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Wenn Sie Aufgaben „nach draußen“ geben und Dritte damit beauftragen, sollten Sie sicherstellen, dass es sich dabei auch tatsächlich um selbständig Tätige handelt.
Die PartG mbB unterscheidet sich von der PartG durch ihre Haftungsregelungen.
Automobilhersteller befürchten durch die Einführung eines neuen Messverfahrens für den Kohlendioxid-Ausstoß bei Kraftwagen Erhöhungen der Kraftfahrzeugsteuer. Die von der Bundesregierung geplante Umstellung des Messverfahrens führe zu einer Erhöhung des Kohlendioxidausstoßes, ohne dass die Fahrzeuge technisch oder in ihrer Effizienz verändert würden, erklärte der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag, 20. März 2017, unter Leitung von Ingrid Arndt-Brauer (SPD).
Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines sechsten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (18/11234, 18/11532). Danach sollen die Kohlendioxid-Werte von neuen Personenkraftwagen ab dem 1. September 2018 nach einem anderen Verfahren ermittelt werden. Zur Anwendung komme in Zukunft eine weltweit harmonisierte Testprozedur zur Ermittlung der Abgas-Emissionen leichter Kraftfahrzeuge („Worldwide harmonized light duty test procedure“ – WLTP). Ohne die Übernahme des neuen Verfahrens wäre eine sachgerechte, gleichmäßige Besteuerung nicht möglich. Der Stichtag 1. September 2018 soll auch für die Bemessung der Kraftfahrzeugsteuer gelten, heißt es in dem Entwurf.
Die internationalen Kraftfahrzeughersteller protestierten: Erste Untersuchungen hätten gezeigt, dass mit einer durchschnittlichen Erhöhung der Emissionen um 20 Prozent zu rechnen sei. Damit werde es auch zu einer Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer kommen. Die Umstellung der Kfz-Steuer dürfe jedoch nicht zu einer Schlechterstellung neuer und technisch identischer Fahrzeuge führen. Auch habe die Koalition Steuererhöhungen in der laufenden Legislaturperiode ausgeschlossen. Das jetzige Vorhaben sei eine „Steuererhöhung durch die Hintertür“.
Auch der Verband der Automobilindustrie sprach von einer 20-prozentigen Erhöhung des Kohlendioxidausstoßes durch das neue Messverfahren. Konsequenz sei eine Erhöhung des Kraftfahrzeugsteueraufkommens um 435 Millionen Euro bis zum Jahr 2022 durch das neue Messverfahren. Auch der VDA argumentierte, diese Erhöhung stehe im Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung. Eine Umstellung des Messverfahrens dürfe nicht auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen werden. Der Verband schlug einen Abschlagfaktor beim Steuertarif vor, um Autofahrer nicht stärker zu belasten.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft machte eine Gegenrechnung zu den Herstellern auf: Die auf Prüfständen festgestellten Kohlendioxid-Werte würden erheblich von den tatsächlichen Werten abweichen. Innerhalb von zehn Jahren sie die Diskrepanz von zehn auf 40 Prozent gestiegen.
Das führe neben den Auswirkungen auf Verbraucher, Politik, Umwelt, Klima und Gesundheit zu erheblichen Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer, die Björn Klusmann vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft auf rund 1,08 Milliarden Euro bezifferte. Das seien etwa zwölf Prozent des gesamten Kfz-Steueraufkommens.
Auch andere Sachverständige beurteilten den Gesetzentwurf positiv. Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe zeigte sich froh, dass man mit dem Gesetzentwurf einem realistischen Ergebnis einen Schritt näher komme. Matthias Knobloch vom Automobilclub Europa (ACE) erklärte, der Sprung bei der Kfz-Steuer sei keine echte Steuererhöhung, sondern eine Anpassung der Steuer an die Realität. So könnte die Steuer bei einem normalen TSI-Benziner von 63 Euro auf 115 Euro steigen. Bei einem Diesel würde die Steuer von 160 auf 210 Euro steigen. Damit liege die Kfz-Steuer immer noch auf einem niedrigen Niveau.
Auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) bezeichnet es als „gerecht und rechtlich geboten“, die Steuer nach dem WLTP-Verfahren zu erheben. Insgesamt sei eine grundlegende Reform der Kraftfahrzeugsteuer, die auf den Klimaschutzplan 2050 abziele, notwendig.
Ob die Steuer überhaupt steigt, ist nach Ansicht von Prof. Dr. Frank Hechtner von der Freien Universität Berlin ungewiss. Zwar berücksichtige das neue WLTP-Verfahren insbesondere Teile der Sonderausstattung, eine längere Fahrstrecke und höhere Geschwindigkeiten, so dass ein Anstieg der Kohlendioxid-Emissionen je Kilometer nicht ausgeschlossen werden könne.
Andererseits könne es Fallkonstellationen geben, in denen nach dem neuen Verfahren geringere Emissionen gemessen würden.(hle/20.03.2017)
Deutscher Bundestag, Online-Dienste
10.04.2018
Umsatzsteuer
Lohnsteuer
Kirchensteuer zur Lohnsteuer
Zahlungs-Schonfrist: 13.04.2018
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen erfüllt sind.
3
Der Kläger heißt lt. Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland und lt. Meldebestätigung der Stadt E „Vorname R“ Nachname S“; geb. in J, damaliges Jugoslawien (Bl. 67 f. d.A.).
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Der Kläger übernahm im Frühjahr 2015 in M-Stadt „den Gastronomiebetrieb …“ in der M-Straße, M-Stadt vom vorherigen Betreiber C. Dieser betrieb den Gastronomiebetrieb seit dem 1. Juli 2012 (vgl. Mietvertrag Bl. 22 ff. d.A.), der Gastronomiebetrieb „ …“ selber existiert schon wesentlich länger („Jahrzehnte“).
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Der Kläger schloss am 30. Januar 2015 unter dem Namen „Vorname T (Vorname R) Nachname S“ mit der W-GmbH (Vermieterin) einen Mietvertrag (Bl. 19 ff. d.A.) ab dem 1.3.2015 über die Räumlichkeiten im Erdgeschoss und Keller des Gebäudes, in denen sich der Gastronomiebetrieb befand. Der Mietvertrag lautete:
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1.
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„Herr Vorname T Nachname S mietet mit Wirkung ab 01.03.2015 das Erdgeschoss und
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Untergeschoss im Hause M-Str.,M-Stadt, an. Es gelten die
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gleichen Konditionen wie in dem Vertrag vom 01.07.2012 zwischen der Vermieterin und C. Dieser Mietvertrag wird Gegenstand des nunmehr zwischen der Vermieterin und dem Mieter Vorname T Nachname S geschlossenen neuen Mietvertrages. Es gelten somit sämtliche in dem Mietvertrag vom 01.07.2012 aufgeführten Vertragsbestandteile, soweit nicht nachstehend eine Änderung festgehalten wird.
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2.
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Zu § 1 Randnummer 1.3 des Vertrages vom 01.07.2012 halten die Vertragsparteien Folgendes fest:
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Vermietet werden lediglich die Räume, nicht hingegen die Gaststätteneinrichtung. Diese hat der Mieter nach seinen Angaben von dem Vormieter C zu Eigentum erworben.
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3.
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Unter § 5 Randnummer 5.1 ist der Mieter verpflichtet, zur Sicherheit des Vermieters eine Kaution von x € zu erbringen. Aufgrund der zwischen Mieter und Vormieter C getroffenen Vereinbarung verbleibt der auf dem Sparbuch bei der K-Bank … festgelegte Betrag von x € weiterhin bei der Vermieterin aufgrund einer zwischen C und Herrn Nachname S getroffenen internen Vereinbarung, die die Vermieterin akzeptiert hat. Damit hat der Mieter die Kaution erbracht.
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4.
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§ 6 Randnummer 1 wird dahingehend geändert, dass die Kaltmiete erst ab dem 01.01.2015 erhöht wird. Darüber hinaus vereinbaren die Vertragsparteien, dass die Miete ab Vertragsbeginn bis zum 01.01.2017 unverändert bleibt und dass die Indexmiete erst berechnet wird gegenüber dem Stand zum 01.01.2017.
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5.
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§ 26 des Gewerbemietvertrages vom 01.07.2012 entfällt, da die entsprechenden
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Arbeiten erledigt sind.“
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Der Originalmietvertrag zwischen der Vermieterin und C war diesem Mietvertrag als Anlage beigefügt.
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Mit Kaufvertrag vom 20. Februar 2015 (in USt-Akte des FA) erwarb der Kläger unter dem Namen „Vorname R“ Nachname S“ von C das „Inventar (siehe Anlage 1 Inventarliste) des auf der M-Str. in M-Stadt befindlichen „Gastronomiebetriebs … “ zu einem Kaufpreis vom 40.000 Euro zzgl. 7.600 € USt.
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Lt. Inventarliste wurde die gesamte Einrichtung in Keller, Gastraum, Küche und Terrasse veräußert
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Keller:
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Kühlraum, Eismaschine, Tiefkühler, Kühlschrank, Regalsysteme, Werkzeugschrank, Dokumentenschrank, Spindsystem, 2 Spiegel mit Goldrahmen
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Gastraum:
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2 Kaffeemaschinen, 2 Kaffeemühlen, 2 Schubladen Kaffeesatz, Waffeleisen, Eiscrusher, Eismaschine, Spülmaschine, Tiefkühlschrank, Theke mit Spülbecken, Rückbuffet mit Schränken, Kuchenvitrine, Mixblender, Kasse, 2 Thermobondrucker, Kassenschrank, Fernseher, Musikanlage, Garderobe, Tische Stühle, Hocker, Sessel, Bänke, Heizungs- und Wandverkleidung, Lampen und Beleuchtung, Spiegel
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Küche:
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Pizzaofen, Gasherd, Abzugshaube, zwei Saladetten, Spühlautomat, Spülbecken, Friteuse, Edelstahltische und -schränke, Kühlschränke, Microwelle, Backautomat, Untertischkühlung, Teigmaschine, Schneidemaschine
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Terrasse:
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Stühle, Tische, Heizpyramide, Pflanzen
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages Bezug genommen.
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C betrieb neben dem Gastronomiebetrieb eine Pizzeria in M-Stadt.
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Lt. handschriftlichem Vermerk auf dem (ursprünglichen) Kaufvertrag zahlte der Kläger 40.000 € am selben Tag (20. Februar 2015) und am 25. Februar 2015 weitere 10.253 € in bar an C.
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Der Kläger erwarb daneben noch einen Fernseher ( … € netto), Lavagrill ( … €), Thermomix ( … €), eine Kommode ( … €), Nudelkocher ( … €), Kühlvitrine ( … €), Weinkühler ( … €), Saftpresse ( … €), Internetkamera ( … €), Pokertisch ( … €), Schließfachschrank ( … €) als Neuware von Dritten hinzu sowie einen Wareneingang i.H.v. … €.
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In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für März 2015 machte der Kläger aus der Rechnung des C 7.600 € als Vorsteuer geltend. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), forderte hierzu Nachweise an.
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Am 5. Mai 2015 reichte der Kläger daraufhin einen geänderten Kaufvertrag ein (in USt-Akte des FA), in dem nunmehr – im Gegensatz zum ursprünglichen Vertrag – die Steuernummer des Veräußerers, eine Rechnungsnummer und das Lieferdatum 1. März 2015 enthalten war. Im nunmehr maschinenschriftlichen Vermerk wird eine Barzahlung von 40.000 € und 7.600 € bestätigt.
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Das FA ließ im Bescheid vom 27. Mai 2015 die Vorsteuer aus dem Kaufvertrag nicht zum Abzug zu, da eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliege.
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Hiergegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2015) Klage erhoben.
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Er ist der Auffassung, es handele sich nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen.
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Der Kläger habe lediglich einzelne Gegenstände des „Gastronomiebetriebs … “ erworben. Der Vorbesitzer C betreibe an anderer Stelle ein weiteres Lokal, welches er auch fortführe und habe einzelne Gegenstände dorthin mitgenommen.
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Der Gastronomiebetrieb habe mit den erworbenen Gegenständen nicht ohne weiteres fortgesetzt werden können. Der Kläger als Erwerber sei nicht in die Lage versetzt worden, den Betrieb fortzuführen. Das Ordnungsamt der Stadt M habe nach einer durch den Kläger beantragten Betriebskontrolle (am 9. Februar 2015) zahlreiche Mängel festgestellt, die vor der Eröffnung hätten beseitigt werden müssen, u.a. Ersetzung des Fliesenspiegels in der Küche durch eine Edelstahlwand, Ersetzen der Dichtungen in allen … Kühl- und Gefriergeräten, Installation eines neuen Kühlaggregates und einer neuen Kühlleitung, Reparatur aller Türen, Ersetzen der Dunstabzugshaube und des gesamten Be- und Entlüftungssystems (Protokoll des Termins Bl. 15 d.A.)
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Es sei auch nicht der Mietvertrag des Vorbetreibers fortgeführt, sondern ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden.
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Der BFH habe mit Urteil vom 4. Februar 2015 (XI R 42/13) entschieden, dass es nicht ausreichend sei, wenn nur Teile des Inventars veräußert würden. Genau wie im entschiedenen Fall habe der Kläger die Räume von einem Dritten angemietet und lediglich einzelne Gegenstände vom Vormieter erworben. Der Kläger habe den Pachtvertrag zuerst abgeschlossen, weil er genau an dieser Stelle ein Gastronomiebetrieb habe betreiben wollen. Erst nach Abschluss des Pachtvertrages sei er sich mit dem Vorpächter einig geworden, welche Gegenstände er diesem abkaufe und welche nicht. Der Kläger habe die Einrichtungsgegenstände jederzeit von einem dritten Händler erwerben können. Auch deswegen handele es sich nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen. Der Kläger habe nach Betriebseröffnung auch weitere Gegenstände von Dritten erworben.
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Die erstmals im Klageverfahren durch den Beklagten geltend gemachten Zweifel an der Kaufpreiszahlung seien nicht nachvollziehbar. Als Nachweis der finanziellen Mittel des Klägers werde ein Aufhebungsvertrag über das Arbeitsverhältnis mit […] vom 18. November 2013 über eine Abfindungszahlung über … € netto (… € brutto) übersandt (Bl. 49 ff. d.A.). Zum Nachweis der Kaufpreiszahlung werde ein Kontoauszug des Klägers (Bl. 52 d.A.) übersandt, aus dem sich eine Barabhebung am 5. Februar 2015 iHv … € ergebe.
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Dem Beklagten sei auch seit zwei Jahren bekannt (Bl. 70 d.A.), dass der Kläger sowohl unter dem Vornamen „T“ als auch „R“ geführt werde. Der Kläger sei als Kleinkind nach Deutschland gekommen. Da niemand seinen Vornamen habe aussprechen können, sei dieser kurzerhand „eingedeutscht“ worden zu „T“. Bei seinem langjährigen Arbeitgeber, […], seinem Wohnsitzfinanzamt E, der Krankenversicherung und bei allen Banken werde er unter dem Vornamen T geführt. Dass es sich um dieselbe Person handele, ergebe sich aus dem Foto von Lichtbildausweis und Krankenversicherungskarte (Bl. 67 d.A.), der Angabe derselben Anschrift und desselben Geburtsdatums in allen Dokumente (Bl. 67-72 , 55-62 d.A.).
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend ausgeführt, die Differenz zwischen den im ursprünglichen Kaufvertrag quittierten 10.253 € und den im geänderten Kaufvertrag quittierten 7.600 € Barzahlung resultiere daraus, dass er C den Differenzbetrag noch geschuldet habe. Denn hinsichtlich der Mietkaution hätten sich der Kläger und C im Innenverhältnis geeinigt, dass diese beim Vermieter verbleibe und der Kläger dafür die Mietschulden bei C gegenüber dem Vermieter begleiche, da C rd. ein Jahr lang seine Miete für das Gastronomiebetrieb nicht gezahlt habe. Da dieser Betrag jedoch geringer gewesen sei als 24.000 €, habe der Kläger C noch 2.653 € geschuldet.
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Der Kläger beantragt,
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den Umsatzsteuerbescheid 2015 vom 10. August 2016 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern i.H.v. 7.600 € berücksichtigt werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen seien im Streitfall erfüllt.
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Der Kläger habe den Geschäftsbetrieb mit dem von C erworbenen Inventar fortführen können. Er habe nicht einzelne Gegenstände, sondern die gesamte Einrichtung des Gastronomiebetriebs (Inventar, Mobiliar, Kücheneinrichtung etc.) vom vorherigen Inhaber erworben; einschließlich des Namens Gastronomiebetriebs „ … “. Es sei nicht erkennbar und werde auch nicht geltend gemacht, dass C irgendwelche Gegenstände zurückbehalten habe. Für das vom Kläger erwähnte zweite Lokal habe C im Übrigen bereits im Februar 2015 das Gewerbe bei der Stadt M abgemeldet.
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Anders als im vom Kläger zitierten BFH-Urteil (vom 4. Februar 2015 XI R 42/13) hätten auch nicht wesentliche Teile des Inventars bzw. die vollständige Inneneinrichtung im Eigentums des Vermieters gestanden und seien damit Gegenstand des gesondert abzuschließenden Mietvertrages geworden. Dass nicht der alte Mietvertrag fortgesetzt, sondern ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden sei, sei nicht entscheidungserheblich. Der EuGH habe mit Urteil vom 10. November 2011 (C-441/10 Schriever) entschieden, dass eine Geschäftsveräußerung auch vorliegen könne, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrages zur Verfügung gestellt werde oder wenn er selbst über eine geeignete Immobilie verfüge.
58
Der Kläger habe das Inventar erst erworben, als er bereits in den alten Mietvertrag eingetreten gewesen sei. Damit sei offensichtlich, dass ein unmittelbarer zeitlicher und kausaler Zusammenhang zwischen der Übernahme des Mietverhältnisses und der Übereignung des Inventars bestehe.
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Ebenfalls unschädlich sei, dass die Räume vor der Neueröffnung modernisiert oder renoviert worden seien (BFH-Urteil vom 23. August 2007, V R 14/05). Dies gelte auch dann, wenn Beanstandungen durch das Ordnungsamt erfolgen würden. Der Kläger habe lediglich in geringem Umfang Wirtschaftsgüter hinzuerworben und laut seiner Gewinnermittlung auch lediglich … € für Reparaturen und Instandhaltungen im Streitjahr aufgewendet.
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Es bestünden zudem Zweifel, ob der Kaufvertrag tatsächlich durchgeführt worden sei. Nachweise für die Zahlung des Kaufpreises seien nicht erbracht worden. Der Kaufvertrag enthalte lediglich einen handschriftlichen (in der Ursprungsfassung) Vermerk, dass zunächst 40.000 € und später 7.600 € bzw. 10.253 € in bar gezahlt worden seien. Woher die finanziellen Mittel des Klägers stammten sei unklar.
61
Im vom Kläger vorgelegten Aufhebungsvertrag und auf den Kontoauszügen sei ein Vorname T Nachname S genannt. Ob und inwieweit der Kläger mit diesem deckungsgleich sei und warum er unter verschiedenen Vornamen auftrete, sei unklar. Weiterhin handele es sich bei der Buchung vom 5. Februar 2015 nicht um eine Barabhebung, sondern um eine Umbuchung auf ein anderes Konto.
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Am 10. August 2016 erging der Jahresbescheid für Umsatzsteuer 2015. Auch in diesem wurde der Vorsteuerabzug i.H.v. 7.600 € nicht anerkannt.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten vorgelegten Steuerakten.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordene Umsatzsteuerbescheid 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
67
I. Der Kläger war nicht zum Vorsteuerabzug aus dem Kaufvertrag berechtigt, weil es sich dabei um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt.
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1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Wird Vorsteuer in einer Rechnung unzutreffend offen ausgewiesen, etwa weil die abgerechnete Leistung nicht steuerbar ist, handelt es sich nicht um eine gesetzlich geschuldete Steuer und es besteht kein Recht zum Vorsteuerabzug.
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2. Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird (§ 1 Abs. 1a Satz 2 UStG).
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a) Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 19 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem –MwStSystRL–). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
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b) Art. 19 MwStSystRL bezweckt nach der Rechtsprechung des EuGH, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen (EuGH-Urteile vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes, EU:C:2003:644; vom 10. November 2011 C-444/10, Schriever, EU:C:2011:724; vom 30. Mai 2013 X BV C-651/11, EU:C:2013:346), und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben (EuGH-Urteile Zita Modes, EU:C:2003:644; Schriever EU:C:2011:724; BFH-Urteile vom 18. Januar 2012 XI R 27/08, BStBl II 2012, 842, vom 19. Dezember 2012 XI R 38/10, BStBl II 2013, 1053 und vom 4. Februar 2015 XI R 42/13, BStBl II 2015, 616).
72
c) Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht (vgl. BFH-Urteile in, BStBl II 2012, 842; in, BStBl II 2013, 1053, in BStBl II 2015, 616) und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln (vgl. z.B. BFH-Urteil, BStBl II 2013, 1053).
73
2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt.
74
a) Der Kläger hat den übertragenen Geschäftsbetrieb tatsächlich fortgeführt und „den Gastronomiebetrieb … “ weiter betrieben.
75
Er hat sowohl den Standort als auch den Namen unverändert übernommen und auch am Gastronomiebetrieb/Bistrokonzept keine wesentlichen Änderungen vorgenommen.
76
Dass er unmittelbar nach Erwerb nach den Empfehlungen des Ordnungsamtes einige Renovierungsarbeiten vorgenommen hat, ist unschädlich. Hierdurch wurde weder die Art der ausgeübten Tätigkeit wesentlich verändert, noch kam es zu einer wesentlichen Unterbrechung der Tätigkeit (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 2007 V R 14/05, BStBl II 2008, 165).
77
b) Der Kläger hat mit dem Kaufvertrag vom 20. Februar 2015 vom Veräußerer auch ein hinreichendes Ganzes erworben, das ihm die Fortführung dieser wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht hat.
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Die Übertragung des beweglichen Inventars und der festen Ladeneinrichtung bei gleichzeitiger Übernahme des Mietvertrages ist ein ausreichendes Gesamtvermögen, mit dem der Kläger „den Gastronomiebetrieb“ weiter betreiben konnte und auch betrieben hat.
79
aa) Der EuGH hat zum Umfang des übertragenen Vermögens entschieden, dass die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter, wie etwa eines Warenbestandes, nicht ausreichend ist, um als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen (EuGH-Urteil Zita Modes, EU:C:2003:644).
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bb) Ob die erforderliche „Gesamtheit“ hingegen sowohl bewegliche als auch unbewegliche Sachen umfassen muss, ist im Hinblick auf die Art der übertragenen bzw. fortgeführten Tätigkeit zu beurteilen (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz 26 und 32):
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(1) Für den Fall, dass für die Tätigkeit kein besonderes Geschäftslokal oder kein Lokal mit einer für die Fortführung der Tätigkeit notwendigen festen Ladeneinrichtung erforderlich ist, kann eine Übertragung eines Gesamtvermögens, d.h. eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, auch ohne Übereignung einer unbeweglichen Sache vorliegen.
82
So dient bspw. die Übertragung des Warenbestandes und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts im Allgemeinen dazu, dem Erwerber die Fortführung dieses Geschäftes zu ermöglichen (EuGH-Urteil Schrievers, EU:C:2011:724 Rz. 27 und 33)
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(2) Wenn die betreffende Tätigkeit hingegen in der Nutzung einer untrennbaren Gesamtheit von beweglichen und unbeweglichen Sachen besteht, insbesondere wenn das Lokal mit einer festen Ladeneinrichtung ausgestattet ist, die für die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig ist, müssen diese unbeweglichen Sachen zu den übertragenen Bestandteilen gehören, damit es sich um die Übertragung eines Gesamtvermögens handeln kann (EuGH-Urteil Schrievers, EU:C:2011:724 Rz. 28).
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(3) Ebenso kann eine Vermögensübertragung auch stattfinden, wenn das Geschäftslokal dem Erwerber mittels eines Mietvertrages zur Verfügung gestellt wird oder wenn er selbst über eine geeignete Immobilie verfügt, in die er sämtliche übertragenen Sachen verbringen und in der er die betreffende Tätigkeit weiterhin ausüben kann (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz. 29).
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(4) Aber auch wenn es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, die nicht ohne ein Geschäftslokal ausgeübt werden kann, ist es normalerweise zur Fortführung des übertragenen Geschäftsbetriebes nicht notwendig, dass der Inhaber des Geschäfts auch der Eigentümer der Immobilie ist, in der dieses Geschäft geführt wird. Wenn sich zeigt, dass der Erwerber zur Fortführung der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit über dasselbe Geschäftslokal verfügen muss, das dem Veräußerer zur Verfügung stand, spricht grundsätzlich auch nichts dagegen, dass ihm der Besitz durch Abschluss eines Mietvertrags eingeräumt wird (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz. 34 und 36).
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(5) Nach Auffassung des EuGH ist es damit jedenfalls ausreichend, dass die Übereignung eines Warenbestandes und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals auf unbestimmte Zeit durch den Veräußerer an den Erwerber eine Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens darstellt (EuGH-Urteil Schriever, EU:C: 2011:724). Im entschiedenen Fall war der Veräußerer Eigentümer des zuvor für das eigene Unternehmen und nunmehr an den Erwerber vermieteten Ladenlokals.
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(6) Der BFH hat entschieden, dass jedenfalls dann kein hinreichendes Ganzes übertragen worden ist, wenn der bisherige Pächter (Veräußerer) einer Gaststätte lediglich die ihm gehörenden Teile des Inventars (im Streitfall Kücheneinrichtung nebst Geschirr und sonstigen Küchenartikeln) an den Erwerber veräußert und dieser zur Fortführung der Gaststätte noch einen Pachtvertrag mit dem Grundstückseigentümer über die Räumlichkeiten sowie das im Eigentum des Verpächters stehende Inventar abschließt und diese ebenfalls zum Betrieb der Gaststätte erforderlich sind (BFH-Urteil in BStBl II 2015, 616). Der BFH begründet dies damit, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil X-BV, EU:C:2013:346) zur Überprüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen zwischen Veräußerer und Erwerber umsatzsteuerliche Leistungsbeziehungen des Erwerbers zu Dritten (hier: dem Verpächter) außer Betracht bleiben müssen (BFH-Urteil in BStBl II 2015, 616). Offen lassen konnte der BFH, ob die Übertragung eines hinreichenden ganzen Unternehmensvermögens dann vorliegen würde, wenn der Erwerber im Rahmen eines umfassenden Vertrages mit dem Veräußerer vollumfänglich in dessen mit dem Vermieter abgeschlossenen Pachtvertrag (über Inventar und Räumlichkeiten) eingetreten wäre (BFH-Urteil in BStBl II 2015, 616).
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cc) Im Streitfall ist nach Auffassung des Senates ein hinreichendes Ganzes – und sind nicht nur einzelne Wirtschaftsgüter – übertragen worden, das die Fortführung der Tätigkeit ermöglicht hat.
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(1) Der Kläger hat – anders als im BFH-Urteil vom 4. Februar 2015 (BStBl II 2015, 616) – nahezu das gesamte bewegliche und unbewegliche Inventar/Ladeneinrichtung vom Veräußerer erworben und konnte mit diesen Gegenständen das Unternehmen fortführen. Es waren die komplette Einrichtung des Bistros sowie sämtliche zum Betrieb erforderlichen Geräte und Einbauten/Möbel umfasst.
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Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger einzelne Gegenstände von Dritten hinzuerworben hat, da es sich hierbei – anders als im BFH-Fall – nur um unwesentliche Wirtschaftsgüter gehandelt hat, die zur Fortführung des Betriebes nicht zwingend erforderlich waren. Auch wenn C einzelne Gegenstände zurückbehalten haben sollte, ist dies unschädlich, solange die übertragenen Gegenstände aus Sicht des Erwerbers ein hinreichendes Ganzes bilden, die die Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen, was im Streitfall der Fall ist. Ebenfalls unerheblich ist, ob der Veräußerer C an anderer Stelle ein weiteres Lokal betrieben hat, da eine vollständige Einstellung der wirtschaftlichen Tätigkeit des Veräußerers nicht zu den Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen gehört (vgl. BFH-Urteil vom 29. August 2012 XI R 10/12, BStBl II 2013, 221). Dass der Kläger theoretisch die von C erworbenen Gegenstände auch von Dritten hätte erwerben und damit den Gastronomiebetrieb hätte ausstatten können, ist ebenfalls unerheblich, da nur der tatsächlich erfolgte Erwerb der Gegenstände vom bisherigen Inhaber entscheidend und im Streitfall zu beurteilen ist.
91
Auch die Durchführung der nach Feststellung des Ordnungsamtes notwendigen Renovierungsarbeiten (Fliesenspiegel erneuern, Dichtungen austauschen etc.) führt nicht dazu, dass der Kläger kein hinreichendes Ganzes erworben hat, mit dem er die Tätigkeit fortführen kann (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2008, 165 zu Modernisierungsmaßnahmen).
92
Dass nach dem Kaufvertrag kein Warenbestand übereignet worden ist, ist im Streitfall unschädlich, da es – anders als bspw. in einem Einzelhandelsgeschäft (vgl. EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 ein Sportwareneinzelhandel) – in einem Schank- und Speisebetrieb überwiegend einen schnell verderblichen und damit auch schnell verbrauchten und in kurzer Zeit erneuerten Warenbestand gibt, der vom Veräußerer ab dem Zeitpunkt, in dem der Übertragungsvertrag geschlossen worden ist und der Übergabezeitpunkt näher rückt, naturgemäß nicht mehr als nötig aufgefüllt werden wird.
93
(2) Es handelt sich bei dem Betrieb eines Gastronomiebetriebs zwar um eine wirtschaftliche Tätigkeit, die nicht ohne ein Geschäftslokal ausgeübt werden kann. Wenn wie im Streitfall ein seit Jahren oder Jahrzehnten bestehender Gastronomiebetriebübernommen wird, ist im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zur Fortführung der Tätigkeit sogar erforderlich, dass der Erwerber über dasselbe Geschäftslokal wie der Verkäufer verfügen muss.
94
Diese Voraussetzung ist im Streitfall jedoch erfüllt.
95
Der Kläger hat den Gastronomiebetrieb in denselben Räumlichkeiten fortgeführt wie der Veräußerer.
96
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es ausreichend, dass dem Erwerber der „Besitz durch Abschluss eines Mietvertrages eingeräumt wird“ an demselben Geschäftslokal, „das dem Veräußerer zur Verfügung stand“ (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz. 27). Das hiermit nicht nur die Fälle gemeint sind, in denen der Veräußerer Eigentümer des Grundstücks ist und mit dem Erwerber einen Mietvertrag abschließt, ergibt sich nach Auffassung des Senats aus den weiteren Ausführungen des EuGH im selben Urteil. Danach wäre es eine willkürliche Unterscheidung bei Geschäftsveräußerungen durch Veräußerer, die Eigentümer des Ladenlokals sind, eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung zu bejahen, und bei Geschäftsveräußerungen durch Veräußerer, die nur Inhaber eines Mietrechts an dem Ladenlokal sind, bereits deswegen zu verneinen (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz 30). An dieser Stelle stellt der EuGH ausdrücklich auf die Sicht der Veräußerers ab, der seinerseits auch „nur“ Mieter eines Ladenlokals sein und trotzdem eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bewirken kann.
97
Hinzu kommt, dass der EuGH das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung auch dann für möglich hält, wenn der Erwerber selbst über eine Immobilie mit Ladenlokal verfügt, in die er sämtliche übertragene Sachen verbringen und in der er die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin ausüben kann (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz 29). Der Erwerber verfügt jedoch auch dann über eine „eigene“ Immobilie, wenn er diese nur aufgrund eines Mietvertrages innehat.
98
(3) Dass der Kläger zivilrechtlich nicht im Rahmen eines mehrseitigen Vertrages zwischen ihm, dem Vermieter und dem Veräußerer den Mietvertrag des Veräußerers über das Ladenlokal übernommen hat, hält der Senat daher nicht für entscheidend.
99
Nach nationalem Zivilrecht kann der gewillkürte Übergang eines Mietverhältnisses auf einen neuen Mieter grundsätzlich auf zwei Arten erfolgen: entweder durch Beendigung des Vertrages zwischen dem Vermieter und dem bisherigen Mieter (den alten Parteien) und Abschluss eines neuen Mietverhältnisses mit dem Inhalt des bisherigen durch einen weiteren Vertrag mit dem neuen Mieter (der neuen Partei), oder durch eine – gesetzlich nicht geregelte – Vereinbarung des Parteiwechsels mittels Vertrag zwischen dem bisherigen Mieter und dem neuen Mieter mit Zustimmung des Vermieters. Dabei kann die Auswechslung der Partei auch im Wege eines einheitlichen Vertragswerks als sogenannter dreiseitiger Vertrag vollzogen werden. Welcher Vertragstyp im Einzelfall dem Willen der Beteiligten entspricht, ist gegebenenfalls durch Auslegung der getroffenen Parteiabreden zu ermitteln (vgl. BGH-Urteil vom 3. Dezember 1997 XII ZR 6/96, BGHZ 137, 255-266 m.w.N.; Grüneberg in Palandt, BGB, § 398 Rz. 41 m.w.N.).
100
Da es sich bei dem Begriff der „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt“, i.S.v. Art. 19 MwStSystRL um einen autonomen unionsrechtlichen Begriff handelt, der in der gesamten Union eine einheitliche Auslegung finden muss (EuGH-Urteil Schriever, EU:C:2011:724 Rz. 22), hält der Senat es für nicht sachgerecht, die Differenzierung der Übertragung eines Gesamtvermögens aufgrund dieser rein nationalen zivilrechtlichen Unterscheidung vorzunehmen, zumal es im Regelfall gerade bei der Übernahme gemieteter Räumlichkeiten eines einvernehmlichen Zusammenwirkens von Veräußerer, Erwerber und Vermieter bedarf, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. So müssen Aufhebungsvertrag und Neuabschluss des Mietvertrages schon rein zeitlich aufeinander abgestimmt werden und der Neuabschluss ist nur möglich, wenn zuvor eine Aufhebung durch den Veräußerer (mit-)veranlasst worden ist und eine fristgerechte Räumung des Ladenlokals durch den Veräußerer eine Fortführung erst möglich macht. Auch auf diese Weise kann der Veräußerer an der Übertragung des Besitzes an dem erforderlichen Ladenlokal mitwirken und dem Erwerber den Besitz „verschaffen“.
101
Hinzu kommt, dass im Streitfall zwar rein formal ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden ist, der ursprüngliche Mietvertrag jedoch im Original Bestandteil des neues Mietvertrages geworden und sogar die Miethöhe unverändert übernommen worden ist. Auch die Kaution des Veräußerers C ist unverändert beim Vermieter verblieben und wurde nur im Innenverhältnis zwischen Kläger und Veräußerer C ausgeglichen, indem der Kläger diesen von seinen Mietschulden beim Vermieter ausgelöst hat.
102
(4) Die Annahme einer Geschäftsveräußerung steht nach Auffassung des Senats nicht im Widerspruch zum Urteil des BFH vom 4. Februar 2015 (XI R 42/13, BStBl II 2015, 616) oder zum darin zitierten Urteil des EuGH X-BV (EU:C:2013:346). Im vom BFH entschiedenen Fall waren die vom Veräußerer übertragenen Wirtschaftsgüter (Kücheneinrichtung nebst Geschirr und diverse Küchenartikel) kein hinreichendes Ganzes, da der Erwerber damit nicht in die Lage versetzt worden sei, die Gaststätte zu betreiben. Es waren vielmehr noch weitere Gegenstände zum Betrieb der Gaststätte erforderlich, die von einem Dritten – zusammen mit den Räumlichkeiten – angepachtet worden waren.
103
Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass bereits der bloße Neuabschluss eines Mietvertrages über das Ladenlokal – bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen – zum Nichtvorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen führt (so wohl (kumulativ begründet) FG Düsseldorf Urteil vom 27. März 2015 5 K 2502/12 U, juris).
104
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
105
III. Die Revision wird zugelassen zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alt. FGO).
Die Entscheidung im Volltext: 1 K 3395/15 U
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2
Die Klägerin betreibt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union eine Versandapotheke. Sie versendet rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente in das Inland an Kunden, die entweder privat oder bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.
3
Die Klägerin ist als Apothekerin berufsrechtlich gehalten, eine Medikamentenwechsel-wirkungsberatung gegenüber den Kunden durchzuführen. Sie konnte ihrer Beratungspflicht bei Internetbestellungen nur unter Mitwirkung der Patienten genügen. In diesem Zusammenhang sagte sie den Patienten für die Beantwortung von Fragen („Arzneimittel-Check“) zu ihrer Erkrankung und für die Übersendung eines Rezeptes eine Prämie („Aufwandsentschädigung“) in Höhe bis zu 15,00 EUR bzw. von 1,00 EUR pro Rezeptübersendung zu. Nach weiteren Angaben der Klägerin im Klageverfahren habe es sich bei dem sogenannten „Arzneimittel-Check“ im Wesentlichen um einen Fragebogen sowie ggf. weitere telefonische Befragungen gehandelt, bei denen der Kunde u.a. Angaben zu Unverträglichkeiten, Allergien, Schwangerschaften, (Vor-) Erkrankungen und bereits eingenommenen Medikamenten mache. Die Prämien für die Teilnahme am „Arzneimittel-Check“ verrechne die Klägerin bei gesetzlich versicherten Kunden in Deutschland jeweils mit den vom Patienten zu entrichtenden gesetzlichen Zuzahlungen für das bestellte Medikament, so dass es zu keiner Auszahlung von Geldbeträgen an die Patienten komme. Die konkrete Berechnung der Prämienhöhe erfolge anhand eines Prozentanteils der gesetzlichen Zuzahlung.
4
Die Klägerin ging davon aus, dass sie durch Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente an privat krankenversicherte Personen (Privatpatienten) und durch Lieferungen von rezeptfreien Produkten (sogenannte OTC („over the counter“) Umsätze) nach Deutschland gemäß § 3c UStG (in der Fassung des Streitjahres 2013) im Inland steuerpflichtige Versandhandelsumsätze erbracht habe und erstellte insoweit Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis und zog die „Aufwandsentschädigung“ als Entgeltminderung im Sinne des § 17 UStG ab.
5
Demgegenüber ging die Klägerin bei von gesetzlich krankenversicherten Personen (Kassenpatienten) veranlassten Lieferungen von verschreibungspflichtigen Medikamenten davon aus, dass Abnehmer solcher Lieferungen wegen des Sachleistungsprinzips nach § 2 Abs. 2 SGB V die jeweilige gesetzliche Krankenversicherung (GKV) des Kassenpatienten sei. Gegenüber den Kassenpatienten stellte die Klägerin lediglich eine Rechnung über den an die Kasse abzuführenden Zuzahlungsbetrag abzüglich der „Aufwandsentschädigung/Prämie“ und gegenüber der Krankenkasse eine Rechnung über den eigentlichen Medikamentenbetrag aus. In den Umsatzsteuervoranmeldungen wandte die Klägerin für solche Lieferungen bis einschließlich September 2013 mit Zustimmung des Beklagten die Vereinfachungsregel in Abschn. 1 a. 2. Abs. 14 UStAE a.F. an, wonach unter in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen ein innergemeinschaftliches Verbringen der Medikamente angenommen werden konnte, mit der Folge dass die Klägerin die Lieferungen im Bestimmungsland (Deutschland) unter ihrer USt-IdNr. als steuerbar und steuerpflichtig behandelte. Zum 30.09.2013 widerrief der Beklagte die erteilte Zustimmung zur Anwendung der Vereinfachungsregel, weil diese nach dem Wortlaut voraussetze, dass der liefernde Unternehmer den Liefergegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat an den Abnehmer befördere und der Liefergegenstand nicht – wie im Falle der Klägerin – vom liefernden Unternehmer versendet oder vom Abnehmer befördert oder versendet werde. Die Klägerin tätige daher nach Ansicht des Beklagten ab dem 01.10.2013 insoweit in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union(steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferungen an die GKVen in Deutschland. Die GKVen müssten nunmehr die auf solche Arzneimittellieferungen entfallende Umsatzsteuer in Deutschland selbst entrichten (innergemeinschaftlicher Erwerb nach § 1 a UStG).
6
Im Zusammenhang mit der Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum Oktober 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie die in diesem Zeitraum an die Kassenpatienten gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen“) in Höhe von x EUR als Umsatzkürzung der in Deutschland steuerpflichtigen Versandhandelsumsätze (§ 3c UStG) (Lieferungen an Privatpatienten; Lieferungen von nicht rezeptpflichtige OTC Produkten) berücksichtigt habe. Sie beantragte, die Prämien in Zukunft als „negative innergemeinschaftliche Erwerbe“ im Rahmen ihrer Voranmeldungen zu behandeln.
7
Der Beklagte schloss sich dieser Vorgehensweise nicht an und erhöhte mit einem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für den VAZ 10/2013 vom 17.02.2014 die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen um xx EUR. Die Änderung ergab sich dadurch, dass der Beklagte die von der Klägerin vorgenommene Kürzung der Bemessungsgrundlage in Höhe von insgesamt x EUR der zu 19% steuerpflichtigen (Versandhandels)Umsätze wieder rückgängig machte (= x mal 19% = xx EUR).
8
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.06.2014 als unbegründet zurückwies. Er führte aus: Die begehrte Minderung der Bemessungsgrundlage der Versandhandelsumsätze (Lieferungen an Privatpatienten, OTC Umsätze) nach § 17 UStG komme nicht in Betracht, weil kein Zusammenhang zwischen den an die gesetzlich Krankenversicherten gezahlten Prämien und den Versandhandelsumsätzen bestehe. Leistungsempfänger der Versandhandelsumsätze und Empfänger der Prämien seien nicht identisch.
9
Gegen die Einspruchsentscheidung hat die Klägerin am 10.07.2014 Klage erhoben.
10
Mit Beschluss vom 03.11.2014 (Az. 1 V 2937/14 A (U)) hat der erkennende Senat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer für den VAZ 10/2013 in Höhe von xx EUR (= x EUR mal 19%) abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der BFH mit Beschluss vom 24.02.2015 (Az. V B 147/14) als unbegründet zurückgewiesen.
11
Die zunächst vorgetragenen Argumente der Klägerin zu ihrem ursprünglichen Klagebegehren (sinngemäß), den angefochtenen Vorauszahlungsbescheid VAZ 10/2013 vom 17.02.2014 zu ändern und die Umsatzsteuer um xx EUR (= x EUR mal 19%) herabzusetzen, hat der erkennende Senat in dem o.g. Beschluss vom 03.11.2014 (1 V 2397/14 A (U)) zusammenfassend dargestellt. Auf diese Darstellung wird Bezug genommen.
12
Am 11.02.2015 hat die Klägerin die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2013 beim Beklagten eingereicht. Der Erklärung hat der Beklagte am 10.04.2015 zugestimmt und die Umsatzsteuer für 2013 erklärungsgemäß festgesetzt (vgl. Mitteilung vom 20.04.2015 Blatt 84 der GA).
13
Nachdem eine Überprüfung der streitigen Prämienzahlungen ergeben hatte, dass in dem ursprünglich von der Klägerin angegebenen Betrag für Oktober 2013 von x EUR auch Prämien an Kassenpatienten im Zusammenhang mit OTC Umsätzen in Höhe von xxx EUR (= x EUR minus xxxx EUR) enthalten waren, hat die Klägerin am 03.05.2015 eine geänderte Umsatzsteuererklärung für 2013 beim Beklagten eingereicht. Darin hat sie die Bemessungsgrundlage für steuerpflichtige Umsätze (19% und 7%) um Prämienzahlungen an Kassenpatienten bei OTC Umsätzen im Zeitraum Oktober bis Dezember/2013 gemindert (xxxxx EUR (19%) und xxxxxx EUR (7%)). Mit einem nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid vom 02.06.2016 hat der Beklagte die Umsatzsteuer für 2013 erklärungsgemäß herabgesetzt.
14
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage in der Hauptsache nunmehr (nur noch) eine Minderung der steuerpflichtigen (Versandhandels)Umsätze des Jahres 2013 zum allgemeinen Steuersatz um die gegenüber Kassenpatienten im Monat Oktober 2013 gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen“) in Höhe von xxxx EUR in Zusammenhang mit dem Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten.
15
Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat die Klägerin ein Rechtgutachten von A vom 27.10.2015 (vgl. Blatt 38 ff der GA) eingereicht, wonach sich die von der Finanzverwaltung vertretene Anknüpfung an das Sachleistungsprinzip zur Bestimmung des Leistungsempfängers umsatzsteuerlich nicht rechtfertigen lasse. Vielmehr komme auch bei rezeptpflichtigen Medikamenten ein direkter Vertrag zwischen der Klägerin als Leistungserbringerin und dem jeweiligen Kassenpatient zustande. Diese zivilrechtliche Vertragsbeziehung müsse daher auch umsatzsteuerlich zu berücksichtigen sein. Auf den weiteren Inhalt des Gutachtens wird Bezug genommen.
16
Im Anschluss an das Gutachten führt die Klägerin zur Klagebegründung aus:
17
Im Vergleich zu inländischen Versandapotheken ergebe sich für die Klägerin ab Oktober 2013 eine unionsrechtswidrige umsatzsteuerliche Benachteiligung, die allein dem grenzüberschreitenden Sachverhalt geschuldet sei. Dies betreffe nicht nur Entgeltminderungen in Form der Gewährung von Boni, sondern auch soweit ein Patient die Zuzahlung nicht leiste oder in den Fällen, in denen der Hersteller den sozialrechtlich vorgesehenen Herstellerrabatt nicht an die Klägerin gewähre. Zudem ergebe sich ein nicht auflösbarer Unterschied zwischen Netto- und Bruttobeträgen hinsichtlich der in der Höhe gleichbleibenden Zuzahlungen.
18
Die Klägerin habe gegen diese Benachteiligung verschiedene Schritte unternommen.
19
Soweit sie im Klageverfahren einen Abzug der an Kassenpatienten gewährten Rabatte bei der Bemessungsgrundlage für weiterhin in Deutschland umsatzsteuerpflichtige Umsätze vorgenommen habe, sei diese Vorgehensweise im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zwar letztinstanzlich durch den BFH abgelehnt worden. Die dort vorgenommene isolierte Betrachtungsweise berücksichtige jedoch nicht die gesetzlichen Krankenkassen. Zudem habe der BFH die Fragen, hinsichtlich der Anwendung des sozialrechtlichen Sachleistungsprinzips und inwieweit bei Entgeltminderungen eine Umsatzsteuererstattung an den leistenden Unternehmer erfolgen müsse, offen gelassen.
20
Ein weiterer Ansatz der Klägerin habe darin bestanden, die Zuzahlungen, die sie von ihren gesetzlich versicherten Kunden für rezeptpflichtige Medikamente erhalte, als Entgelt für eine separate in Deutschland nach § 3c UStG umsatzsteuerpflichtige Lieferung zu behandeln und von dieser Bemessungsgrundlage die gewährten Rabatte abzuziehen. Insoweit werde auf das Klageverfahren Az. 1 K 1615/15 U, Finanzgericht Düsseldorf, Bezug genommen.
21
Parallel zu den finanzgerichtlichen Verfahren habe die Klägerin fortlaufend mit dem Beklagten und dem Finanzministerium B in Kontakt gestanden, um eine außergerichtliche Lösung des Problems zu erzielen. Dies sei jedoch bisher erfolglos gewesen.
22
Zur Vermeidung einer unionsrechtswidrigen Benachteiligung der Klägerin müsse § 17 UStG unionsrechtskonform (ggf. im Wege der teleologischen Extension) ausgelegt werden. Zweck des § 17 UStG sei nach der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 90 MwStSystRL, dass der Umsatz eines Unternehmers nur mit derjenigen Gegenleistung zu besteuern sei, die der Leistungsempfänger bzw. ein Dritter letztendlich aufwende bzw. die der leistende Unternehmer für seine Leistung tatsächlich erhalte. Nach dieser Maßgabe sei jedoch eine Minderung der steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe der deutschen Krankenkassen in Höhe der von der Klägerin gewährten Rabatte keine Lösung, da die GKV keinen Preisnachlass gewähre und daher nicht durch § 17 UStG begünstigt sein könne. Eine solche Vorgehensweise würde den Aufwand der Klägerin im Zusammenhang mit dem Preisnachlass und den umsatzsteuerlichen Vorteil (welcher dann den gesetzlichen Krankenkassen zugutekommen würde) trennen.
23
Weil im Falle der Klägerin § 17 UStG mangels eines minderungsfähigen steuerpflichtigen Umsatzes dem Wortlaut nicht anwendbar sei, liege insoweit eine Regelungslücke vor. Dies führe bei einer grenzüberschreitenden Lieferkette zu einem Preisnachlass an den Endverbraucher, der im Ergebnis bei der Besteuerung keine Berücksichtigung finde. Auch sei die umsatzsteuerlich grundlegend unterschiedliche Behandlung der Leistungen gegenüber den privatversicherten und den gesetzlich versicherten Patienten unionsrechtlich nicht zu rechtfertigen (Hinweis auf BFH, Vorlagebeschluss vom 22.06.2016 V R 42/15).
24
Der Annahme einer Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 UStG bzw. eines entsprechenden negativen Umsatzes stehe auch nicht die Annahme einer eigenständigen entgeltlichen Leistung des Patienten an die Klägerin durch die Teilnahme am „Arzneimittel-Check“ entgegen. Nach den Abgrenzungskriterien für Werbekostenzuschüsse sei vorliegend davon auszugehen, dass die Zahlungen, die die Klägerin im Rahmen der skizzierten Prämienmodelle den Kassenpatienten gewähre, kein Entgelt für eine eigenständige Leistung der Patienten an die Klägerin darstellten. Denn es bestehe keine Leistungsverpflichtung des Kunden, dieser habe zudem ein eigenes Interesse an der Teilnehme am „Arzneimittel-Check“, und es bestehe eine direkte Verknüpfung der Prämiengewährung mit der jeweiligen Medikamentenlieferung. Der Kassenpatient könne nur dann eine Prämie bekommen, wenn er auch tatsächlich Medikamente bei der Klägerin bestelle. Die Höhe der Prämie stehe darüber hinaus in einem direkten Zusammenhang mit dem Wert der vom Kunden bestellten Ware.
25
Soweit die Klägerin hilfsweise die Feststellung begehre, dass die Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente der Klägerin nicht an die gesetzlichen Krankenkassen, sondern direkt an ihre Versicherten erbracht werden und vollständig nach § 3 c UStG in Deutschland umsatzsteuerbar und – pflichtig seien, bestehe auch ein Feststellungsinteresse. Denn die Klägerin habe insoweit ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an einer solchen Feststellung. Zwar müsse die Klägerin zusätzliche steuerpflichtige Lieferungen erklären. Aufgrund der dann konsequenten Erstattung des Bruttopreises durch die gesetzlichen Krankenkassen wirke sich dies wirtschaftlich jedoch nicht als eine Belastung aus. Eine ebenfalls denkbare Feststellungsklage gegen die Finanzämter der GKVen wäre angesichts der hohen Anzahl von GKVen weder praktisch noch zumutbar. Zur materiellen Begründung der Feststellungsklage werde auf das Gutachten vom 27.10.2015 Bezug genommen.
26
Die Klägerin beantragt,
27
den Bescheid über die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Oktober 2013 vom 17.02.2014 in der Gestalt des Bescheids über Umsatzsteuer für das Jahr 2013 vom 02.06.2016 aufzuheben und neu unter der Berücksichtigung festzusetzen, dass sich die Bemessungsgrundlage in Höhe von xxxx EUR mindert für die gegenüber GKV-Patienten im streitgegenständlichen Zeitraum gewährten Preisnachlässe;
28
hilfsweise, festzustellen, dass die Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente der Klägerin nicht an die gesetzlichen Krankenkassen, sondern direkt an ihre Versicherten erbracht werden und nach § 3 c UStG im Inland umsatzsteuerpflichtig sind, so dass sich die Bemessungsgrundlage um die gewährten Preisnachlässe mindert;
29
hilfsweise die Revision zuzulassen.
30
Der Beklagte beantragt,
31
die Klage abzuweisen.
32
Er bezieht sich zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 10.06.2014 sowie auf die Stellungnahme des Finanzministeriums des Landes B vom 05.08.2014 (Blatt 26 der GA 1 K 2164/14 U).
33
Der Beklagte sei ausschließlich mit der Umsatzbesteuerung der im Inland steuerpflichtigen Versandhandelsumsätze befasst. Da die Prämien hingegen an gesetzlich versicherte Kunden gezahlt würden, also mit innergemeinschaftlichen Erwerben der gesetzlichen Krankenkassen in Zusammenhang stünden, sei für die Beurteilung der Prämiengewährung durch den Beklagten mangels Zuständigkeit weder Veranlassung gegeben noch könne einer Äußerung bindende Wirkung zukommen. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung seien daher nur Ausführungen von Bedeutung, die die Versandhandelsumsätze betreffen. Zu diesen Umsätzen habe die Klägerin keine bedeutsamen Aspekte vorgetragen.
34
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten 1 K 2164/14 U und 1 V 2937/14 A (U) und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
35
Entscheidungsgründe:
36
Die Klage ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet (vgl. I.).
37
Die hilfsweise erhobene Feststellungklage ist unzulässig (vgl. II.).
38
I. Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag die Minderung der Umsatzsteuer um xxxxxxx EUR (= xxxx EUR x 19%) begehrt, ist die Klage unbegründet.
39
Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid für 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
40
Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Umsatzsteuer für 2013 um xxxxxxx EUR (= xxxx EUR x 19%) herabzusetzen.
41
Eine Minderung der festgesetzten Umsatzsteuer für 2013 um xxxxxxx EUR (= xxxx EUR x 19%) wegen der von der Klägerin im Oktober 2013 an Kassenpatienten gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen“) in Höhe von xxxx EUR (in Zusammenhang mit dem Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten), welche die Klägerin gegenüber den Kassenpatienten mit der von diesen nach § 31 Abs. 3 SGB V zu entrichtende Zuzahlung verrechnete, kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.
42
Dies gilt sowohl für eine rechtliche Würdigung unter der Annahme der vom Beklagten vertretenen Auffassung, die jeweilige GKV sei umsatzsteuerlich als Leistungsempfänger der von Kassenpatienten veranlassten Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente nach Deutschland anzusehen, weil die Klägerin mit den GKVen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nach § 129 SGB V oder einen öffentlich-rechtlichen Einzelvertrag gemäß § 140e SGB V geschlossen habe und der Kunde das Medikament daher nur in Erfüllung des Versicherungsvertrages von seiner GKV als Sachleistung gemäß § 2 Abs. 2 SGB V erhalte (vgl. zum Sachleistungsprinzip auch BFH, Urteil vom 20.05.2015 XI R 2/13, BFH/NV 2015, 1775 Rz. 42 m.w.N. und Hinweis auf Urteil, BSG vom 28.09.2010 B 1 KR 3/10 R, BSGE 106, 303, Rz 13, 14) (vgl. hierzu I.1.), als auch unter der Annahme der von der Klägerin vertretenen Ansicht (vgl. hierzu auch Gutachten vom 27.10.2015, Blatt 38 ff der GA), sie habe die Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente umsatzsteuerlich direkt an die Kassenpatienten als Leistungsempfänger erbracht (vgl. hierzu I.2.).
43
Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, unterwarf die Klägerin für den Zeitraum ab 01.10.2013 (nur noch) die Arzneilieferungen an Privatpatienten und die OTC Umsätze der deutschen Umsatzsteuer, weil der Beklagte die Zustimmung zur Anwendung der Vereinfachungsregel in Abschn. 1 a. 2. Abs. 14 UStAE a.F. hinsichtlich der von Kassenpatienten veranlassten Lieferungen von verschreibungspflichtiger Medikamente zum 30.09.2013 widerrufen hatte.
44
Die Lieferungen an Privatpatienten und die OTC Umsätze unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG in Deutschland der Umsatzsteuer, da in diesen Fällen der Kaufvertrag nach § 433 Abs. 1 BGB zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Kunden zustande gekommen ist, der jeweilige Privatpatient (oder Kunde von OTC Produkten) damit auch umsatzsteuerlich Leistungsempfänger wurde und sich der Ort der Lieferung nach § 3 c UStG bestimmt. Danach gilt die Lieferung, bei der der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete befördert oder versendet wird, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 des § 3 c UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet (§ 3 c Abs. 1 Satz 1 UStG), wenn der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb nicht zu versteuern hat (§ 3 c Abs. 2 UStG) und der liefernde Unternehmer die maßgebende Lieferschwelle überschreitet (§ 3c Abs. 3 UStG). Sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 3 c UStG sind insoweit erfüllt. Die Klägerin versendet die Medikamente und die OTC Produkte als Liefergegenstand aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates (ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union) in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates (hier: Deutschland). Hinsichtlich der Lieferungen an die Privatpatienten und die Käufer von OTC Produkten liegen die Voraussetzungen § 3 c Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG vor, da diese Kunden entweder schon keine Unternehmer sind oder die Arzneimittel nicht für ihr Unternehmen erwerben. Die Klägerin erfüllt auch die Voraussetzungen des § 3 c Abs. 3 UStG, da sie die nach § 3 c Abs. 3 S. 2 Nr. 1 UStG maßgebliche Lieferschwelle von 100.000 EUR im Streitjahr offensichtlich überschritten hat.
45
Die Bemessungsgrundlage dieser steuerpflichtigen (Versandhandels)Umsätze hat die die Klägerin – vom Beklagten unbeanstandet – in Höhe der gewährte Prämien („Aufwandsentschädigungen“) in Zusammenhang mit dem Verkauf von Arzneimitteln an Privatpatienten und von OTC Umsätzen gekürzt, da der Leistungsempfänger insoweit nur den um die Prämie geminderten Kaufpreis an die Klägerin entrichtete.
46
Eine weitere Kürzung der Bemessungsgrundlage dieser steuerpflichtigen (Versandhandels)Umsätze kommt im Hinblick auf die an Kassenpatienten gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen“) bei dem Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten nicht in Betracht.
47
1. Soweit die GKVen – wie der Beklagte meint – in Anlehnung an das sozialrechtliche Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 SGB V) auch umsatzsteuerlich als Leistungsempfänger der an die Kassenpatienten ausgehändigten verschreibungspflichtigen Medikamente anzusehen sein sollte, schuldet die Klägerin seit dem 01.10.2013 für solche Lieferungen an die inländischen GKVen weder in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union noch in Deutschland Umsatzsteuer.
48
Für die Minderung der Bemessungsgrundlage anderer von der Klägerin ausgeführter steuerpflichtiger Umsätze um xxxx EUR oder für einen Rückforderungsanspruch von Umsatzsteuer gegenüber dem Beklagten in Höhe von xxxxxxx EUR ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich.
49
Die Klägerin erbringt bei den Lieferungen an die inländischen GKVen keine im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze. Sie führt ihre Lieferungen in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aus, und zwar entsprechend Art. 138 Abs. 1 der MwStSystRL als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.
50
Der Lieferort für diese Lieferungen befindet sich in diesen Fällen nach § 3 Abs. 6 S. 1 UStG an dem Ort, an dem sich der Gegenstand der Lieferung zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung an den Erwerber befindet (hier: in dem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union). Die nach § 3 Abs. 5 a UStG regelmäßig vorrangig anzuwendende Ortsbestimmung des § 3 c UStG ist insoweit nicht einschlägig, weil für diese Lieferungen die Voraussetzungen von § 3 c Abs. 2 UStG, die den jeweiligen Abnehmer der Versendungslieferung betrifft, nicht erfüllt werden. Die Ortsbestimmung § 3 c Abs. 1 UStG ist gemäß § 3 c Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d und 2. HS UStG u.a. dann nicht anzuwenden, wenn der Abnehmer der Lieferung eine juristische Person ist, die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwirbt, und die maßgebende Erwerbsschwelle für innergemeinschaftliche Erwerbe in Deutschland (12.500 EUR; vgl. § 1 a Abs. 3 Nr. 2 UStG) überschreitet.
51
Die GKVen sind juristische Personen des öffentlichen Rechts, die die rezeptpflichtigen Medikamente nicht für ihr Unternehmen, sondern für ihren hoheitlichen Bereich erwerben. Da bei den jeweiligen GKVen sämtliche innergemeinschaftliche Erwerbe – auch von anderen im EU-Ausland ansässigen Internetapotheken – für die Berechnung des Gesamtbetrages der Entgelte maßgeblich sind, ist davon auszugehen, dass diese jeweils die Erwerbsschwelle im laufenden Kalenderjahr (2013) als auch im vorangegangenen Kalenderjahr überschritten haben.
52
a) Die jeweilige GKV des Kassenpatienten, der die Lieferung veranlasst hat, schuldet gemäß § 13 a Abs. 1 Nr. 2 UStG als Erwerber die Umsatzsteuer (innergemeinschaftlicher Erwerb vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG i. V. m. § 1 a UStG).
53
Im Umsatzsteuergesetz ist keine Vorschrift ersichtlich, die die Erstattung eines Teils der Umsatzsteuer an die Klägerin ermöglicht, die ein anderer Steuerschuldner (hier: die jeweilige GKV) an den Fiskus zu entrichten hat.
54
b) Auch der Ansatz von „negativen Umsätzen“ in Höhe der an die Kassenpatienten gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen“) kommt nicht in Betracht, weil es sich hierbei nicht um Umsätze der Klägerin an die Kassenpatienten handelt, für die diese ein Entgelt an die Klägerin zahlen, sondern umgekehrt um Zahlungen an die Patienten für ihre Mitwirkungsleistung, die der Klägerin erst die Erfüllung ihrer Beratungspflichten ermöglichen (vgl. BFH, Beschluss vom 24.02.2015 V B 147/14, Rn. 11).
55
c) Die begehrte Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 2013 kann auch nicht – wie zu Recht zwischen den Beteiligten unstreitig ist – durch eine direkte Anwendung des § 17 UStG erreicht werden.
56
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, den geschuldete Umsatzsteuerbetrag zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz geändert hat.
57
Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG liegen im Streitfall nicht vor.
58
aa) Bei der Bemessung der steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen der Medikamente ist ein Abzug der Zahlung für Beratung von der Bemessungsgrundlage nicht möglich, weil § 17 UStG ausdrücklich die Änderung der Bemessungsgrundlage bei einem „steuerpflichtigen Umsatz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG“ voraussetzt (vgl. auch BFH, Beschluss vom 24.02.2015 V B 147/14, Rn. 10 m.w.N). Die Lieferungen an die GKVen sind jedoch – wie oben dargestellt – aus der Sicht der Klägerin keine im Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze.
59
bb) Das Tatbestandsmerkmal „für diesen Umsatz“ ist nach den Umständen des Streitfalls ebenfalls nicht gegeben. Denn es besteht insoweit keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geforderte hinreichende Verknüpfung zwischen den im Oktober 2013 gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen) an Kassenpatienten und den ab dem 01.10.2013 erklärten steuerpflichtigen (Versandhandels)Umsätzen an die Privatpatienten und Kunden von OTC Produkten (vgl. auch BFH, Beschluss vom 24.02.2015 V B 147/14, Rn. 10 m.w.N.). Auch die vor dem 01.10.2013 mit Zustimmung des Beklagten aufgrund der Vereinfachungsregel in Abschn. 1 a. 2. Abs. 14 UStAE a.F. als steuerpflichtig behandelten Lieferungen von verschreibungspflichtigen Medikamenten stehen im keinen Zusammenhang mit den ab dem 01.10.2013 gewährten Prämien („Aufwandsentschädigungen) an andere Kassenpatienten.
60
cc) Schließlich „ändern“ die an Kassenpatienten gezahlten Prämien („Aufwandsentschädigung“), welche (bei Erwerb von verschreibungspflichtigen Medikamenten durch die GKVen) nicht dem jeweiligen Leistungsempfänger zugutekommt, nach Auffassung des Senates – ohne dass es in der Sache für die Entscheidung darauf ankommt – auch nicht wie § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG es voraussetzt „die Bemessungsgrundlage“ der von der Klägerin an die GKVen ausgeführten Umsätze.
61
(1) Durch die Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 16.01.2014 C-300/12, Ibero Tours, BStBl II 2015, 317) ist bereits geklärt, dass Preisnachlässe, welche ein Unternehmer aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten an Personen gewährt, die außerhalb einer Leistungskette stehen, sich nicht auf die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage auswirken. So verhält es sich auch im Streitfall.
62
Unter der Annahme, dass die jeweilige GKV umsatzsteuerlich als Leistungsempfänger anzusehen ist (§ 433 BGB analog), waren die Kassenpatienten, die im Oktober 2013 eine Prämie („Aufwandsentschädigung“) von der Klägerin erhalten haben, nicht Teil einer umsatzsteuerlichen Leistungskette.
63
Zwar kann eine GKV – als juristische Personen des öffentlichen Rechts – unter bestimmten Voraussetzungen Unternehmerin sein (vgl. § 2 Abs. 3 UStG a. F. unter Beachtung von Art. 13 MwStSystRL; § 2 b UStG) und steuerbare (ggf. nach § 4 Nr. 15 UStG steuerfreie) Leistungen ausführen. Soweit eine GKV jedoch ihre originären Versicherungsleistungen gegenüber den gesetzlich Versicherten, den Familienangehörigen und den freiwillig gesetzlich versicherten Personen erbringt, ist sie nicht unternehmerisch sondern hoheitlich tätig. Zu den eigenen gesetzlichen (hoheitlichen) Aufgaben einer GKV gehört die notwendige Behandlung von Krankheiten einschließlich der Versorgung mit (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V i. V. m. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Aufgrund ihrer hoheitlichen Tätigkeit sind die GKVen – und nicht die jeweiligen Kassenpatienten – wirtschaftlich mit Umsatzsteuer belastete Endverbraucher (vgl. auch Ralf Kohlhepp, Besteuerung gesetzlicher Krankenkassen, Seite 8 ff).
64
(2) Soweit die Klägerin im Streitfall tatsächlich von den Kassenpatienten (durch die Anrechnung der Prämie („Aufwandsentschädigung“) auf die Zuzahlung) einen geringeren Geldbetrag erhält, beeinflusst dies aber umsatzsteuerlich nicht die Höhe des Entgelts (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG), d. h alles, was die jeweilige GKV aufwendet, um die Leistung von der Klägerin zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer, wenn die GKV als Leistungsempfänger anzusehen sein sollte.
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Durch die an die Kassenpatienten gewährten Prämien („Aufwandsentschädigung“) mindern sich weder der Aufwand der GKV für den Erwerb der Medikamente, noch der Betrag, den die Klägerin von der GKV als Leistungsempfängerin für die Lieferung der verschreibungspflichtigen Medikamente erhält. Zwar gehört zum Entgelt auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§10 Abs. 1 Satz 3 UStG). Bei der vom Kassenpatienten zu entrichtende Zuzahlung (§ 31 Abs. 3 i.V.m § 61 SGB V) handelt es sich aber nicht um Entgelt von dritter Seite, sondern nur um eine Zahlungsmodalität der jeweiligen GKV.
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Denn ein Kassenpatient begleicht mit einer Zuzahlung keine eigene Schuld gegenüber dem Apotheker, sondern erfüllt eine aus dem Sozialrechtsverhältnis resultierende leistungsabhängige Zahlungspflicht gegenüber der eine Sachleistung gewährenden Krankenkasse, wobei der Apotheker (nur) als Einziehungsstelle fungiert. Wenn der Versicherte trotz schriftlicher Aufforderung durch den Apotheker die Zuzahlung nicht leistet, hat die GKV die Zuzahlung einzuziehen (§ 43 c [Bis 22.07.2015.: 43b ] Abs. 1 Satz 2 SGB V) (vgl. BSG, Urteil vom 03.08.2006 B 3 K R 6/06 R, juris, Rn 32).
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Der Apotheker ist hinsichtlich des Einbehalts der Zuzahlung nur „Dienstleister“ (Einziehungsstelle) für die jeweilige GKV. Im Zeitpunkt der Zahlung des Betrages durch den Kassenpatienten an die Apotheke geht die Zuzahlung nicht in das Vermögen des Apothekers über. Eine Minderung der Zuzahlung durch Gewährung der Prämien („Aufwandsentschädigung“) wirkt nicht gegenüber der GKV. Allein die GKV schuldet den Kaufpreis für das abgegebene Arzneimittel und nur diese hätte deshalb Anspruch darauf, dass die Zuzahlungsbeträge, die Beiträge der Versicherten zur Finanzierung des Gesundheitssystems darstellen, ihrem Vermögen zugeführt werden. Nur aus rein praktischen Gründen verbleiben die Zuzahlungsbeträge bei dem Apotheker und werden nicht an die Krankenkasse weitergeleitet (vgl. BSG, Urteil vom 03.08.2006 B 3 K R 6/06 R, juris, Rn 32). Die GKV als Leistungsempfängerin erfüllt erst dann ihre Kaufpreisschuld (analog § 433 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Apotheker, wenn der Apotheker die für die GKV eingezogene Zuzahlung mit dem von der GKV geschuldeten Kaufpreis (§ 43 c [Bis 22.07.2015.: 43b ] Abs. 1 Satz 1 SGB V) verrechnet und sie den restlichen Kaufpreis an den Apotheker entrichtet.
68
d) Soweit die Klägerin mit Hinweis auf die Kommentierung von Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 17 Tz. 214, 215, weiterhin die Auffassung vertreten sollte, dass ihr in analoger Anwendung des Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL, § 17 Abs. 1 UStG ein Rückforderungsanspruch in Höhe der Umsatzsteuer, die in dem Erstattungsbetrag rechnerisch enthalten sei, zustehe, ist dem nicht zu folgen (vgl. auch Ausführungen des erkennenden Senates in dem Beschluss vom 03.11.2014 1 V 2937/14 A (U).
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Zum einen ist der in der genannten Kommentierung behandelte Sachverhalt mit dem Streitfall nicht vergleichbar, sondern betrifft eine Lieferkette von drei Unternehmern, die jeweils zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Entsprechend kann sich bei Erstattungen (Rabatte) des ersten Lieferers an den letzten vorsteuerabzugsberechtigten Abnehmer die Frage stellen, ob der letzte vorsteuerabzugsberechtigte Abnehmer seinen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG auch dann mindern muss, wenn der erste Lieferer innergemeinschaftlich steuerfrei liefert, und welche Folge dies ggf. für den ersten Lieferer hätte. Vorliegend sind aber unstreitig weder die GKVen noch die Kassenpatienten hinsichtlich der Arzneimittellieferungen der Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt.
70
Zum anderen widerspricht die Ansicht, der zum Vorsteuerabzug berechtigte letzte Unternehmer einer Lieferkette müsse auch bei vorausgegangener innergemeinschaftlicher Lieferung des Rabatt gewährenden ersten Lieferers nach § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG seinen Vorsteuerabzug berichtigen und jener habe im Bestimmungsland in analoger Anwendung des Art. 185 Abs. 1 der MwStSystRL, § 17 Abs. 1 UStG einen Rückforderungsanspruch in Höhe der Umsatzsteuer (vgl. dazu Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 17 Rz. 215), sowohl der in § 17 Abs. 1 UStG geregelten Gesetzeslage als auch dem Unionsrecht in der Auslegung durch den EuGH (vgl. BFH, Urteil vom 05.06.2014 XI R 25/12, BFH/NV 2014, 1692).
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Schließlich wird die Klägerin nicht unionsrechtswidrig gegenüber inländischen Versandhandelsapotheken benachteiligt. Die für eine Lieferkette im Inland geltenden Grundsätze kommen nicht zum Tragen, wenn es sich bei der Lieferung des ersten Unternehmers um eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung handelt. Das verstößt auch nicht gegen den Neutralitätsgrundsatz (vgl. EuGH-Urteil Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339 Rdnr. 31); denn der erste Unternehmer erbringt keine im Inland steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze (vgl. BFH, Urteil vom 04.12.2014 V R 6/13, BFH/NV 2015, 459).
72
e) Auch im Übrigen hält der Senat im Streitfall die entsprechende Anwendung des § 17 UStG (ggf. im Wege der teleologischen Extension) unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 90 MwStSystRL im Streitfall nicht für angezeigt.
73
Der Senat verkennt nicht, dass die inländischen Versandapotheken seit dem 01.10.2013 hinsichtlich der Lieferungen von verschreibungspflichtigen Medikamenten an GKVen rein wirtschaftlich gegenüber der Klägerin begünstigt werden, weil die Finanzverwaltung die Zuzahlung zu dem Medikamentenpreis als Entgelt von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) ansieht mit der Konsequenz, dass Prämienzahlungen an den Kassenpatienten zu einer Entgeltminderung bzw. eine nachträgliche Bonusgewährung zu einer Berichtigung des vereinnahmten Entgelt führt und die inländischen Apotheken nur den um die Bonuszahlung geminderten Betrag der Besteuerung unterwerfen müssen, obwohl sie tatsächlich aber von den GKVen den vollen Bruttobetrag erstattet bekommen.
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Aus dieser Beurteilung der Zuzahlungen durch die Finanzverwaltung (Entgeltminderung durch Prämienzahlungen an Kassenpatienten) bei Inlandssachverhalten- die zudem, ohne dass es im Streitfall darauf ankommt, von der Auffassung des Senates abweicht (vgl. I. 1. c) cc) (2)) – ergibt sich kein Anspruch der Klägerin auf Herabsetzung der Steuerschuld in Höhe von xxxxxxx EUR in entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG im Wege einer teleologischen Extension.
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Eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG ist insoweit nicht möglich, weil nach dem Klagebegehren der Klägerin nicht nur die Rechtsfolgen des § 17 UStG auf einen nicht von dessen Tatbestand erfassten Fall ausgedehnt werden sollen, sondern weil die von der Klägerin angestrebten Wirkungen eine Rechtsfolge darstellt, die in § 17 UStG nicht vorgesehen ist. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG sieht als Rechtsfolge vor, dass der geschuldete Steuerbetrag zu berichtigen ist. Im Streitfall schuldet die Klägerin für die Umsätze ab 01.10.2013 an die GKVen keine Umsatzsteuer, die aufgrund der im Oktober 2013 gezahlten Prämien berichtigt werden könnte. Mit anderen Worten soll für einen in einer Norm nicht geregelten Fall eine nicht geregelte Rechtsfolge eintreten. Dies wäre keine zulässige Rechtsfortbildung im Wege der Analogie, sondern Rechtssetzung, die der rechtsprechenden Gewalt nicht zusteht (vgl. auch FG Münster, Urteil vom 31.01.2017 15 K 3998/15 U, juris).
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2. Selbst dann, wenn man unter der Annahme der von der Klägerin vertretenen Ansicht (vgl. hierzu auch Gutachten vom 27.10.2015, Blatt 38 ff der GA) in den Lieferungen der verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entgegen der bisherigen Besteuerung als innergemeinschaftliche Lieferung wie bei Privatpatienten unmittelbare Umsätze an die Kassenpatienten sehen wollte, für welche die Kasse lediglich im Innenverhältnis zum Patienten die Kosten ersetzen (wogegen aber schon die Rechnungsstellung an die gesetzlichen Krankenkassen spricht), ist die bisher festgesetzte Umsatzsteuer für 2013 nicht um xxxxxxx EUR (= xxxx EUR x 19%) zu mindern.
77
Denn die Klägerin könnte dann zwar die an die Kassenpatienten im Oktober 2013 gezahlten Prämien („Aufwandsentschädigungen“) in Höhe von xxxx EUR von der Bemessungsgrundlage abziehen, müsste jedoch in diesem Falle zusätzlich als Inlandsumsätze die an die Kassenpatienten erbrachten Medikamentenlieferungen versteuern, was nicht zu einer Minderung, sondern zu einer Erhöhung der Umsatzsteuer führen würde (vgl. auch BFH, Beschluss vom 24.02.2015 V B 147/14, Rn. 10 m.w.N.). Eine Erhöhung der Umsatzsteuer entspricht aber nicht der von der Klägerin angestrebten und in der mündlichen Verhandlung beantragten Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzung für 2013.
78
Das Gleiche würden gelten, wenn man die Zuzahlungen der Kassenpatienten (wogegen bereits der umsatzsteuerliche Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung spricht) als Entgelt für eine separate in Deutschland nach § 3c UStG umsatzsteuerpflichtige „Lieferung“(?) behandeln würde. Auch bei einer solchen rechtlichen Beurteilung wäre die Umsatzsteuer – da es, wie die Klägerin vorträgt, zu keiner Auszahlung von Geldbeträgen an die Patienten gekommen sei – bestenfalls in gleicher Höhe wie bisher festzusetzen, wenn sich die Zuzahlungen und die Prämienzahlungen im Oktober 2013 ausgeglichen hätten.
79
Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Besteuerung der Erwerbe der GKVen gemäß § 13 a Abs. 1 Nr. 2 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG i. V. m. § 1 a UStG durch die Finanzverwaltung ab dem 01.10.2013 zu Unrecht erfolgt wäre, wenn die Rechtsauffassung der Klägerin zuträfe, dass der Leistungsaustausch nur zwischen ihr und dem jeweiligen Kassenpatienten stattgefunden habe, ist keine Rechtsnorm mit der von der Klägerin begehrten Rechtsfolge ersichtlich, wonach die gesamte bisher gegenüber den verschiedenen GKVen festgesetzte Umsatzsteuer (Erwerbsteuer) der jeweiligen Kassenpatienten, die seit dem 01.10.2013 bei der Klägerin verschreibungspflichtige Medikamente bestellt haben, an die Klägerin zu „erstatten“ wäre. Auch in diesem Fall käme eine analoge Anwendung des § 17 UStG nicht in Betracht, weil eine Berücksichtigung einer Erstattung oder Anrechnung von Umsatzsteuer, die gegenüber einer andern Person festgesetzt wurde, im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens des „richtigen“ Steuerschuldners ebenfalls eine Rechtsfolge darstellt, die in § 17 UStG nicht vorgesehen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Steuerfestsetzung gegenüber der anderen Person zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist.
80
II. Die hilfsweise erhobene Feststellungklage ist unzulässig.
81
1. Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
82
Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 29.07.2003 VII R 39, 43/02, BStBl II 2003, 828, unter 2.b, m.w.N.).
83
Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum Finanzamt handeln, da nur hierfür der Finanzrechtsweg eröffnet ist (vgl. § 33 FGO); ein Feststellungsbegehren, das allein die privatrechtlichen Beziehungen eines Klägers zu seinen Vertragspartnern und/oder ausschließlich deren abgabenrechtliche Verhältnisse betrifft, ist unzulässig (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 18.05.1988 X R 42/81, BFH/NV 1989, 54; vom 11.04.1991 V R 86/85, BStBl II 1991, 729).
84
Für die Zulässigkeit der Feststellungsklage ist grundsätzlich erforderlich, dass der Kläger ein Interesse an baldiger Feststellung gerade gegenüber dem Beklagten hat (BFH, Urteile vom 07.06.1972 I R 172/70; vom 23.11.1993 VII R 56/93, BStBl II 1994, 356; vom 30.03.2011 XI R 12/08, BStBl II 2011, 819).
85
2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
86
a) Die Klägerin will durch ihren Feststellungsantrag geklärt wissen, ob Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente durch Apotheken unter Berücksichtigung des sozialrechtlichen Sachleistungsprinzips (§ 2 Abs. 2 SGB V) auch umsatzsteuerlich an die GKVen oder direkt an die Kassenpatienten erbracht werden.
87
Diese Rechtsfrage konnte der Senat bei der Beurteilung des Hauptantrages offen lassen (siehe oben), weil diese Frage für den Streitfall unerheblich war.
88
Insoweit scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage bereits daran, dass hinsichtlich dieser Rechtsfrage ein konkretes Rechtsverhältnis und demzufolge ein konkretes Rechtsschutzinteresse fehlt. Auch die Feststellungsklage dient der Wahrung eines konkreten Rechtsschutzinteresses und nicht der Klärung abstrakter Rechtsfragen. Es ist nicht die durch § 19 Abs. 4 GG vorgegebene Aufgabe gerichtlichen Rechtsschutzes, nach Art eines Gutachters abstrakte Rechtsfragen zu klären und verbindliche rechtliche Lösungen für Rechtsfälle zu geben. Wie alle Klagen dient auch die Feststellungklage dem Individualrechtsschutz. Die Gerichte sind dementsprechend nur und erst zur Entscheidung berufen, wenn es sich um die ihnen obliegende Aufgabe der Gewährung von Rechtsschutz geht (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO-Komm., § 41 Rz. 12.; Gräber/Levedag FGO § 41 Rz. 16; BFH, Urteile vom 20.07.1977 VII R 42/76, BStBl. II 1977, 767; vom 26.03.1981 VII R 14/78, BStBl. II 1981, 586, vom 18.05.1988 X R 42/81, BFH/NV 1989, 54).
89
b) Darüber hinaus ist die Feststellungklage unzulässig, weil die von der Klägerin weiterhin begehrte Feststellung hinsichtlich der Frage, ob Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente an Kassenpatienten nach § 3 c UStG im Inland umsatzsteuerpflichtig sind, keiner Feststellung im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO zugänglich ist. Die steuerrechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes ist grundsätzlich dem Steuerfestsetzungsverfahren vorbehalten (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO-Komm., § 41 Rz. 381 m. w. N). Die Prüfung einzelner Tatbestandsmerkmale zur Ermittlung einer Besteuerungsgrundlage (hier: ggf. im Inland steuerpflichtige Versandhandelsumsätze an Kassenpatienten) wird vom Anwendungsbereich des § 41 Abs. 1 FGO nicht erfasst (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 22.12.2003 IX B 100/03, BFH/NV 2004, 532; Hessisches FG, Urteil vom 18.10.2001 9 K 2871/98, juris). Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet gemäß § 157 Abs. 2 AO nur einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheids, soweit die Besteuerungsgrundlagen nicht gesondert festgestellt werden. Wäre eine Feststellungsklage hinsichtlich einer rechtlichen Beurteilung einzelner im Streitjahr bewirkten Umsätze zulässig, obwohl eine Anfechtungsklage gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid keinen Erfolg hatte, würde die Regelung in § 157 Abs. 2 AO leerlaufen.
90
c) Schließlich ist die Feststellungsklage unzulässig, weil es sich bei dem Feststellungsinteresse i.S. des § 41 Abs.1 FGO um ein eigenes abgabenrechtliches Interesse handeln muss (BFH, Urteil vom 11.04.1991 V R 86/85, BStBl II 1991, 729 m.w.N.). § 41 Abs. 1 FGO gestattet keine Prozessstandschaft (vgl. BFH, Urteile vom 18.05.1988 X R 42/81, BFH/NV 1989, 54; vom 25.04.2012 I R 2/11, BFH/NV 2012, 1649).
91
Der Klägerin ist vorliegend letztendlich nicht daran interessiert, möglichst viel Umsatzsteuer an den Beklagten zu entrichten. Die Beurteilung der Lieferungen verschreibungspflichtiger Medikamente an Kassenpatienten als im Inland umsatzsteuerpflichtige (Versandhandels)Umsätze würde aber zu einer erheblichen Erhöhung der gegenüber der Klägerin festzusetzenden Umsatzsteuer führen.
92
Der Klägerin ist vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen daran gelegen, von den GKVen wieder den vollen Bruttopreis für die gelieferten Medikamente erstattet zu bekommen und die GKVen gegenüber den Finanzämtern von der Pflicht zur Durchführung der Erwerbsbesteuerung nach § 13 a Abs. 1 Nr. 2 UStG, § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG i. V. m. § 1 a UStG zu entlasten. Dieses Interesse berechtigt aber nicht, eine Feststellungsklage als zulässig anzusehen, für welche die Voraussetzungen des § 41 Abs.1 FGO nicht vorliegen.
93
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung auf Nichtzulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 FGO.
94
Der erkennende Senat ist bei der Beurteilung des Hauptantrags nicht von der geäußerten Rechtsauffassung des V. Senates BFH im Aussetzungsverfahren (vgl. Beschluss vom 24.02.2015 V B 147/14) abgewichen. Im Übrigen ist für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Fall FGO nicht nur erforderlich, dass die Klärung der Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig erscheint, sondern in einem künftigen Revisionsverfahren auch klärbar ist (vgl. Gräber/Ratschow FGO § 115 Rn. 41; z.B. BFH, Beschluss vom 23.01.2013 X B 84/12, BFH/NV 2013, 771). Die Frage, ob sich die von der Finanzverwaltung vertretene Anknüpfung an das sozialrechtliche Sachleistungsprinzip für die Bestimmung des Leistungsempfängers umsatzsteuerlich rechtfertigen lässt, wäre in einem künftigen Revisionsverfahren mangels Entscheidungserheblichkeit nicht klärbar. Ebenso war die Frage, ob es sich bei einer von den Kassenpatienten zu entrichtenden Zuzahlung (§ 31 Abs. 3 i.V.m § 61 SGB V) um Entgelt von dritter Seite (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG) (so der Beklagte) oder nur um eine Zahlungsmodalität der jeweiligen GKV (vgl. hierzu I. 1. c cc) (2)) handelt, für die Entscheidung des Streitfalls im Ergebnis unerheblich.
Die Entscheidung im Volltext: 1 K 2164/14 U
Der Gewerbesteuermessbescheid für 2010 vom 7.04.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.12.2016 wird in der Weise geändert, dass der Messbetrag auf 0 € festgesetzt wird, wobei als Gewerbeertrag der Organgesellschaften ein Betrag von +… € (statt bisher: …€) anzusetzen ist.
Der Bescheid auf den 31.12.2010 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts vom 8.04.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.12.2016 wird in der Weise geändert, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von …€ festgestellt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
T a t b e s t a n d :
2
Die Klägerin ist im Rahmen einer gewerbesteuerlichen Organschaft Organträgerin für die … A-GmbH (im Folgenden: A-GmbH). Den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2010 setzte der Beklagte (im Folgenden: das Finanzamt) zunächst erklärungsgemäß auf 0 € fest (Bescheid vom 3.06.2014, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung). Außerdem stellte das Finanzamt den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2010 in Höhe von … € fest (Bescheid vom 4.06.2014, ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung).
3
Ab Juni 2014 führte das Finanzamt … bei der A-GmbH eine Betriebsprüfung für den Zeitraum 2008 bis 2010 durch. Der Prüfer stellte fest, dass die Gesellschaft bis 2009 keinen erweiterten Kürzungsbetrag für Grundbesitz geltend gemacht hatte, weil sie über die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes und über die Errichtung und Veräußerung von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen hinaus einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hatte. Zum Ende 2009 sollte planmäßig der gesamte eigene Grundstücksbestand der A-GmbH, der dem Bauträgergeschäft und dem gewerblichen Grundstückshandel zuzuordnen (und deshalb im Umlaufvermögen aktiviert) war, an die Z-GmbH (im Folgenden: Z-GmbH) veräußert werden. Aus diesem Grunde hatte die Klägerin, nach dem (vermeintlichen) Wegfall „schädlicher“ Aktivitäten, für 2010 die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) um den Teil des Gewerbeertrags geltend gemacht, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der A-GmbH entfiel (nämlich … €).
4
Allerdings war — wie der Prüfer bemerkte — ein Grundstück aus dem Bauträgergeschäft der A-GmbH nicht an die Z-GmbH übergegangen. Es handelte sich um das Grundstück S-Straße in S-Stadt. Dies hatte die A-GmbH als unbebautes Grundstück vor Jahren erworben. Im Jahr 2009 verkaufte die A-GmbH das erschlossene unbebaute Grundstück an ein Ehepaar mit der übernommenen weiteren Verpflichtung, hierauf ein freistehendes Einfamilienhaus schlüsselfertig zu errichten (notariell beurkundeter Grundstückskaufvertrag und Bauerrichtungsvertrag vom 23.06.2009). Den Bau des Einfamilienhauses stellte die A-GmbH in 2009 nicht fertig. Da im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufer-Ehepaars eingetragen war, wurde es Ende 2009 im Zuge der Umstrukturierung an die Z-GmbH nicht mitveräußert, sondern blieb im Umlaufvermögen der A-GmbH. Allerdings wurde das Gebäude vereinbarungsgemäß durch die Z-GmbH fertiggestellt und übergeben (Abnahme und Übergabeprotokoll vom 2.06.2010), weil die Z-GmbH die Bauträgeraktivitäten der A-GmbH fortführte. Die Schlussrechnung einschließlich Sonderwunschleistungen wurde durch eine Service GmbH vereinnahmt, die für die A-GmbH und die Z-GmbH auftrat. Die A-GmbH erhielt hieraus über die bis zum 31.12.2009 aktivierten Herstellungskosten (ca. 74.000 €) zusätzlich einen Gewinnanteil von 5.000 €.
5
Der Prüfer vertrat die Ansicht, das zurückbehaltene Grundstück sei bis zur Gewinnrealisierung dem gewerblichen Grundstückshandel der A-GmbH zuzuordnen; hieraus habe die A-GmbH noch im Jahr 2010 originäre gewerbliche Einkünfte erzielt, die der erweiterten Kürzung entgegenstünden. Einkünfte aus der Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern seien für die Gewährung der erweiterten Kürzung nur unschädlich, wenn sie im Rahmen bloßer privater Vermögensverwaltung, nicht aber eines gewerblichen Grundstückshandels angefallen seien. Der Prüfer berücksichtigte nur die einfache Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG, nämlich in Höhe von … €. Das Finanzamt folgte der Auffassung des Prüfers und erließ unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2010 (vom 7.04.2015), worin es, ausgehend von einem gerundeten Gewerbeertrag von … €, einen Gewerbesteuermessbetrag von … € festsetzte. Zugleich hob es die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 gemäß § 35 b Abs. 2 GewStG auf (Bescheid vom 8.04.2015).
6
Der hiergegen erhobene Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Finanzamt führte nach Absprache mit der Oberfinanzdirektion im Rahmen der Einspruchsentscheidung (vom 2.12.2018) aus, Voraussetzung für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei, dass das Grundstücksunternehmen ausschließlich vermögensverwaltend tätig sei. Denn Sinn der Vorschrift sei, eine Schlechterstellung grundstücksverwaltender Kapitalgesellschaften, die ausschließlich aufgrund ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig seien, gegenüber Einzelsteuerpflichtigen und grundstücksverwaltenden Personengesellschaften zu vermeiden. In der Errichtung und Veräußerung von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen liege grundsätzlich eine nicht begünstigte, aber für die erweiterte Kürzung unschädliche Tätigkeit, allerdings nur, solange hierdurch der Bereich der reinen Vermögensverwaltung nicht überschritten werde, also insbesondere kein gewerblicher Grundstückshandel bestehe. Im Streitfall habe das verbliebene Grundstück zum Umlaufvermögen eines gewerblichen Grundstückshandels der A-GmbH gehört, der erst mit der Veräußerung dieses letzten Grundstücks im Jahr 2010 beendet worden sei. Dabei sei die Frage, ob der Sache nach eine gewerbliche Tätigkeit gegeben sei, nicht nach den Verhältnissen eines einzelnen Erhebungszeitraums, sondern nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eines mehrjährigen Zeitraums zu beurteilen (BFH-Urteil vom 31.07.1990 I R 13/88, BStBl II 1990, 1075). Nach alledem beinhalte der 2010 bei der A-GmbH erzielte Gewinn (von 5.000 €) auch ohne zusätzliche Aktivitäten als Ausfluss und letzter Akt des in den Vorjahren getätigten „schädlichen“ Grundstückshandels gewerbliche Einkünfte. Trotz der geringen Höhe werde hierdurch die erweiterte Kürzung ausgeschlossen, die die Ausschließlichkeit unschädlicher Einkünfte erfordere.
7
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, es sei seitens der A-GmbH beabsichtigt gewesen, zum Ende 2009 neben dem gewerblichen Grundstückshandel und der Erschließungsträgertätigkeit auf fremden Grundstücken auch die Erschließungs- und Bauträgertätigkeit auf eigenen Grundstücken auf die Z-GmbH zu übertragen. Dies sei bis auf den hier zu beurteilenden Veräußerungsvorgang geschehen. Dieser sei für die erweiterte Kürzung allerdings unschädlich, denn er habe ausschließlich die Wohnbauträgertätigkeit der A-GmbH betroffen. Damit stelle dieser Vorgang den letzten Geschäftsvorfall der früheren unschädlichen Wohnbauträgertätigkeit der A-GmbH dar, nicht dagegen den letzten Geschäftsvorfall eines schädlichen gewerblichen Grundstückshandels. Soweit das Finanzamt meine, die Errichtung und Veräußerung von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen sei nur eine für die erweiterte Kürzung unschädliche Tätigkeit, solange hierdurch der Bereich der reinen Vermögensverwaltung nicht überschritten werde (also bei höchstens 3 Objekten innerhalb von 5 Jahren), werde dieser Ansicht in der Fachliteratur nicht gefolgt. Vielmehr werde auch aus den Motiven des Gesetzgebers (Begünstigung der Wohnungsbauförderung) und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG deutlich, dass die klassische Bauträgerschaft, egal in welchem Umfang sie ausgeübt werde, der erweiterten Kürzung nicht entgegenstehe. Da also die kürzungs-schädlichen Aktivitäten sämtlich Ende 2009 eingestellt bzw. übertragen worden seien, stehe die (notgedrungene bzw. versehentliche) Beibehaltung eines Geschäftsvorfalls aus dem kürzungs-unschädlichen Bereich Wohnbauträgermaßnahmen der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung für das Streitjahr nicht entgegen.
8
Die Klägerin beantragt,
9
den Gewerbesteuermessbescheid für 2010 vom 7.04.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.12.2016 dahingehend zu ändern, dass als Gewerbeertrag der Organgesellschaften ein Betrag von +… € (statt bisher: +… €) angesetzt wird, sich ein Gewerbeertrag der Klägerin (Organträger) von -… € ergibt und der Messbetrag auf 0 € festgesetzt wird;
10
den Bescheid auf den 31.12.2010 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts vom 8.04.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.12.2016 dahingehend zu ändern, dass ein vortragsfähiger Gewerbeverlust von … € festgestellt wird.
11
Das Finanzamt beantragt,
12
die Klage abzuweisen;
13
hilfsweise: die Revision zuzulassen.
14
Beide Beteiligten haben nach Durchführung eines Erörterungstermins auf mündliche Verhandlung verzichtet.
15
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandten Steuerakten des Finanzamts Bezug genommen.
16
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17
Die Klage ist begründet.
18
Das Finanzamt hat der Klägerin bei der Zurechnung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft A-GmbH die erweiterte Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der A-GmbH betrifft, zu Unrecht versagt.
19
Bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, tritt bei der Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 7 GewStG) gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag an die Stelle der Kürzung nach Nr. 1 Satz 1 der Vorschrift die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
20
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Tätigkeit der A-GmbH beschränkte sich im Streitjahr 2010 darauf, eigenen Grundbesitz zu verwalten und zu nutzen, mit Ausnahme der Fertigstellung und Veräußerung des Einfamilienhaus-Grundstücks S-Straße in S-Stadt.
21
Die Errichtung und Veräußerung dieses Objekts ist der A-GmbH zuzurechnen. Sie war gegenüber den Erwerbern als Vertragspartnerin des Grundstückskaufvertrags und Bauerrichtungsvertrags verpflichtet, das erschlossene unbebaute Grundstück zu übereignen, mit der übernommenen weiteren Verpflichtung, hierauf ein freistehendes Einfamilienhaus schlüsselfertig zu errichten. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen (Fertigstellung des Hauses) hat sie die Z-GmbH lediglich eingeschaltet; die A-GmbH hat ersichtlich nicht (zum Ende 2009 oder später) ein halbfertiges Grundstücksobjekt auf die Z-GmbH übereignet oder ihre eigene vertragliche Verpflichtung als Veräußerin auf die Z-GmbH übertragen. Damit hat die A-GmbH im Streitjahr 2010 die Errichtung und Veräußerung eines Einfamilienhauses selbst betrieben.
22
Diese Tätigkeit ist unschädlich im Hinblick auf die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern (früher „Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen“) und Eigentumswohnungen an sich im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels stattfindet. Der Gesetzeswortlaut sieht ausdrücklich vor, dass die (näher bezeichnete) Bauträgertätigkeit der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht.
23
Der Gesetzgeber hat die „klassische“ Bauträgertätigkeit auch bewusst als unschädlich angesehen. Dies belegen der historische Zusammenhang und die Rechtsentwicklung der Vorschrift. Bei der Erweiterung des Zulässigkeitskatalogs um die Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen (Steueränderungsgesetz 1958 vom 18.07.1958, BGBl I 1958, 473) ging es vornehmlich um die Begünstigung des Erwerbs von Wohneigentum (im Rahmen der Wohnungsbauförderung), weil ansonsten Wohnungsunternehmen wegen ihrer Bauträgertätigkeit benachteiligt gewesen wären (vgl. BT-Drucks. 3/ 260, S. 65; Winkler, Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung für Grundstücksunternehmen nach § 9 Nr. 1 Satz 2 bis 6 GewStG, Diss. Münster 2013, S. 80 m. w. N.; Blümich/ Gosch, § 9 GewStG Rz. 41). Allerdings ist der Gesetzgeber dabei zunächst über das Ziel hinausgeschossen, indem er die Bauträgerumsätze in die Kürzung des Gewerbeertrags der Grundstücksunternehmen einbezogen hat (Blümich/ Gosch, § 9 GewStG Rz. 42, 87 und 88; Winkler, a.a.O, S. 80 mit Fußn. 411.). Mit Wirkung ab 1982 (Zweites Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981, BGBl I 1981, 1523) wurde dies korrigiert: Die Bauträgertätigkeit ist zwar weiterhin unschädlich, jedoch sind die Gewinne aus der Bauträgertätigkeit seitdem in den Gewerbeertrag einzubeziehen (Blümich/ Gosch, § 9 GewStG Rz.43, 85).
24
Hierbei spielt es keine Rolle, dass die Bauträgertätigkeit in der Regel, auch abgesehen von § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (Gewerblichkeit kraft Rechtsform), auf Grund ihres Umfangs (üblicherweise und regelmäßig weitaus mehr als drei Objekte innerhalb von fünf Jahren) ihrer Natur her (also nach den Kriterien des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG) gewerblich ist und als gewerblicher Grundstückshandel zu qualifizieren wäre. Würde man die klassische Bauträgertätigkeit nur im vermögensverwaltenden Umfang als unschädlich (für die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG) erachten, liefe der Anwendungsbereich des Gesetzes im Wesentlichen leer und der gesetzgeberische Wille würde verfehlt (Blümich/ Gosch, § 9 GewStG Rz. 103; Winkler, a.a.O., S. 80 mit Fußn. 414; Güroff in Glanegger/ Güroff, GewStG, § 9 Nr. 1 Rz. 30; Roser in Lenski/ Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Rz. 180). In diesem Sinne dürfte auch der BFH zu verstehen sein, wonach die Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen, auch wenn sie der Sache nach eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, die erweiterte Kürzung ermöglicht (BFH-Urteil vom 31.07.1990 I R 13/88, BFHE 162, 111, BStBl II 1990, 1075, Leitsatz 2).
25
Schädlich hingegen im Hinblick auf die erweiterte Kürzung sind weitere Formen eines gewerblichen Grundstückshandels (z. B. An- und Verkauf unbebauter Grundstücke, Ankauf bebauter Grundstücke und späterer Verkauf), soweit hier die 3 Objekte Grenze überschritten wird (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 18.05.1999 I R 118/97, BFHE 188, 561, BStBl II 2000, 28; FG München, Urteil vom 10.03.2008, 13 K 3694/05, juris). Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben.
26
Das Kriterium der zeitlichen Gesamtschau, wonach für die Beurteilung des gewerblichen Grundstückshandels das Gesamtbild der Verhältnisse eines mehrjährigen Zeitraums zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 18.05.1999 I R 118/97, BFHE 188, 561, BStBl II 2000, 28), führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn dies betrifft den schädlichen gewerblichen Grundstückshandel, der solange er auch nur im Hintergrund schwelt, die erweiterte Kürzung verhindert und die Gesamttätigkeit infiziert. Im Streitfall waren aber alle schädlichen Aspekte eines gewerblichen Grundstückshandels mit dem 31.12.2009 durch die Umstrukturierung im Konzern automatisch beendet. Damit spricht das „Gesamtbild der Verhältnisse eines mehrjährigen Zeitraums“ dafür, dass dieser mehrjährige Zeitraum des schädlichen Grundstückshandels Ende 2009 beendet war, sodass auch hierdurch keine Infektion im Jahr 2010 eingetreten ist. Im Streitjahr 2010 blieb nur eine unschädliche Resttätigkeit, nämlich die Veräußerung eines verbliebenen Objektes im Rahmen der klassischen Bauträgertätigkeit.
27
Hiernach ergibt sich folgende Berechnung des Gewerbeertrags/ vortragsfähigen Verlustes aus Gewerbebetrieb der Klägerin:
28
| Gewerbeertrag A-GmbH | … € |
| ./. erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG | ./. … € |
| Hinzuzurechnender Gewerbeertrag A-GmbH | + … € |
| Gewerbeertrag Klägerin (Organträgerin) | ./. … € |
| + Gewerbeertrag A-GmbH (Organgesellschaft) | + … € |
| Vortragsfähiger Verlust aus Gewerbebetrieb | … €. |
29
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
31
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Entscheidung im Volltext: 9 K 3572/16 G,F
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
2
Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid für Steuerschulden der „X-B.V. & Co. KG“. Der Kläger und Herr A waren Geschäftsführer der „X-B.V.“, die wiederum Komplementärin der „X-B.V. & Co. KG“ war.
3
Den Gegenstand des Unternehmens der Steuerschuldnerin bildeten nach dem Gesellschaftsvertrag der Zusammenschluss von Spielern, die in verschiedene Spielgemeinschaften investieren, der Vertrieb von Anteilen der Gemeinschaften durch international tätige Vertriebsgesellschaften und die Durchführung sämtlicher damit zusammenhängender Geschäfte.
4
Die KG sollte nach dem von ihr ausgearbeiteten Vertragswerk und den allgemeinen Geschäftsbedingungen (Teilnahmebedingungen) auf den Zusammenschluss einer Vielzahl von Spielern in inländischen Spielgemeinschaften hinwirken und dazu mit den Spielern entsprechende Geschäftsbesorgungsverträge abschließen. Sie sollte die für die Spielgemeinschaften einzusetzenden Systemreihen (Zahlenkombinationen) entwickeln und den Mitspielern monatlich die Spielgemeinschaft(en), an der bzw. denen sie beteiligt sind, die Anzahl der Anteile, die je Spielgemeinschaft vom Spieler eingesetzt werden, und die Spielscheinnummern der für die jeweiligen Spielgemeinschaften eingesetzten Lottoscheine mitteilen.
5
Die Spielverträge mit den nationalen Lottogesellschaften sollten ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen, dessen Direktor der Kläger war, als Treuhänder abschließen und dabei 44,8 % der von den Spielern gezeichneten Anteilspreise einsetzen. Der verbleibende Teil von 55,2 % der Anteilspreise sollte der Steuerschuldnerin und ihren Beauftragten für die Spielevermittlung, die Serviceleistungen und die Konzeption zustehen. Der Treuhänder sollte die anfallenden Gewinne an sich auszahlen lassen und anteilig an die Mitspieler verteilen.
6
Tatsächlich wurden nur für rund 2 % der Einsätze der Spieler Lottoscheine ausgegeben. Im Übrigen erhielten die Spieler anteilig die Gewinne ausbezahlt, die angefallen wären, wenn mit einem zum Deutschen Lotto- und Totoblock gehörenden Unternehmen (Lottounternehmen) Spielverträge mit den Spielern mitgeteilten Zahlenkombinationen und Spielscheinnummern zustande gekommen wären.
7
Zwischen der KG und den Finanzbehörden war seit Beginn ihrer Tätigkeit im März 2000 – wie schon bei der Vorgängerfirma der KG – streitig, ob die Tätigkeit der KG als Veranstaltung einer Lotterie zu werten ist und dementsprechend der Lotteriesteuer unterliegt mit der Folge, dass keine Umsatzsteuerpflicht bestehe (so die Finanzbehörden) oder ob die KG umsatzsteuerpflichtig und damit vorsteuerabzugsberechtigt ist (so die KG).
8
Dabei war für den Erhebungszeitraum 01.03.2000 bis 30.11.2002 die Frage der Lotteriesteuerpflicht bereits Gegenstand einer finanzgerichtlichen Auseinandersetzung. Sowohl das Finanzgericht – FG – Köln (Urteil vom 16.11.2005 11 K 3095/04, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2006, 849, als auch der Bundesfinanzhof – BFH – (Urteil vom 02.04.2008 II R 4/06, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2009, 735) bestätigten jeweils die Lotteriesteuerpflicht der KG. Nach dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, der für die steuerliche Beurteilung maßgeblich sei, sei die KG als Veranstalter einer der Lotteriesteuer unterliegenden Lotterie anzusehen. Die dagegen von der KG eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 25.03.2010 1 BvR 3382/08).
9
Die dem streitgegenständlichen Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerschulden betreffen die Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2007 sowie für das II. Quartal 2008. Für diese Zeiträume hatte die KG jeweils Vorsteuerbeträge angemeldet, die zu Erstattungsbeträgen führten. Diese Erstattungen wurden nicht ausgezahlt, sondern jeweils mit anderen Steuerschulden der KG (u.a. Lotteriesteuer) verrechnet. Im Zuge der Jahresveranlagung 2004 wurde der Vorsteueranspruch vom Beklagten nicht mehr anerkannt. Der gegen den entsprechenden Umsatzsteuerbescheid 2004 gerichtete Einspruch wurde mit bestandskräftiger Einspruchsentscheidung vom 02.03.2007 als unbegründet zurückgewiesen. Am 30.03.2007 reichte die KG eine vom Finanzamt als Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO gewertete Umsatzsteuererklärung für 2004 ein.
10
Für die Voranmeldungszeiträume I-IV/2005 und I-III/2006 erließ der Beklagte im Mai 2007 geänderte Vorauszahlungsbescheide, mit denen die ursprünglich vorangemeldeten Vorsteuern zurückgefordert wurden. Weiterhin erließ er im Januar 2009 einen Jahressteuerbescheid 2007, mit dem er die vorangemeldeten Vorsteuern für 2007 zurückforderte. Dagegen legte die KG Einsprüche ein, über die mit Einspruchsentscheidungen vom 18.08.2010 entschieden worden ist. Die dagegen erhobenen Klage wurde mit Urteil des FG Düsseldorf abgewiesen (Urteil vom 16.05.2015, 5 K 3311/10). Die gegen die Entscheidung erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies der BFH mit Beschluss vom 27.12.2012 (V B 80/12) als unbegründet zurück. Eine dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das BVerfG nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 13.02.2015, 1 BvR 557/13).
11
Bereits mit Schreiben vom 18.12.2008 bat der Beklagte den Kläger zur Prüfung, ob und in welchem Umfang er als Haftungsschuldner für Steuerrückstände der KG seit dem 28.08.2008 in Anspruch genommen werden kann, um Beantwortung diverser Fragen zu den Vermögensverhältnissen der KG im Haftungszeitraum. Eine Beantwortung erfolgte nicht.
12
Unter dem 08.04.2009 (Übermittlung an den Bevollmächtigten) bzw. dem 07.05.2009 (Übermittlung an den Kläger) erließ der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid, mit dem er ihn für Steuerschulden der KG i.H.v. … Euro gemäß §§ 191, 34, 69 der Abgabenordnung – AO – in Anspruch nahm. Der Haftungsbetrag betraf die Umsatzsteuer 2004, I-IV/2005, I-III/2006, 2007 und II/2008 nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen.
13
Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger als Geschäftsführer der Komplementärin der KG mittelbar der Geschäftsführer der KG gewesen sei. Daher komme er neben der Komplementär-GmbH als Haftungsschuldner in Frage.
14
Es liege ein Steuerschaden durch Nichterfüllung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis vor. Zunächst seien im Umsatzsteuervoranmeldungsverfahren für die Jahre 2004 bis 2007 Vorsteuerbeträge angemeldet worden, die zu Steuererstattungen geführt hätten. Diese Erstattungen seien der Steuerpflichtigen im Wege der Verrechnung mit anderen Steuerschulden, unter anderem Lotteriesteuer, zugeflossen. Im Rahmen der Jahresveranlagungen 2004 sei der Vorsteueranspruch nicht weiter anerkannt worden. Ein entsprechend eingelegter Einspruch sei durch Einspruchsentscheidung abgelehnt worden. Für die Voranmeldungen des Jahres 2005 und für das 1. bis 3. Quartal 2006 sei der geltend gemachte Vorsteueranspruch ebenfalls nicht anerkannt worden. Gleiches gelte für die Jahreserklärung 2007. Entsprechende Rechtsbehelfe seien derzeit noch offen. Die Beträge seien auch mangels Aussetzung der Vollziehung offen und fällig.
15
Bei Zahlungsschwierigkeiten bestünden die Pflichtverletzung und das Verschulden darin, dass der Geschäftsführer Steuerschulden schlechter behandele als andere Verbindlichkeiten, denn es gelte der Grundsatz der anteiligen Tilgung. Der Geschäftsführer müsse die Steuerschulden nur aus den verwalteten Mitteln zahlen; würden diese Mittel zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht ausreichen, so sei er verpflichtet, das Finanzamt aus den verfügbaren Mitteln in etwa in dem gleichen Verhältnis zu bedienen wie die privaten Gläubiger. Benachteilige er das Finanzamt bei der Verteilung der verwalteten Mittel, hafte er mit dem Betrag, der dem Finanzamt bei gleichmäßiger Verteilung zugestanden hätte.
16
Der Haftungsschuldner sei wegen seiner Beweisnähe verpflichtet, im Rahmen des Angemessenen und Zumutbaren an der Sachverhaltsaufklärung zur Feststellung der Haftungsquote mitzuwirken. Komme er dieser Pflicht nicht nach, sei das Finanzamt zur Schätzung nach den vorhandenen und bekannten Unterlagen befugt.
17
Er sei vorliegend zur Schätzung der Tilgungsquote berechtigt, weil der Kläger die Anhörung vom 18.12.2008 nicht beantwortet habe. Ohne bessere Erkenntnis könne er von der Annahme ausgehen, dass der Haftungsschuldner im fraglichen Zeitraum über ausreichende Mittel zur Begleichung der rückständigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis verfügt und deshalb seine Pflichten i.S.d. § 69 AO zumindest grob fahrlässig verletzt habe. Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, dass sich die Gesellschaft bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden in Zahlungsschwierigkeiten befunden habe. Daher werde davon ausgegangen, dass eine vollumfängliche Tilgung der Steuerschulden möglich gewesen sei. Somit sei die Verletzung dieser Zahlungspflicht durch den Kläger verschuldet und kausal für den eingetretenen Steuerschaden.
18
Das Entschließungsermessen, also die Frage, ob ein Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird, sei bei der Erfüllung des Haftungstatbestandes in der Regel auf Null reduziert. Vorliegend seien zudem durch die Erhebungsstelle erfolglose Versuche unternommen worden, die Steuerschulden bei der Steuerschuldnerin selbst einzutreiben. Im Hinblick auf das bereits erfolglose Vorgehen gegen die Gesellschaft sei die Frage, ob ein Haftungsbescheid gegen den Kläger zu ergehen habe, zu bejahen.
19
Hinsichtlich des Auswahlermessens kämen neben dem Kläger die Komplementärin und Geschäftsführerin der Steuerschuldnerin – die „X-B.V.“ – sowie der zweite Geschäftsführer der geschäftsführenden Komplementärin – Herr A – in Betracht. Die „X-B.V.“ werde nicht in Haftung genommen, weil sie in den Niederlanden sitze. Es sei nicht erforderlich, eine Vollstreckung in das Ausland zu versuchen, wenn neben einem ausländischen Haftungsschuldner ein Inländer in Anspruch genommen werden könne. Zur ermessensfehlerfreien Darlegung sei insofern ein Hinweis auf den anderen Haftungsschuldner im Ausland ausreichend.
20
Neben dem Kläger sei auch Herr A in Haftung genommen worden, weshalb weitere Ausführungen zum Auswahlermessen entbehrlich seien.
21
Mit seinem am 08.05.2009 eingelegten Einspruch trug der Kläger vor, dass die Voraussetzungen einer Haftungsinanspruchnahme nicht vorliegen würden.
22
Er -der Kläger – sei als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nicht zugleich Geschäftsführer der Steuerschuldnerin. Geschäftsführerin der KG sei die Komplementär-GmbH gewesen; die sich dabei aus § 34 Abs. 1 AO ergebenden Pflichten würden eigene steuerliche Pflichten der GmbH darstellen. Zwar sei die GmbH als juristische Person nicht selbst handlungsfähig, mit der Folge, dass ihre Pflichten wiederum von ihrem Geschäftsführer zu erfüllen seien. Dadurch werde dieser aber nicht zum Geschäftsführer der KG. Als potentieller Haftungsschuldner komme primär die GmbH in Betracht, erst sekundär deren Geschäftsführer. Diese Stufenfolge sei auch dann zu berücksichtigen, wenn der Primär-Haftende seinen Sitz im Ausland habe.
23
Dem Haftungsbescheid sei nicht zu entnehmen, dass die GmbH durch den für sie handelnden Kläger eine steuerliche Pflicht der KG verletzt habe. Für die streitbefangenen Jahre habe seit Jahren Streit darüber bestanden, ob die Umsätze der KG in den hier streitbefangenen Jahren der Lotteriesteuer unterliegen oder ob die KG zum Vorsteuerabzug berechtigte Umsätze getätigt hat. Wenn man in diesem Punkt eine andere Auffassung als die Verwaltung vertrete, führe dies gerade nicht dazu, dass die abweichende Auffassung und Behandlung durch die Steuerpflichtige eine Pflichtverletzung darstelle. Denn die Auffassung der Steuerpflichtigen werde von mehreren Gutachten namhafter Steuerexperten gestützt.
24
Aus dem Haftungsbescheid ergebe sich nicht konkret, worin die Pflichtverletzung des Klägers liegen solle. Insbesondere könne eine Pflichtverletzung nicht in der Nichtverwendung „vorhandener Mittel“ gesehen werden, da die streitbefangenen Erstattungsansprüche weisungswidrig und in vollem Umfang mit bestrittenen Steuerrückständen verrechnet worden seien.
25
Des Weiteren fehle es an einem Steuerschaden. Bei den geltend gemachten Steuerbeträgen handele es sich um von der KG geltend gemachte Vorsteuerbeträge, die jedoch nicht zur Auszahlung gekommen seien. Vielmehr seien die Erstattungsansprüche mit anderen Steuerrückständen der Steuerschuldnerin verrechnet worden, obwohl es an einer entsprechenden Tilgungsbestimmung der Steuerschuldnerin gefehlt habe. Würde man einen Schaden bejahen, so sei dieser allein durch die eigenmächtige Verrechnung durch den Beklagten entstanden.
26
Mangels einer Pflichtverletzung stelle sich die Frage eines etwaigen schuldhaften Verhaltens des Klägers bezogen auf die vermeintliche Verletzung der steuerlichen Pflichten der KG nicht mehr. Es fehle zudem an der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Steuerschaden. Auch der Grundsatz der anteiligen Tilgung könne nicht verletzt sein, weil die streitbefangenen Erstattungsansprüche weisungswidrig und in vollem Umfang mit bestrittenen Steuerrückständen der Steuerschuldnerin verrechnet worden seien.
27
Darüber hinaus sei die Inanspruchnahme ermessensfehlerhaft. Allein die Erfüllung des Haftungstatbestandes genüge entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zur Inanspruchnahme des Haftenden. Beim Auswahlermessen habe der Beklagte nicht berücksichtigt, dass die GmbH als primäre Haftungsschuldnerin in Betracht komme. Ebenso wenig sei berücksichtigt worden, dass der behauptete Schaden allein durch die weisungswidrige Verrechnung entstanden sei.
28
Mit Einspruchsentscheidung vom 16.11.2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei als Geschäftsführer der GmbH, die wiederum Geschäftsführerin der KG gewesen sei, mittelbar für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der KG verantwortlich gewesen. Er hafte wegen Verletzung seiner Steuerentrichtungspflichten. Zu den Pflichten eines Geschäftsführers gehöre es, fällige und nicht von der Vollziehung ausgesetzte Steuerforderungen zu begleichen. Dieser Pflicht sei er weder zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt noch später nachgekommen. Unerheblich sei, dass die einzelnen Umsatzsteuerforderungen nach ihrer Fälligkeit zeitweise von der Vollziehung ausgesetzt gewesen seien. In solchen Fällen sei spätestens im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit von einer Tatbestandsverwirklichung auszugehen. Der Eintritt der tatsächlichen Fälligkeit nach Ablauf der im Aussetzungsverfahren gewährten Frist sei bei dieser Betrachtung ohne Belang. Darüber hinaus könne die Pflichtverletzung des Geschäftsführers auch dann vorliegen, wenn er ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Vorsorge treffe. Dabei könne ein bestimmtes pflichtgemäßes Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar sei. So sei es vorliegend. Dem Kläger sei die von seiner bzw. der KG abweichende Rechtsauffassung der Finanzbehörden seit den Steuerfahndungsprüfungen in 1997 bzw. 1999 bekannt gewesen. Die Rechtauffassung der Finanzbehörden sei in den sich anschließenden Gerichtsverfahren vor dem FG Köln und dem BFH bestätigt worden. Vor diesem Hintergrund habe der Kläger als gewissenhafter Geschäftsführer damit rechnen müssen, dass die vorangemeldeten Vorsteuererstattungsbeträge zurückgefordert werden. Dieser Pflicht zur Abführung bzw. zur Bereithaltung von Mitteln zur Bezahlung der Umsatzsteuer für den Fall, dass die eingelegten Rechtsbehelfe gegen die Steuerfestsetzung erfolglos bleiben, habe der Kläger auch schuldhaft, nämlich zumindest grob fahrlässig verletzt.
29
Daran ändere nicht, dass sich der Kläger und die KG auf die Auskünfte namhafter Steuerrechtler hinsichtlich der Behandlung der Umsätze gestützt hätten. Denn diese Steuerrechtlicher hätten keine Garantie dafür übernommen, dass die Rechtsauffassung der KG zutreffe. Wenn sich der Kläger trotz der ihm bekannten abweichenden Rechtsauffassung der Finanzbehörden und der Gerichte in den Verfahren zur Lotteriesteuer der Erkenntnis verschlossen habe, dass auch in den Folgejahren die Verfahren zum Nachteil der KG ausgehen können, und es dementsprechend unterlassen habe, Mittelvorsorge für den Fall des Unterliegens zu treffen, handele er pflichtwidrig und grob fahrlässig. Die Pflichtverletzung liege in der Nichterfüllung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und der unterlassenen Mittelvorsorge.
30
Durch die nicht erfüllte Zahlung der Umsatzsteuer und der Nebenleistungen sei auch ein Schaden in Höhe des Steuerausfalls entstanden. Die Haftung erstrecke sich im Ergebnis auch in voller Höhe auf den festgesetzten Verspätungszuschlag und die festgesetzten Zinsen sowie auf die angefallenen Säumniszuschläge.
31
Die Pflichtverletzung des Klägers sei auch ursächlich für den Steuerausfall gewesen. Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers seien nicht nachvollziehbar. Die Verrechnung der Vorsteuerbeträge bedeute nicht, dass insoweit kein Schaden eingetreten sei. Durch die Verrechnungen seien seinerzeit die bestehenden Lotteriesteuerschulden der KG entsprechend gemindert worden. Für den Eintritt des Schadens spiele es keine Rolle, ob die nunmehr zurückgeforderten Vorsteuern der KG ausgezahlt oder im Wege der Verrechnung mit anderen Steuerschulden gutgebracht worden seien. Der Schaden liege darin, dass die jetzt zurückgeforderten Vorsteuerbeträge nicht beglichen worden seien. Damit sei auch nicht eine weisungswidrige Verrechnung durch den Beklagten, sondern die vom Kläger zu verantwortenden Nichtzahlung durch die KG schadensursächlich.
32
Die Inanspruchnahme des Klägers in voller Höhe sei auch unter Beachtung der Grundsätze der anteiligen Tilgung gerechtfertigt. Der Kläger habe die Haftungsanfrage vom 18.12.2008 zu den Liquiditäts- und Vermögensverhältnissen im Haftungszeitraum nicht beantwortet. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, könne gegen den Kläger verwendet werden.
33
Der vom Kläger gegebene Hinweis auf Lotteriesteuerschulden in achtstelliger Höhe reicht für die Unmöglichkeit der Zahlungserfüllung nicht aus. Insofern habe bereits das FG Köln in seinem Beschluss betreffend die Aussetzung der Vollziehung des gegen den Kläger gerichteten Haftungsbescheides zur Lotteriesteuer festgestellt, dass trotz der Höhe dieser Steuern angesichts der der KG zugeflossenen Einnahmen ausreichend Mittel zur Begleichung dieser Schulden zur Verfügung gestanden hätten. Vorliegend bedeute die, dass aus diesen Mitteln auch ausreichende Mittel zur Begleichung der vergleichsweise geringen Vorsteuerrückforderungen hätten zurückgelegt werden können, zumal die nun zurückgeforderten Vorsteuerbeträge durch Verrechnung zur Verringerung der Lotteriesteuerschulden geführten hätten. Außerdem sei die KG offensichtlich auch in der Lage gewesen, ihre Verbindlichkeiten aus den der Vorsteuer zugrunde liegenden Rechnungen zu begleichen. Jedenfalls habe der Kläger nicht Gegenteiliges vorgetragen. Aus seiner mangelnden Mitwirkung habe er Beklagte deshalb zu Recht schlussfolgern dürfen, dass die KG über ausreichende Mittel zur vollständigen Begleichung der Steuerschulden verfügt habe bzw. bei der gebotenen Mittelvorsorge hätte verfügen können.
34
Der Haftungsbescheid lasse auch keine Ermessensfehler erkennen. Der Beklagte habe sich nicht vorrangig an die KG als Haftungsschuldnerin wenden müssen, da eine erfolgreiche Inanspruchnahme im Hinblick auf deren Auslandsansässigkeit von vornherein aussichtlos erschienen sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH hafte eine Komplementär-GmbH allenfalls neben dem Geschäftsführer der GmbH. Ebenfalls nach der ständigen Rechtsprechung des BFH reiche der Hinweis auf die Auslandsansässigkeit des Weiteren in Betracht kommenden Haftungsschuldners im Rahmen der Ermessensausübung aus, ohne dass es einer weiteren Begründung bedürfe.
35
Es bestünden auch keinerlei Zweifel mehr an der Lotteriesteuerpflicht der durch die Steuerschuldnerin getätigten Umsätze, nachdem die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden sei.
36
Mit seiner am 14.12.2010 erhobenen Klage macht der Kläger weiter geltend, dass die Voraussetzungen für eine Haftung nicht vorliegen würden. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass er – der Kläger – allenfalls als mittelbarer Haftungsschuldner in Betracht komme. Es müsste als Geschäftsführer der Komplementär GmbH eine steuerliche Pflicht der Komplementär GmbH verletzt haben und diese wiederum die steuerliche Pflicht der „X-B.V. & Co. KG“ als Steuerschuldnerin verletzt haben. Gerade wegen dieser nur mittelbaren Haftungskonstellation scheide eine Pflichtverletzung aus. Dies gelte vor allem im Hinblick darauf aus, dass er auf die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung habe vertrauen dürfen. Darüber hinaus müsse auch bei der Haftungsinanspruchnahme berücksichtigt werden, dass im vom Beklagten angenommenen Haftungszeitraum keine umsatzsteuerfreien Umsätze mehr erwirtschaftet worden seien. Die Umsätze, aus denen der Vorsteuerabzug geltend macht worden sei, hätte vielmehr ausschließlich dem Zweck gedient, die Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze vor dem Haftungszeitraum zu erstreiten. Die Vorsteuerbeträge hätten also nach dem Verwendungsbegriff des Europäischen Gerichtshofes im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Erwirtschaftung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze gestanden. Insoweit stelle der Beklagte zu Unrecht auf die Umsatzsteuerfreiheit der der Lotteriesteuer unterliegenden Umsätze ab.
37
Der Kläger meint weiter, da die Voraussetzung für eine Haftungsinanspruchnahme schon dem Grunde nach nicht erfüllt seien, bedürfe es zum Grundsatz anteiliger Haftung keiner Darlegungen. Insbesondere sei insoweit eine Mitwirkung entbehrlich.
38
Schließlich leide die Haftungsinanspruchnahme an Ermessensfehlern.
39
In der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2015 hat der Beklagte den Haftungsbescheid dahingehend geändert, dass die Haftungssumme auf … € reduziert wurde.
40
Der Kläger beantragt,
41
den Haftungsbescheid vom 08.04.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 16.11.2010 in Gestalt der Änderung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2015 aufzuheben.
42
Der Beklagte beantragt,
43
die Klage abzuweisen.
44
Er nimmt Bezug auf seine Einspruchsentscheidung.
45
Wegen der weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
46
Entscheidungsgründe:
47
Die Klage ist unbegründet.
48
I. Nach der Teilrücknahme des Haftungsbescheids (dazu BFH-Urteil vom 06.08.1996 VII R 77/95, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl. II 1997, 79; BFH-Beschluss vom 08.02.2008 VII B 156/07, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2008, 967) in der mündlichen Verhandlung entscheidet das Gericht korrespondierend mit dem dementsprechenden Antrag des Klägers nur noch über den verbliebenen Haftungsbetrag von … €.
49
II. Die Klage ist unbegründet. Der Haftungsbescheid ist in Höhe des nach der Reduzierung verbliebenen Haftungsbetrages rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers ist dem Grunde und der Höhe nach zu Recht erfolgt.
50
Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung – AO -). Nach §§ 69, 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen, wenn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in Folge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt (1. Alternative) oder nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden (2. Alternative). Die Voraussetzungen dieses Haftungstatbestandes sind erfüllt.
51
1. Entgegen der Ansicht des Klägers hat der Beklagte zu Recht die zunächst im Voranmeldungsverfahren im Wege der Verrechnung ausgekehrten Vorsteuerüberschüsse zurückgefordert.
52
Nach § 4 Nr. 9 b Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes ‑ UStG ‑ sind Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Dies hat zur Folge, dass für die mit diesen Umsätzen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen kein Vorsteuerabzug gegeben ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) und zu Unrecht erstattete Beträge zurückgefordert werden können. Gegen die Rechtmäßigkeit der insoweit geänderten Steuerfestsetzungen bestehen keine Bedenken. Das Gericht schließt sich insoweit zunächst der Ansicht des BFH in der Entscheidung vom 02.04.2008 (II R 4/06, a. a. O.) an, dass die Tätigkeit der Steuerschuldnerin der Lotteriesteuer unterlag. Die entsprechenden Darlegungen des BFH macht sich das Gericht zu eigen. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde (BVerfG-Beschluss vom 25.03.2010, 1 BvR 3382/08) bestehen auch keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit und die Verfassungswidrigkeit der im konkreten Streitfall einschlägigen Rechtsnorm (hier § 17 RennwLottG). Entgegen der Ansicht des Klägers steht der Rückforderung der Vorsteuerbeträge auch nicht entgegen, dass während der streitigen Veranlagungszeiträume, – unstreitig – keine der Lotteriesteuerpflicht unterliegenden Umsätze mehr ausgeführt wurden. Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers waren bereits Gegenstand der gegen die Steuerfestsetzungen gerichteten Verfahren vor dem FG Düsseldorf und des Bundesfinanzhofes. Das Gericht folgt den Ausführungen in den Entscheidungen des FG Düsseldorf vom 16.05.2012 (5 K 3311/10) und des BFH über die gegen die gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde vom 27.12.2012 (V B 80/12). Beide Gerichte haben die Rechtmäßigkeit der Rückforderungen dem Grunde nach bejaht und sich im Rahmen der Entscheidungen auch mit gemeinschaftrechtlichen Einwendungen auseinandergesetzt und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass diese nicht durchgreifen. Auch die gegen diese Entscheidungen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 13.02.2015, 1 BvR 557/13).
53
Aufgrund der genannten Entscheidungen und der Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzung 2004 ist der Kläger zudem nach § 166 AO mit Einwendungen gegen die Steuerfestsetzungen ausgeschlossen. Als Anfechtungsberechtigter Geschäftsführer muss er die bestandskräftig bzw. rechtskräftig gewordenen Festsetzungen gegen sich gelten lassen. Dies Drittwirkung der Steuerfestsetzung gilt auch im Haftungsverfahren (vgl. Klein/Rüsken, § 166 AO, Rz. 1).
54
2. Der Kläger wurde auch zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen.
55
a) Der Kläger gehört zu dem in § 34 Abs. 1 AO benannten Personenkreis. Er war im maßgeblichen Haftungszeitraum in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Direktor gesetzlicher Vertreter der Komplementärin der Steuerschuldnerin. Die Komplementärin war Geschäftsführer der KG. Als juristische Person (eine niederländische B. V.) konnte die Komplementärin nur durch ihren gesetzlichen Vertreter handeln. Der Kläger war damit mittelbar (über die Komplementärin) für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Steuerschuldnerin verantwortlich. Das Gericht folgt insoweit der st. Rspr., dass der Geschäftsführer einer Komplementärgesellschaft, die zur Geschäftsführung der KG berufen ist, persönlich als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 12.06.2007 II 144/2004, – juris -; BFH-Urteil vom 09.07.1985 VII R 127/80, BFH/NV 1986, 65).
56
b) Aufgrund dieser Stellung hatte der Kläger insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus Mitteln, die er verwaltet, entrichtet werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Im Streitfall haftet der Kläger wegen der Verletzung seiner Steuerentrichtungspflichten (§ 69 Satz 1 2. Alt. AO). Zu den Pflichten eines Geschäftsführers gehört es, fällige und nicht von der Vollziehung ausgesetzte Steuerforderungen zu begleichen. Dieser Pflicht ist der Kläger weder zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt noch später nachgekommen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Umsatzsteuer-Forderungen nach ihrer Fälligkeit zeitweise von der Vollziehung ausgesetzt waren. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist in solchen Fällen von einer Tatbestandsverwirklichung spätestens im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit auszugehen. Der Eintritt der tatsächlichen Fälligkeit nach Ablauf der im Aussetzungsverfahren gewährten Frist ist bei dieser Betrachtung ohne Belang (BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Darüber hinaus kann die ‑ eine Haftung des Geschäftsführers voraussetzende Pflichtverletzung ‑ auch dann erfüllt sein, wenn er ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Vorsorge trifft. Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtgemäßes Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar war (BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 19/02, a. a. O., m. w. N.). So ist es im Streitfall. Dem Kläger war die von seiner bzw. der Steuerschuldnerin abweichende Rechtsauffassung der Finanzbehörden bereits seit den Steuerfahndungsprüfungen in 1997 bzw. 1999 bekannt. Die Rechtsauffassung der Finanzbehörden wurde in den sich anschließenden Gerichtsverfahren vor dem FG Köln und dem BFH und letztlich auch dem Bundesverfassungsgericht bestätigt. Vor diesem Hintergrund musste der Kläger als gewissenhafter Geschäftsführer damit rechnen, dass die vorangemeldeten Vorsteuererstattungsbeträge zurückgefordert werden.
57
c) Dieser Pflicht zur Abführung bzw. zur Bereithaltung von Mitteln zur Bezahlung der Umsatzsteuer für den Fall, dass die eingelegten Rechtsbehelfe gegen die Steuerfestsetzung erfolglos bleiben würden, hat der Kläger auch schuldhaft, nämlich zumindest grob fahrlässig, verletzt. Grob fahrlässig i. S. d. § 69 Satz 1 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen verpflichtet und im Stande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt (BFH-Beschluss vom 04.05.1998 I B 116/96, BFH/NV 1998, 1460 m. w. N.). Der Umstand, dass sich der Kläger bzw. die Steuerschuldnerin bei der Behandlung der Umsätze auf die Auskünfte namhafter Steuerrechtler gestützt haben will und er insoweit von der Richtigkeit seiner Rechtsauffassung ausging, ändert nichts an der schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers. Aus der von Steuerrechtlern geäußerten Rechtsansicht ergibt sich angesichts der gegenteiligen Ansicht der Finanzverwaltung keine Rechtfertigung von der Mittelvorsorge abzusehen. Vielmehr war dem Kläger – wie gerade das „Rat einholen“ bei Steuerrechtlern belegt – das Risiko und die Problematik der von ihm vertretenen Ansicht bewusst. Auch die „Fachleute“ konnten keine Garantie dafür übernehmen, dass die Rechtsauffassung der Steuerschuldnerin zutrifft. Wenn sich der Kläger trotz der ihm bekannten abweichenden Rechtsauffassung der Finanzbehörden und der Gerichte in den Verfahren zur Lotteriesteuer der Vorjahre der Erkenntnis verschloss, dass auch in den Folgejahren die Verfahren zum Nachteil der Steuerschuldnerin ausgehen können, und es dementsprechend unterlässt, Mittelvorsorge für den Fall des Unterliegens zu treffen, handelt er damit pflichtwidrig und grob fahrlässig. Dies gilt ungeachtet dessen, dass es einem Steuerpflichtigen selbstverständlich unbenommen bleibt, eine abweichende Rechtsauffassung zu vertreten und entsprechende Voranmeldungen bzw. Erklärungen abzugeben.
58
d) Entgegen der Annahme des Klägers hat der Beklagte ihm eine abweichende Rechtsansicht auch nicht als Pflichtverletzung vorgeworfen. Die Pflichtverletzung des Klägers liegt ‑ wie dargestellt ‑ in der Nichterfüllung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und der – unstreitig – unterlassenen Mittelvorsorge. Die für die Zahlung der fälligen Steuerbeträge erforderlichen Mittel standen nicht zur Verfügung.
59
e) Durch die nicht erfolgte Zahlung der Umsatzsteuer und der Nebenleistungen ist dem Steuergläubiger auch ein entsprechender Schaden in Höhe des Steuerausfalls entstanden. Die Haftung nach § 69 AO i. V. m. § 34 Abs. 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 3 AO erstreckt sich im Ergebnis auch in voller Höhe auf den festgesetzten Verspätungszuschlag und die festgesetzten Zinsen sowie auf die zu den einzelnen Veranlagungszeiträumen bis zum Erlass des Haftungsbescheides angefallenen Säumniszuschläge.
60
f) Die Pflichtverletzung des Klägers war auch ursächlich für den Steuerausfall. Die Kausalität ist dann gegeben, wenn der Schaden ohne die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre. Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers zum Nichtvorliegen eines kausalen Schadens greifen nicht. Insbesondere folgt aus dem Umstand, dass die Vorsteuerbeträge nicht zur Auszahlung gelangt, sondern mit anderen Steuerrückständen verrechnet worden sind, nicht, dass insoweit kein Schaden eingetreten ist. Durch die Verrechnungen wurden seinerzeit die bestehenden Lotteriesteuerschulden der Steuerschuldnerin entsprechend gemindert. Für den Eintritt des Schadens spielt es keine Rolle, ob die nunmehr zurückgeforderten Vorsteuern der Beklagten ausgezahlt oder im Wege der Verrechnung mit anderen Steuerschulden gutgebracht worden sind. Der Schaden liegt einzig und allein darin, dass die jetzt zurückgeforderten Vorsteuerbeträge nicht beglichen worden sind. Entgegen der Ansicht des Klägers ist auch keine weisungswidrige Verrechnung durch den Beklagten, sondern die vom Kläger zu verantwortende Nichtzahlung durch die Steuerschuldnerin schadensursächlich. Der Beklagte weist im Übrigen zutreffend darauf hin, dass bei Auszahlung sich der Steuerausfall sogar verdoppelt hätte insoweit, als zum Einen Vorsteuern zu Unrecht erstattet und zum Anderen in gleicher Höhe die Lotteriesteuerschulden nicht verringert worden wären.
61
3. Die Haftungsinanspruchnahme des Klägers in voller Höhe ist auch unter Beachtung der Grundsätze der anteiligen Tilgung gerechtfertigt. Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Finanzamts gegenüber anderen Gläubigern trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt; jedoch kann es von dem Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte, die in der Regel nur er erteilen kann, erteilt und die nötige Mitwirkung leistet, damit eine etwaige Tilgungsquote ermittelt werden kann. Er muss insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Steuerschuldnerin zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden bzw. Nebenleistungen, der Höhe der Steuerschulden und Nebenleistungen sowie den an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglichen. Dem ist der Kläger – auch während des gesamten Klageverfahrens – nicht nachgekommen. Er hat die Haftungsanfrage vom 18.12.2008 zu den Liquiditäts- und Vermögensverhältnissen im Haftungszeitraum nicht beantwortet. Die Verletzung dieser Mitwirkungspflicht durch Schweigen oder eine ungerechtfertigte Weigerung, solche in seinem Wissensbereich liegenden Auskünfte zu erteilen, kann gegen den Kläger verwendet werden (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570 m. w. N.). Die mangelnde Mitwirkung geht damit zu Lasten des Klägers.
62
4. Auch im Übrigen bestehen gegen die Höhe des Haftungsbetrages keine Bedenken. Der Beklagte hat die Haftungsbetrag auf die im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung bestehende Haftungsschuld beschränkt. Einwendungen hiergegen hat der Kläger nicht geltend gemacht. Ebenso wenig hat der Kläger – auch nach einer entsprechenden Aufforderung des Gerichts im Termin vom 14.11.2014 – dargelegt, dass Vorsteuerbeträge zurückgefordert wurden, die nicht im Zusammenhang mit dem Streit über die Lotteriesteuer standen.
63
5. Der Haftungsbescheid lässt schließlich auch keine Ermessensfehler erkennen. Der Einwand des Klägers, dass der Beklagte im Hinblick auf die gebotene vorrangige Inanspruchnahme der Komplementärin ermessensfehlerhaft gehandelt habe, greift nicht durch. Vielmehr hat der Beklagte sein Entschließungs- als auch sein Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme der Steuerschuldnerin mangels freiwilliger Zahlung und erfolgloser Vollstreckungsmaßnahmen nicht zum Erfolg geführt habe. Darin liegt eine sachgerechte Ausübung des Entschließungsermessens. Er hat darauf hingewiesen, dass der weitere Geschäftsführer ebenfalls in Haftung genommen worden sei. Auch eine Heranziehung der ausländischen Komplementärin hat er in Betracht gezogen, aber wegen fehlender Erfolgsaussichten davon abgesehen. Von daher ist auch die Ausübung des Auswahlermessens nicht zu beanstanden. Der Beklagte musste sich ‑ entgegen der Auffassung des Klägers ‑ auch nicht vorrangig an die Komplementärin als Haftungsschuldnerin wenden, wenn er eine erfolgreiche Inanspruchnahme im Hinblick auf deren Auslandsansässigkeit von vornherein für aussichtslos hielt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH haftet eine Komplementär-GmbH allenfalls neben dem Geschäftsführer der GmbH (BFH-Urteil vom 09.07.1985 VII R 127/80, BFH/NV 1986, 65 m. w. N.). Ebenfalls nach der ständigen Rechtsprechung des BFH reicht der Hinweis auf die Auslandsansässigkeit des weiteren in Betracht kommenden (Haftungs‑)schuldners im Rahmen der Ermessensübung aus, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (Urteile vom 22.10.1986 I R 261/82, BStBl II 1987, 171; vom 20.07.1988 I R 61/85, BStBl II 1989, 99; Beschlüsse vom 03.12.1996 I B 44/96, BStBl II 1997, 306; vom 08.11.2000 I B 59/00, BFH/NV 2001, 448). Der Beklagte hat seine Ermessenserwägungen damit ebenso wie die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des Haftungstatbestandes auch hinreichend dargelegt.
64
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Soweit der Beklagte durch eine Herabsetzung des Haftungsbetrages von … € auf … € dem Klagebegehren teilweise entsprochen hat, rechtfertigt dies noch keine Kostenteilung. Insoweit liegt nur ein geringfügiges Obsiegen (3,48%) vor (§ 136 Abs. 1 Satz 3 FGO).
Die Entscheidung im Volltext: 14 K 4459/10 H(AO,U)
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
2
Streitig ist die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung.
3
Der Kläger erwarb gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau (A) mit notariellem Kaufvertrag vom 26.11.1998 das Einfamilienhaus „B“ zu einem Kaufpreis von 329.400 DM (= 168.420 €). Die gesamten Anschaffungskosten/Herstellungskosten betrugen 360.812 DM (= 184.480,24 €). Das Einfamilienhaus wird seit 1999 vermietet.
4
Zur Finanzierung der Anschaffung des Einfamilienhauses nahmen der Kläger und seine damalige Ehefrau u.a. Darlehen bei der C i.H.v. 185.000 DM (= 94.589 €) und der D (Darlehens-Nr. ..) i.H.v. 76.000 DM (= 38.858 €) auf.
5
Im März 2006 übernahm der Kläger den Anteil von seiner damaligen Frau.
6
Am 17.11.2006 schloss der Kläger mit der D ein Forward-Darlehen über einen Betrag i.H.v. 112.000 € ab, mit dem die Ursprungsdarlehen zum 01.07.2009 abgelöst werden sollten. Die bereitstellungszinsfreie Zeit betrug 32 Monate. Anschließend sollten Bereitstellungszinsen i.H.v. 3 % p.a. anfallen.
7
Mit Schreiben vom 21.07.2008 kündigte der Kläger gegenüber E – als Rechtsnachfolgerin der C – den Darlehensvertrag zum 01.07.2009. Daraufhin wurde dem Kläger im August 2008 mitgeteilt, eine Kündigung könne vertragsgemäß erst zum 06.07.2010 erfolgen.
8
Am 05.07.2010 valutierte die D den Darlehensbetrag i.H.v. 112.000 € auf ein Konto der damaligen Eheleute. Am gleichen Tag nahm der Kläger eine sog. „eilige Überweisung“ i.H.v. 80.322,45 € an die E vor, mit der u.a. der Darlehensrestbetrag abgelöst wurde. Für diese Überweisung fielen Gebühren i.H.v. 9,50 € (Target 2-Überweisung) an. Die D buchte vom Konto der damaligen Ehegatten zugleich einen Betrag i.H.v. 3.248 € für Bereitstellungszinsen (= 3 % von 112.000 € für die Zeit vom 17.07.2009 bis 05.07.2010) aus dem Forward-Darlehen ab. Mit Gutschrift i.H.v. 26.979,89 € (Tilgungsanteil: 26.904,45 € und Zinsanteil: 75,44 €) am 06.07.2010 löste der Kläger das Ursprungsdarlehen bei der D ab.
9
Mit einer Anzeige nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDVO) vom 16.07.2010 zeigte die D dem Beklagten an, dass der Kläger ihr zur Tilgung und Sicherung des Ablösedarlehens/Forward-Darlehens mit Vereinbarung vom 21.06.2010 seine Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung bei der F i.H.v. 38.000 € abgetreten habe.
10
Am 06.10.2014 erließ der Beklagte einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der Zinsen aus der Kapitallebensversicherung. Zur Begründung führte der Beklage an, die umfassende Steuerpflicht der Zinsen folge aus der Mitfinanzierung folgender Aufwendungen:
11
Target 2 9,50 €
Zinsen für das abgelöste Darlehen bei D 75,44 €
Verwendung unbekannt 1.400,16 €
15
Die Bagatellgrenze nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a letzter Hs EStG a.F. gelte nur im Fall der erstmaligen Finanzierung von AK/HK. Für Umschuldungsdarlehen könne sie nicht erneut in Anspruch genommen werden (Verweis auf BMF-Schreiben v. 15.06.2000, Tz. 43).
16
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch. Von der Summe des Ablösedarlehens i.H.v. 112.000 € habe er 107.226,90 € für die Ablösung der Ursprungsdarlehen verwandt. Von dem Differenzbetrag i.H.v. 4.773,10 € habe er 3.248 € für Bereitstellungszinsen aufgewandt. Diese Bereitstellungszinsen seien bankübliche einmalige Finanzierungskosten, die er steuerunschädlich habe mitfinanzieren dürfen. Dies gelte (unter Verweis auf FG Köln, Urt. v. 22.06.2006 – 10 K 3478/02, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG- 2006, 1509) auch in sog. Neufällen (Darlehensvalutierung des umzuschuldenden Darlehens und Abtretung nach dem 13.02.1992). Die Bereitstellungszinsen seien nicht mit in die Bagatellgrenze einzubeziehen. Zudem sei die Bereitstellungsprovision in seinem Fall selbst ein Darlehen und ermögliche die Anwendung der Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000. Lediglich den verbleibenden Restbetrag i.H.v. 1.525,10 € (= 1.440,16 € [andere mit der Umschuldung im Zusammenhang stehende Kosten] + 75,44 € [Zinsen Ursprungsdarlehen D + 9,50 € [Überweisungskosten]) habe er steuerschädlich verwandt. Dieser Betrag falle jedoch unter die Bagatellgrenze von 5.000 DM (= 2.556 €), die nach der Rechtsprechung auch in Umschuldungsfällen gelte.
17
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Steuerschädlichkeit resultiere daraus, dass ein Fall der Überfinanzierung vorliege. Mit Urteil vom 19.01.2010 – VIII R 40/06, Bundessteuerblatt –BStBl- II 2011, 254 habe der Bundesfinanzhof – BFH – u.a. entschieden, dass auch in Umschuldungsfällen bankübliche Finanzierungskosten mitfinanziert werden könnten. Mitfinanzierte einmalige Finanzierungskosten i.S.d. Tz. 15 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000, d.h. Disagio, Aufwendungen für Zinsbegrenzungsvereinbarungen etc., seien auf die Bagatellgrenze von 2.556 € anzurechnen. Dies habe zur Folge, dass immer dann, wenn einmalige Finanzierungskosten i.d.S. von mehr als 2.556 € mitfinanziert würden, die Bagatellgrenze, die alle denkbaren Aufwendungen einschließlich privater Verwendungen umfasse, überschritten werde (BFH, Urt. v. 12.10.2005 – VIII R 19/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV- 2006, 288).
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Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der Klage unter Verweis auf sein vorprozessuales Vorbringen weiter.
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Der Kläger beantragt,
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1. den Feststellungsbescheid vom 6.10.2014 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherung in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verurteilen, die außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Versicherung des Klägers bei der F enthaltenen Sparanteilen als nicht einkommensteuerpflichtig anzuerkennen,
3. hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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Ergänzend zu den Gründen im Einspruchsverfahren weist er darauf hin, dass die vom Kläger zitierte E-Mail der Oberfinanzdirektion –OFD- vom 16.01.2015, in der diese dem Beklagten zu einer Abhilfe des Einspruchs geraten habe, nicht den vorliegenden, sondern einen anderen Steuerfall betreffe.
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Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang und auf die Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 06.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO-.
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Nach § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO- i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO vom 16.12.1994 (BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zur Versicherung auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind.
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Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.
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Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BStBl. I 1992, 146) –nachfolgend bis zum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG– gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a, b oder c EStG erfüllt sind.
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Zwischen den Beteiligten ist – weil sie zutreffend davon ausgehen, dass alle anderen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind – allein streitig, ob die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG – der einzig für den Sonderausgabenabzug in Betracht kommenden Norm – gegeben sind.
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Das setzt voraus, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und dass die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten übersteigen; dabei ist unbeachtlich, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils insgesamt für einen Teilbetrag bis zu 2.556 € nicht erfüllt sind.
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Diese Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG sind indes nicht gegeben, weil mit dem Ablösungsdarlehen über 112.000 € Aufwendungen finanziert wurden, die nicht zur Gänze zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gehören und weil der anderweitig verwendete Teil der finanzierten Aufwendungen über die Bagatellgrenze von 2.556 € nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG hinausgeht.
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Für die Frage, ob ein Darlehen ganz oder teilweise für Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts verwendet worden ist, kommt es nach ständiger Rechtsprechung auf die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel an (BFH, Urt. vom 02.12.2014 – VIII R 16/12, zitiert nach juris, Rz. 23 m.w.N.).
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Vorliegend hat der Kläger die Summe des Ablösedarlehens i.H.v. 112.000 € wie folgt verwandt:
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Ablösung der Ursprungsdarlehen 107.226,90 €
Bereitstellungszinsen 3.248,00 €
Andere Kosten der Umschuldung 1.440,16 €
Zinsen Ursprungsdarlehen D 75,44 €
Target 2 9,50 €
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Allein die tatsächliche Mitfinanzierung der Bereitstellungszinsen i.H.v. 3.248 € als neu anfallende Finanzierungskosten ist aus Sicht des Senats steuerschädlich (vgl. Söhn in K/S/M, EStG, § 10 Rz. P 123 und Rz. P 252 (März 2005); Lindberg in Frotscher, EStG, § 10 Rz. 203 (März 2014); Bauschatz in Korn, EStG, § 10 Rz. 250 (September 2015); Horlemann, DStR 2001, S. 337 (338); BMF-Schreiben vom 15.06.2000, Rz. 44 a.E.). Insofern ist der Beklagte im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass ein Fall der Überfinanzierung vorliegt.
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Dem steht auch nicht der Hinweis des Klägers auf das Urteil des FG Köln v. 22.06.2006 – 10 K 3478/02, EFG 2006, 1509, welches im Revisionsverfahren im Ergebnis vom BFH (Urt. v. 19.10.2010 – VIII R 40/06, BStBl II 2011, 254) bestätigt wurde, entgegen. Denn diese Urteile betreffen nicht die Finanzierung von Bereitstellungszinsen, sondern die Anschlussfinanzierung von Anschaffungs- und Herstellungskosten durch Neudarlehen mit Disagiovereinbarung. Hierin sieht der BFH, wie er in seinem Urteil vom 12.10.2011 – VIII R 49/09, BStBl II 2014, 156 ausdrücklich festgestellt hat, einen Sonderfall, der nach Ansicht des Senats nicht auf die Finanzierung von Bereitstellungszinsen zu übertragen ist. Mit der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel für die angefallenen Bereitstellungszinsen hat der Kläger vielmehr Finanzierungskosten mit Darlehensmitteln beglichen. Damit hat er das Darlehen nicht in der vom Gesetz geforderten Weise verwendet mit der Folge, dass keine „unmittelbare und ausschließliche“ Verwendung für den begünstigten Zweck gegeben ist (vgl. BFH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII R 7/09, BFH/NV 2012, 564).
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Ungeachtet der fehlenden Bindungswirkung von BMF-Schreiben für das Gericht ist der Hinweis des Klägers auf Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 ebenfalls nicht zielführend. Zunächst ist unstreitig, dass – wie in Satz 1 von Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 festgehalten – mehrere Darlehen durch ein Darlehen umgeschuldet werden können. Satz 2 der Tz. 48 des BMF-Schreibens vom 15.06.2000 lautet: Sollen ein umzuschuldendes Darlehen prolongiert und ein oder weitere Darlehen umgeschuldet werden, kann das zu prolongierende Darlehen um das oder die umzuschuldenden Darlehen aufgestockt werden. Ein solcher Fall ist vorliegend offensichtlich nicht gegeben. Dass für das Ablösedarlehen Bereitstellungszinsen anfielen, steht nicht der Aufnahme eines weiteren Darlehens gleich.
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Da die schädliche Verwendung der Darlehensmittel für die Bereitstellungszinsen bereits die Bagatellgrenze nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG übersteigt, kann offen bleiben, ob diese überhaupt in Umschuldungsfällen Anwendung findet (vgl. hierzu FG Niedersachsen, Urt. v. 28.01.2003 – 15 K 904/99, EFG 2003, 1478 und FG Münster, Urt. v. 13.03.2007 – 1 K 3976/05 F, zitiert nach juris).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Grund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Das Urteil beruht auf einer Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Die Entscheidung im Volltext: 15 K 2050/16 F