Diskriminierungsschutz für schwangere Frauen

Die Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG) darstellen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung verpflichten. Dies hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden und damit eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin bestätigt (vgl.Pressemitteilung 23/15).

Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, hatte die bei ihm beschäftigte Klägerin bereits während der Probezeit gekündigt. Diese Kündigung hatte das Arbeitsgericht in einem vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren nach § 9 Mutterschutzgesetz – MuSchG – für unwirksam erklärt, weil die Klägerin ihrem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei und der Arbeitgeber keine Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde zur Kündigung eingeholt hatte. Einige Monate später kündigte der Beklagte ein weiteres Mal ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde.

Durch die erneute Kündigung wurde die Klägerin nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Der Einwand des Arbeitgebers, er habe angenommen, die Schwangerschaft sei bereits beendet, hat das Gericht für unberechtigt gehalten. Es hätten keine Anhaltspunkte für ein Ende der Schwangerschaft vorgelegen; auch sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, den Arbeitgeber stets von dem Fortbestand der Schwangerschaft in Kenntnis zu setzen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg

Erbschaftsteuerreform: Niedersachsen setzt sich im Bundesrat für verfassungsfeste Neuregelung ein

Hannover. „Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Erbschaftsteuer ist aus Sicht der Niedersächsischen Landesregierung in Teilen nicht mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in Einklang zu bringen. Ich sehe daher die große Gefahr einer erneuten Schlappe in Karlsruhe, wenn der Entwurf in der vorliegenden Form beschlossen werden sollte“, warnte der niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider am heutigen Donnerstag.

„Niedersachsen hat daher Änderungsanträge im Vorfeld der kommenden Bundesratssitzung eingebracht, damit eine verfassungskonforme Neuregelung bis spätestens Mitte 2016 gewährleistet werden kann“, so Schneider.
Eine verfassungswidrige Neuregelung oder aber das Nichteinhalten der vom Verfassungsgericht gesetzten Frist berge unabsehbare Risiken, betonte Schneider. Dies sei weder im Interesse der betreffenden Unternehmen noch im Interesse der Länder.

„Daneben hat die Niedersächsische Landesregierung stets betont, den Bestand und den Schutz mittelständischer und familiär geprägter Unternehmen bei einer Neuregelung nicht aus den Augen zu verlieren und eine Gefährdung von Arbeitsplätzen bei Unternehmensübergängen durch eine zu hohe Erbschaftsteuerlast zu vermeiden“, versicherte Finanzminister Schneider. So trage Niedersachsen insbesondere die im Regierungsentwurf enthaltenen Sonderregelungen für typische Familienunternehmen mit.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil aus dem Dezember 2014 festgestellt, dass die Privilegierung von Betriebsvermögen im Erbfall gegenüber sonstigem Privatvermögen mit der Verfassung im Einklang steht, soweit dies dem Schutz nachhaltiger Unternehmensnachfolgen und dem Erhalt der Wirtschaftsstruktur und der Arbeitsplätze dient. Allerdings seien die derzeitigen Privilegierungen zu weitreichend und damit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, so das Bundesverfassungsgericht. „Einzelne Tatbestände und Privilegierungen des nun vorliegenden Regierungsentwurfes zur Neuregelung sind aus unserer Sicht immer noch zu weitreichend und damit verfassungswidrig. Daher haben wir die Änderungen eingebracht“, erklärte Schneider.

So werde durch die Abschmelzregelungen bei der Verschonung von Großerwerben im Regierungsentwurf völlig ignoriert, dass das Bundesverfassungsgericht eine Bedürfnisprüfung vorgeschrieben habe. „Die Übergangszone des Regierungsentwurfes ist in Umfang und Höhe der Verschonung zu großzügig und die geplante Sockelverschonung ermöglicht sogar eine Steuerverschonung in Milliardenhöhe ohne Verschonungsbedarfsprüfung“, resümiert Schneider. Zur Vermeidung von sogenannten „Fallbeileffekten“ sei auch Niedersachsen für eine Übergangszone, bestätigt Minister Schneider, allerdings sollte diese enger gefasst und auf keinen Fall einen steuerfreien Sockel auch dann garantieren, wenn es dafür überhaupt kein Bedürfnis gebe.

Finanzminister Schneider: „Auch die im Regierungsentwurf enthaltenden Änderungen zu an sich sinnvollen Stundungsmöglichkeiten schießen über das Ziel weit hinaus. Die vorgesehene voraussetzungslose 10-jährige Stundungsregelung ist nicht erforderlich und vergrößert die Ungleichbehandlung zu Erwerbern von Privatvermögen. Wie in anderen Bereichen ist auch bei der Erbschaftsteuer auf das Bedürfnis zur Stundung abzustellen.“ Auch hier drohe sonst bei einem Vergleich zu anderen Erbschaften Verfassungswidrigkeit.

Quelle: Nds. Finanzministerium

Gewinne aus der Teilnahme an Pokerturnieren können der Einkommensteuer unterliegen

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit einem am 16. September 2015 verkündeten Urteil im Verfahren X R 43/12 entschieden, dass Gewinne aus der Teilnahme an Pokerturnieren als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterliegen können.

Der Kläger des zugrundeliegenden Verfahrens hatte nach den Feststellungen der Vorinstanz über Jahre hinweg hohe Preisgelder aus der Teilnahme an Pokerturnieren (u.a. in den Varianten „Texas Hold´em“ und „Omaha Limit“) erzielt. Das Finanzamt hat diese der Einkommensteuer unterworfen. Das Finanzgericht Köln als Vorinstanz hat durch Zwischenurteil entschieden, dass die Einkünfte des Klägers aus Turnierpokerspielen einkommensteuerbar sind. Über die Höhe des vom Kläger erzielten Gewinns ist noch nicht entschieden.

Dieses Zwischenurteil hat der X. Senat des BFH nunmehr bestätigt. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen zwar noch nicht vor. In der mündlichen Urteilsbegründung hat die Vorsitzende des X. Senats aber erläutert, dass das Einkommensteuergesetz (EStG) die Besteuerung weder in positiver noch in negativer Hinsicht an den Tatbestand des „Glücksspiels“ knüpft. Soweit dieser Begriff in Vorschriften des Straf- oder Verwaltungsrechts ausdrücklich genannt ist, ist dies für die Beurteilung der Frage, ob in steuerlicher Hinsicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden, nicht maßgeblich.

Zwar hat die ältere finanzgerichtliche Rechtsprechung eine „Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ –eines der Merkmale des in § 15 Abs. 2 EStG definierten einkommensteuerlichen Begriffs des Gewerbebetriebs– verneint, wenn eine Tätigkeit sich als „reines Glücksspiel“ darstellte (z.B. Lottospiel). Im vorliegenden Verfahren hat die Vorinstanz aber durch Auswertung zahlreicher Quellen festgestellt, dass die vom Kläger gespielten Pokervarianten nicht als reines Glücksspiel anzusehen seien, sondern schon bei einem durchschnittlichen Spieler das Geschicklichkeitselement nur wenig hinter dem Zufallselement zurücktrete. Diese Würdigung bindet den BFH als Revisionsgericht.

Dies bedeutet nicht, dass jeder Turnierpokerspieler mit dieser Tätigkeit einkommensteuerlich zum Gewerbetreibenden wird. Vielmehr ist –wie bei jedem anderen Streitfall auch– stets zwischen einem „am Markt orientierten“ einkommensteuerbaren Verhalten und einer nicht steuerbaren Betätigung abzugrenzen. Diese Abgrenzung findet aber vorrangig nicht bei einem –im EStG ohnehin nicht erwähnten– Merkmal des „Glücksspiels“ statt, sondern bei den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen der Nachhaltigkeit und der Gewinnerzielungsabsicht, ggf. auch bei der erforderlichen Abgrenzung zu einer privaten Vermögensverwaltung. Diese weiteren Merkmale des einkommensteuerlichen Gewerbebegriffs waren im Fall des Klägers nach den Feststellungen der Vorinstanz aber ebenfalls erfüllt.

Nicht zu entscheiden war in diesem Verfahren, ob auch Gewinne aus dem Pokerspiel in Spielcasinos (sog. Cash-Games) oder aus Pokerspielen im Internet (Online-Poker) einkommensteuerpflichtig sein können.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 63/15 vom 17.09.2015 zum Urteil X R 43/12 vom 16.09.2015

 

Unlesbar geschrieben – Testament einer alten Dame ungültig

Ein eigenhändig geschriebenes Testament muss lesbar sein, um wirksam die Erbfolge zu regeln. In einer vor kurzem veröffentlichten Entscheidung hat der Senat für Nachlassangelegenheiten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts das Schreiben einer alten Dame, das sich auch mithilfe einer Schriftsachverständigen nicht vollständig entziffern ließ, nicht als wirksames Testament angesehen.

Zum Sachverhalt: Im Jahr 2012 verstarb die alte Dame. Ihr Ehemann war ein Jahr zuvor verstorben. Die Eheleute hatten lediglich in einem Testament ihre Bestattung geregelt, nicht aber die Erbfolge. Im Verfahren vor dem Nachlassgericht (Amtsgericht) ging es um die Erteilung des Erbscheins, der der Tochter der Verstorbenen als Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt wurde. Die weitere Beteiligte am Nachlassverfahren hatte als Pflegekraft beruflich und privat Kontakt zu der Verstorbenen. Sie reichte bei Gericht ein Schreiben ein, das die Erblasserin zwei Monate vor ihrem Tod gefertigt haben sollte. Sie gab an, dass sie dieses Schreiben von einer anderen Pflegekraft der Verstorbenen erhalten habe und dass in dem Schreiben stehe, dass ihr die Verstorbene alles vermache. Das Nachlassgericht sah dieses Schreiben nicht als ein wirksames Testament an. Gegen die Erteilung des Erbscheins an die Tochter der Verstorbenen legte die weitere Beteiligte Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Aus den Gründen: Der Tochter der Verstorbenen ist der Erbschein als Alleinerbin zu erteilen, weil diese ihre Mutter aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt hat. Die weitere Beteiligte des Verfahrens kann sich nicht darauf berufen, aufgrund Testaments als Erbin eingesetzt zu sein. Das eingereichte Schriftstück genügt nicht den Anforderungen an die Form eines wirksamen Testaments. Ein Testament kann durch eigenhändige und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Die Eigenhändigkeit der Errichtung setzt voraus, dass der erklärte Wille in vollem Umfang aus dem Geschriebenen hervorgeht. Zwingende Formvoraussetzung ist damit die Lesbarkeit der Niederschrift. „Der Senat – Spezialsenat für Nachlassangelegenheiten – ist trotz langjähriger Erfahrung mit der Entzifferung schwer lesbarer letztwilliger Verfügungen nicht in der Lage, das Schriftstück soweit zu entziffern, dass es einen eindeutigen Inhalt erhält.“ Der Senat geht mit dem Nachlassgericht davon aus, dass die ersten drei Worte „ich A.“ und die letzten Worte „D. geb. …“, gefolgt von der Unterschrift und dem Datum lauten. Diese Worte weisen die Erblasserin als Erklärende aus und lassen einen Bezug der Erklärung zu der weiteren Beteiligten, die namentlich und mit ihrem Geburtsdatum genannt wird, erkennen. In der Mitte des Textes verbleiben jedoch einige nicht zweifelsfrei lesbare Worte. Die Ungewissheit über den Inhalt des Geschriebenen lässt sich nicht unter Zuhilfenahme der vom Nachlassgericht herangezogenen Schriftsachverständigen beseitigen. Die Sachverständige hat zwar das erste der umstrittenen Worte als „vermache“ identifiziert, nicht jedoch die weiteren Wörter, so dass unklar bleibt, was vermacht werden sollte.

Da das vorgelegte Schriftstück aufgrund seiner Unleserlichkeit bereits kein formgültiges Testament darstellt, war vom Gericht nicht weiter zu untersuchen, ob die Erblasserin wegen Demenz oder Leseunfähigkeit testierunfähig gewesen ist und ob das Schriftstück überhaupt von ihr stammte. Auch konnte das Gericht offen lassen, ob die verstorbenen Eheleute in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes untergebracht waren, was zur Folge hätte, dass das Verbot in § 14 Abs. 5 Heimgesetz Anwendung finden würde, wonach den Mitarbeitern eines Heims die Entgegennahme geldwerter Leistungen von Heimbewohnern untersagt ist.

Quelle: OLG Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 16.09.2015 zum Beschluss 3 Wx 19/15 vom 16.07.2015

 

Steuerliche Abzugsbeschränkung für Telearbeitsplatz einer Alleinerziehenden

Mit (noch nicht rechtskräftigem) Urteil vom 11.08.2015 (Az. 3 K 1544/13) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) entschieden, dass Aufwendungen für einen häuslichen Telearbeitsplatz auch von einer alleinerziehenden Mutter nur eingeschränkt steuerlich geltend gemacht werden können.

Die Klägerin wohnt im Landkreis Bernkastel-Wittlich und ist bei einer Verwaltungsbehörde beschäftigt. Nach ihrer Scheidung traf sie mit ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung über Telearbeit, um weiterhin in Vollzeit arbeiten und dennoch ihren minderjährigen Sohn zu Hause betreuen zu können. Nach dieser Vereinbarung musste sie nur vormittags im Büro anwesend sein und konnte am Nachmittag zu Hause arbeiten. Dort nutzte sie ihre private Büroeinrichtung, ihr Arbeitgeber stellte nur das Verbrauchsmaterial (Papier, Tintenpatronen für den Drucker, Disketten, Software usw.) zur Verfügung und erstattete ihr dienstlich notwendige Telefon-, Fax- und Internetkosten.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte die Klägerin die Aufwendungen für ihren Telearbeitsplatz (1.518,61 Euro) als Kosten eines häuslichen Arbeitszimmers geltend. Das beklagte Finanzamt versagte den Werbungskostenabzug mit der Begründung, dass der Klägerin auch im Verwaltungsgebäude ihres Arbeitgebers ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe.

Klage und Einspruch der Klägerin blieben erfolglos. Zur Begründung verwies das FG auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH), wonach die Aufwendungen für einen Telearbeitsplatz im häuslichen Arbeitszimmer nur dann abzugsfähig seien, wenn dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Im vorliegenden Fall habe der Klägerin nicht nur vormittags, sondern auch an den Nachmittagen ein anderer Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers zur Verfügung gestanden. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, es sei ihr nicht untersagt gewesen, ihren dienstlichen Arbeitsplatz auch nachmittags weiterhin zu nutzen. Die Nutzung dieses Arbeitsplatzes sei auch nicht deshalb eingeschränkt gewesen, weil ihn im Bedarfsfall bzw. in Zeiten bestehender Raumnot auch andere Kolleginnen und Kollegen genutzt hätten. Daraus lasse sich nämlich nicht herleiten, dass der Arbeitsplatz auch dann einer anderen Kollegin bzw. einem anderen Kollegen zur Verfügung gestellt worden wäre, wenn sie – die Klägerin – ihn selbst hätte nutzen wollen. Ihr Einwand, sie arbeite zu Hause (auch) außerhalb der Dienstzeiten, habe ebenfalls keinen Erfolg. Es reiche aus, dass sie ihren Arbeitsplatz zu den üblichen Bürozeiten nutzen könne, wenn sie dies wolle. Dass sie alleinerziehende Mutter sei und ihren dienstlichen Arbeitsplatz wegen der Kinderbetreuung nicht nutzen könne, sei steuerrechtlich grundsätzlich unbeachtlich. Dabei handele es sich nämlich um private Gründe, auch wenn Ehe und Familie verfassungsrechtlich geschützt seien. Der Gesetzgeber habe speziell für Alleinerziehende eine Steuervergünstigung geschaffen (Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach § 24b EStG). Diese Förderung, die auch die Klägerin erhalten habe, sei ausreichend, so dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Abzugsbeschränkung für das häusliche Arbeitszimmer ersichtlich seien.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 16.09.2015 zum Urteil 3 K 1544/13 vom 11.08.2015 (nrkr)

 

Kein Wohngeld nach „Frauentausch“

Wohngeld als Zuschuss zur Miete kann wegen Missbrauchs versagt werden, wenn die Antragstellerin mit dem Vermieter als Paar zusammenlebt. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin.

Die 48 Jahre alte Klägerin beantragte Anfang 2014 beim Bezirksamt Neukölln von Berlin Wohngeld für sich und zwei Kinder und legte hierzu einen Mietvertrag vor. Einer aufmerksamen Mitarbeiterin des Wohngeldamtes fiel auf, dass die Klägerin in sog. Reality-Shows im Fernsehen zu sehen war, u. a. in der Sendung „Frauentausch“. In der Programmankündigung zu dieser Folge hieß es seinerzeit, die Klägerin habe ihren (jetzigen) Vermieter über eine Partnervermittlung kennengelernt, und für beide sei es „die ganz große Liebe“. Auf Nachfrage des Wohngeldamtes teilte die Produktionsfirma mit, die Klägerin und ihr Vermieter hätten sich sowohl im Casting als auch während der Dreharbeiten im Juni 2011 als Lebenspartner vorgestellt. Das Wohngeldamt lehnte daraufhin den Wohngeldantrag wegen Missbrauchs ab.

Dagegen wandte sich die Klägerin. Sie sei zwar mit dem Vermieter gut befreundet, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe jedoch nicht. Man bilde lediglich eine Wohngemeinschaft. Sie habe bei der Serie „Frauentausch“ lediglich so getan, als ob der Vermieter ihr Lebenspartner sei. Sie habe hierzu eine Anzeige in der „Zweiten Hand“ geschaltet und ihren Vermieter erst hierüber kennengelernt.

Die 21. Kammer des Verwaltungsgerichts wies die Klage nach einer Beweisaufnahme und der Inaugenscheinnahme der Aufzeichnung der Sendung ab. Es sei missbräuchlich, Zuschuss zu einer Miete zu verlangen, wenn zwischen dem Vermieter und der Mieterin eine Partnerschaft bestehe. Eine solche Partnerschaft sei hier gegeben. Dabei ließ die Kammer offen, ob tatsächlich schon bei Beginn der Dreharbeiten eine Partnerschaft bestanden hat. Der Vermieter sei aber, wie die Klägerin letztlich eingeräumt habe, zu den Dreharbeiten in die frühere Wohnung der Klägerin eingezogen und habe auch nach deren Ende weiter bei ihr gewohnt.

Gegen das Urteil ist der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zulässig.

Quelle: VG Berlin, Pressemitteilung vom 15.09.2015 zum Urteil VG 21 K 285.14 vom 08.09.2015

 

EU-Mitgliedstaat darf arbeitsuchende Unionsbürger von bestimmten Sozialleistungen ausschließen

Ein Mitgliedstaat kann Unionsbürger, die in diesen Staat zur Arbeitsuche einreisen, von bestimmten beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausschließen.

Ausländer, die nach Deutschland kommen, um Sozialhilfe zu erhalten, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, erhalten keine Leistungen der deutschen Grundsicherung1. Im Urteil Dano2 hat der Gerichtshof unlängst festgestellt, dass ein solcher Ausschluss bei Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die in einen anderen Mitgliedstaat einreisen, ohne dort Arbeit suchen zu wollen, zulässig ist.

In der vorliegenden Rechtssache möchte das Bundessozialgericht (Deutschland) wissen, ob ein derartiger Ausschluss auch bei Unionsbürgern zulässig ist, die sich zur Arbeitsuche in einen Aufnahmemitgliedstaat begeben haben und dort schon eine gewisse Zeit gearbeitet haben, wenn Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten.

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Jobcenter Berlin Neukölln und vier schwedischen Staatsangehörigen: Frau Alimanovic, die in Bosnien geboren wurde, und ihren drei Kindern, Sonita, Valentina und Valentino, die 1994, 1998 und 1999 in Deutschland zur Welt gekommen sind. Die Familie Alimanovic war 1999 von Deutschland nach Schweden gezogen und ist im Juni 2010 nach Deutschland zurückgekehrt. Nach ihrer Rückkehr waren Frau Nazifa Alimanovic und ihre älteste Tochter Sonita weniger als ein Jahr in kürzeren Beschäftigungen bzw. Arbeitsgelegenheiten tätig. Seither waren sie nicht mehr erwerbstätig. Der Familie Alimanovic wurden daraufhin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 Leistungen der Grundsicherung bewilligt, nämlich Nazifa Alimanovic und ihrer Tochter Sonita Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Langzeitarbeitslose (Arbeitslosengeld II) und den Kindern Valentina und Valentino Sozialgeld für nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte. 2012 stellte die zuständige Behörde, das Jobcenter Berlin Neukölln, schließlich die Zahlung der Grundsicherungsleistungen mit der Begründung ein, dass Frau Alimanovic und ihre älteste Tochter als ausländische Arbeitsuchende, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, keinen Anspruch auf diese Leistungen hätten. Infolgedessen schloss das Jobcenter auch die anderen Kinder von den entsprechenden Leistungen aus.

In Beantwortung der Fragen des Bundessozialgerichts hat der Gerichtshof mit seinem heutigen Urteil entschieden, dass die Weigerung, Unionsbürgern, deren Aufenthaltsrecht in einem Aufnahmemitgliedstaat sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, bestimmte „besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“3 zu gewähren, die auch eine Leistung der „Sozialhilfe“4 darstellen, nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung5 verstößt.

Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Leistungen der Sicherung des Lebensunterhalts von Personen dienen, die ihn nicht selbst bestreiten können, und beitragsunabhängig durch Steuermittel finanziert werden, auch wenn sie Teil eines Systems sind, das außerdem Leistungen zur Erleichterung der Arbeitsuche vorsieht. Er betont, dass diese Leistungen – ebenso wie in der Rechtssache Dano – als „Sozialhilfe“ anzusehen sind.

Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass ein Unionsbürger hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen wie den im Ausgangsverfahren streitigen eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der „Unionsbürgerrichtlinie“6erfüllt.

Für Arbeitsuchende wie im vorliegenden Fall gibt es – nach den Feststellungen des Gerichtshofs – zwei Möglichkeiten, um ein Aufenthaltsrecht zu erlangen:

Ist ein Unionsbürger, dem ein Aufenthaltsrecht als Erwerbstätiger zustand, unfreiwillig arbeitslos geworden, nachdem er weniger als ein Jahr gearbeitet hatte, und stellt er sich dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung, behält er seine Erwerbstätigeneigenschaft und sein Aufenthaltsrecht für mindestens sechs Monate. Während dieses gesamten Zeitraums kann er sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und hat Anspruch auf Sozialhilfeleistungen.

Wenn ein Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat noch nicht gearbeitet hat oder wennder Zeitraum von sechs Monaten abgelaufen ist, darf ein Arbeitsuchender nicht aus dem Aufnahmemitgliedstaat ausgewiesen werden, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. In diesem Fall darf der Aufnahmemitgliedstaat jedoch jegliche Sozialhilfeleistung verweigern.

Schließlich weist der Gerichtshof noch einmal darauf hin, dass, wenn ein Staat eine Ausweisung veranlassen oder feststellen will, dass eine Person im Rahmen ihres Aufenthalts dem Sozialhilfesystem eine unangemessene Belastung verursacht, die persönlichen Umstände des Betreffenden berücksichtigt werden müssen7. Der Gerichtshof betont jedoch, dass eine solche individuelle Prüfung bei einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden nicht erforderlich ist, weil das in der „Unionsbürgerrichtlinie“ vorgesehene abgestufte System für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft (das das Aufenthaltsrecht und den Zugang zu Sozialleistungen sichern soll) selbst verschiedene Faktoren berücksichtigt, die die persönlichen Umstände der eine Sozialleistung beantragenden Person kennzeichnen. Der Gerichtshof stellt zudem klar, dass die Frage, ob der Bezug von Sozialleistungen eine „unangemessene Inanspruchnahme“ eines Mitgliedstaats darstellt, nach Aufsummierung sämtlicher Einzelanträge zu beurteilen ist.

1Diese Leistungen dienen insbesondere der Sicherung des Lebensunterhalts ihrer Empfänger.
2Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 2014, Dano (C-333/13), siehe auch Pressemitteilung Nr. 146/14.
3Diese Leistungen werden in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1244/2010 der Kommission vom 9. Dezember 2010 (ABl. L 338, S. 35) geänderten Fassung definiert. Für Deutschland werden in dieser Verordnung u. a. die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende angeführt. Das Bundessozialgericht hat die streitigen Leistungen als „besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ eingestuft.
4Im Sinne der „Unionsbürgerrichtlinie“ (2004/38/EG).
5Dieser in den Unionsverträgen verankerte Grundsatz wird in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 konkretisiert.
6Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35).
7Urteil des Gerichtshofs vom 19. September 2013, Brey (C-140/12).

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 15.09.2015 zum Urteil C-67/14 vom 15.09.2015

 

Sind Umsätze aus der Vermittlung von Sportwetten an ein in einem anderen EU-Staat ansässiges Sportwettenunternehmen im Inland steuerbar?

Die erbrachten Leistungen des inländischen Unternehmens durch die Vermittlung von Sportwetten sind in der Regel nicht der deutschen Umsatzsteuer zu unterwerfen, wenn das andere Unternehmen, an das die Vermittlungsleistungen erbracht werden, seinen Sitz im EU-Ausland hat sowie von dort aus betrieben wird. Dann ist der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistungsempfängers als Ort der Dienstleistung anzusehen (Az. 6 K 2429/11).

Quelle: FG Hessen, Pressemitteilung vom 14.09.2015 zum Urteil 6 K 2429/11 vom 20.07.2015

 

Rückstellungsbildung für die Entsorgung von Energiesparlampen zulässig

Ein Elektronikhändler darf für die Entsorgung von Energiesparlampen eine Rückstellung bilden, soweit eine Entsorgungspflicht nach dem Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (ElektroG) besteht. Dies hat der 10. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 18. August 2015 (Az. 10 K 3410/13 K,G) entschieden.

Die Klägerin – eine GmbH – betreibt einen Großhandel mit Elektronikgeräten. Sie ist als Herstellerin im Sinne des ElektroG bei der Stiftung „ear“ registriert, die vom Umweltbundesamt mit der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben in Form der Koordinierung der Entsorgung von Altgeräten betraut ist. Nach dem ElektroG haben die Hersteller für Geräte, die ab dem 13. August 2005 in den Verkehr gebracht werden, eine Garantie für die Entsorgung zu leisten. Hierfür stellt die Stiftung „ear“ den Herstellern abhängig von der Menge der verkauften Geräte Gebühren in Rechnung. Die Klägerin bildete ab 2005 Rückstellungen für Entsorgungskosten von Energiesparlampen, die das Finanzamt nicht anerkannte, weil die öffentlich-rechtliche Verpflichtung vor Erlass des Gebührenbescheids noch nicht hinreichend konkretisiert sei.

Dies sah der 10. Senat des Finanzgerichts Münster anders und gab der von der Klägerin erhobenen Klage teilweise statt. Für die ab dem 13. August 2005 in den Verkehr gebrachten und der Stiftung „ear“ gemeldeten Leuchtmittel seien Rückstellungen zu bilden. Insoweit liege eine Verpflichtung aus öffentlichem Recht vor , die inhaltlich hinreichend bestimmt sei. Die Entsorgungspflicht entstehe abstrakt bereits damit, dass Leuchtmittel in den Verkehr gebracht würden. Die Meldung der verkauften Mengen an die Stiftung „ear“ konkretisiere diese Verpflichtung. Die Stiftung bestimme danach nur noch den Zeitpunkt der Heranziehung. Demgegenüber dürfe für die zwar in den Verkehr gebrachten, aber (noch) nicht gemeldeten Leuchtmittel keine Rückstellung gebildet werden.

Das Gericht versagte der Klägerin ferner eine Rückstellungsbildung für die Entsorgung vor dem 13. August 2005 in den Verkehr gebrachter Leuchtmittel, weil sich die Entsorgungspflicht nach dem ElektroG insoweit nicht an dem Umfang der seinerzeitigen Verkäufe, sondern nach dem Anteil der derzeitigen Marktteilnahme bestimme. Aus diesem Grund fehle es an dem erforderlichen Vergangenheitsbezug.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2015 zum Urteil 10 K 3410/13 vom 18.08.2015

 

Entgelte für private Fachhochschule sind keine Sonderausgaben

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 14. August 2015 (Az. 4 K 1563/15 E) entschieden, dass Entgelte für eine private Fachhochschule nicht zum Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG berechtigen.

Die Tochter der Kläger absolvierte einen Bachelor-Studiengang an einer privaten Einrichtung, die als Fachhochschule vom zuständigen Ministerium des Landes Nordrhein-Westfalen staatlich anerkannt worden war. Für die hierfür von den Klägern getragenen Studiengebühren machten diese in ihrer Einkommensteuererklärung einen Sonderausgabenabzug geltend. Das Finanzamt lehnte dies ab, weil es sich bei einer Fachhochschule nicht um eine allgemein- bzw. berufsbildende Schule handele. Hiergegen wandten die Kläger ein, dass ihre Tochter einen berufsbildenden Abschluss anstrebe und der Studiengang auch allgemeinbildende Elemente enthalte.

Dem folgte der Senat nicht und wies die Klage ab. Die von der Tochter der Kläger besuchte private Fachhochschule stelle keine von § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG begünstigte Schule dar. Nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes kämen hierfür nur solche Privatschulen, die unter das jeweilige Landesschulgesetz fallen, in Betracht. Dies seien nur solche Schulen, die zu einem allgemeinbildenden oder berufsbildenden Abschluss führten, nicht aber Fachhochschulen. Sie seien nicht als allgemeinbildend anzusehen, weil als Bildungsziel nicht die Vermittlung von Allgemeinwissen, sondern von fachspezifischem Wissen im Vordergrund stehe. Dass im konkreten Fall der Studiengang der Tochter auch allgemeinbildende Elemente enthält, stehe dem nicht entgegen. Die Fachhochschule vermittele auch keinen berufsbildenden Abschluss, sondern einen akademischen Grad.

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.09.2015 zum Urteil 4 K 1563/15 vom 14.08.2015

 

 

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