Doppelbesteuerungsabkommen mit China

Die Bundesregierung will das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit China durch ein neues ersetzen. Dazu hat sie den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. März 2014 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (18/6449) eingebracht. Es soll das 1985 geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen ersetzen. Doppelbesteuerungen würden bei internationaler wirtschaftlicher Betätigung ein erhebliches Hindernis für Handel und Investitionen darstellen. Das neue Abkommen lehne sich an das Musterabkommen der OECD an, erläutert die Bundesregierung.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 26.10.2015

 

Tarifliche Branchenmindestlöhne mehrheitlich über 10 Euro

WSI: Aktuelle Daten zu Mindestlöhnen

Seit Jahresbeginn gibt es in Deutschland erstmals einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro. Er wird durch eine Reihe von bereits seit längerem bestehenden Branchenmindestlöhnen ergänzt. Nach einer aktuellen Analyse des WSI-Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung haben sich diese Mindestlöhne im vergangenen Jahr positiv entwickelt.

„Die tariflichen Branchenmindestlöhne liegen inzwischen mehrheitlich deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro“ erläutert der Leiter des WSI-Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung, Dr. Reinhard Bispinck. „In 11 Branchen beträgt der Mindestlohn bereits heute 10 Euro und mehr. Der höchste Mindestlohn wird zurzeit bei den Geld- und Wertdiensten in Nordrhein-Westfalen mit 15,29 Euro gezahlt.“ Die tariflichen Branchenmindestlöhne bieten nach Auffassung des WSI-Tarifexperten eine gute Orientierung bei der anstehenden Anpassung des gesetzlichen Mindestlohnes. Ein Mindestlohn um die 10 Euro könne nicht nur wirkungsvoll dazu beitragen, den Niedriglohnsektor zu verringern, sondern auch die langfristige soziale Absicherung der Niedriglohnempfänger (Rente) verbessern.

Zurzeit gibt es in 19 Branchen tariflich vereinbarte Branchenmindestlöhne, von der Abfallwirtschaft bis zu den Wäschereidienstleistungen. 18 wurden auf Basis des Arbeitnehmerentsendegesetzes, des Tarifvertragsgesetzes bzw. des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärt und gelten deshalb für alle Beschäftigten in den Branchen, unabhängig davon, ob die Betriebe tarifgebunden sind oder nicht. Für eine weitere wurde die Allgemeinverbindlichkeit beantragt. Insgesamt arbeiten in diesen Branchen rund 4,6 Millionen Beschäftigte.

Lediglich in vier Branchen liegen die Mindestlöhne teilweise noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Hier sind aber bereits weitere Erhöhungen vereinbart, die zum Teil über diesen Wert hinausgehen.

  • Leih-/Zeitarbeit: Hier wird der Mindestlohn Ost von 8,20 Euro im Juni 2016 auf 8,50 Euro angehoben.
  • Wäschereidienstleistungen im Objektkundenbereich Ost inkl. Berlin: Der Mindestlohn von derzeit 8,00 Euro wird zum Juli 2016 auf 8,75 Euro angehoben.
  • Textil- und Bekleidungsindustrie Ost: Hier wird der Mindestlohn von 7,50 Euro zum Januar 2016 auf 8,25 Euro und im November 2016 auf 8,75 Euro angehoben.
  • Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau: Die Mindestentgelte von 7,20/7,40 Euro (Ost/West) steigen im Januar 2016 auf 7,90/8,00 Euro und dann im Januar 2017 auf einheitlich 8,60 Euro und im November 2017 auf 9,10 Euro.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Hans-Böckler-Stiftung.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 26.10.2015

 

Bildung elektronischer Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) für Lebenspartner ab dem 1. November 2015

Ab dem 1. November 2015 übermitteln die Meldebehörden Informationen an das BZSt, die für die Bildung der ELStAM bei Lebenspartnern benötigt werden (z. B. IdNr. des Lebenspartners).

Für die vor dem 1. November 2015 begründeten Lebenspartnerschaften, werden diese Informationen kurzfristig von den Meldebehörden an das BZSt übermittelt. Die Ermittlung und Verarbeitung der Daten kann sich bis Ende März 2016 hinziehen.

Ebenfalls ab dem 1. November 2015 werden die Daten zu den Lebenspartnerschaften, soweit vollständig vorhanden, für das Verfahren ELStAM genutzt. Mit Hilfe dieser Daten wird automatisiert die zutreffende Lohnsteuerklassenkombination IV/IV für Lebenspartner in einer Lebenspartnerschaft gebildet und dem Arbeitgeber für den Lohnsteuerabzug bereitgestellt.

Dazu ist folgender wichtiger Hinweis zu beachten:
Soll der Arbeitgeber keinerlei Hinweise auf eine Ehe oder Lebenspartnerschaft erhalten, z. B. wenn ein Ehegatte oder Lebenspartner dies nicht wünscht, kann das schon jetzt sichergestellt werden. Dazu haben alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jederzeit die Möglichkeit, eine ungünstigere Steuerklasse zu beantragen (§ 38b Abs. 3 EStG). Dies ist auch schon möglich, bevor eine Ehe oder Lebenspartnerschaft eingegangen wird. Dadurch wird die automatisierte Bildung der Steuerklasse IV/IV und die Übermittlung an die Arbeitgeber unterdrückt.

Im Verfahren ist so sichergestellt, dass durch diesen Antrag dem Arbeitgeber keine ELStAM mit der Steuerklasse III, IV oder V zum Abruf bereitgestellt werden, aus denen dieser ggf. Rückschlüsse auf den Familienstand ziehen kann. Dieser Antrag ist beim für Sie zuständigen Finanzamt einzureichen (https://www.formulare-bfinv.de/).

Ebenso können Sie sich an das für Sie zuständige Finanzamt wenden, wenn Sie eine andere Lohnsteuerklassenkombination, z. B. III/V oder die Kombination IV/IV mit Faktorverfahren wünschen.

Quelle: BZSt, Pressemitteilung vom 20.10.2015

 

Erhebung der Zweitwohnungsteuer in Münster rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 14. Oktober 2015 die Klage eines mit Nebenwohnsitz in Münster gemeldeten Klägers abgewiesen, der sich gegen die Erhebung der Zweitwohnungsteuer durch die Stadt Münster gewendet hatte.

Der Kläger hatte zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht: Die in der betreffenden Satzung der Stadt Münster bestimmte Zweitwohnungsteuer sei verfassungswidrig. Bei ihr handele es sich schon nicht um eine Aufwandsteuer. Der Beklagten entstünde durch die Zweitwohnung kein Aufwand, den es zu kompensieren gelte. Die Beklagte verfolge mit der Steuer, neben der Einnahmesteigerung unzulässigerweise weitere Ziele. Sie beabsichtige mit dieser Steuer die Betroffenen dazu zu zwingen, sich mit Hauptwohnsitz in ihrer Stadt anzumelden, und so die Wählerschaft zu erweitern und ihre an die Einwohnerzahl geknüpften Finanzzuweisungen zu erhöhen. Auch werde der Zweitwohnungsinhaber gegenüber dem Inhaber einer Hauptwohnung im Stadtgebiet ungerechtfertigt benachteiligt. Der Kläger habe mit der anderweitigen Anmeldung seines Hauptwohnsitzes seine Heimatverbundenheit mit dieser Stadt, in der er auch sein politisches Wahlrecht wahrnehme, und seine Weigerung, sich in Münster mit Hauptwohnsitz zu melden, zum Ausdruck gebracht. Der Zwang, sich zur Vermeidung der Zweitwohnungsteuer in Münster mit Hauptwohnsitz anzumelden, benachteilige ihn in seinem grundrechtlich geschützten Recht auf Heimat und Herkunft. Schließlich sei er nicht zweitwohnungsteuerpflichtig. Seine Wohnung in Münster könne nicht als Zweitwohnung angesehen werden, da es in seinem Falle schon an einer anderweitigen Erstwohnung fehle. Bei der Wohnung in seiner Heimatstadt handele es sich um die Wohnung seiner Eltern, in der er seit Jahren nicht einmal mehr einen Schlafplatz habe.

Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht. In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es unter anderem: Die Satzung der Stadt Münster über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 08.12.2010 sei mit höherrangigem Landesrecht vereinbar und entspreche auch den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Bei der Zweitwohnungsteuer handele es sich um eine örtliche Aufwandsteuer. Hiermit werde die in der Verwendung des Einkommens zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuert. Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung sei ein solcher besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordere und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringe. Damit komme es gerade nicht darauf an, ob die Steuer einen etwaigen Aufwand der Gemeinde gerade für Zweitwohnungen ausgleichen solle. Die Steuer sei nach ihrer Zweckbestimmung auf die Einnahmeerzielung durch die Gemeinde angelegt. Eine darüber hinausgehende Zweckverfolgung sei rechtlich unschädlich. Das gelte insbesondere für ein mit der Steuer möglicherweise ergänzend verfolgtes Ziel, die Betroffenen zu einer Verlegung ihres Erstwohnsitzes zu veranlassen. Die Steuersatzung greife auch nicht in das Recht ein, nicht wegen seiner Heimat benachteiligt zu werden. Der Kläger könne seine Verbundenheit zu seiner Heimatstadt in jeder in Betracht kommenden Weise zum Ausdruck bringen. Die finanzielle Belastung mit einer Zweitwohnungsteuer für eine anderweitig gehaltene Zweitwohnung stehe dem nicht entgegen. Die Satzung sei auch rechtsfehlerfrei angewandt worden. Die melderechtlich in Münster als Zweitwohnung gemeldete Wohnung erfülle die Besteuerungsvoraussetzungen. Dabei komme es nicht auf die Qualität seiner melderechtlichen Hauptwohnung an. Sein Vorbringen, er habe seit Jahren in der von ihm melderechtlich als Hauptwohnsitz gemeldeten Wohnung seiner Eltern weder ein eigenes Zimmer noch eine eigene Wohnung, sei rechtlich unerheblich. In der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung sei im Zusammenhang mit den sog. „Kinderzimmerfällen“ von Studierenden geklärt, dass ein eigenes Zimmer oder eine sonstige rechtliche oder tatsächliche Verfügungsbefugnis für die Annahme einer Erstwohnung nicht erforderlich sei, es vielmehr allein darauf ankomme, ob ein Steuerpflichtiger diese Wohnung melderechtlich als Hauptwohnung angemeldet habe. Damit erkläre der Steuerpflichtige, dass er diese Erstwohnung jedenfalls zur Mitwohnmöglichkeit vorwiegend nutze und dort typischerweise sein allgemeines Wohnbedürfnis abgedeckt werde. Sollte dies unzutreffend sein, wäre eine melderechtliche Bereinigung vorzunehmen. Solange dies jedoch nicht erfolgt sei, sei die melderechtliche Situation zugrunde zu legen.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen beantragt werden.

Quelle: VG Münster, Pressemitteilung vom 23.10.2015 zum Urteil 9 K 399/15 vom 14.10.2015 (nrkr)

 

Umtausch in virtuelle Währung Bitcoin von Mehrwertsteuer befreit

Der Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ ist von der Mehrwertsteuer befreit.

Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie1 unterliegen Lieferungen von Gegenständen sowie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt bzw. erbringt, der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch u. a. die Umsätze von der Steuer befreien, die sich auf „Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind“.

David Hedqvist, ein schwedischer Staatsbürger, beabsichtigt die Erbringung von Dienstleistungen, die im Umtausch konventioneller Währungen in die virtuelle Währung „Bitcoin“ und umgekehrt bestehen. „Bitcoins“ sind eine virtuelle Währung, die im Internet für Zahlungen zwischen Privatpersonen sowie in bestimmten Internetshops, die diese Währung akzeptieren, verwendet wird. Die Nutzer können diese Währung auf der Grundlage eines Wechselkurses kaufen und verkaufen. Vor der Durchführung solcher Umsätze beantragte Herr Hedqvist beim schwedischen Steuerrechtsausschuss einen Vorbescheid, um in Erfahrung zu bringen, ob beim An- und Verkauf von „Bitcoin“-Einheiten Mehrwertsteuer zu entrichten ist. Nach Auffassung dieser Kommission sind „Bitcoins“ ein Zahlungsmittel, das wie gesetzliche Zahlungsmittel verwendet wird. Die von Herrn Hedqvist geplanten Umsätze müssten daher von der Mehrwertsteuer befreit werden.

Das Skatteverk, die schwedische Steuerbehörde, hat gegen den Bescheid der Steuerrechtskommission beim Högsta förvaltningsdomstol (Oberstes Verwaltungsgericht, Schweden) Klage erhoben. Es macht geltend, dass die von Herrn Hedqvist geplanten Umsätze nicht unter die in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen fielen. Unter diesen Umständen hat der Högsta förvaltningsdomstol dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob solche Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen und, falls dies der Fall sein sollte, ob sie von dieser Steuer befreit sind.

In seinem Urteil geht der Gerichtshof davon aus, dass Umsätze in Form des Umtauschs konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung „Bitcoin“ (und umgekehrt) Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne der Richtlinie darstellen, da sie im Umtausch verschiedener Zahlungsmittel bestehen und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der von Herrn Hedqvist erbrachten Dienstleistung und dem von ihm erhaltenen Gegenwert besteht, d. h. der Spanne, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem er die Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird.

Der Gerichtshof ist ferner der Auffassung, dass diese Umsätze nach der Bestimmung, die sich auf Umsätze mit „Devisen, Banknoten und Münzen …, die gesetzliches Zahlungsmittel sind“ bezieht, von der Mehrwertsteuer befreit sind. Diese Bestimmung würde nämlich – im Hinblick auf den Zweck der Steuerbefreiung, der darin besteht, die Schwierigkeiten zu beseitigen, die im Rahmen der Besteuerung von Finanzgeschäften bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer auftreten – einen Teil ihrer Wirkungen verlieren, wenn Umsätze wie die von Herrn Hedqvist geplanten aus ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen würden.

1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S.1).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 22.10.2015 zum Urteil C-264/14 vom 22.10.2015

 

Inflationserwartung kann Ausgabebereitschaft der Verbraucher erhöhen

Studie zeigt Zusammenhang zwischen Mehrwertsteuererhöhung als Inflationstreiber und Anschaffungsneigung

Wenn Verbraucher eine steigende Inflation erwarten, sind sie eher bereit, aktuell mehr Geld für langlebige Güter auszugeben. Das belegt eine Studie, die Wissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der University of Chicago und der University of Maryland gemeinsam mit GfK durchgeführt haben. Die Ergebnisse der Studie zeigen krisengeplagten Ländern wie Italien, Spanien oder Griechenland eine weitere Option auf, um den privaten Konsum und somit das Wirtschaftswachstum insgesamt zu steigern.

Inflationserwartungen haben für Haushalte eine besondere Bedeutung. Die erwartete Teuerungsrate fließt in die Konsum- und Sparentscheidungen von Haushalten ein. Die Studie von Dr. Daniel Hoang (KIT), Prof. Michael Weber (Chicago), Prof. D’Acunto (Maryland) und GfK belegt nun erstmals wissenschaftlich, dass höhere Inflationserwartungen bei konstanten Zinsen die Konsumneigung vor allem für langlebige Güter wie Häuser, Autos oder Elektrogeräte positiv beeinflussen.

Inflationserwartung und Ausgabebereitschaft hängen zusammen
Die Studie nutzt ein „natürliches Experiment“. Im November 2005 kündigte die damalige große Koalition in Deutschland überraschenderweise an, im Januar 2007 die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte zu erhöhen. Dieser unerwartete „Schock“ erhöhte die Inflationserwartungen im Jahr 2006 und die tatsächliche Inflation im Jahr 2007. Prof. Michael Weber von der renommierten Booth School of Business der University of Chicago erklärt: „Eine Mehrwertsteuererhöhung erhöht künftige Verbraucherpreise und Haushalte passen in Erwartung steigender Preise ihre Inflationserwartungen an. Die Tatsache, dass die Ankündigung unerwartet war und unabhängig von künftigen Konjunkturerwartungen erfolgte, erlaubt es, einen kausalen Zusammenhang zwischen Inflationserwartungen und Ausgabebereitschaft von Verbrauchern herzustellen“. Die Studie analysiert, wie sich die Konsumneigung der deutschen Verbraucher vor und nach der überraschenden Ankündigung verändert hat. Als Kontrollgruppe dienten Verbraucher aus Großbritannien, Schweden und Frankreich. Dort wurde in diesem Zeitraum keine Mehrwertsteuererhöhung diskutiert oder durchgeführt.

Bevor die deutsche Regierung die Mehrwertsteuererhöhung im November 2005 ankündigte, waren die Trends von Inflationserwartungen und Konsumneigung in beiden Gruppen vergleichbar. „Man kann also annehmen, dass sich die deutschen Verbraucher ohne die angekündigte Mehrwertsteuererhöhung ähnlich wie die Verbraucher in den Kontrollländern verhalten hätten“, erklärt Dr. Daniel Hoang vom KIT. „Direkt nach der Ankündigung entkoppelten sich aber die durchschnittlichen Inflationserwartungen in Deutschland von denen der Kontrollgruppe. Und die Konsumneigung der deutschen Verbraucher stieg im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich an.“

„Bereits im Januar 2006, also weniger als zwei Monate nach Ankündigung der Steuererhöhung, aber immer noch zwölf Monate bevor die Produktpreise durch die höhere Mehrwertsteuer tatsächlich stiegen, erhöhte sich die Konsumneigung in Deutschland im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich. Dieser Effekt nahm kontinuierlich zu und erreichte seinen Höhepunkt im November 2006. Zu diesem Zeitpunkt war die Bereitschaft der Verbraucher, hochwertige Produkte zu kaufen, um mehr als 33 Prozent höher als bei der Kontrollgruppe“, erklärt Rolf Bürkl, GfK-Konsumklima-Experte. Als die Mehrwertsteuer im Januar 2007 tatsächlich um die angekündigten 3 Prozent stieg, fiel die Anschaffungsneigung nahezu auf den gleichen Wert, auf dem sie vor der Ankündigung der Steuererhöhung lag. Hervorzuheben ist, dass die Konsumbereitschaft der deutschen Verbraucher nach der Steuererhöhung nicht unter das Niveau vor der Ankündigung sank. Die Verbraucher gaben also nach der Steuererhöhung nicht weniger Geld für hochwertige Waren aus als vor ihrer Ankündigung im Vergleich zu Haushalten in den Vergleichsländern.

„Die Verbraucher sind eher bereit, Geld für hochwertige Produkte auszugeben, wenn sie davon ausgehen müssen, dass diese Produkte in der Zukunft teurer werden“, ergänzt Bürkl. Konsumenten, die eine höhere Inflation erwarten, haben demnach eine um 8 Prozent höhere Konsumneigung. Bei Verbrauchern, die in Städten leben, ein höheres Bildungsniveau sowie ein höheres Einkommen besitzen, ist dieser Zusammenhang sogar noch stärker ausgeprägt.

Bedeutung für die Praxis
„Zentralbanken auf der ganzen Welt versuchen derzeit, auch mit unkonventionellen Mitteln die Inflationserwartungen und somit auch die Ausgabebereitschaft der Verbraucher zu erhöhen“, so Weber von der University of Chicago. „Die ausgeprägten Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank sind hier das aktuellste Beispiel. Allerdings hat bislang ein wissenschaftlicher Beleg für den Zusammenhang zwischen Inflationserwartung und Anschaffungsneigung gefehlt.“

Die Forschungsergebnisse des Forschungsteams und von GfK sprechen für die Wirksamkeit solcher unkonventionellen Maßnahmen in der Fiskalpolitik. Sie erweitern sozusagen den politischen Werkzeugkasten. Die Studie liefert wichtige neue Ansatzpunkte für politische Entscheidungsträger. Besonders Länder wie Italien, Spanien oder Griechenland, die sich noch immer in einer wirtschaftlichen Stagnation bei gleichzeitig hoher Staatsverschuldung befinden, könnten von diesem Zusammenhang profitieren.

Die deutsche Regierung setzte die Mehrwertsteuererhöhung zur Haushaltskonsolidierung, nicht aber als Maßnahme zur Konjunkturbelebung ein. Soll mit Hilfe dieser Maßnahme die Binnenkonjunktur während einer wirtschaftlichen Rezession oder Stagnation angekurbelt werden, müssten die Verbraucher gleichzeitig in Lage versetzt werden, die höheren Konsumpreise auch zahlen zu können. So legen die Studienergebnisse nahe, dass eine Reihe koordinierter und gestaffelter Erhöhungen der Konsumsteuern bei gleichzeitiger Entlastung der privaten Haushalte, indem beispielsweise die Einkommensteuern gesenkt werden, eine geeignete Maßnahme darstellen können, um den aktuellen Konsum zu steigern. Diese Maßnahmen könnten es erlauben, die Volkswirtschaft als Ganzes zu stimulieren, ohne die öffentlichen Haushalte zusätzlich zu belasten. „Wenn die Rezession überwunden ist, sollten diese Maßnahmen jedoch wieder rückgängig gemacht werden“, fügt Bürkl hinzu. „Durch die dann wieder niedrigeren Preise ließe sich möglicherweise sogar noch einmal ein Schub für den privaten Konsum auslösen.“

Die vollständigen Forschungsergebnisse sind über das Social Science Research Network abrufbar.

Quelle: GfK, Pressemitteilung vom 23.10.2015

 

Nicht anerkannte Behandlungsmethode: Können die Kosten steuerlich berücksichtigt werden?

Nicht anerkannte Behandlungsmethode: Können die Kosten steuerlich berücksichtigt werden?

 Krankheitskosten gehören zu den steuerlich abzugsfähigen außergewöhnlichen Belastungen. Aber gehören auch Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen (Fettabsaugung an den Beinen) dazu? Entscheidend ist, ob eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorliegt.

 Hintergrund

A machte für das Streitjahr 2010 Aufwendungen für eine Operation zur Beseitigung von Lipödemen (Fettabsaugung an den Beinen) in Höhe von 5.500 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie reichte dazu verschiedene ärztliche Bescheinigungen aus 2010 und 2012 sowie ein fachärztliches Gutachten aus 2011 ein, das eine Liposuktion als geeignete Behandlungsmethode ansah.

Das Finanzamt und danach auch das Finanzgericht lehnten den Abzug ab. Es handelte sich ihrer Ansicht nach um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode, für die A nicht den erforderlichen formalisierten Nachweis erbracht hatte.

 Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung des Finanzgerichts nicht beanstandet. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen ist für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden die Zwangsläufigkeit in formalisierter Form nachzuweisen, und zwar durch ein vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK). Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.

Um zu beurteilen, ob eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorliegt, kann sich das Finanzgericht auf allgemein zugängliche Fachgutachten oder solche Gutachten stützen, die in Verfahren vor anderen Gerichten herangezogen wurden. Das Finanzgericht stützte sich im vorliegenden Fall auf ein früheres Urteil eines Oberverwaltungsgerichts in einer Beihilfesache. Nach einem in diesem Verfahren vorgelegten Sachverständigengutachten aus 2009 (also vor der hier streitigen Behandlung in 2010) ist wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass mit einer Liposuktion eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergeht. Die Methode war daher bereits vor der Durchführung der Behandlung nicht anerkannt. Zudem wurde dieses Sachverständigengutachten durch ein dem Oberverwaltungsgericht vorliegendes Gutachten einer Expertengruppe aus 2011 bestätigt. Die Revision wurde daher zurückgewiesen.

Abgeltungsteuer: Bis zu welchem Zeitpunkt kann der Antrag auf Günstigerprüfung gestellt werden?

Abgeltungsteuer: Bis zu welchem Zeitpunkt kann der Antrag auf Günstigerprüfung gestellt werden?

 Bei Einkünften aus Kapitalvermögen fahren die allermeisten Steuerpflichtigen mit der 25 %igen Abgeltungsteuer günstiger. Liegt der individuelle Steuersatz doch mal unter 25 %, sollte der Antrag auf Anwendung der tariflichen Einkommensteuer (Günstigerprüfung) rechtzeitig gestellt werden.

 Hintergrund

Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und aus einer Leibrente. Zudem hatte sie Kapitalerträge. Diese gab sie aber nicht in ihrer Einkommensteuererklärung an, da dafür schon die Abgeltungsteuer von 25 % abgeführt worden war. Im Einkommensteuerbescheid blieben die Kapitaleinkünfte daher unberücksichtigt. Nach Ablauf der Einspruchsfrist stellte die Klägerin einen Antrag auf Günstigerprüfung. Da ihr individueller Steuersatz unter 25 % lag, wollte sie mit dem Antrag eine niedrigere Einkommensteuer erreichen. Finanzamt und Finanzgericht lehnten eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids jedoch ab.

Entscheidung

Auch beim Bundesfinanzhof hatte die Klägerin keinen Erfolg; er hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Seine Begründung: Eine zeitliche Befristung für den Antrag auf Günstigerprüfung ergibt sich aus der Bestandskraft der Steuerfestsetzung. Die Voraussetzungen für die Korrektur eines bestandskräftigen Steuerbescheids liegen hier nicht vor. Zwar wurde dem Finanzamt erst nach der Steuerfestsetzung bekannt, dass die Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hatte, die bei der Gesamtbetrachtung der Besteuerungsgrundlagen zu einer niedrigeren Steuer geführt hätten. Eine Korrekturmöglichkeit für derartige “neue Tatsachen” ist jedoch nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein Verschulden trifft. Ein Verschulden liegt hier aber nach Ansicht des Bundesfinanzhofs vor, da die Klägerin die Steuerbescheinigung über die einbehaltene Kapitalertragsteuer bereits vor der Abgabe der Einkommensteuererklärung erhalten hatte. Deshalb konnte der Antrag auf Günstigerprüfung hier nicht mehr gestellt werden.

Impfung durch Betriebsarzt: Ist ein Impfschaden ein Arbeitsunfall?

Impfung durch Betriebsarzt: Ist ein Impfschaden ein Arbeitsunfall?

Die nächste Grippesaison steht bevor und viele Arbeitgeber bieten wieder für ihre Mitarbeiter Impfungen an. Kommt es dabei zu einem Impfschaden, stellt sich die Frage, ob dieser als Arbeitsunfall anzusehen ist.

 Hintergrund

Eine Museumsmitarbeiterin ließ sich vom Betriebsarzt gegen Grippe impfen. Daraufhin erkrankte sie an einem Guillan-Barre-Syndrom. Sie verklagte die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft auf Anerkennung eines Arbeitsunfalles, weil ihr die betriebsärztliche Impfung von ihrem Arbeitgeber angeboten worden sei. Sie habe sich angesichts des Publikumsverkehrs im Museum vor einer besonderen Ansteckungsgefahr schützen wollen.

 Entscheidung

Das Sozialgericht Dortmund wies die Klage ab. Die Begründung: Nur wenn die mit der Tätigkeit verbundene Gefährdung eine Grippeschutzimpfung über die allgemeine Gesundheitsfürsorge hinaus erforderlich macht, kommt die Anerkennung eines Arbeitsunfalles in Betracht. Dies sei bei der Klägerin im Museum nicht der Fall gewesen. Zwar habe sie Kontakt zu Besuchergruppen gehabt. Die Ansteckungsgefahr sei aber nicht größer gewesen als an anderen Arbeitsplätzen mit Kontakt zu Kollegen und Publikum oder im privaten Bereich, wie z. B. beim Einkaufen.

Kommission stellt Unvereinbarkeit der selektiven Steuervorteile für Fiat in Luxemburg und für Starbucks in den Niederlanden mit dem EU-Beihilferecht fest

Die Europäische Kommission hat per Beschluss festgestellt, dass Luxemburg und die Niederlande Fiat Finance and Trade bzw. Starbucks selektive Steuervergünstigungen gewährt haben, die gegen das EU-Beihilferecht verstoßen.

Die für Wettbewerbspolitik zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager erklärte dazu:„Steuervorbescheide, die die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringern, stehen nicht mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang. Sie sind illegal. Ich hoffe, dass diese Botschaft durch die heutigen Beschlüsse bei den Regierungen der Mitgliedstaaten und den Unternehmen Gehör findet. Alle Unternehmen, kleine wie große, multinational oder auch nicht, müssen ihren gerechten Anteil an den Steuern zahlen.“

Nach eingehenden Untersuchungen, die im Juni 2014 eingeleitet wurden, ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass Luxemburg der Finanzierungsgesellschaft von Fiat und die Niederlande der Kaffeerösterei der Starbucks-Gruppe selektive Steuervorteile gewährt haben. In beiden Fällen wurde der Steuerbetrag, den das Unternehmen entrichten musste, durch einen von der betreffenden nationalen Steuerbehörde erteilten Steuervorbescheid künstlich verringert.

Steuervorbescheide als solche sind absolut legal. Sie werden von den Steuerbehörden ausgestellt, um einem Unternehmen Klarheit über die Berechnung der von ihm zu entrichtenden Körperschaftsteuer oder die Anwendung bestimmter Steuervorschriften zu verschaffen. Mit den beiden geprüften Steuervorbescheiden wurden für die Ermittlung der steuerpflichtigen Unternehmensgewinne jedoch künstliche und komplexe Methoden genehmigt, die diewirtschaftliche Realität außer Acht lassen. Dabei werden für Waren und Dienstleistungen, die ein Unternehmen einer Gruppe bei einem anderen Unternehmen derselben Gruppe kauft, Verrechnungspreise festgelegt, die nicht den Marktbedingungen entsprechen. Auf diese Weise wird der Großteil der Gewinne der Starbucks-Kaffeerösterei ins Ausland verlagert, wo sie ebenfalls nicht besteuert werden. Die Finanzierungsgesellschaft von Fiat zahlte deshalb nur auf zu niedrig angesetzte Gewinne Steuern.

Dies ist nach den EU-Beihilfevorschriften rechtswidrig: Bei Steuervorbescheiden dürfen keine noch so komplexen Methoden verwendet werden, um wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Verrechnungspreise festzulegen, mit denen Gewinne zu Unrecht verlagert werden, damit Unternehmen weniger Steuern zahlen müssen. Dadurch würde den betreffenden Unternehmen ein unfairer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen (in der Regel KMU) verschafft, die auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Gewinne besteuert werden, weil sie für die von ihnen verwendeten Waren und Dienstleistungen Marktpreise zahlen.

Die Kommission hat daher angeordnet, dass Luxemburg und die Niederlande die von Fiat bzw. Starbucks nicht entrichtete Steuer einfordern müssen, um die von den beiden Gruppen in Anspruch genommenen unfairen Wettbewerbsvorteile zu beseitigen und die Gleichbehandlung mit anderen Unternehmen, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, wiederherzustellen. Jedes der beiden Unternehmen muss 20 – 30 Mio. EUR nachzahlen. Außerdem kommen sie nun nicht mehr in den Genuss der Steuervorteile, die sie aufgrund der Steuervorbescheide erhielten.

Die Kommission setzt ihre Untersuchung der Steuervorbescheidpraxis in allen EU-Mitgliedstaaten fort. Dies könnte zur Einleitung weiterer förmlicher Prüfverfahren führen, wenn es Anzeichen für Verstöße gegen die EU-Beihilfevorschriften gibt. Die förmlichen Untersuchungen von in Belgien, Irland und Luxemburg erteilten Steuervorbescheiden sind noch nicht abgeschlossen. Da jeder Fall für sich betrachtet wird, greifen die heutigen Beschlüsse dem Ausgang der laufenden Untersuchungen nicht vor.

Fiat

Fiat Finance and Trade, das seinen Sitz in Luxemburg hat, erbringt unterschiedliche Finanzdienstleistungen (z. B. konzerninterne Darlehen) für andere Unternehmen des Automobilkonzerns in Europa.

Die Untersuchung der Kommission ergab, dass ein 2012 von den luxemburgischen Behörden erteilter Steuervorbescheid der Fiat-Tochter einen ungerechtfertigten selektiven Vorteil verschaffte, der ihre Steuerlast seit 2012 um 20 – 30 Mio. EUR vermindert hat.

Da die Tätigkeiten von Fiat Finance and Trade mit Banktätigkeiten vergleichbar sind, können die steuerpflichtigen Gewinne des Unternehmens ähnlich wie bei Banken durch Berechnung der Kapitalrendite seiner Finanzierungstätigkeiten bestimmt werden. Mit dem Steuervorbescheid wurde jedoch eine künstliche und äußerst komplexe Methode gebilligt, die nicht für die Berechnung des steuerpflichtigen Gewinns zu Marktbedingungen geeignet ist. Die von Fiat Finance and Trade gezahlten Steuern wurden in zweierlei Hinsicht künstlich gesenkt:

  • Aufgrund einer Reihe von wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Annahmen und Anpassungen nach unten ist die im Steuervorbescheid geschätzte Eigenkapitalausstattung wesentlich geringer als das tatsächliche Eigenkapital des Unternehmens.
  • Die für steuerliche Zwecke geschätzte Vergütung für dieses bereits viel zu niedrig angesetzte Kapital liegt ebenfalls weit unter den marktüblichen Sätzen.

Daher hat Fiat Finance and Trade nur auf einen geringen Teil seiner tatsächlichen buchmäßigen Eigenmittel und auf eine sehr niedrige Vergütung Steuern gezahlt. Generell muss ein Unternehmen, dessen steuerbarer Gewinn auf der Grundlage des Eigenkapitals berechnet wird, über eine nach den Normen der Finanzwirtschaft angemessene Kapitalausstattung verfügen. Außerdem muss die Vergütung seiner Tätigkeiten den Marktbedingungen entsprechen. Die beihilferechtliche Prüfung ergab, dass die in Luxemburg versteuerten Gewinne von Fiat Finance and Trade 20 Mal höher gewesen wären, wenn sein Kapital und seine Vergütung auf der Grundlage der Marktbedingungen geschätzt worden wären.

Fiat

Starbucks

Starbucks Manufacturing EMEA BV ist die einzige Kaffeerösterei der Starbucks-Gruppe in Europa. Sie verkauft und vertreibt gerösteten Kaffee und zusammen mit Kaffee angebotene Produkte (z. B. Becher, verpackte Lebensmittel, Gebäck) an Starbucks-Verkaufsstellen in Europa, im Nahen Osten und in Afrika.

Die Untersuchung der Kommission ergab, dass Starbucks Manufacturing durch einen 2008 von den niederländischen Behörden erteilten Steuervorbescheid ein ungerechtfertigter selektiver Vorteil entstand, der die Steuerlast des Unternehmens seit 2008 um 20 – 30 Mio. EUR vermindert hat. Die von Starbucks Manufacturing gezahlten Steuern wurden in zweierlei Hinsicht künstlich gesenkt:

  • Die Kaffeerösterei zahlt Alki, einem im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen der Starbucks-Gruppe, sehr hohe Lizenzgebühren für das Know-how.
  • Ferner zahlt es der in der Schweiz ansässigen Starbucks Coffee Handel SARL einen überhöhten Preis für grüne Kaffeebohnen.

Die Untersuchung der Kommission ergab, dass die Höhe der Lizenzgebühren, die Starbucks Manufacturing an Alki entrichtete, nicht gerechtfertigt ist, da sie den Marktwert nicht angemessen widerspiegelt. Nur Starbucks Manufacturing muss für dieses Know-how zahlen – kein anderes Unternehmen der Gruppe und kein unabhängiges Unternehmen, das für Starbucks Kaffee röstet, muss für die Nutzung desselben Know-hows in mehr oder weniger der gleichen Situation Lizenzgebühren entrichten. Im Falle von Starbucks Manufacturing bedeutet die Existenz und die Höhe der Lizenzgebühren jedoch, dass ein großer Teil seiner steuerbaren Gewinne zu Unrecht Alki zugewiesen wird, das weder im Vereinigten Königreich noch in den Niederlanden Körperschaftsteuer entrichten muss.

Die Untersuchung ergab darüber hinaus, dass die Steuergrundlage von Starbucks Manufacturing auch durch den stark überhöhten Preis, den es der schweizerischen Starbucks Coffee Handel SARL für grüne Kaffeebohnen zahlt, ungerechtfertigterweise verringert wird. Seit 2011 hat sich die Marge für die Bohnen mehr als verdreifacht. Aufgrund des hohen Preises dieses für eine Kaffeerösterei wichtigen Kostenfaktors würden die Geschäftstätigkeiten von Starbucks Manufacturing in diesem Bereich alleine nicht genügend Gewinn abwerfen, um Alki die Lizenzgebühren für das Know-how zu zahlen. Mit der Lizenzgebühr werden daher vor allem Gewinne aus dem Verkauf anderer Erzeugnisse in den Starbucks-Verkaufsstellen (z. B. Tee, Gebäck und Becher), auf die der größte Teil des Umsatzes von Starbucks Manufacturing entfällt, auf Alki verlagert.

Starbucks

Rückforderung

Mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfen müssen nach den EU-Beihilfevorschriften grundsätzlich zurückgefordert werden, um die durch die Beihilfen verursachten Wettbewerbsverfälschungen zu verringern. In den beiden Beschlüssen hat die Kommission die Methode zur Berechnung des Werts des ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteils von Fiat und Starbucks dargelegt. Zu diesem Zweck wird die Differenz zwischen den von den Unternehmen jeweils gezahlten Beträgen und den Beträgen, die sie ohne den Steuervorbescheid hätten zahlen müssen, herangezogen. Dementsprechend müssen sowohl Fiat als auch Starbucks 20 – 30 Mio. EUR nachzahlen. Die genauen Rückforderungsbeträge müssen nun von der luxemburgischen und der niederländischen Steuerverwaltung auf der Grundlage der in den Kommissionsbeschlüssen festgelegten Methode ermittelt werden.

Neue Ermittlungsinstrumente

In den beiden Untersuchungen hat die Kommission für die Einholung von Auskünften erstmals neue Instrumente verwendet, die durch eine Verordnung des Rates im Juli 2013 (Verordnung Nr. 734/2013) geschaffen wurden. In Ausübung dieser Befugnisse kann die Kommission, wenn die Auskünfte des von der beihilferechtlichen Prüfung betroffenen Mitgliedstaats nicht ausreichen, einen anderen Mitgliedstaat oder Unternehmen (einschließlich des Beihilfeempfängers und seiner Wettbewerber) auffordern, ihr alle für die vollumfängliche Würdigung erforderlichen Marktauskünfte zu übermitteln.Diese neuen Instrumente (nach der Verordnung Nr. 734/2013) sind Teil der Initiative zur Modernisierung der Beihilfenkontrolle, die die Kommission 2012 eingeleitet hat, damit sie ihre Durchsetzungsmaßnahmen auf die Beihilfen konzentrieren kann, die den Wettbewerb am stärksten verfälschen können.

Weitere Hintergrundinformationen

Die Kommission untersucht seit Juni 2013, wie die Mitgliedstaaten in der Praxis bei Steuervorbescheiden vorgehen. Im Dezember 2014 richtete sie an alle MitgliedstaatenAuskunftsersuchen. Derzeit führt die Kommission drei weitere eingehende Prüfungen durch, weil sie beihilferechtliche Bedenken wegen Steuervorbescheiden hat, die Apple in Irland, Amazon in Luxemburg und im Rahmen einer belgischen Steuerregelung erteilt wurden.

Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zählt zu den wichtigsten Prioritäten dieser Kommission. Im Juni 2015 stellte die Kommission eine Reihe von Initiativen zur Bekämpfung der Steuervermeidung, zur Sicherung nachhaltiger Steuereinnahmen und zur Verbesserung des Geschäftsumfelds im Binnenmarkt vor. Die geplanten Maßnahmen, die Teil des Aktionsplan der Kommission für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der EU sind, sollen eine erhebliche Verbesserung bewirken und eine gerechtere, effizientere und wachstumsfreundlichere Gestaltung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen in Europa ermöglichen. Kernpunkte des Aktionsplans sind eine Regelung, die die effektive Besteuerung am Ort der Wertschöpfung sicherstellen soll, sowie eine Neuauflage des Vorschlags zur Einführung der gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), der im Laufe des Jahres 2016 wiederaufgegriffen werden soll. Für das im März von der Kommission vorgestellteMaßnahmenpaket zur Steuertransparenz konnte im Oktober 2015 ein erster Erfolg verbucht werden, als die Mitgliedstaaten nach nur siebenmonatigen Verhandlungen eine politische Einigung über den automatischen Austausch von Informationen über Steuervorbescheide erzielten. Diese Rechtsvorschriften tragen zu einer wesentlich höheren Transparenz bei und werden von der missbräuchlichen Nutzung der Steuervorbescheide abschrecken. Das sind gute Nachrichten für Unternehmen und Verbraucher, die die sehr nützlichen Vorbescheide weiterhin erhalten können. Künftig wird dies jedoch genau kontrolliert, um einen Rahmen für fairen Steuerwettbewerb zu gewährleisten.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden die nichtvertraulichen Fassungen der Beschlüsse über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb unter den Nummern SA.38375 (Fiat) und SA.38374 (Starbucks) zugänglich gemacht. Über neu im Internet und im Amtsblatt der EU veröffentlichte Beihilfebeschlüsse informiert der elektronische Newsletter State aid Weekly e-News.

Quelle: EU-Kommission

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin