BFH: Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige

Die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist nach Abgabe einer Selbstanzeige schließt eine weitergehende Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehungen nicht aus, wenn die Steuerfahndung noch vor dem Ablauf der zehnjährigen Festsetzungsfrist für Steuerhinterziehungen mit Ermittlungen beginnt und die spätere Steuerfestsetzung für die nacherklärten Besteuerungsgrundlagen auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Juli 2018 VIII R 9/16 setzt dies aber voraus, dass diese Ermittlungshandlungen konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen. Der Streitfall betraf Kapitalerträge aus bei einer liechtensteinischen Stiftung geführten Depots, zu denen der Steuerfahndung eine 2007 angekaufte Steuer-CD vorlag.

Im Streitfall verdächtigte die Steuerfahndung die Kläger nach Auswertung einer angekauften Steuer-CD der Steuerhinterziehung von Kapitalerträgen aus den bei einer liechtensteinischen Stiftung unterhaltenen Kapitalanlagen für den Zeitraum von 1996 bis 2006, hatte aber zunächst keine konkreten Ermittlungen zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen aufgenommen. Die Kläger gaben im Januar 2008 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2006 eine Selbstanzeige ab, in der sie Kapitaleinkünfte nur für diesen Zeitraum nacherklärten. Im Mai 2008 gaben die Kläger eine Selbstanzeige hinsichtlich der für die Streitjahre 1996 und 1997 nicht erklärten Kapitaleinkünfte ab. Für diese Streitjahre hatten die Kläger ihre Steuererklärungen im Jahr 1998 abgegeben, so dass die reguläre zehnjährige Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 endete. Als im Juni 2010 für 1996 und 1997 Änderungsbescheide erlassen wurden, wurde streitig, ob die Bescheide für diese Streitjahre nach Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen waren, da sowohl die Zehnjahresfrist als auch die einjährige Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Selbstanzeigen gemäß § 171 Abs. 9 der Abgabenordnung (AO) zu diesem Zeitpunkt abgelaufen waren. Das Finanzgericht (FG) verneinte den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Es stellte fest, die Steuerfahndung habe noch vor Ende des Jahres 2008 bei den Klägern Unterlagen zu den hinterzogenen Kapitalerträgen angefordert, deren Gegenstand allerdings nicht näher konkretisiert werden könne. Die zehnjährige Festsetzungsfrist habe sich hierdurch nach § 171 Abs. 5 AO bis zu dem Zeitpunkt verlängert, zu dem die geänderten Steuerbescheide für die Streitjahre unanfechtbar geworden seien, weil in der Anforderung der Unterlagen Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung zu sehen seien.

Der BFH gab hingegen den Klägern Recht. Er hob die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Das FG habe nicht festgestellt, ob die Steuerfahndung zu den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre 1996 und 1997 noch vor Ablauf des Jahres 2008 mit konkreten Ermittlungen begonnen habe. Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen anderer Veranlagungszeiträume könnten die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 AO für die Streitjahre nicht auslösen. Das FG habe im zweiten Rechtsgang aufzuklären, ob und welche konkreten Ermittlungshandlungen von der Steuerfahndung noch vor Ablauf des Jahres 2008 zu den für die Streitjahre nacherklärten Kapitalerträgen ausgeführt worden seien.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 55/18 vom 31.10.2018 zum Urteil VIII R 9/16 vom 03.07.2018

Tod eines Millionärs: Ansprüche des Erben wegen verschwundener Vermögensgegenstände des Erblassers

Ein mehrfacher Millionär stirbt an einem Sonntag. Bereits am darauffolgenden Montag beginnen seine Angestellten, sich Wertgegenstände zuzueignen. Für den alleinerbenden Sohn beginnt danach die Suche nach Fahrzeugen, Uhren und einer Einbauküche. Über seine Ansprüche hat nun das Landgericht Köln entschieden.

Der Kläger staunte nicht schlecht, als er nach dem Tod des Vaters feststellen musste, dass bereits am Folgetag der Maybach und der Mercedes CLS auf die Haushälterin und der Audi R8 quattro sowie der Rolls-Royce „Ghost“ auf den Fahrer des Vaters umgemeldet waren. Außerdem waren Abhebungen und Belastungen auf dem Konto des Vaters im Umfang von rund 55.000 Euro erfolgt, zudem Uhren im Wert von 181.000 Euro sowie die Einbauküche in der Personalwohnung verschwunden. Der Kläger beauftragte eine Privat-Detektei mit der Beobachtung der beiden Angestellten und dem Auffinden der verschwundenen Gegenstände. Hierfür verauslagte er rund 20.000 Euro.

Während der Maybach verschwunden blieb, konnten der Mercedes CLS und der Audi R8, der mittlerweile mit einer Matt-Folie beklebt worden war, bei den Beklagten sichergestellt werden. Den Rolls-Royce hatte der angestellte Fahrer bereits verkauft. Dieser wurde beim Käufer sichergestellt. Die Einbauküche aus der Personalwohnung war bei eBay verkauft worden – unter Angabe der Handynummer der Haushälterin. Die Uhrensammlung konnte nicht aufgefunden werden.

Für den Sohn war klar, dass die Beklagten gemeinschaftlich die Vermögensgegenstände weggeschafft hatten. Er erhob Klage beim Landgericht Köln, um Schadens- und Wertersatz im Umfang von rund 500.000 Euro gegen die ehemaligen Angestellten geltend zu machen. Es handele sich bei diesen um ein Liebespaar, welches gemeinsame Sache gemacht habe. Dies bestritten die Beklagten. Vielmehr sei die Haushälterin mit dem Vater des Klägers liiert und sogar verlobt gewesen. Die Hochzeit sei schon geplant gewesen, allerdings auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters vor dem Sohn geheim gehalten worden. Der Vater habe ihnen die Gegenstände geschenkt bzw. als Dank für treue Dienste überlassen.

Dieser Version folgte das Landgericht jedoch nicht. Hiergegen spreche vor allem, dass Polizeibeamte anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung der Haushälterin den Fahrer halbbekleidet in deren Bett antrafen. Zudem lasse das Klingelschild mit beiden Nachnamen auf eine gemeinsame Wohnung schließen. Auch handele es sich bei den vorgegebenen Schenkungen um Schutzbehauptungen, da es sich um erhebliche Vermögenswerte im sechsstelligen Bereich handele, die nicht ohne Weiteres verschenkt werden. Die Richter verurteilten daher die Beklagten gemeinsam zum Ersatz von Schäden am Audi R8, der verschwundenen Uhrensammlung und der Detekteikosten. Die Haushälterin wurde zudem zum Ersatz für den verschwundenen Maybach, der veräußerten Einbauküche sowie der Kontobelastungen, der Fahrer zum Ersatz des zwischenzeitlichen Wertverlusts des Rolls-Royce verurteilt.

Quelle: LG Köln, Pressemitteilung vom 31.10.2018 zum Urteil 4 O 313/13 vom 17.10.2018 (nrkr)

Steuertermine 2018

Steuertermine

12.11. Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer
Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 15.11. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.
15.11. Gewerbesteuer
Grundsteuer
Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 19.11. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen.
Alle Angaben ohne Gewähr

Vorschau auf die Steuertermine Dezember 2018:

10.12. Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer
Einkommensteuer
Kirchensteuer
Körperschaftsteuer
Die dreitägige Zahlungsschonfrist endet am 13.12. für den Eingang der Zahlung. Diese Frist gilt nicht für die Barzahlung und die Zahlung per Scheck.Zahlungen per Scheck gelten erst drei Tage nach Eingang des Schecks bei der Finanzbehörde (Gewerbesteuer und Grundsteuer: bei der Gemeinde- oder Stadtkasse) als rechtzeitig geleistet. Um Säumniszuschläge zu vermeiden, muss der Scheck spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstag vorliegen.
Alle Angaben ohne Gewähr

Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge November 2018:

Die Beiträge sind in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankenarbeitstag eines Monats fällig. Für November ergibt sich demnach als Fälligkeitstermin der 28.11.2018.

BdSt zur Steuerschätzung – Forderung nach Maßnahmenpaket für Bürger und Betriebe

Wann, wenn nicht jetzt müssen Bürger und Betriebe spürbar entlastet werden! Dies fordert der Bund der Steuerzahler (BdSt) mit Blick auf die geschätzten Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen, die gegenüber der Prognose vom Mai noch einmal zulegen. Auch in den kommenden Jahren wird weiterhin mit Einnahmen auf sehr hohem Niveau gerechnet. Bund, Länder und Kommunen werden im Jahr 2023 insgesamt 940,7 Milliarden Euro einnehmen – allein auf den Bund entfallen 377,2 Milliarden. Als ersten Schritt fordert der Verband daher einen sofortigen Einstieg in den Soli-Ausstieg. „Das Geld für ein komplettes Soli-Aus für alle ist da“, betont BdSt-Präsident Reiner Holznagel. „Die Politik sollte immer daran denken, dass es sich um das Geld der Bürger und Betriebe handelt, die mit ihren Steuern die Staatskassen füllen. Die Möglichkeit, den Steuerzahlern etwas zurückzugeben, untermauern die Ergebnisse der Steuerschätzung!“ Drei Maßnahmen sind jetzt wichtig:

1) Wort halten – Soli abschaffen!

Die Politik hatte den Soli immer mit den Finanzhilfen für die neuen Bundesländer verknüpft – dieser Solidarpakt II läuft Ende 2019 aus, sodass der Soli ab dem Jahr 2020 nicht mehr erhoben werden dürfte. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, den Soli für alle Bürger und Betriebe abzuschaffen. Im Koalitionsvertrag war nur vereinbart worden, den Soli für 90 Prozent der Soli-Zahler zu beseitigen – im Klartext heißt dies, dass vor allem Unternehmen und Sparer die Sondersteuer weiterzahlen müssten. Ein komplettes Soli-Aus wäre aber ein positives Signal in Sachen Unternehmensbesteuerung: Ohne Soli würde der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt!

2) Einkommensteuertarif reformieren!

Für eine echte Entlastung müsste der Steuertarif abgeflacht werden und der Spitzensteuersatz erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 80.000 Euro greifen. Zudem fordern wir, den Einkommensteuertarif sprichwörtlich auf Räder zu stellen: Für diesen „Tarif auf Rädern“ müssen die Eckwerte – vom Grundfreibetrag bis zur Einkommensgrenze des Spitzensteuersatzes – jährlich an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung angepasst werden.

3) Familien wirklich entlasten!

Eltern sollten die Kosten für Kindergarten oder Hort vollständig bei der Steuer absetzen können – aktuell sind diese nur teilweise absetzbar. Zudem ist es unfair, dass der Kinderfreibetrag – also das steuerfreie Existenzminimum – niedriger ist als der Freibetrag für Erwachsene. Schließlich kosten die Bekleidung für Kinder oder Freizeitgestaltung in der Regel genauso viel wie für Erwachsene. Deshalb müssen der Freibetrag für Kinder und der für Erwachsene gleich hoch sein!

Im OECD-Belastungsvergleich belegt Deutschland den zweiten Platz. Nicht nur Bürger, sondern auch Betriebe werden stark zur Kasse gebeten. Diese Belastung kritisieren die meisten Deutschen, wie eine repräsentative Bevölkerungsumfrage der Mentefactum GmbH in unserem Auftrag jetzt ergeben hat. Danach halten 90 Prozent aller Befragten die allgemeine Belastung durch Steuern und Abgaben für „zu hoch“ – so viele wie noch nie seit Beginn unserer Quartalsbefragungen im März 2015. Das ist ein klarer Auftrag an die Politik!

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 25.10.2018

Passive Entstrickung aufgrund erstmaliger Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)

1. Passive Entstrickung und Entstrickungszeitpunkt

Der Tatbestand des Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des § 6 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 AStG, § 4 Absatz 1 Satz 3 EStG, § 12 Absatz 1 KStG oder gleichlautender Vorschriften setzt keine Handlung des Steuerpflichtigen voraus. Er kann unabhängig von einer Handlung des Steuerpflichtigen durch eine Änderung der rechtlichen Ausgangssituation ausgelöst werde – sogenannte passive Entstrickung; zum Beispiel infolge der erstmaligen Anwendbarkeit eines erstmals abgeschlossenen oder revidierten Doppelbesteuerungsabkommens, welches eine mit Artikel 13 Absatz 4  OECD-Musterabkommen vergleichbare Regelung enthält.

In diesen Fällen treten die Rechtsfolgen der Entstrickung im Zeitpunkt der erstmaligen  Anwendbarkeit des erstmals abgeschlossenen oder revidierten Doppelbesteuerungs-
abkommens ein. Bezogen auf das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg
vom 23. April 2012 (BGBl. II S. 1403, BStBl I 2015 S. 7) ist dies gemäß Artikel 30 Absatz 2 dieses Abkommens der 1. Januar 2014, 0 Uhr, und bezogen auf das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien vom 3. Februar 2011 (BGBl. II 2012 S. 18,
BStBl I 2013 S. 349) ist dies gemäß Artikel 30 Absatz 2 dieses Abkommens der 1. Januar 2013, 0 Uhr.

2. Mitteilungspflichten nach § 138 Absatz 2 AO

Auf die Mitteilungspflichten bei Auslandsbeziehungen nach § 138 Absatz 2 AO von Steuerpflichtigen mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland (inländische Steuerpflichtige) wird hingewiesen (vgl. hierzu auch BMF-Schreiben
vom 5. Februar 2018, BStBl I S. 289 und vom 18. Juli 2018, BStBl I S. 815).

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

BMF IV B 5 – S 1348/07/10002-01

Steuerliche Gewinnermittlung: Urteil des BFH vom 27.09.2017 zu Rückstellungen für den sog. Nachteilsausgleich bei Altersteilzeitvereinbarungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27. September 2017 (BStBl II 2018 S. xxx) entschieden, dass für den sog. Nachteilsausgleich bei Altersteilzeitregelungen nach § 5 Abs. 7 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) mangels wirtschaftlicher Verursachung keine Rückstellungen passiviert werden dürfen. Nach Ansicht des BFH ist der tatsächliche Eintritt der Rentenkürzung wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für die Entstehung des Abfindungsanspruches.

Die Entscheidung des BFH steht im Widerspruch zu Randnummer 15 des BMF-Schreibens vom 28. März 2007 (BStBl I S. 297), wonach für den Nachteilsausgleich im Zusammenhang mit einer Minderung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine ratierlich anzusammelnde Rückstellung gebildet werden kann.

Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Randnummer 15 des BMF-Schreibens vom 28. März 2007 (BStBl I S. 297) wie folgt gefasst:

„4. Ausgleichszahlungen des Arbeitgebers (sog. Nachteilsausgleich)

Verpflichtet sich der Arbeitgeber, in der Freistellungsphase oder nach dem Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses einen zusätzlichen Ausgleichsbetrag zu zahlen (sog. Nachteilsausgleich, z. B. für finanzielle Nachteile im Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung der beruflichen Tätigkeit), ist es nicht zu beanstanden, diese Verpflichtung erstmals am Ende des Wirtschaftsjahres, in dem die Beschäftigungsphase beginnt, mit dem versicherungsmathematischen Barwert nach § 6 EStG unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5,5 % zurückzustellen und bis zum Ende der Beschäftigungsphase ratierlich anzusammeln.

Für Nachteilsausgleichsverpflichtungen, die den Eintritt eines bestimmten Ereignisses voraussetzen, dürfen keine Rückstellungen passiviert werden. Das gilt auch dann, wenn am Bilanzstichtag der Eintritt des Ereignisses wahrscheinlich ist (z. B. Nachteilsausgleichsansprüche aufgrund einer Minderung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, BFH-Urteil vom 27. September 2017, BStBl 2018 II S. xxx).“

Die Neufassung von Randnummer 15 des BMF-Schreibens vom 28. März 2007 (BStBl I S. 297) ist erstmals bei Altersteilzeitarbeitsverhältnissen anzuwenden, die nach dem Tag der Veröffentlichung dieses Schreibens im Bundessteuerblatt beginnen. Die auf Basis der bisherigen Randnummer 15 passivierten Rückstellungen können planmäßig bis zur Auszahlung oder dem Wegfall des Nachteilsausgleichs weitergeführt werden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2175 / 07 / 10002 vom 22.10.2018

Bekanntgabe von Verwaltungsakten – Zugangsvermutung

Widerlegung der Zugangsvermutung bei Beauftragung eines privaten Postdienstleisters unter Einschaltung eines Subunternehmers

Die Zugangsvermutung für die Bekanntgabe schriftlicher Verwaltungsakte gilt auch bei der Übermittlung durch private Postdienstleister, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14. Juni 2018 III R 27/17 zu § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) entschieden hat. Bei der Einschaltung eines privaten Postdienstleisters, der mit einem Subunternehmer tätig wird, ist allerdings zu prüfen, ob nach den bei den privaten Dienstleistern vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Damit kommt es zu einer erheblichen Einschränkung der Zugangsvermutung.

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Diese in der AO geregelte Zugangsvermutung findet sich wortgleich auch in anderen Verfahrensordnungen wieder (z. B. § 41 Abs. 2 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und § 37 Abs. 2 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch). Die Regelungen stammen aus einer Zeit als die Deutsche Bundespost für die Beförderung von Briefen noch das gesetzliche Monopol hatte und man regelmäßig davon ausgehen konnte, dass ein Brief nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG innerhalb von drei Tagen den Empfänger erreicht.

Im Streitfall ging es um die Einhaltung der Klagefrist, die einen Monat beträgt und mit der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung beginnt. Auf der Einspruchsentscheidung vom 5. November 2015 hatte die beklagte Familienkasse vermerkt „abgesandt am: 06.11.2015“ (Freitag). Nach Auskunft der Familienkasse wurde die versandfertige Ausgangspost am Freitag zwischen 12:30 Uhr und 13:00 Uhr durch einen privaten Kurierdienst als Subunternehmer eines privaten Postdienstleisters abgeholt. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 10. Dezember 2015 Klage. Im Klageverfahren trug er vor, dass die Einspruchsentscheidung ihm erst am 12. November 2015 zugegangen sei. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er hob das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück, da die tatsächlichen Feststellungen nicht ausreichten, um die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung beurteilen zu können. Dabei stellte der BFH darauf ab, dass bei privaten Zustelldiensten im Rahmen der Lizenzierung die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten nicht geprüft werde. Daher müsse ermittelt werden, ob nach den bei dem privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang des zu befördernden Schriftstücks innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden könne. Dies gelte insbesondere dann, wenn neben dem im Streitfall beauftragten privaten Zustelldienst, der bei bundesweiten Zustellungen regelmäßig nur über Verbundgesellschaften tätig werde, ein weiteres Dienstleistungsunternehmen zwischengeschaltet werde. Insoweit sei die Einschaltung privater Postdienstleister bei der Frage von Bedeutung, ob die Zugangsvermutung als widerlegt gelte, weil hierdurch möglicherweise ein längerer Postlauf die Folge sei.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 53/18 vom 24.10.2018 zum Urteil III R 27/17 vom 14.06.2018

BFH erleichtert Steuerabzug einer bis zum 10. Januar geleisteten Umsatzsteuervorauszahlung für das Vorjahr

Umsatzsteuervorauszahlungen, die innerhalb von zehn Tagen nach Ablauf des Kalenderjahres gezahlt werden, sind auch dann im Vorjahr steuerlich abziehbar, wenn der 10. Januar des Folgejahres auf einen Sonnabend oder Sonntag fällt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 27. Juni 2018 X R 44/16 entgegen einer allgemeinen Verwaltungsanweisung entschieden.

Grundsätzlich sind Betriebsausgaben und Werbungskosten in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Ausnahmsweise gelten regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die beim Steuerpflichtigen kurze Zeit, d. h. zehn Tage, nach Beendigung des Kalenderjahres angefallen sind, gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als in dem Kalenderjahr abgeflossen, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Sie können damit bereits in diesem Jahr abgezogen werden. Auch die vom Unternehmer an das Finanzamt (FA) gezahlte Umsatzsteuer ist eine Betriebsausgabe, die dieser Regelung unterliegt.

Im Streitfall hatte die Klägerin die Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2014 am 8. Januar 2015 geleistet und diese Zahlung unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG als Betriebsausgabe des Jahres 2014 geltend gemacht. Das FA meinte demgegenüber, diese Vorschrift sei nicht anzuwenden. Die Klägerin habe zwar innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums geleistet, die Umsatzsteuervorauszahlung müsse aber auch innerhalb dieses Zeitraums fällig gewesen sein. Daran fehle es. Die Vorauszahlung sei wegen § 108 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) nicht am Sonnabend, dem 10. Januar 2015, sondern erst an dem folgenden Montag, dem 12. Januar 2015 und damit außerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums fällig geworden.

Der BFH gab der Klägerin Recht und gewährte den Betriebsausgabenabzug für 2014. Auch wenn man fordere, dass die Umsatzsteuervorauszahlung innerhalb des Zehn-Tages-Zeitraums fällig sein müsse, sei diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Denn bei der Ermittlung der Fälligkeit sei allein auf die gesetzliche Frist des § 18 Abs. 1 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes abzustellen, nicht hingegen auf eine mögliche Verlängerung der Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO. Diese Verlängerung sei im Zusammenhang mit § 11 Abs. 2 EStG nicht anwendbar, da es sich um eine Zufluss- und Abflussfiktion, nicht aber um eine Frist handele, sodass sich die Frage nach einer Verlängerung erübrige.

Mit seiner Entscheidung wendet sich der BFH gegen die Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2017 § 11 EStG H 11, Stichwort Allgemeines, „Kurze Zeit“). Das Urteil ist immer dann von Bedeutung, wenn der 10. Januar auf einen Sonnabend oder Sonntag fällt, das nächste Mal somit im Januar 2021.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 54/18 vom 24.10.2018 zum Urteil X R 44/16 vom 27.06.2018

 

Gesetz zur Neuregelung von Stromsteuerbefreiungen sowie zur Änderung energiesteuerrechtlicher Vorschriften (Stromsteuergesetz)

Das Stromsteuergesetz (StromStG) enthält diverse Steuerbegünstigungen, die in bestimmten Fällen eine komplette Befreiung von der Steuer vorsehen. Von besonderer ökologischer wie auch wirtschaftlicher Bedeutung sind hierbei die Steuerbefreiungen für Strom aus:

einem ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern gespeisten Netz („Grünstromnetz“) nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG und

Kleinanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG.

Diese Steuerbefreiungen sind staatliche Beihilfen im Sinne der Artikel 107 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Vorrangiges Ziel dieses Gesetzes ist es, diese Steuerbefreiungen umgehend beihilferechtskonform auszugestalten. Dabei sollen die Steuerbefreiungen einen klar definierten Anwendungsbereich erhalten und für die Zukunft rechtssicher und ohne großen bürokratischen Aufwand gewährt werden können.

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_III/19_Legislaturperiode/Gesetz-zur-Neuregelung-von-Stromsteuerbefreihungen-und-weiterer-Vorschriften/1-Referentenentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Quelle: BMF, Mitteilung vom 23.10.2018

Strenge Anforderungen an Wahltarife einer Krankenkasse

Von der AOK Rheinland/Hamburg angebotene Wahltarife überschreiten größtenteils den gesetzlichen Rahmen

Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 hat der Gesetzgeber den Krankenkassen die Befugnis eingeräumt, in ihren Satzungen vorzusehen, dass Mitglieder für sich und ihre mitversicherten Angehörigen Tarife für Kostenerstattung wählen. Die beklagte AOK Rheinland/Hamburg führte daraufhin neue Tarife zur Kostenerstattung für Leistungen im Ausland, Krankenhauszuzahlung, Ein- oder Zwei-Bett-Zimmer im Krankenhaus sowie bei Zahnersatz und später für Vorsorgeleistungen zur Zahn-Gesundheit, häusliche Krankenpflege, Brillen und kieferorthopädische Behandlungen ein.

Die Continentale Krankenversicherung a.G. hat daraufhin Klage mit dem Ziel erhoben, der Beklagten das Angebot dieser Versicherungsleistungen im geschäftlichen Verkehr zu untersagen. Gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Dortmund hat sie Berufung eingelegt, die weit überwiegend erfolgreich gewesen ist (Urteil vom 14.06.2018 – L 16 KR 251/14).

Das Landessozialgericht hat festgestellt, dass es der Beklagten nicht erlaubt ist, ihren Versicherten Versicherungsleistungen in Form der streitigen Kostenerstattungstarife für Zusatzleistungen – mit Ausnahme von Vorsorgeleistungen zur Zahn-Gesundheit und häuslichen Krankenpflege – anzubieten.

Grundsätzlich ist es den Krankenkassen als Teil der öffentlichen Hand verwehrt, über das zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsfürsorge Gebotene und verfassungsmäßig Zulässige hinaus Leistungen zu erbringen. Mit dem Angebot ihrer Wahltarife hat die Beklagte teilweise den Rahmen des vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung überschritten und in unzulässiger Weise in den Bereich der privaten beruflichen Betätigung Dritter zu deren Nachteil eingegriffen. Daraus folgt der Unterlassungsanspruch der Klägerin, was im Berufungsverfahren zum überwiegenden Erfolg ihrer Klage führte.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Quelle: LSG Nordrhein-Westfalen, Pressemitteilung vom 22.10.2018 zum Urteil L 16 KR 251/14 vom 14.06.2018

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin