppe zustande gekommen wäre, hätte der Kläger von seinem Arbeitgeber eine entsprechende Provision erhalten, was der Vorgesetzte in der mündlichen Verhandlung als Zeuge bestätigt habe. Der Interessent habe den Abschluss des Kaufvertrages zudem von dem Geldwechselgeschäft im Sinne einer Vorbedingung abhängig gemacht und den Vorvertrag auch erst im Zuge des Gelwechsels im Hotel unterschrieben. Der Kläger habe damit das Geld in der Erwartung gewechselt, Arbeitslohn in Form einer Provision zu erlangen. Die erforderliche Kausalität zwischen Geldwechselgeschäft und Provision liege damit vor.

Dass das Geldwechselgeschäft dem Kaufvertrag vorgeschaltet gewesen sei, lasse die berufliche Veranlassung des Wechselgeschäfts nicht entfallen. Auch seien eine etwaige Fahrlässigkeit des Klägers und der fehlende wirtschaftliche Sinn des Wechselgeschäftes für den Werbungskostenabzug unerheblich. In Betrugsfällen sei die objektive Untauglichkeit der Aufwendungen auch nicht erkennbar. Für ein etwaiges strafbares Verhalten des Klägers und insbesondere für ein kriminelles Zusammenwirken des Klägers mit dem Interessenten sei nach den konkreten Umständen nicht ersichtlich.

Das Urteil vom 11.03.2019 ist derzeit noch nicht rechtskräftig.

Quelle: FG Hessen, Pressemitteilung vom 09.04.2019 zum Urteil 9 K 593/18 vom 11.03.2019 (nrkr)

BFH: Keine Anfechtung der Kapitalertragsteuer-Anmeldung nach Einkommensteuerfestsetzung

Die Anmeldung der Kapitalertragsteuer durch ein Geldinstitut kann von dem Gläubiger der Kapitalerträge nicht mehr im Wege einer Drittanfechtungsklage angefochten werden, wenn die Kapitalerträge aufgrund eines Antrags nach § 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bereits in die Steuerfestsetzung mit einbezogen wurden und die abgeführte Kapitalertragsteuer auf die Steuerschuld angerechnet wurde. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 20. November 2018 VIII R 45/14 in einem Fall entschieden, in dem der Steuerpflichtige mit einer Drittanfechtungsklage der Kapitalertragsteuer-Anmeldung des Geldinstituts die Erstattung der Abgeltungsteuer erreichen wollte.

Im Streitfall behielt das Geldinstitut aufgrund einer „Entflechtung (Spin-off)“ von Aktien einer amerikanischen Kapitalgesellschaft Kapitalertragsteuer ein. Der Kläger war der Auffassung, dass die Entflechtung der Wertpapiere nicht steuerpflichtig sei und erhob nach dem Erlass des Einkommensteuerbescheids, in den die Kapitalerträge aufgrund eines Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG einbezogen worden waren, eine Drittanfechtungsklage gegen die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des Geldinstituts. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verworfen.

Der BFH hat die FG-Entscheidung bestätigt und die Revision des Klägers zurückgewiesen. Zwar war der Kläger als Gläubiger der Kapitalerträge grundsätzlich befugt, die Kapitalertragsteuer-Anmeldung des Geldinstituts anzufechten. Jedoch hatte sich diese durch den Erlass des Einkommensteuerbescheids erledigt, da dieser aufgrund des Antrags nach § 32d Abs. 4 EStG den Regelungsgehalt der Kapitalertragsteuer-Anmeldung aufgenommen hat. Die Klage war danach mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

Grundsätzlich hält der BFH die Beschränkung der Drittanfechtungsklage gegen eine Kapitalertragsteuer-Anmeldung auch verfassungs- und europarechtlich für zulässig. Nicht entschieden hat der BFH über die Frage, wie eine Drittanfechtungsklage ohne einen Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG zu beurteilen wäre und ob aufgrund der ab dem Veranlagungszeitraum 2016 geltenden Bindung des Geldinstituts an die Verwaltungsauffassung nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG der Prüfungsumfang bei einer Drittanfechtungsklage weiter eingeschränkt wird.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 20/19 vom 10.04.2019 zum Urteil VIII R 45/15 vom 20.11.2018

Zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG

Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei Einkünften aus der Überlassung von Rechten und von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für den Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG bei Einkünften aus der Überlassung von Rechten und von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten Folgendes:

Vergütungen, die ausländische Plattformbetreiber und Internetdienstleister für die Platzierung oder Vermittlung von elektronischer Werbung auf Internetseiten erhalten, unterliegen nicht dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG. Sie werden weder für eine zeitlich begrenzte Rechteüberlassung nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG noch für die Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen oder ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten nach § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG geleistet.

Eine Verpflichtung zur Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Abzugsteuer gemäß § 50a Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 73e EStDV besteht für den Schuldner einer solchen Vergütung daher nicht.

Das gilt für Entgelte für Werbung bei Anfragen in Online-Suchmaschinen, über Vermittlungsplattformen, für Social-Media-Werbung, Bannerwerbung und vergleichbare sonstige Onlinewerbung und unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die Vergütung aufgrund des konkreten Vertragsverhältnisses anfällt (z. B. Cost per Click, Cost per Order oder Cost per Mille, Revenue Share).

Dieses Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2411 / 11 / 10002 vom 03.04.2019

Krankenhäuser müssen Zahlungen für Umsatzsteuer auf Arzneimittelzubereitungen an Krankenkassen erstatten

Haben Krankenhäuser und Krankenkassen vereinbart, in Krankenhausapotheken an Versicherte abgegebene Arzneimittelzubereitungen mit Nettopreisen zuzüglich der jeweils geltenden Umsatzsteuer zu vergüten, und zahlen die Krankenkassen Umsatzsteuer, deren Anmeldung die Krankenhäuser später ohne Prozessrisiko korrigieren können, soweit sie sich nach Rechtsprechung und Steuererlassen als unzutreffend erweist, haben die Krankenkassen nach ergänzender Vertragsauslegung Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer. Sind die maßgeblichen Steueranmeldungen nicht mehr abänderbar, beruht der Anspruch auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch. Dies hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts am Dienstag, 9. April 2019 entschieden (Az. B 1 KR 5/19 R).

Der 1. Senat hat die beklagte Krankenhausträgerin verurteilt, der klagenden Krankenkasse 1.319,36 Euro Umsatzsteuer zurückzuzahlen. Lediglich hinsichtlich eines Teils der Prozesszinsen hat er die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Der Klägerin steht der Rückzahlungsanspruch aus ergänzender Auslegung des Vertrags zu, soweit die Steueranmeldungen der Beklagten noch nicht formell bestandskräftig oder jedenfalls noch abänderbar waren. Hätten die Vertragsparteien bedacht, dass die Steuerverwaltung auch mit Rückwirkung die Umsatzsteuer-Pflicht in der vorliegenden Fallgestaltung verneint, hätten sie vereinbart, dass den vertragschließenden Krankenkassen ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer zusteht, wenn die Beklagte ihren Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt ohne Prozessrisiko durchsetzen kann. So liegt es seit Veröffentlichung des Umsatzsteueranwendungserlasses des Bundesministeriums der Finanzen (20. Oktober 2016). Sind die maßgeblichen Steueranmeldungen nicht mehr abänderbar, beruht der Anspruch auf einem vertraglichen Schadensersatzanspruch. Die Beklagte wäre jedenfalls spätestens nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2014 verpflichtet gewesen, im Vorgriff auf mögliche Reaktionen der Steuerverwaltung innerhalb der noch laufenden Festsetzungsfrist die Abänderung zu beantragen. Dies wäre ihr angesichts der Kostenfreiheit des Verfahrens zumutbar gewesen.

Hinweise zur Rechtslage

§ 129a SGB V – Krankenhausapotheken (in der bis 12.05.2017 maßgeblichen Fassung)

Die Krankenkassen oder ihre Verbände vereinbaren mit dem Träger des zugelassenen Krankenhauses das Nähere über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte, insbesondere die Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises. Die nach § 300 Abs. 3 getroffenen Regelungen sind Teil der Vereinbarungen nach Satz 1. Eine Krankenhausapotheke darf verordnete Arzneimittel zu Lasten von Krankenkassen nur abgeben, wenn für sie eine Vereinbarung nach Satz 1 besteht. Die Regelungen des § 129 Abs. 5c Satz 4 bis 5 gelten für Vereinbarungen nach Satz 1 entsprechend.

§ 4 UStG – Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

(…)

14. (…)

b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von

aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch

(…)

erbracht werden. (…)

Auszug aus der konsolidierten Fassung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 01.10.2010, BStBl I S. 846 mit Stand 19.12.2016

(2) Unter diesen Voraussetzungen können zu den eng verbundenen Umsätzen gehören:

1. die stationäre oder teilstationäre Aufnahme von Patienten, deren ärztliche und pflegerische Betreuung einschließlich der Lieferungen der zur Behandlung erforderlichen Medikamente;

2. die Behandlung und Versorgung ambulanter Patienten;

3. die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke des Krankenhauses hergestellten Arzneimitteln, wenn diese im Rahmen einer ambulant in den Räumen dieses Krankenhauses durchgeführten Heilbehandlung verwendet werden; auf die sozialrechtliche Ermächtigungsform für die ambulante Heilbehandlung kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 24.09.2014, V R 19/11, BStBl 2016 II S. 781). Eine Behandlung im selben Gebäude ist nicht erforderlich. Für die Steuerbefreiung ist die Abgabe von patientenindividuell hergestellten Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke eines Krankenhauses zur Behandlung eines Patienten in einem Krankenhaus desselben Unternehmers an einem anderen Standort unschädlich;

(Nummer 3 neu eingefügt durch BMF-Schreiben vom 28. September 2016 – III C 3 – S 7170/11/10004 (2016/0883539), BStBl I S. 1043. Die bisherigen Nummern 3 bis 8 wurden neue Nummern 4 bis 9. Die Grundsätze der Regelung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die vor dem 1. April 2017 ausgeführt werden, wird es für das Besteuerungsverfahren nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von Abschnitt 4.14.6. Abs. 2 Nr. 3 UStAE dem allgemeinen Steuersatz unterwirft und insoweit aus den damit zusammenhängenden Eingangsleistungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug geltend macht.)

Quelle: BSG, Pressemitteilung vom 10.04.2019 zum Urteil B 1 KR 5/19 R vom 09.04.2019

Zur Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit

Eine nationale Regelung kann für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Bezugszeiträume mit Beginn und Ende an festen Kalendertagen vorsehen.

Eine solche Regelung muss jedoch Mechanismen enthalten, die gewährleisten können, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden während jedes auf zwei aufeinanderfolgende feste Bezugszeiträume verteilten Sechsmonatszeitraums eingehalten wird.

Zwischen dem Syndicat des cadres de la sécurité intérieure (Gewerkschaft der Führungskräfte der inneren Sicherheit) und französischen Behörden ist ein Rechtsstreit wegen des Bezugszeitraums für die Berechnung der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit der aktiven Beamten im Dienst der Police Nationale anhängig.

Das für diese Beamten geltende französische Dekret1 sieht vor, dass die wöchentliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum, einschließlich Überstunden, während eines Kalenderhalbjahrs 48 Stunden im Durchschnitt nicht überschreiten darf.

Am 28. März 2017 erhob das Syndicat des cadres de la sécurité intérieure beim Conseil d’État (Frankreich) Klage auf Nichtigerklärung dieser Bestimmung. Es macht geltend, weil zur Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ein in Kalenderhalbjahren ausgedrückter Bezugszeitraum (fester Bezugszeitraum) und nicht ein Bezugszeitraum von sechs Monaten mit zeitlich flexiblem Beginn und Ende (gleitender Bezugszeitraum) herangezogen werde, verstoße die Bestimmung gegen die Regeln der Richtlinie über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung2, insbesondere die Ausnahme, wonach die Mitgliedstaaten den Bezugszeitraum auf bis zu sechs Monate ausdehnen könnten.

Der Conseil d’État möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Bestimmungen der Richtlinie der französischen Regelung entgegenstehen, die für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Bezugszeiträume mit Beginn und Ende an festen Kalendertagen vorsieht und keine gleitend definierten Bezugszeiträume.

Mit seinem Urteil vom 11.04.2019 stellt der Gerichtshof fest, dass sich die Richtlinie zu dieser Frage nicht äußert, sodass es den Mitgliedstaaten freisteht, die Bezugszeiträume nach der Methode ihrer Wahl zu bestimmen, vorausgesetzt, die mit der Richtlinie verfolgten Ziele werden beachtet.

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass mit der Richtlinie ein besserer Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleistet werden soll, indem u. a. eine Obergrenze für die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit vorgesehen ist. Diese Obergrenze stellt eine Regel des Sozialrechts der Union von besonderer Wichtigkeit dar, in deren Genuss jeder Arbeitnehmer als Mindestvorschrift zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit kommen muss. Die festen und gleitenden Bezugszeiträume stehen als solche mit diesem Ziel im Einklang, da sie die Prüfung ermöglichen, dass der Arbeitnehmer im Durchschnitt während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums nicht mehr als 48 Stunden pro Woche arbeitet und dass die seine Gesundheit und seine Sicherheit betreffenden Erfordernisse somit beachtet werden. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob Beginn und Ende des Bezugszeitraums anhand fester Kalendertage oder zeitlich flexibel bestimmt werden.

Die Auswirkung fester Bezugszeiträume auf die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer hängt jedoch von allen einschlägigen Umständen wie der Art der Arbeit und den Arbeitsbedingungen sowie insbesondere der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und der Dauer des von einem Mitgliedstaat herangezogenen Bezugszeitraums ab. Feste Bezugszeiträume können im Gegensatz zu gleitenden Bezugszeiträumen zu Situationen führen, in denen das Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer möglicherweise nicht erreicht wird. Die Methode des festen Bezugszeitraums kann einen Arbeitgeber nämlich dazu veranlassen, einem Arbeitnehmer während zweier aufeinanderfolgender fester Bezugszeiträume sehr viel Arbeitszeit aufzubürden, sodass er im Durchschnitt die wöchentliche Höchstarbeitszeit während eines Zeitraums überschreitet, der, da er sich auf diese beiden festen Zeiträume verteilt, einem gleitenden Bezugszeitraum von gleicher Dauer entspräche.

Folglich kann, auch wenn die festen und gleitenden Bezugszeiträume für sich genommen mit dem Ziel des Schutzes der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer im Einklang stehen, die Kombination von zwei aufeinanderfolgenden festen Bezugszeiträumen, je nach der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und der Dauer des von einem Mitgliedstaat herangezogenen Bezugszeitraums, zu Situationen führen, in denen dieses Ziel gefährdet werden kann, obwohl die in der Richtlinie vorgesehenen Ruhezeiten eingehalten werden.

Daraus zieht der Gerichtshof den Schluss, dass die Heranziehung fester Bezugszeiträume mit Mechanismen verbunden werden muss, die gewährleisten können, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden während jedes auf zwei aufeinanderfolgende feste Bezugszeiträume verteilten Sechsmonatszeitraums eingehalten wird. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die nationale Regelung Mechanismen vorsieht, die dies gewährleisten können.

Im Ergebnis ist der Gerichtshof der Auffassung, dass eine nationale Regelung für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Bezugszeiträume mit Beginn und Ende an festen Kalendertagen vorsehen kann, sofern sie Mechanismen enthält, die gewährleisten können, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden während jedes auf zwei aufeinanderfolgende feste Bezugszeiträume verteilten Sechsmonatszeitraums eingehalten wird.

Fußnoten

1 Dekret Nr. 2002-1279 vom 23. Oktober 2002 über Abweichungen von den Mindestgarantien für die Arbeits- und Ruhezeiten, die für die Bediensteten der Police Nationale gelten (JORF vom 25. Oktober 2002, S. 17681), in der durch das Dekret Nr. 2017-109 vom 30. Januar 2017 (JORF vom 31. Januar 2017) geänderten Fassung.

2 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 11.04.2019 zum Urteil C-254/18 vom 11.04.2019

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin