Kein Sonderausgabenabzug fiktiver Kirchensteuern im Billigkeitswege

Mit Urteil vom 15. September 2015 (Az. 5 K 257/15) hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass ein Steuerpflichtiger, der keiner Kirche angehört, nicht aus Billigkeitsgründen zum Sonderausgabenabzug für fiktive Kirchensteuerbeträge berechtigt ist.

Das Finanzamt veranlagte den Kläger, der keiner Religionsgemeinschaft angehört, zur Einkommensteuer. Da sich der Kläger hierdurch gegenüber Kirchenmitgliedern benachteiligt sah, beantragte er, die Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen insoweit niedriger festzusetzen, als ein Sonderausgabenabzug in Höhe von 9% der veranlagten Einkommensteuer berücksichtigt wird. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab, da der Gesetzgeber nur die anerkannten Religionsgemeinschaften begünstigen wolle.

Die hiergegen erhobene Klage wies der Senat ab. Dem Finanzamt seien bei der Ablehnung des Billigkeitsantrags keine Ermessensfehler unterlaufen. Die Besteuerung des Klägers sei insbesondere nicht sachlich unbillig. Im Gegensatz zu kirchenangehörigen Steuerpflichtigen habe er weder Kirchensteuern noch vergleichbare Zahlungen geleistet. Ein Sonderausgabenabzug setze nach dem Gesetz allerdings Aufwendungen voraus. Unabhängig davon sei eine steuerliche Begünstigung von Kirchenbeiträgen an anerkannte Religionsgemeinschaften sachlich gerechtfertigt, zumal die Kirchen Zwecke verfolgten, die als förderungswürdig im steuerlichen Sinne anzusehen seien. Selbst wenn ein solcher Sonderausgabenabzug sachlich nicht gerechtfertigt und damit verfassungswidrig wäre, könnte der Kläger eine Gleichstellung nicht im Billigkeitswege durch Abzug fiktiver Kirchensteuern erreichen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2015 zum Urteil 5 K 257/15 vom 15.09.2015

 

Nachweis eines niedrigeren Grundbesitzwerts in Anwachsungsfällen durch Anteilskaufpreise nicht zulässig

Wird eine Grundbesitz haltende Personengesellschaft durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aufgelöst und wächst ihr Vermögen dem verbleibenden Gesellschafter an, löst dieser Vorgang Grunderwerbsteuer aus. Im Verfahren über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts kann der gemeine Wert nicht aus den vereinbarten Anteilskaufpreisen oder den Abfindungszahlungen abgeleitet werden. Dies hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteilen vom 12. Februar 2015 (Az. 3 K 336/14 F), vom 12. August 2015 (Az. 3 K 1531/14 F) und vom 10. September 2015 (Az. 3 K 3308/13 F) entschieden.
In den Urteilsfällen war den Klägern im Rahmen der Anwachsung Grundbesitz zugefallen. Das jeweilige Belegenheitsfinanzamt nahm für Grunderwerbsteuerzwecke gesonderte Feststellungen der Grundbesitzwerte nach Maßgabe der §§ 145 ff. BewG vor. Die Kläger begehrten demgegenüber niedrigere Feststellungen nach den jeweiligen gemeinen Werten, die sie aus Anteilskaufpreisen oder Abfindungszahlungen herleiteten.

Der Senat wies die Klagen ab. Eine Bewertung mit einem niedrigeren gemeinen Wert sei zwar gemäß § 138 Abs. 4 BewG möglich. Als Nachweis hierfür seien allerdings gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen nicht geeignet. Soweit für einen Gesellschaftsanteil ein Kaufpreis oder eine Abfindung gezahlt werde, handele es sich hierbei nicht um einen Grundstückskauf. Dies gelte selbst dann, wenn der Grundbesitz das alleinige Vermögen der Gesellschaft bildet, denn der Anteil umfasse nicht allein das Sachvermögen, sondern auch die darüber hinausgehenden Gesellschafterrechte. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts könne vielmehr nur durch ein Gutachten erfolgen, das in allen Urteilsfällen nicht vorgelegen hat. Der Bundesfinanzhof hat gegen die Entscheidung vom 12. Februar 2015 (Az. 3 K 336/14 F) die Revision zugelassen. Das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen II R 47/15 anhängig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.10.2015 zu den Urteilen 3 K 336/14 vom 12.02.2015 (nrkr – BFH-Az.: II R 47/15), 3 K 1531/14 vom 12.08.2015 und 3 K 1531/14 vom 10.09.2015

 

Lohn- und umsatzsteuerliche Behandlung von Betriebsveranstaltungen

Rechtslage nach dem „Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“

Mit dem Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2417, BStBl 2015 I S. 58) wurde die Besteuerung von Zuwendungen an Arbeitnehmer im Rahmen von Betriebsveranstaltungen gesetzlich geregelt. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten bei der Anwendung des am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG die folgenden Grundsätze:

1. Begriff der Betriebsveranstaltung

2. Begriff der Zuwendung

3. Arbeitnehmer

4. Freibetrag
a) Berechnung des Freibetrags
b) Offenstehen der Betriebsveranstaltung für alle Arbeitnehmer
c) Freibetrag für maximal zwei Betriebsveranstaltungen jährlich

5. Besteuerung der Zuwendungen

6. Reisekosten

7. Auswirkungen der gesetzlichen Änderung auf die Umsatzsteuer

8. Zeitliche Anwendung

 

  1. Begriff der Betriebsveranstaltung

 

Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, z. B. Betriebsausflüge, Weihnachtsfeiern, Jubiläumsfeiern. Ob die Veranstaltung vom Arbeitgeber, Betriebsrat oder Personalrat durchgeführt wird, ist unerheblich. Eine Be-triebsveranstaltung liegt nur vor, wenn der Teilnehmerkreis sich überwiegend aus Betriebsan-gehörigen, deren Begleitpersonen und gegebenenfalls Leiharbeitnehmern oder Arbeitnehmern anderer Unternehmen im Konzernverbund zusammensetzt.

 

Die Ehrung eines einzelnen Jubilars oder eines einzelnen Arbeitnehmers z. B. bei dessen Aus-scheiden aus dem Betrieb, auch unter Beteiligung weiterer Arbeitnehmer, ist keine Betriebs-veranstaltung; zu Sachzuwendungen aus solchem Anlass vgl. R 19.3 Absatz 2 Nummer 3 und 4 LStR. Auch ein so genanntes Arbeitsessen (R 19.6 Absatz 2 LStR) ist keine Betriebsveran-staltung.

 

Erfüllt eine Veranstaltung des Arbeitgebers nicht den Begriff der Betriebsveranstaltung, ist nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob es sich bei geldwerten Vorteilen, die der Arbeit-geber seinen Arbeitnehmern im Rahmen dieser Veranstaltung gewährt, um Arbeitslohn nach § 19 EStG handelt.

 

  1. Begriff der Zuwendung

 

Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung sind alle Aufwendungen des Arbeitge-bers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern indivi-duell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Be-triebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.

 

Zuwendungen anlässlich einer Betriebsveranstaltung sind insbesondere:

  1. a) Speisen, Getränke, Tabakwaren und Süßigkeiten,
  2. b) die Übernahme von Übernachtungs- und Fahrtkosten (siehe auch Tz. 6),
  3. c) Musik, künstlerische Darbietungen sowie Eintrittskarten für kulturelle und sportliche Veranstaltungen, wenn sich die Veranstaltung nicht im Besuch der kulturellen oder sportli-chen Veranstaltung erschöpft,
  4. d) Geschenke. Dies gilt auch für die nachträgliche Überreichung der Geschenke an solche Ar-beitnehmer, die aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht an der Betriebsveran-staltung teilnehmen konnten, nicht aber für eine deswegen gewährte Barzuwendung,
  5. e) Zuwendungen an Begleitpersonen des Arbeitnehmers,
  6. f) Barzuwendungen, die statt der in a) bis c) genannten Sachzuwendungen gewährt werden, wenn ihre zweckentsprechende Verwendung sichergestellt ist,
  7. g) Aufwendungen für den äußeren Rahmen, z. B. für Räume, Beleuchtung oder Eventmana-ger.

 

Als Aufwendungen für den äußeren Rahmen sind auch die Kosten zu erfassen, die nur zu ei-ner abstrakten Bereicherung des Arbeitnehmers führen, wie z. B. Kosten für anwesende Sa-nitäter, für die Erfüllung behördlicher Auflagen, Stornokosten oder Trinkgelder. Keine Auf-wendungen für den äußeren Rahmen nach Tz. 2 Buchstabe g) sind die rechnerischen Selbst-kosten des Arbeitgebers, wie z. B. die anteiligen Kosten der Lohnbuchhaltung für die Erfas-sung des geldwerten Vorteils der Betriebsveranstaltung oder die anteilige AfA sowie Kosten für Energie- und Wasserverbrauch bei einer Betriebsveranstaltung in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers.

Die gesetzliche Regelung stellt nicht darauf ab, ob es sich um übliche Zuwendungen handelt. Auch unübliche Zuwendungen, wie z. B. Geschenke, deren Wert je Arbeitnehmer 60 Euro übersteigt, oder Zuwendungen an einzelne Arbeitnehmer aus Anlass – nicht nur bei Gelegen-heit – einer Betriebsveranstaltung unterfallen daher § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG.

 

  1. Arbeitnehmer

 

  • 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG erfasst Zuwendungen des Arbeitgebers an seine akti-ven Arbeitnehmer, seine ehemaligen Arbeitnehmer, Praktikanten, Referendare, ähnliche Per-sonen sowie Begleitpersonen.

 

Aus Vereinfachungsgründen wird es nicht beanstandet, wenn auch Leiharbeitnehmer bei Be-triebsveranstaltungen des Entleihers sowie Arbeitnehmer anderer konzernangehöriger Unter-nehmen einbezogen werden.

 

Die Anwendbarkeit der Regelung auf Leiharbeitnehmer und Arbeitnehmer anderer konzern-angehöriger Unternehmen setzt voraus, dass hinsichtlich dieser Personengruppen die weiteren Voraussetzungen (Offenstehen der Betriebsveranstaltung für alle Angehörigen dieser Perso-nengruppe) des § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a EStG erfüllt sind.

 

  1. Freibetrag

 

Soweit die unter Tz. 2 aufgeführten Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveran-staltung und teilnehmendem Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Ein-künften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Dies gilt für bis zu zwei Be-triebsveranstaltungen jährlich.

 

  1. a) Berechnung des Freibetrags

 

Die Höhe der dem einzelnen Arbeitnehmer gewährten Zuwendungen berechnet sich wie folgt:

 

Alle nach der Tz. 2. zu berücksichtigenden Aufwendungen sind zu gleichen Teilen auf alle bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen. Sodann ist der auf eine Begleitperson entfallende Anteil der Aufwendungen dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurech-nen. Für die Begleitperson ist kein zusätzlicher Freibetrag von 110 Euro anzusetzen.

Beispiel:

Die Aufwendungen für eine Betriebsveranstaltung betragen 10.000 Euro. Der Teilneh-merkreis setzt sich aus 75 Arbeitnehmern zusammen, von denen 25 von je einer Person begleitet werden.

Die Aufwendungen sind auf 100 Personen zu verteilen, so dass auf jede Person ein geldwerter Vorteil von 100 Euro entfällt. Sodann ist der auf die Begleitperson entfal-lende geldwerte Vorteil dem jeweiligen Arbeitnehmer zuzurechnen. 50 Arbeitnehmer haben somit einen geldwerten Vorteil von 100 Euro, der den Freibetrag von 110 Euro nicht übersteigt und daher nicht steuerpflichtig ist. Bei 25 Arbeitnehmern beträgt der geldwerte Vorteil 200 Euro; nach Abzug des Freibetrags von 110 Euro ergibt sich für diese Arbeitnehmer ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil von jeweils 90 Euro.

 

Die 44-Euro-Freigrenze des § 8 Absatz 2 Satz 11 EStG ist für Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen nicht anwendbar.

 

  1. b) Offenstehen der Betriebsveranstaltung für alle Arbeitnehmer

 

Voraussetzung für die Gewährung des Freibetrags ist, dass die Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Veranstaltungen, die nur für ei-nen beschränkten Kreis der Arbeitnehmer von Interesse sind, sind nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a Satz 3 EStG begünstigte Betriebsveranstaltungen, wenn sich die Begrenzung des Teilnehmerkreises nicht als eine Bevorzugung bestimmter Arbeitnehmergruppen darstellt. Als begünstigte Betriebsveranstaltungen sind deshalb auch solche Veranstaltungen anzuerkennen, die z. B.

– jeweils nur für eine Organisationseinheit des Betriebs, z. B. Abteilung, durchgeführt wer-den, wenn alle Arbeitnehmer dieser Organisationseinheit an der Veranstaltung teilnehmen können,

– nur für alle im Ruhestand befindlichen früheren Arbeitnehmer des Unternehmens veranstaltet werden (Pensionärstreffen),

– nur für solche Arbeitnehmer durchgeführt werden, die bereits im Unternehmen ein rundes (10-, 20-, 25-, 30-, 40-, 50-, 60-jähriges) Arbeitnehmerjubiläum gefeiert haben oder  i. V. m. der Betriebsveranstaltung feiern (Jubilarfeiern). Dabei ist es unschädlich, wenn neben den Jubilaren auch ein begrenzter Kreis anderer Arbeitnehmer, wie z. B. die enge-ren Mitarbeiter und Abteilungsleiter des Jubilars, Betriebsrats-/Personalratsvertreter oder auch die Familienangehörigen des Jubilars eingeladen werden. Der Annahme eines 40-, 50- oder 60-jährigen Arbeitnehmerjubiläums steht nicht entgegen, wenn die Jubilarfeier zu einem Zeitpunkt stattfindet, der höchstens fünf Jahre vor den bezeichneten Jubiläums-dienstzeiten liegt.

 

  1. c) Freibetrag für maximal zwei Betriebsveranstaltungen jährlich

 

Der Freibetrag gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich. Nimmt der Arbeitnehmer an mehr als zwei Betriebsveranstaltungen teil, können die beiden Veranstaltungen, für die der Freibetrag gelten soll, ausgewählt werden. Dient die Teilnahme eines Arbeitnehmers an einer Betriebsveranstaltung der Erfüllung beruflicher Aufgaben, z. B. wenn der Personalchef oder Betriebsrats-/Personalratsmitglieder die Veranstaltungen mehrerer Abteilungen besuchen, ist der auf diesen Arbeitnehmer entfallende Anteil an den Gesamtaufwendungen kein Arbeits-lohn.

 

  1. Besteuerung der Zuwendungen

 

Für die Erhebung der Lohnsteuer gelten die allgemeinen Vorschriften; § 40 Absatz 2 EStG ist anwendbar. Das gilt für alle steuerpflichtigen Zuwendungen an Arbeitnehmer aus Anlass  – nicht nur bei Gelegenheit – einer Betriebsveranstaltung.

 

Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen i. S. der Tz. 4 Buchstabe b kann mit 25 % pauschal besteuert werden (§ 40 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 EStG). Eine solche Pau-schalierung der Lohnsteuer kommt von vornherein nicht in Betracht, wenn es sich bei der Veranstaltung nicht um eine Betriebsveranstaltung im Sinne der Tz. 1 handelt.

 

R 40.2 Absatz 1 Nummer 2 LStR ist ab dem Jahr 2015 insoweit überholt, als dort eine geson-derte Pauschalierung der Lohnsteuer bei nicht üblichen Zuwendungen vorgesehen ist. Auch nicht übliche Zuwendungen gehören zu den maßgebenden Gesamtkosten einer Betriebsveran-staltung.

 

Zuwendungen aus Anlass von Betriebsveranstaltungen an Arbeitnehmer von anderen Unter-nehmen im Konzernverbund sowie an Leiharbeitnehmer durch den Entleiher können wahl-weise vom Zuwendenden oder vom Arbeitgeber versteuert werden. § 40 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 EStG ist auch insoweit anwendbar. Wendet der Zuwendende die Freibetragsrege-lung an, hat sich der Zuwendende beim Arbeitgeber zu vergewissern, dass für den Arbeit-nehmer die unter Tz. 4 Buchstabe c) dieses Schreibens dargestellten Voraussetzungen erfüllt sind.

 

  1. Reisekosten

 

Reisekosten liegen ausnahmsweise vor, wenn die Betriebsveranstaltung außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers stattfindet, die Anreise der Teilnahme an der Veranstal-tung dient und die Organisation dem Arbeitnehmer obliegt. Steuerfreie Erstattungen durch den Arbeitgeber sind nach den Grundsätzen des § 3 Nummer 13 oder 16 EStG zulässig.

Beispiel 1: 

Arbeitgeber A veranstaltet einen Betriebsausflug. Mitarbeiter, die an einem anderen Standort tätig sind, reisen für den Betriebsausflug zunächst zur Unternehmenszentrale an. Diese Fahrtkosten – sowie ggf. im Zusammenhang mit der An- und Abreise entste-hende Verpflegungspauschalen und Übernachtungskosten – gehören nicht zu den Zu-wendungen anlässlich der Betriebsveranstaltung, sondern können als Reisekosten vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden.

 

Beispiel 2:

Arbeitgeber A veranstaltet einen Betriebsausflug. Für die Fahrt vom Unternehmen zum Ausflugsziel organisiert er eine gemeinsame Busfahrt. Die Kosten hierfür zählen zu den Zuwendungen anlässlich der Betriebsveranstaltung.

 

Beispiel 3:

Der Betriebsausflug beginnt mit einer ganztägigen Fahrt auf einem Fahrgastschiff. Am nächsten Tag wird die Betriebsveranstaltung am Zielort fortgesetzt. Sowohl die über-nommenen Fahrtkosten als auch die Übernachtungskosten gehören zu den Zuwendun-gen anlässlich der Betriebsveranstaltung.

 

 

  1. Auswirkungen der gesetzlichen Änderung auf die Umsatzsteuer

 

Die gesetzlichen Änderungen, insbesondere die Ersetzung der bisherigen lohnsteuerlichen Freigrenze durch einen Freibetrag, haben grundsätzlich keine Auswirkungen auf die umsatz-steuerrechtlichen Regelungen.

 

Ob eine Betriebsveranstaltung vorliegt und wie die Kosten, die auf den einzelnen Arbeitneh-mer entfallen, zu berechnen sind, bestimmt sich nach den o. g. lohnsteuerrechtlichen Grund- sätzen.

 

Von einer überwiegend durch das unternehmerische Interesse des Arbeitgebers veranlassten, üblichen Zuwendung ist umsatzsteuerrechtlich im Regelfall auszugehen, wenn der Betrag je Arbeitnehmer und Betriebsveranstaltung 110 € einschließlich Umsatzsteuer nicht überschrei-tet. Übersteigt dagegen der Betrag, der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfällt, pro Veran-staltung die Grenze von 110 € einschließlich Umsatzsteuer, ist von einer überwiegend durch den privaten Bedarf des Arbeitnehmers veranlassten unentgeltlichen Zuwendung auszugehen.

 

Durch die LStÄR 2015 vom 22. Oktober 2014, BStBl I S. 1344, wurde die sog. Aufmerksam-keitsgrenze auf 60 € erhöht. Zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung wird dieser Betrag auch in Abschnitt 1.8 Absatz 3 Satz 2 UStAE übernommen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden  der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) vom 1. Oktober 2010,    BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 7. Oktober 2015  – III C 2 – S 7282/13/10001 (2015/0874602) -, BStBl I S. XXX, geändert worden ist, wie folgt geändert:

 

  1. Abschnitt 1.8 wird wie folgt geändert:
  2. a) In Absatz 3 Satz 2 UStAE wird die Betragsangabe „40 €“ durch die Betragsangabe „60 €“ ersetzt.
  3. b) In Absatz 4 Satz 3 Nr. 6 Satz 4 UStAE wird der Klammerzusatz gestrichen.

 

 

  1. In Abschnitt 15.15 Abs. 2 wird das Beispiel 3 wie folgt gefasst:

 

„Beispiel 3:

1Unternehmer U mit zur Hälfte steuerfreien, den Vorsteuerabzug ausschließenden Aus-gangsumsätzen bezieht Leistungen für die Durchführung eines Betriebsausfluges. 2Die Kosten pro Arbeitnehmer betragen

  1. a) 80
  2. b) 200 €

 

Zu a)

1Die Aufwendungen für den Betriebsausflug stellen Aufmerksamkeiten dar, weil sie den Betrag von 110 € nicht übersteigen (vgl. Abschnitt 1.8 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6). 2Da die Überlassung dieser Aufmerksamkeiten keinen Wertabgabentatbestand erfüllt, fehlt es an einem steuerbaren Ausgangsumsatz, dem die Leistungsbezüge direkt und un-mittelbar zugeordnet werden können. 3Für den Vorsteuerabzug ist deshalb die Ge-samttätigkeit des U maßgeblich. 4U kann daher die Hälfte der Aufwendungen als Vor-steuer abziehen.

Zu b)

1Die Aufwendungen für den Betriebsausflug stellen grundsätzlich keine Aufmerk-samkeiten dar, weil sie den Betrag von 110 € übersteigen (vgl. Abschnitt 1.8 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6). 2Es liegt eine Mitveranlassung durch die Privatsphäre der Arbeitnehmer vor. 3Bei Überschreiten des Betrags von 110 € besteht für U kein Anspruch auf Vor-steuerabzug, sofern die Verwendung bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt ist. 4Dementsprechend unterbleibt eine Wertabgabenbesteuerung. 5Maßgeblich ist hierfür, dass sich ein Leistungsbezug zur Entnahme für unternehmensfremde Privatzwecke und ein Leistungsbezugs für das Unternehmen gegenseitig ausschließen. 6Der nur mittelbar verfolgte Zweck, – das Betriebsklima zu fördern, – ändert hieran nichts (vgl. BFH-Ur-teil vom 9. 12. 2010, V R 17/10, BStBl 2012 II S. 53).“

 

  1. Zeitliche Anwendung

 

Dieses Schreiben gilt im Hinblick auf die lohn- und einkommensteuerlichen Regelungen für alle nach dem 31. Dezember 2014 endenden Lohnzahlungszeiträume sowie für nach dem 31. Dezember 2014 beginnende Veranlagungszeiträume. R 19.5 LStR 2015 ist für diese Zeit-räume nicht mehr anzuwenden.

 

Die Grundsätze dieses Schreibens gelten für die Umsatzbesteuerung von Sachzuwendungen und Betriebsveranstaltungen, die nach dem 31. Dezember 2014 ausgeführt wurden. Aus Ver-einfachungsgründen ist es nicht zu beanstanden, wenn die Grundsätze dieses Schreibens erst auf die Umsatzbesteuerung von Sachzuwendungen und Betriebsveranstaltungen angewendet werden, die ab dem Tag nach der Veröffentlichung des Schreibens im Bundessteuerblatt Teil I ausgeführt werden.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 5 – S-2332 / 15 / 10001 vom 14.10.2015

Erhöhte Hundesteuer für gefährliche Hunde bestätigt

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat am 6. Oktober 2015 im schriftlichen Verfahren über eine Klage des Besitzers eines nach dem Gefahrhundegesetz als gefährlich eingestuften Hundes gegen einen Hundesteuerbescheid seiner Heimatgemeinde entschieden.

Nach der fraglichen Hundesteuersatzung beträgt der Steuersatz für einen „normalen“ Hund 96 Euro pro Jahr, für einen als gefährlich eingestuften Hund hingegen 1.200 Euro pro Jahr. Der Hundehalter hatte sich in seiner Klage vor allem auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Oktober 2014 gestützt. Danach ist eine erhöhte Steuer für Kampfhunde bzw. gefährliche Hunde wegen erdrosselnder Wirkung unzulässig, wenn sie das 26-fache des Hundesteuersatzes für einen nicht gefährlichen Hund beträgt und den durchschnittlichen Aufwand für das Halten eines Hundes deutlich übersteigt. Im dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall hatte die Steuer 2.000 Euro pro Jahr betragen.

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im vorliegenden Fall eine erdrosselnde Wirkung verneint. Es hat auf die in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannte Befugnis der Gemeinden hingewiesen, die Steuer für gefährliche Hunde zu Lenkungszwecken auch deutlich höher festzusetzen. Hier werde der „normale“ Steuersatz nur um das 12,5-fache überschritten. Die vom Bundesverwaltungsgericht als Bezugspunkt gewählten durchschnittlichen Haltungskosten von 1.000 Euro pro Jahr beruhten auf einer Untersuchung aus dem Jahre 2006. Bei Berücksichtigung der Inflationsrate und der gebotenen Berücksichtigung weiterer mit der Hundehaltung verbundenen Kosten läge der Steuersatz nicht in einer solchen Höhe, dass von einer erdrosselnden Wirkung gesprochen werden könne.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ist die Berufung gegen das Urteil zugelassen worden. Diese kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils eingelegt werden.

Quelle: VG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 14.10.2015 zum Urteil 4 A 32/15 vom 06.10.2015

 

Neue Bemessungsgrenzen für 2016

Die Löhne und Gehälter in Deutschland sind im vergangenen Jahr wieder gestiegen. Deshalb ändern sich 2016 die Beitragsbemessungsgrenzen der Kranken- und Rentenversicherung. Das Kabinett hat die Verordnung beschlossen.

Die neue monatliche Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (West) steigt von 6.050 Euro (2015) auf 6.200 Euro pro Monat. Die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) steigt von 5.200 Euro (2015) auf 5.400 Euro pro Monat.

In der knappschaftlichen Rentenversicherung werden folgende neue monatliche Beträge gelten: Beitragsbemessungsgrenze (West): 7.650 Euro im Monat, Beitragsbemessungsgrenze (Ost): 6.650 Euro im Monat. Das vorläufige Durchschnittsentgelt in der gesetzlichen Rentenversicherung wird für das Jahr 2016 bundeseinheitlich auf 36.267 Euro im Jahr festgesetzt.

Versicherungspflichtgrenze angehoben

Bundeseinheitlich wird die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung festgesetzt. Sie erhöht sich gegenüber 2015 (54.900 Euro) auf 56.250 Euro jährlich. Die bundeseinheitliche Beitragsbemessungsgrenze in der Gesetzlichen Krankenversicherung beträgt 50.850 Euro im Jahr (2015: 49.500 Euro).

Bezugsgröße in der Sozialversicherung neu festgelegt

Die Bezugsgröße ist für viele Werte der Sozialversicherung wichtig. Sowohl in der Gesetzlichen Krankenversicherung als auch in der Gesetzlichen Rentenversicherung ist sie die Grundlage der Beitragsberechnung.

Die Bezugsgröße 2016 beträgt 2.905 Euro pro Monat in den alten Bundesländern (2015: 2.835 Euro im Monat). In den neuen Bundesländern beträgt sie 2.520 Euro (2015: 2.415 Euro im Monat).

Rechengrößen in der Sozialversicherung: Es handelt sich um Werte, die jährlich neu ermittelt und festgesetzt werden. Sie beeinflussen die Beiträge zur Sozialversicherung. Das betrifft die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Vorläufiges Durchschnittsentgelt: In der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht es dem durchschnittlichen Brutto-Lohn- oder -Gehalt eines beschäftigten Arbeitnehmers. Für 2015 wird der Wert so ermittelt: Das Durchschnittsentgelt 2013 wird um das Doppelte des Prozentsatzes erhöht, um den sich das Durchschnittsentgelt 2012 zum Jahr 2013 erhöht hat.

Bezugsgröße: Sie hat für viele Werte in der Sozialversicherung Bedeutung. In der Gesetzlichen Krankenversicherung wird danach die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder sowie für das Mindestarbeitsentgelt festgelegt. In der gesetzlichen Rentenversicherung hängt von ihr ab, wie viel Beitrag Selbstständige oder Pflegepersonen zahlen müssen.

Beitragsbemessungsgrenze: Sie markiert das Maximum, bis zu dem in den Sozialversicherungen Beiträge erhoben werden. Der über diesen Grenzbetrag hinausgehende Teil eines Einkommens ist beitragsfrei.

Versicherungspflichtgrenze: Wer über diese Grenze hinaus verdient, kann sich, wenn er möchte, bei einer privaten Krankenversicherung versichern. Die Versicherungspflichtgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung ist zugleich die Jahresarbeitsentgeltgrenze.

Übersicht Rechengrößen West- und Ostdeutschland für das Jahr 2016

Rechengröße West Ost
Bezugsgröße in der Sozialversicherung 34.860 Euro/Jahr
2.905 Euro/Monat
30.240 Euro/Jahr
2.520 Euro/Monat
Vorläufiges Durchschnittsentgelt in der Rentenversicherung 36.267 Euro/Jahr 36.267 Euro/Jahr
Beitragsbemessungsgrenze Rentenversicherung 74.400 Euro/Jahr
6.200 Euro/Monat
64.800 Euro/Jahr
5.400 Euro/Monat
Beitragsbemessungsgrenze knappschaftl. Rentenversicherung 91.800 Euro/Jahr
7.650 Euro/Monat
79.800 Euro/Jahr
6.650 Euro/Monat
Bundeseinheitliche Jahresarbeitsentgeltgrenze (Versicherungspflichtgrenze)
gesetzliche Krankenversicherung
56.250 Euro/Jahr 56.250 Euro/Jahr
Bundeseinheitliche Beitragsbemessungsgrenze 50.850 Euro/Jahr
4.237,50 Euro/Monat
50.850 Euro/Jahr
4.237,50 Euro/Monat

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 14.10.2015

 

Rechtmäßigkeit der Spielgerätesteuer in Ochtrup weiter offen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat den Rechtsstreit um die Rechtmäßigkeit der Spielgerätesteuer in Ochtrup an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster zurückverwiesen.

Die Klägerin betreibt in der münsterländischen Gemeinde Ochtrup eine Spielhalle mit zwölf Geldspielgeräten. Die Vergnügungsteuersatzung der Gemeinde sah bis einschließlich 2009 auf Geldspielgeräte eine Vergnügungsteuer nach dem Stückzahlmaßstab i. H. v. 150 Euro monatlich je Gerät vor. Ab dem 1. Januar 2010 wurde der Steuermaßstab geändert und eine Geldspielgerätesteuer i. H. v. 20 v. H. des Einspielergebnisses erhoben. Dies führte bei der Klägerin zu mehr als einer Verdoppelung der Steuer.

Mit ihrer Klage vor dem Verwaltungsgericht hat sich die Klägerin gegen insgesamt zehn Bescheide gewandt, die auf die neue Satzung gestützt waren. Dabei hat sie im Wesentlichen eine Erdrosselungswirkung der Steuererhöhung geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Hinweis auf das positive Betriebsergebnis des Jahres 2011 abgewiesen. Auch die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Berufung blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht argumentierte, eine Erdrosselungswirkung sei ausgeschlossen, da die Klägerin rechtlich nicht gehindert sei, Geräte mit einem höheren durchschnittlichen Kasseninhalt einzusetzen. Eine solche Preiserhöhung sei auch am Markt durchsetzbar. Zwar könne die Klägerin selbst die Geräte nicht umprogrammieren, da nur Geräte mit einer zuvor erteilten Bauartzulassung verwendet werden dürften. Ob solche Geräte auf dem Markt angeboten würden und ob sich ein Austausch der Geräte einfach gestalte, sei aber unerheblich. Denn es sei Sache des Unternehmers, sich auf eine etwaige Steuererhöhung vorzubereiten.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt. Das Oberverwaltungsgericht durfte die genannten Fragen auf der Grundlage seiner Argumentation nicht offen lassen. Falls die neue Steuerlast für ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen in der Situation der Klägerin nur nach einem zeitaufwändigen und kapitalintensiven Austausch des Gerätebestandes tragbar ist, hätte die Steuer nicht ohne angemessene Übergangsfrist derart erhöht werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht muss daher entweder die von ihm offen gelassenen Fragen nach dem Umstellungsaufwand und der Verfügbarkeit von Austauschgeräten aufklären, oder es muss untersuchen, ob ein durchschnittlicher Spielhallenbetreiber in Ochtrup auch ohne Preiserhöhung eine Spielgerätesteuer von 20 v. H. des Einspielergebnisses verkraften kann.

Quelle: BVerwG, Pressemitteilung vom 14.10.2015 zum Urteil 9 C 22.14 vom 14.10.2015

 

Pflegeleistungen durch Mitglieder eines Vereins können umsatzsteuerfrei sein

Mit Urteil vom 18. August 2015 V R 13/14 hat der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass Pflegeleistungen unter Berufung auf das Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Mehrwertsteuersystemrichtlinie) steuerfrei sind. Voraussetzung ist, dass die Pflegekraft die Möglichkeit hat, Verträge nach § 77 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch (SGB XI) mit Pflegekassen abzuschließen.

Das Verfahren betraf eine Klägerin, die als Mitglied eines eingetragenen Vereins für den Verein gegen Entgelt als Pflegehelferin tätig war. Über eine Ausbildung als Kranken- oder Altenpflegerin verfügte die Klägerin nicht. Der Verein hatte mit der Klägerin eine Qualitätsvereinbarung abgeschlossen. Der Verein erbrachte umsatzsteuerfreie Pflegeleistungen an Pflegekassen. Diese Art der Erbringung von Pflegeleistungen durch Mitglieder eines eingetragenen Vereins ist in Deutschland verbreitet.

Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin für den Verein als umsatzsteuerpflichtig an. Ihre Klage zum Finanzgericht hatte Erfolg. Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz. Zwar seien die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht steuerpflichtig. Sie könne sich aber auf die weitergehenden Steuerbefreiungstatbestände des Unionsrechts berufen, die das nationale Recht nur ungenügend umgesetzt habe. Für die nach dem Unionsrecht erforderliche Anerkennung reiche es aus, dass für die Klägerin die Möglichkeit bestanden habe, Leistungen nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB XI an Pflegekassen erbringen zu können.

Bei seiner Entscheidung hat der BFH auch den gerichtsbekannten Pflegenotstand und das sich hieraus ergebende hohe Gemeinwohlinteresse berücksichtigt, das an der Erbringung steuerfreier Pflegeleistungen besteht.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 71/15 vom 14.10.2015 zum Urteil V R 13/14 vom 18.08.2015

 

Berechnung der Gebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft

Mit Urteil vom 22. April 2015 hat der IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass sich der Wert für die Bemessung der Gebühr, die für eine verbindliche Auskunft durch die Finanzbehörde zu entrichten ist, nach dem Antrag richtet und in Anlehnung an den Streitwert eines gerichtlichen Verfahrens berechnet wird.

In dem Urteilsfall plante die Klägerin eine Umstrukturierung ihres Konzerns und fragte beim Finanzamt (FA) an, ob die geplante Gestaltung die Aufdeckung stiller Reserven auslösen würde. Die Behörde verneinte diese für die Klägerin nachteilige Rechtsfolge. Für die erteilte Auskunft erhob die Finanzbehörde eine dem Grunde nach gesetzlich vorgeschriebene Auskunftsgebühr. Bei der Berechnung der Gebühr stellte das FA auf die überschlägig ermittelte Steuerbelastung ab, die eingetreten wäre, wenn diese stillen Reserven tatsächlich aufzudecken und zu versteuern wären. Die im Anschluss erhobene Klage vor dem Finanzgericht (FG) war insoweit erfolgreich, als das FG gebührenmindernd berücksichtigte, dass eine Aufdeckung stiller Reserven auch eine höhere steuermindernde Abschreibung in den Folgejahren bedeutet hätte; diese Minderungen der Steuerbelastung in den Folgejahren berücksichtigte das FG bei der Gebührenhöhe.

Der BFH hob nun das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Die Gebühr einer verbindlichen Auskunft könne nur auf der Grundlage der im Antrag auf Auskunft gestellten Rechtsfragen berechnet werden. Nicht gestellte Fragen seien – weder erhöhend noch mindernd – zu berücksichtigen, auch wenn sie sich als Folgefragen aus dem Antrag ergeben würden. Für die Berechnung der steuerlichen Auswirkungen sei auf die bekannten Grundsätze der gerichtlichen Streitwertermittlung zurückzugreifen. Der Auffassung der Klägerin, der Wert der Auskunft sei pauschal mit 10 % der steuerlichen Auswirkungen anzusetzen, folgte der BFH nicht. Die Bedeutung der Auskunft für den Antragsteller als grundsätzlich verbindliche Entscheidung über die Rechtsfragen rechtfertige keine pauschale Minderung.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 70/15 vom 14.10.2015 zum Urteil IV R 13/12 vom 22.04.2015

 

Reform der Grundsteuer – Die Zukunft liegt im Boden

Die bisherige Grundsteuer ist nicht mehr zeitgemäß – das hat der Bundesfinanzhof 2014 klargestellt. Die Bundesländer ringen seit Jahren um eine Reform, bislang ohne Erfolg. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) hat nun verschiedene Reformvorschläge überprüft und kommt zu einem eindeutigen Votum: Künftig sollte einzig der Boden besteuert werden. Das würde mehrere Probleme auf einmal lösen.

Den deutschen Kommunen liefert die Grundsteuer 15 Prozent ihrer Einnahmen. Doch die Steuer fußt in ihrer jetzigen Form auf veralteten Daten und ist investitionsfeindlich: Die Bewertung der Grundstücke geht in Westdeutschland auf 1964 zurück, in Ostdeutschland sogar auf 1935. Zudem hat der Wert des Gebäudes Einfluss auf die Höhe der Steuer, wodurch jede Investition ins Gebäude zu einer steuerlichen Mehrbelastung führt. Im Umkehrschluss bedeutet das außerdem, dass besonders wenig Grundsteuer für unbebaute Grundstücke fällig wird – selbst in Stadtzentren. „Es gibt kaum Anreize, Brachflächen zu bebauen, Baulücken zu schließen oder ein Grundstück möglichst effizient zu nutzen“, fasst IW-Immobilienexperte Ralph Henger zusammen.

Die meisten Reformvorschläge, zeigt die IW-Studie, werden daran wenig ändern, was die Zersiedelung von Städten und Gemeinden weiter fördert. Anders bei einer Bodensteuer, die das IW Köln bevorzugt. Bei dieser lägen die Kosten für ein unbebautes Grundstück etwa sechsmal so hoch wie bislang. Für Grundstücke mit Einfamilienhäusern würde die Grundsteuer bundesweit ungefähr gleich hoch bleiben, in den Großstädten mit teuren Wohnlagen allerdings um gut 200 Euro auf 770 Euro pro Jahr zulegen. Klarer Gewinner der Reform, die nur noch den Boden zur Bewertungsgrundlage macht, wären die Bewohner von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Sie würden in Großstädten fast 80 Euro, im bundesweiten Durchschnitt 60 Euro pro Jahr sparen. Und das Reformmodell hätte noch weitere Vorteile, erklärt Henger: „Mittlerweile ist durch die nahezu flächendeckend vorliegenden Bodenrichtwerte klar, wie viel der Boden wert ist. Eine Bodensteuer wäre also kein bürokratischer Kraftakt, sondern eine Steuervereinfachung.“

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des IW Köln.

Quelle: IW Köln, Pressemitteilung vom 14.10.2015

 

Meister-BAföG: Fördersätze steigen

Wer sich zum Handwerks- oder Industriemeister, zum Techniker, Fachwirt oder staatlich geprüften Erzieher fortbilden will, wird noch besser unterstützt. Ab August 2016 werden die Förderbeträge beim „Meister-BAföG“ deutlich erhöht. Fortbildung, Beruf und Familie werden besser vereinbar.

Das Bundeskabinett hat die Dritte Novelle des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes beschlossen. Sie soll zum 1. August 2016 in Kraft treten.

Fach- und Führungskräftenachwuchs wird überall gebraucht: in Handwerks- und Industriebetrieben genauso wie in Krankenhäusern oder Kitas. Allein im Handwerk stehen in den kommenden zehn Jahren 200.000 Betriebsnachfolgen an.

Arbeiten, Familie und Fortbildung unter einen Hut bringen
Wer eine Aufstiegsfortbildung plant, muss Arbeiten, Familie, Lehrgänge sowie Zeit fürs Lernen und für die Prüfung vereinbaren. Oft sind Freistellungsphasen oder Teilzeitarbeit sowie zusätzliche Kinderbetreuung erforderlich. Lebensunterhalt und Fortbildungskosten müssen finanzierbar sein.

Die Bundesregierung will mögliche Hemmschwellen abbauen, um noch mehr Menschen für die Aufstiegsfortbildung gewinnen.

Ziele der Meister-BAföG- Novelle sind daher, die Vereinbarkeit von Fortbildung, Beruf und Familie zu erleichtern und die Finanzierung weiter zu verbessern. So sollen mehr Frauen davon profitieren und sich für eine Aufstiegsfortbildung entscheiden. Bisher sind weniger als ein Drittel der Geförderten Frauen.

Höhere Fördersätze
Mit der Novelle des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) wird die Förderung familienfreundlicher: die Unterhaltszuschläge für Kinder und Ehegatten steigen von 210 / 215 Euro auf 235 Euro monatlich. Der einkommensunabhängige Kinderbetreuungszuschlag für Alleinerziehende wird von 113 auf 130 Euro monatlich erhöht.

Außerdem steigen die Zuschussanteile, die Vermögensfreibeträge, die Beiträge für Lehrgangs- und Prüfungskosten und für das „Meisterstück“. Der Erfolgsbonus für das Bestehen der Abschlussprüfung wird erhöht: künftig werden 30 Prozent des Restdarlehens für Lehrgangs- und Prüfungskosten erlassen.

Bereits mit der 25. BAföG-Novelle wurden die Basisunterhaltsbeträge und die Einkommensfreibeträge beim Meister-BAföG erhöht. Die Verbesserungen aus beiden Gesetzesnovellen sollen zeitgleich zum 1. August 2016 in Kraft treten.

Bund und Länder stellen in den nächsten Jahren bis zu 55 Millionen Euro jährlich zusätzlich bereit.

Zum 1. August 2016 steigen die maximalen Unterhaltsbeiträge beim Meister-BAföG:

  • für Alleinstehende von 697,00 Euro auf 768,00 Euro/Monat
  • für Alleinerziehende von 907,00 Euro auf 1.003,00 Euro/Monat
  • Alleinerziehende erhalten zusätzlich einen einkommensunabhängigen Kinderbetreuungszuschlag. Er steigt von 113 auf 130 Euro/Monat.
  • für Verheiratete mit 1 Kind von 1.122 Euro auf 1.238 Euro/Monat
  • für Verheiratete mit 2 Kindern von 1.332 Euro auf 1.473 Euro/Monat

Meister-BAföG für Bachelorabsolventen

Mit der Novelle öffnet die Bundesregierung das Meister-BAföG für Bachelorabsolventen und -absolventinnen. Auch Studienabbrecher, die in eine betriebliche Ausbildung gewechselt sind, können mit bestimmten Vorqualifikationen künftig Meister-BAföG erhalten.

Die Bundesregierung setzt damit ein klares Zeichen, um die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung weiter zu erhöhen. Zudem werden neue Zielgruppen für Führungspositionen erschlossen.

Attraktive Förderung

Das „Meister-BAföG“ gibt es seit 1996. Seitdem konnten rund 1,7 Millionen berufliche Aufstiege mit rund 6,9 Milliarden Euro ermöglicht und gefördert werden. Grundsätzlich besteht die Förderung zum Teil aus Zuschüssen und zum Teil aus Darlehen. Für Antragstellung und Bewilligung sind die Länder zuständig. Das „Meister-BAföG“ wird zu 78 Prozent vom Bund und zu 22 Prozent von den Ländern finanziert.

Quelle: Bundesregierung, Mitteilung vom 14.10.2015

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin