Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) hat in einem Urteil vom 24. Juli 2024 (Az. 9 K 196/22, Revision anhängig: BFH VI R 25/24) wichtige Fragen zur rückwirkenden Anwendung der Steuerbefreiung für Corona-Sonderzahlungen geklärt. Die Entscheidung ist insbesondere für Arbeitgeber relevant, die solche Zahlungen zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2020 geleistet haben.
Hintergrund der Steuerbefreiung
Mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020 wurde in § 3 Nr. 11a EStG eine Steuerbefreiung für bis zu 1.500 Euro eingeführt, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten zur Abmilderung der Belastungen durch die Corona-Pandemie auszahlen konnten. Voraussetzung war, dass diese Zahlungen zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn und ausdrücklich „auf Grund der Corona-Krise“ erfolgten.
Entscheidung des FG Niedersachsen
Das Gericht stellte fest, dass die Steuerbefreiung rückwirkend ab dem 1. März 2020 gilt, wies die Klage im vorliegenden Fall jedoch als unbegründet ab. Die zentralen Argumente:
- Fehlende Zusätzlichkeit der Zahlungen
Die Zahlungen wurden nicht zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gewährt, sondern ersetzten bestehende Leistungen wie Urlaubsgeld (Mai) und Bonuszahlungen (November). Nach der neu eingeführten Definition in § 8 Abs. 4 EStG sowie der bisherigen Rechtsprechung erfüllt eine solche Praxis nicht das Zusätzlichkeitskriterium. - Kein eindeutiger Bezug zur Corona-Krise
Laut Gericht war aus den internen Aushängen und Verdienstabrechnungen der Klägerin nicht erkennbar, dass die Zahlungen tatsächlich zur Abmilderung der pandemiebedingten Belastungen erfolgten. Vielmehr handelte es sich um reguläre Leistungen, die lediglich umbenannt wurden. - Nachforderungsbescheid gerechtfertigt
Aufgrund der nicht erfüllten Voraussetzungen setzte die Lohnsteueraußenprüfung die Lohnsteuer für die fraglichen Zahlungen nachträglich fest. Das Gericht bestätigte diese Entscheidung.
Praktische Konsequenzen
Arbeitgeber sollten die folgenden Punkte beachten, um Streitigkeiten und Nachzahlungen zu vermeiden:
- Zusätzlichkeitskriterium sicherstellen
Steuerfreie Corona-Sonderzahlungen dürfen keine bestehenden Lohnbestandteile ersetzen. Sie müssen als zusätzliche Leistung klar erkennbar sein. - Dokumentation des Bezugs zur Corona-Krise
Arbeitgeber sollten deutlich machen, dass die Zahlungen pandemiebedingte Belastungen abmildern sollen – etwa durch entsprechende Vermerke in der Lohnabrechnung oder interne Kommunikation. - Frühzeitige Überprüfung
Unternehmen, die ähnliche Zahlungen in den Jahren 2020/2021 geleistet haben, sollten ihre Lohnabrechnungen prüfen lassen, um mögliche Risiken bei einer Betriebsprüfung zu minimieren.
Revision beim Bundesfinanzhof
Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen und ist beim Bundesfinanzhof anhängig (Az. VI R 25/24). Es bleibt abzuwarten, ob die höchsten deutschen Steuerrichter die Rechtsauffassung des FG Niedersachsen bestätigen oder eine arbeitnehmerfreundlichere Auslegung der Regelung vornehmen.
Fazit
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine präzise Umsetzung und Dokumentation steuerlicher Vorgaben ist. Arbeitgeber sollten sich bei Unsicherheiten von einem Steuerberater beraten lassen, um teure Nachforderungen zu vermeiden.