Ratgeber zur Einkommensteuererklärung für Eltern mit einem Kind mit Behinderung

Eltern von Kindern mit Behinderung stehen im Alltag vor vielen Herausforderungen – umso wichtiger ist es, steuerliche Entlastungen zu kennen und zu nutzen. Dieser Ratgeber gibt einen umfassenden Überblick über relevante Regelungen zur Einkommensteuer, die Familien mit einem behinderten Kind betreffen. Er richtet sich insbesondere an Eltern, die dauerhaft oder zeitweise Pflege und Betreuung leisten, und hilft dabei, die finanzielle Situation besser zu gestalten.


1. Behinderten-Pauschbetrag

Der Behinderten-Pauschbetrag dient der steuerlichen Entlastung für regelmäßig entstehende Mehraufwendungen, die durch eine Behinderung verursacht werden (z. B. für Fahrten, Hilfsmittel, medizinische Versorgung).

Wichtig:

  • Der Pauschbetrag steht grundsätzlich dem Kind selbst zu.
  • Kann das Kind ihn wegen fehlenden Einkommens nicht nutzen, dürfen die Eltern den Betrag auf sich übertragen lassen.
  • Die Übertragung ist nur für Eltern möglich, nicht für Großeltern oder andere Angehörige.
  • Seit 2021 ist dafür die Angabe der steuerlichen Identifikationsnummer des Kindes in der Steuererklärung notwendig.

Die Höhe richtet sich nach dem Grad der Behinderung (GdB) und beginnt bei 30 % (840 € jährlich) bis zu 100 % (2.840 € jährlich). Bei Merkzeichen „H“ (hilflos), „Bl“ (blind) oder „Tbl“ (taubblind) gibt es einen erhöhten Pauschbetrag von 7.400 € jährlich.


2. Pflege-Pauschbetrag

Eltern, die ihr Kind mit Behinderung zu Hause pflegen, können zusätzlich zum Behinderten-Pauschbetrag den Pflege-Pauschbetrag beanspruchen.

Voraussetzungen:

  • Das Kind ist als hilflos anerkannt (Merkzeichen „H“).
  • Die Pflege erfolgt unentgeltlich im häuslichen Umfeld.
  • Keine Pflegevergütung von dritter Seite.

Die Höhe beträgt:

  • 600 € bis 1.800 € jährlich – abhängig vom Pflegegrad (ab Pflegegrad 2).

3. Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen

Auch Unterhaltsleistungen an ein behindertes Kind können als außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG) geltend gemacht werden.

Zu beachten:

  • Auch wenn das Kind eigenes Vermögen besitzt, kann ein Unterhaltsabzug möglich sein.
  • Voraussetzung ist, dass dem Kind die Verwertung des Vermögens nicht zumutbar ist (z. B. bei zweckgebundenem Vermögen oder Notlagen).

4. Kindergeld und steuerliche Freibeträge über das 25. Lebensjahr hinaus

Für Kinder mit Behinderung, die sich nicht selbst unterhalten können, besteht ein Anspruch auf Kindergeld und Kinderfreibeträge auch nach dem 25. Lebensjahr.

Voraussetzungen:

  • Die Behinderung muss vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein.
  • Das Kind ist dauerhaft außerstande, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (z. B. bei voller Erwerbsminderung).

Zusätzlich können weiterhin der Kinderfreibetrag (6.384 € jährlich, Stand 2023) sowie der Betreuungs- und Erziehungsfreibetrag (2.928 €) in der Steuererklärung berücksichtigt werden.


5. Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen

Bei besonderen Ausgaben, z. B. für:

  • Medikamente
  • Therapien
  • medizinische Hilfsmittel
  • Heimunterbringung oder
  • Fahrten zur Behandlung

müssen Eltern die sogenannte Zwangsläufigkeit der Kosten nachweisen, wenn sie als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden sollen.

Notwendige Nachweise:

  • Amtsärztliches Gutachten oder
  • Ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes (MDK)
  • Rechnungen und Zahlungsnachweise

6. Aufteilung der Pauschbeträge zwischen Eltern

Bei zusammen lebenden Eltern kann der Behinderten-Pauschbetrag auf beide Elternteile aufgeteilt werden – entweder hälftig oder in einem anderen Verhältnis, wenn beide zustimmen.

Ohne Antrag:

  • Automatisch hälftige Aufteilung

Mit gemeinsamem Antrag:

  • Frei wählbare Verteilung entsprechend der tatsächlichen Belastung

7. Berücksichtigung kindeseigener Mittel

Bei volljährigen Kindern mit Behinderung prüfen die Finanzämter, ob das Kind eigene Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts einsetzen kann. Dazu gehören:

  • Renten (z. B. Erwerbsminderungsrente)
  • Pflegegeld
  • Sozialleistungen
  • Kapitalerträge

Nicht einzurechnen:

  • Vermögensübertragungen durch die Eltern
  • Schonvermögen nach SGB XII (z. B. selbst genutztes Wohnvermögen, kleinere Sparbeträge)

8. Weitere relevante Steuervergünstigungen und Hinweise

Fahrtkosten

Fahrten zu Arztbesuchen, Therapien, Schulwegen oder Pflegeeinrichtungen können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls angesetzt werden – als:

  • außergewöhnliche Belastung (tatsächliche Kosten)
  • oder über den Behinderten-Fahrkosten-Pauschbetrag

Haushaltsnahe Dienstleistungen

Kosten für Unterstützung im Haushalt (z. B. Haushaltshilfe, Pflegeunterstützung, haushaltsnahe Handwerkerleistungen) können bis zu 20 % steuerlich abgesetzt werden (max. 4.000 € jährlich).

Steuerfreie Leistungen

  • Pflegegeld bleibt in der Regel steuerfrei.
  • Kindergeld und Sozialleistungen zählen nicht zum steuerpflichtigen Einkommen.

9. Fristen und Hinweise zur Abgabe der Steuererklärung

Abgabefristen für die Steuererklärung 2023:

  • Ohne Steuerberater:
    2. September 2024
    (da der reguläre Termin, der 31. August 2024, auf einen Samstag fällt, verschiebt sich die Frist auf den nächsten Werktag)
  • Mit Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein:
    2. Juni 2025
    (wegen des Feiertags am 31. Mai 2025 und des Wochenendes gilt der nächstfolgende Werktag)

Tipp: Auch wenn Sie die längere Frist haben, lohnt es sich, die Erklärung möglichst frühzeitig abzugeben – insbesondere wenn eine Erstattung zu erwarten ist oder Pflege-/Betreuungskosten aktuell hoch sind.


Fazit

Für Eltern von Kindern mit Behinderung hält das Steuerrecht eine Vielzahl von Entlastungsmöglichkeiten bereit. Die Kombination aus Pauschbeträgen, Freibeträgen und außergewöhnlichen Belastungen kann die finanzielle Last spürbar senken. Wichtig ist eine sorgfältige Dokumentation und ggf. die Unterstützung durch eine steuerlich versierte Fachperson.

Wenn Sie unsicher sind, welche Regelungen auf Ihre Familie zutreffen, sprechen Sie mit einem Steuerberater oder einem Sozialverband – viele bieten auch kostenlose oder kostengünstige Beratungen an.