Husten, Schnupfen, Heiserkeit: Der grippale Infekt als außergewöhnliche Belastung

Winterzeit ist Grippezeit! Für die jährlich zahlreichen Betroffenen nicht nur ein gesundheitlicher Kraftakt, auch steuerlich können die anfallenden Krankheitskosten eine sog. außergewöhnliche Belastung darstellen. Das Gute daran: Außergewöhnliche Belastungen im Steuerrecht führen mitunter zu einer Steuerlastminderung bzw. -erstattung. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die insgesamt im Kalenderjahr aufgewendeten Kosten den zumutbaren Eigenanteil überschreiten. Dieser ermittelt sich in Abhängigkeit der gesamten Einkünfte und liegt z. B. bei einer Familie mit drei Kindern und einem Jahreseinkommen von 40.000 Euro bei 400 Euro.

Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) empfiehlt daher Quittungen und Belege für Krankheitskosten, wie u. a. ärztlich verordnete Medikamente, medizinische Behandlungen aber auch Sehhilfen oder Zahnersatz, bereits von Jahresbeginn an gut aufzubewahren. Maßgebend ist stets der Zeitpunkt der Barzahlung oder Überweisung.

Doch auch wenn sich die Kosten innerhalb der zumutbaren Belastung bewegen, kann die Geltendmachung der angefallenen Beträge in der Steuererklärung lohnen. Da regelmäßig Klagen bezüglich der Höhe des zumutbaren Eigenanteils vor den Gerichten anhängig sind, rät der DStV aktuelle Verfahren und Entscheidungen fortwährend zu beobachten bzw. einen Steuerberater einzubinden.

Um hohen Krankheitskosten von vornherein vorzubeugen, werben viele Krankenkassen mit sog. Bonus- und Prämienprogrammen im Rahmen derer sie ihre Versicherten für die Teilnahme an Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sowie sportlichen Aktivitäten (Mitgliedschaft im Fitnessstudio etc.) belohnen. Diese Bonuszahlungen sind jedoch einkommensteuerpflichtig und müssen, so der DStV, in der Jahressteuererklärung von den als Sonderausgaben geltend gemachten Krankenversicherungsbeiträgen abgezogen werden. Dies gilt entsprechend für erhaltene Beitragsrückerstattungen. Nicht steuerpflichtig sind hingegen (ggf. anteilige) Kostenerstattungen für Leistungen, wie z. B. den Yogakurs oder das präventive Rückentraining.

Quelle: DStV, Pressemitteilung vom 02.02.2015

 

Fahrtenbuchauflage nach Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung trotz Aussageverweigerung rechtmäßig

Die Klägerin ist Halterin eines Pkw, mit dem am 11. Juli 2013 auf der B 421 im Bereich von Walhausen außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h überschritten wurde. Nachdem die Zentrale Bußgeldstelle beim Polizeipräsidium Rheinpfalz unter dem 14. August 2013 einen Zeugenfragebogen an die Klägerin verschickt hatte, beanspruchte diese für sich ein Zeugnisverweigerungsrecht. In der Folgezeit konnte der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden. Daraufhin gab der Rhein-Hunsrück-Kreis der Klägerin die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von acht Monaten auf. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Klägerin hiergegen Klage.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Führen eines Fahrtenbuchs, so die Koblenzer Richter, dürfe von der Halterin verlangt werden, weil die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich gewesen sei. Eine Fahrtenbuchauflage diene der vorbeugenden Gefahrenabwehr. Sie solle auf die einem Fahrzeughalter zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung eines Fahrzeugführers hinwirken.

Zwar solle ein Fahrzeughalter grundsätzlich unverzüglich, d. h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen nach einem Verkehrsverstoß benachrichtigt werden, da sich Personen häufig an zeitlich länger zurückliegende Vorgänge nicht mehr erinnern könnten. Jedoch sei dieser Umstand im konkreten Einzelfall nicht von Belang. Die Halterin habe nämlich keine Angaben zum Fahrzeugführer gemacht, sondern sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Damit habe sie deutlich gemacht, dass sie nicht auskunftswillig sei, obwohl sie die Fahrerin oder den Fahrer kenne. Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Verfahren nicht belangt zu werden und andererseits trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, bestehe nicht. Von daher sei der Erlass einer Fahrtenbuchauflage ermessensgerecht.

Gegen diese Entscheidung kann die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beantragt werden.

Quelle: VG Koblenz, Pressemitteilung vom 29.01.2015 zum Urteil 4 K 215/14.KO vom 13.01.2015

 

Fahrtenbuchauflage für Firmenfahrzeuge wegen Geschwindigkeitsüberschreitung rechtmäßig

Fahrtenbuchauflage für 31 Firmenfahrzeuge für die Dauer von 12 Monaten bei Geschwindigkeitsüberschreitung um 41 km/h auf Autobahn rechtmäßig

Wurde mit einem Firmenfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um 41 km/h überschritten und wirkt der Halter bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mit, kann ihm für die Dauer von 12 Monaten eine Fahrtenbuchauflage auferlegt werden. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt am 22.01.2015 in einem Eilverfahren entschieden.

Die Antragstellerin ist eine Firma und Halterin eines von 31 auf sie zugelassenen Pkw. Mit einem dieser Fahrzeuge wurde im Februar 2014 in der Gemarkung Wetzlar auf der BAB 45 Richtung Dortmund innerhalb einer Baustelle die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 41 km/h überschritten. Auf dem Beweisfoto war als verantwortlicher Fahrzeugführer ein Mann abgebildet. In dem unmittelbar danach eingeleiteten Bußgeldverfahren suchten Beamte der Polizeiinspektion Speyer fünfmal die Adresse der Antragstellerin auf, um den Fahrer des genannten Kraftfahrzeugs vom Februar 2014 ausfindig zu machen. Letztlich ließ sich der Fuhrparkleiter der Firma dahin ein, nicht zu wissen, wer der Fahrer des Fahrzeugs gewesen sei.

Nach Einstellung des Bußgeldverfahrens durch die Polizei gab die Stadt Speyer der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von 12 Monaten für insgesamt 31 Firmen-Pkw sowie für Ersatzfahrzeuge auf. Zur Begründung führte die Stadt Speyer u. a. aus, aufgrund der Schwere des Vergehens sei die Verhängung eines Fahrtenbuches über einen Zeitraum von 12 Monaten für alle Firmenfahrzeuge angemessen. Offensichtlich gebe es keine wirkungsvollen firmeninternen Überwachungsmechanismen, die dazu geeignet wären, die betreffenden Fahrzeugführer nach Verkehrsverstößen zu ermitteln. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass im Falle künftiger Verstöße die Verantwortlichen erneut nicht ermittelt werden könnten.

Die Antragstellerin hat Anfang Januar 2015 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Fall vom Februar 2014 mit dem Firmen-Pkw habe innerhalb der Firma zu einer Umorganisation geführt. So gebe es jetzt eine konkrete Zuordnung der Fahrzeuge. Schließlich werde über den Einsatz eine konkrete Liste geführt. Damit sei sichergestellt, dass jede Fahrt mit jedem Fahrzeug einem Fahrer zugeordnet werden könne.

Den Eilantrag der Antragstellerin hat die 3. Kammer des Gerichts mit folgender Begründung abgelehnt:

Die Fahrtenbuchauflage sei rechtmäßig. Die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung um 41 km/h stelle einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht dar, der zu einem Punkteintrag und zu einem Fahrverbot von einem Monat geführt hätte. Die weitere Voraussetzung zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage, dass der verantwortliche Fahrzeugführer im Zeitpunkt der Begehung des Verkehrsverstoßes nicht habe ermittelt werden können, sei ebenfalls erfüllt. Nach den durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen habe die Behörde hier in das rationelle Maß bereits übersteigendem Umfang alle Maßnahmen getroffen, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß Erfolg haben könnten. Die Antragstellerin hingegen habe in keiner Weise zur Aufklärung beigetragen.

Die Fahrtenbuchauflage für die 31 Firmen-Pkw sei auch verhältnismäßig. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass bei unaufgeklärt gebliebenen Verkehrsverstößen mit verschiedenen auf einen Halter zugelassenen Firmenfahrzeugen die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage bezogen auf den gesamten Fahrzeugpark gerechtfertigt sein könne. Sei der Adressat einer Fahrtenbuchauflage gleichzeitig Halter mehrerer Fahrzeuge, so dürften diese im Rahmen der ordnungsgemäßen Ermessensausübung der Behörde mit in die Fahrtenbuchauflage einbezogen werden, wenn aufgrund der Nutzungsgepflogenheiten des Halters auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen naheliegend und zu erwarten seien.

Dies sei hier der Fall, weil es bereits in der Vergangenheit mehrmals zu Verkehrsverstößen mit auf die Antragstellerin zugelassenen Kraftfahrzeugen gekommen sei, die nicht hätten aufgeklärt werden können. Dass die Antragstellerin den für den jeweiligen Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrer des in Rede stehenden Fahrzeugs nicht benannt habe, habe daran gelegen, dass sie nicht die zumutbaren und erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen getroffen habe, um eine Übersicht über die Benutzung ihrer Firmenfahrzeuge zu gewährleisten. Bei einem Fuhrpark von Firmenfahrzeugen, die unterschiedlichen Personen überlassen würden, müsse die Geschäftsleitung aber zumindest in der Lage sein, der Bußgeldbehörde die Firmenangehörigen zu nennen, denen das betreffende Fahrzeug zugerechnet werden könne. Dies sei hier offensichtlich in den genannten Fällen nicht so gewesen.

Soweit sich die Antragstellerin auf eine „Reorganisation des Fuhrparkmanagements“ berufen habe, bestünden derzeit massive Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Zuverlässigkeit dieser Maßnahme. Denn trotz dieser Reorganisation habe sich die Antragstellerin nicht in der Lage gesehen, den für einen Rotlichtverstoß im Juli 2014 verantwortlichen Fahrer, dem das Fahrzeug angeblich seit Februar 2011 konstant zugeordnet sei, in dem ihr von der Bußgeldstelle zugesandten Zeugenfragebogen zu benennen.

Es bestehe somit Veranlassung, für alle in Betracht kommenden Fahrzeuge eine Fahrtenbuchauflage zu verhängen, um die Antragstellerin auf diese Weise zu einer spürbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes anzuhalten.

Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.

Quelle: VG Neustadt, Pressemitteilung vom 29.01.2015 zum Beschluss 3 L 22/15.NW vom 22.01.2015

 

Keine Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten bei Nichterklärung der Veräußerung der wesentlichen Beteiligung in der Steuererklärung

Keine Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG als „rückwirkendes Ereignis“ i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO bei Nichterklärung der Veräußerung der wesentlichen Beteiligung in der Steuererklärung

Mit Urteil vom 29. Juli 2014 hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Az. 3 K 77/10, veröffentlicht in EFG 2015, 52) entschieden, dass nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG als „rückwirkendes Ereignis“ i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO nur berücksichtigt werden können, wenn die Veräußerung der wesentlichen Beteiligung in der das Jahr der Veräußerung betreffenden Steuererklärung auch mitgeteilt wurde und die Veräußerung damit „der Besteuerung zugrunde gelegt“ (also bei der Veranlagung berücksichtigt) werden konnte.

Die Klägerin hatte einer ihr zu 100 % gehörenden GmbH ein Darlehen gewährt und die Anteile im Streitjahr 2003 verkauft. Sie erklärte die Veräußerung der Anteile in der Erklärung für das Jahr 2003 nicht. Erst nach Erlass des Bescheides für 2003 machte sie den Ausfall des – ihrer Meinung nach kapitalersetzenden – Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten geltend und begehrte die Berücksichtigung von Verlusten aus § 17 EStG. Der Senat entschied, dass eine Berücksichtigung für die nach Erlass des Bescheides eingetretenen Darlehensverluste im Bescheid für 2003 (welcher nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand) nur über die Regelung § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Betracht komme. Sei jedoch – wie im Streitfall – ein Sachverhalt in seiner ursprünglichen Gestalt steuerlich gar nicht erfasst gewesen (weil er dem Finanzamt nicht erklärt wurde), habe er der Besteuerung im Ausgangsbescheid nicht zugrunde gelegt werden können. Damit rechtfertige eine spätere Änderung des Sachverhalts auch nicht die Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Der Senat hat die Revision zugelassen; das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen IX R 30/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.01.2015 zum Urteil 3 K 77/10 vom 29.07.2014 (nrkr – BFH-Az.: IX R 30/14)

 

Kein Vorsteuerabzug der Lotsen aus Eingangsleistungen an Lotsenbrüderschaft für die Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben

Mit Urteilen vom 10. September 2014 (Az. 4 K 53/11, veröffentlicht in EFG 2015, 87, und 4 K 50052/11, veröffentlicht in EFG 2015, 90) hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen, die an die Lotsenbrüderschaft für die Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben erbracht werden, nicht von den einzelnen Lotsen als Mitglieder der Lotsenbrüderschaft abgezogen werden können, auch wenn die Aufwendungen für diese Leistungen wirtschaftlich von den Lotsen getragen werden. Im Klageverfahren 4 K 50052/11 hat der Senat zugleich entschieden, dass damit auch keine gesonderte und einheitliche Feststellung des Vorsteuerabzugs auf der Ebene der Lotsenbrüderschaft in Betracht kommt.

Der Kläger im Verfahren 4 K 53/11 ist Seelotse in einer Lotsenbrüderschaft, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Selbstverwaltung die Belange des Seelotsreviers zu wahren und zu fördern hat. Die Lotsenbrüderschaft organisiert die Tätigkeit der Lotsen und stimmt sie aufeinander ab, regelt Dienst- und Urlaubszeiten, nimmt die Lotsgelder für Rechnung der Lotsen ein und verteilt diese nach Abzug ihrer von den Seelotsen anteilig zu tragenden Ausgaben an die Lotsen. Mit seiner Klage begehrte der Kläger den anteiligen Vorsteuerabzug für die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes durch die Lotsenbrüderschaft.

Klägerin im Verfahren 4 K 50052/11 ist die Lotsenbrüderschaft, deren Klage auf die Durchführung der vom beklagten Finanzamt abgelehnten einheitlichen und gesonderten Feststellung der auf die einzelnen Seelotsen entfallenden Vorsteuerbeträge aus den laufenden Verwaltungskosten und der Errichtung des Verwaltungsgebäudes gerichtet ist.

Der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts wies die Klagen ab, da Leistungsempfänger der den geltend gemachten Vorsteuerbeträgen zugrunde liegenden Leistungen nicht der einzelne Seelotse, sondern die Lotsenbrüderschaft sei, da diese die den Eingangsumsätzen zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vereinbarungen abgeschlossen habe. Die Seelotsen seien auch nach dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer nicht als Leistungsempfänger anzusehen, auch wenn sie bei einer nicht unternehmerischen Tätigkeit der Lotsenbrüderschaft aufgrund des fehlenden Vorsteuerabzugs wirtschaftlich belastet seien. Denn die streitigen Eingangsumsätze seien nicht von den Seelotsen, sondern von der Lotsenbrüderschaft selbst verwendet worden, die ihrerseits an die Seelotsen Dienstleistungen erbracht habe. Die Eingangsumsätze dienten damit der Lotsenbrüderschaft zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben und erfolgten nicht für das Unternehmen der Seelotsen, da diese die Tätigkeit der Lotsenbrüderschaft nicht erbringen dürften. Der Streitfall unterscheide sich insoweit von den Fällen der Bruchteils- und Ehegattengemeinschaft sowie der Personengesellschaften, bei denen die Gemeinschaft bzw. die Gesellschaft selbst nicht unternehmerisch tätig sei, aber Liefergegenstände schuldrechtlich erwerbe und den Gemeinschaftern, dem Ehegatten oder Gesellschafter zur Verwendung überlasse. Der Senat konnte es im Ergebnis offen lassen, ob die Lotsenbrüderschaft im Rahmen der Erfüllung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben unternehmerisch tätig wird, da es in diesem Fall aufgrund des der Lotsenbrüderschaft zustehenden Vorsteuerabzugs aus den Eingangsumsätzen an einer wirtschaftlichen Belastung der Seelotsen fehlt.

Die im Klageverfahren 4 K 50052/11 begehrte gesonderte und einheitliche Feststellung der auf die Seelotsen entfallenden anteiligen Vorsteuerbeträge scheiterte bereits daran, dass den Seelotsen als möglichen Feststellungsbeteiligten kein Vorsteuerabzug zusteht, so dass es auf die einzelnen weiteren Voraussetzungen des Feststellungverfahrens nicht ankam.

Der Senat hat in beiden Entscheidungen die Revision zugelassen; die Revisionsverfahren sind beim BFH unter den Aktenzeichen XI R 39/14 und XI R 40/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.01.2015 zu den Urteilen 4 K 53/11 und 4 K 50052/11 vom 10.09.2014 (nrkr)

 

Zahnaufhellung eines aufgrund einer Vorerkrankung und -behandlung nachgedunkelten Zahnes (Bleaching) umsatzsteuerfrei

Mit Urteil vom 9. Oktober 2014 hat der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Az. 4 K 179/10) entschieden, dass die von einem Zahnarzt durchgeführte Zahnaufhellung – sog. Bleaching – umsatzsteuerfrei ist, soweit sie dazu dient, einen aufgrund einer Vorerkrankung und -behandlung nachgedunkelten Zahn aufzuhellen.

Die Klägerin ist eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis in der Gesellschaftsform einer GbR. Bei einigen Patienten der Klägerin wurde eine Zahnaufhellung – ein Bleaching – einzelner Zähne durchgeführt und in Rechnung gestellt. Der Grund dafür lag in allen Fällen darin, dass der jeweilige Zahn in Folge einer Vorerkrankung und -behandlung nachgedunkelt war. Der Senat entschied, dass das Bleaching nach § 4 Nr. 14 UStG steuerlich begünstigt ist, wenn es auf die Beseitigung der (optischen) Folge einer Krankheit oder Gesundheitsstörung und einer aufgrund dieser Krankheit oder Gesundheitsstörung medizinisch indizierten Heilungsmaßnahme gerichtet ist, wenn sie also ein Teil einer Gesamtbehandlung der Gesundheitsstörung darstellt, deren Ziel, soweit möglich, die Wiederherstellung des status quo ante des behandelten Körperteils ist.

Der Senat hat die Revision zugelassen, das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. V R 60/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.01.2015 zum Urteil 4 K 179/10 vom 09.10.2014 (nrkr – BFH-Az.: V R 60/14)

 

Liposuktion ohne vorher eingeholtes amtsärztliches Attest nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar

Mit seinem Urteil vom 1. Oktober 2014 (Az. 2 K 272/12, veröffentlicht in EFG 2015, 33) hat der 2. Senat des Finanzgerichts Vorgenanntes erkannt. Die Kläger begehrten die Berücksichtigung von Aufwendungen für die Beseitigung von Lipödemen (Fettabsaugung an den Beinen) in Höhe von 5.500 Euro als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen gem. § 33 EStG. Ein amtsärztliches Zeugnis oder ein Zeugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse wurde weder vor den Operationen noch danach eingeholt. Aus einem fachärztlichen Gutachten ergab sich die Diagnose „schmerzhaftes Lipödem der Beine Stad. II (Mb. Derkum)“.

Der Senat hat die Klage abgewiesen, weil die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest oder ein Zeugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachgewiesen wurde. Das sei aber gem. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i. d. F. des StVereinfG 2011 erforderlich, denn es handele sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode. In diesem Sinne hätten bereits das OVG Lüneburg (Urteil vom 22.01.2013 5 LB 50/11, juris – keine Beihilfe) und auch das BSG (Urteil vom 16.12.2008 B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 19 m. w. N.) erkannt.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. VI R 68/14 geführt.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 30.01.2015 zum Urteil 2 K 272/12 vom 01.10.2014 (nrkr – BFH-Az.: VI R 68/14)

 

Vorauszahlungen zur Einkommensteuer durch einen Ehepartner nach Ehescheidung

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hatte über die Pflicht des Finanzamts zur Erstattung nach § 37 Abs. 2 AO in einem Fall zu entscheiden, bei dem die Ehe vor Erlass des Vorauszahlungsbescheides und zum Zeitpunkt der durch den Kläger geleisteten Vorauszahlungen bereits nicht mehr bestand, das Finanzamt hiervon aber erst im Nachhinein, aber noch vor Erlass des Einkommensteuerbescheides erfuhr und die vom Kläger geleisteten Vorauszahlungen lediglich hälftig anrechnete.

In seinem Urteil vom 8. Juli 2014 (Az. 5 K 93/11, veröffentlicht in EFG 2014, 2014) stellt der Senat heraus, dass der bestandskräftige Vorauszahlungsbescheid trotz geschiedener Ehe den Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen des Klägers bilde. Deswegen bestehe ein Gesamtschuldverhältnis, für das unter der Maßgabe des § 26 Abs. 1 EStG die Tilgungsvermutung gelte, dass für beide Ehegatten geleistet werden solle. Vorliegend lägen wegen der Scheidung die objektiven Voraussetzungen, an die die Vermutung der Tilgungsabsicht anknüpfe, zwar nicht mehr vor. Da aber für die Frage, auf wessen Rechnung die Zahlung eines Gesamtschuldners erfolge, auf den im Zeitpunkt der Zahlung gegenüber dem Finanzamt erkennbar hervorgetretenen Willen des Zahlenden abzustellen sei, greife die Vermutung vorliegend durch: Das Finanzamt wusste zum Zeitpunkt der Zahlungen weder, dass die Eheleute dauernd getrennt lebten, noch, dass die Ehe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existierte.

Der Senat hat die Revision zugelassen; das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VII R 38/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 30.01.2015 zum Urteil 5 K 93/11 vom 08.07.2014 (nrkr – BFH-Az.: VII R 38/14)

 

Rechentricks der Regierung stoppen!

1. Steuerprogressionsbericht redet ungerechte Effekte klein

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) fordert eine Überarbeitung des 1. Steuerprogressionsberichts. Denn in dem 28.01.2015 vom Bundeskabinett verabschiedeten Progressionsbericht versucht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die ungerechten Effekte der kalten Progression in eklatanter Weise kleinzurechnen. Zu begrüßen ist dagegen, dass Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) in seinem ebenfalls am 28.01.2015 vorgestellten Jahreswirtschaftsbericht den Abbau der kalten Progression noch in dieser Legislaturperiode in Aussicht stellt. „Wir haben Herrn Gabriel unseren konkreten Gesetzentwurf zum dauerhaften Abbau der kalten Progression übersandt“, sagt BdSt-Präsident Reiner Holznagel. „Jetzt ist die Politik in der Pflicht.“

Im Einzelnen: Bislang war das Bundesfinanzministerium bei seinen Berechnungen von der aufgelaufenen Inflation seit dem Basisjahr 2013 ausgegangen. Im 1. Steuerprogressionsbericht berücksichtigt das Ministerium plötzlich nur noch die Inflationseffekte von Jahr zu Jahr. Doch ist es gerade die Dynamik der jährlich weiter steigenden Preise, die eine Tarifindexierung gegen die kalte Progression dringend erforderlich macht.

Ausgehend vom Basisjahr 2014 und 1 Prozent Inflation (2015) schätzt das Bundesfinanzministerium die diesjährige Belastung eines durchschnittlichen Steuerzahlers auf 17 Euro. Fairerweise muss aber als Basisjahr 2010 gewählt werden, weil damals der Einkommensteuertarif zum letzten Mal durchgehend reformiert wurde. Ausgehend vom Basisjahr 2010 beträgt die diesjährige Belastung eines durchschnittlichen Steuerzahlers nach Schätzungen des Deutschen Steuerzahlerinstituts dann nicht 17 Euro, sondern rund 200 Euro. Holznagel fordert: „Der Steuerprogressionsbericht muss überarbeitet werden. Die Steuerzahler verdienen ehrliche Prognosen!“

Mit seiner aktuellen Schrift „Abbau der kalten Progression – Teil einer Steuerbremse“ beteiligt sich der Bund der Steuerzahler an der Debatte zum Abbau der kalten Progression. Die Schrift enthält eine detaillierte Gesetzesinitiative, die der Politik vorliegt. „Wenn unser Entwurf umgesetzt wird, werden die Bürger nicht länger bei jeder Lohnerhöhung heimlich abkassiert“, betont der BdSt-Präsident.

  • Abbau der kalten Progression – Teil einer Steuerbremse (DSi)
  • Der Gesetzentwurf auf einen Blick (DSi)

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 28.01.2015

 

BMF erweitert Nichtbeanstandungsregelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Metalllieferungen (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG)

Mit aktuellem BMF-Schreiben vom 22.01.2015 (LEXinform 5235428) erweitert das Bundesministerium der Finanzen die Nichtbeanstandungsregelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets (§ 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG). Die Verwaltungsanweisung regelt, dass

  • bei Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets, die nach dem 30.09.2014 und vor dem 01.07.2015 ausgeführt werden, es nicht zu beanstanden ist, wenn die Vertragspartner einvernehmlich noch von der Steuerschuldnerschaft des leistenden Unternehmers nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgegangen sind (Anm.: Diese Verlängerung der Übergangsregelung erfolgte bereits mit BMF-Schreiben vom 05.12.2014, LEXinform 5235311);
  • bei Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets, die nach dem 31.12.2014 und vor dem 01.07.2015 ausgeführt werden, es nicht zu beanstanden ist, wenn die Vertragspartner einvernehmlich die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers angewendet haben, obwohl unter Berücksichtigung der Neufassung des § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG und der Anlage 4 des UStG zum 01.01.2015 der leistende Unternehmer Steuerschuldner wäre.

Hintergrund
Mit dem Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.2014 (sog. Kroatiengesetz) ist – ursprünglich mit Wirkung zum 01.10.2014 – die Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen von Edelmetallen, unedlen Metallen, Selen und Cermets auf den Leistungsempfänger übergegangen. Problematisch hierbei, auch bei Kleinstkäufen von Alufolie, Metallklebebändern, Schrauben, Bolzen, Nieten und ähnlichen Erzeugnissen aus Stahl hätte der Verkäufer künftig stets aufwändig prüfen müssen, ob eine Steuerschuldverlagerung vorliegt. Dies wäre gerade für den Einzelhandel mit erheblichen Umstellungsproblemen verbunden gewesen.

Vor diesem Hintergrund empfahl der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (sog. Zollkodex-Anpassungsgesetz), die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 11 UStG noch im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zu überarbeiten, um die praktischen Anwendungsprobleme zu beseitigen. Ein Vorschlag, den auch der DStV in seiner Stellungnahme S 15/14 vom 24.11.2014 zum Gesetzentwurf ausdrücklich begrüßte.

In der Folge wurde neben der Schaffung der vorbezeichneten Übergangsregelung – entsprechend der bereits bestehenden Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 10 UStG zur Übertragung der Steuerschuld u. a. für die Lieferung von Mobilfunkgeräten – eine Bagatellgrenze von 5.000 Euro eingeführt und der Anwendungsbereich der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers auf Metalllieferungen (Anlage 4 des UStG) eingeschränkt.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 22.01.2015

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin