Rückforderung von angerechneter Kapitalertragsteuer im „cum/ex-Verfahren“ ist rechtmäßig

Das Urteil des Finanzgerichts Hamburg im Fall 6 K 228/20 vom 9. November 2023 stellt einen wichtigen Präzedenzfall im Kontext der cum/ex-Verfahren dar. Diese Verfahren betreffen komplexe Aktiengeschäfte rund um den Dividendenstichtag, die darauf abzielen, Kapitalertragsteuern mehrfach erstattet zu bekommen, obwohl sie nur einmal abgeführt wurden. Das Gericht hat in diesem speziellen Fall die Klage einer Bank abgewiesen, die eine Rückforderung von angerechneter Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag durch das Finanzamt angefochten hatte.

Wesentliche Aspekte des Urteils:

  • Rechtmäßigkeit der Rückforderung: Das Finanzgericht Hamburg bestätigte die Rechtmäßigkeit der Rückforderung der angerechneten Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags durch das Finanzamt. Die ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheide wurden geändert und die Anrechnungen zurückgenommen.
  • Festsetzungsfrist: Die Festsetzungsfrist war in den Streitjahren nicht abgelaufen, da sie aufgrund der Steuerhinterziehung zugunsten der Bank jeweils zehn Jahre betrug. Das Gericht stützte sich dabei auf die Feststellungen in den rechtskräftigen Urteilen gegen Beteiligte der Geschäfte.
  • Neue Tatsachen: Die Änderung der Bescheide war aufgrund neuer Tatsachen möglich. Es wurde nachträglich bekannt, dass die angerechnete Kapitalertragsteuer und der Solidaritätszuschlag nicht ordnungsgemäß erhoben worden waren.
  • Arglistige Täuschung: Die Rücknahme der Anrechnungsverfügungen war gerechtfertigt, da die Anrechnungen unter anderem durch arglistige Täuschungen erwirkt worden waren. Diese Täuschungen wurden der Klägerin zugerechnet.
  • Keine Zahlungsverjährung: Es lag keine Zahlungsverjährung vor, da diese mit jeder Änderung der Körperschaftsteuerfestsetzungen neu zu laufen begann.
  • Zinsfestsetzungen: Die Änderungen der Zinsfestsetzungen waren eine gesetzliche Folge der Rücknahmen der Anrechnungsverfügungen.

Bedeutung des Urteils:

Dieses Urteil unterstreicht die rechtlichen Risiken und Konsequenzen, die mit cum/ex-Geschäften verbunden sind. Es bestätigt die Möglichkeit für Finanzämter, Steuerbescheide zu ändern und Anrechnungen von Kapitalertragsteuern zurückzufordern, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die zugrunde liegenden Geschäfte steuerrechtlich nicht haltbar sind. Darüber hinaus zeigt es die Bedeutung der Festsetzungsfrist in Fällen von Steuerhinterziehung und die Anwendung von § 173 AO bei neuen Tatsachen sowie § 130 AO bei arglistiger Täuschung.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, was bedeutet, dass weitere rechtliche Schritte möglich sind. Dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf ähnliche Fälle und die Praxis der cum/ex-Geschäfte haben.