Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung durch Verkauf eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat am 20. November 2019 in einem Verfahren betreffend den sog. Diesel-Abgasskandal erstmals ein Urteil verkündet und den beklagten Hersteller eines Dieselfahrzeugs verurteilt, dem Käufer den um eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer reduzierten Kaufpreis gegen Rückgabe des Fahrzeugs zu erstatten und weiteren Schadensersatz zu leisten (Az. 7 U 244/18).

Das Fahrzeug war unstreitig mit dem Typ eines Dieselmotors ausgestattet, der den sog. Diesel-Abgasskandal ausgelöst hat. Der Kläger hatte das Fahrzeug etwa vier Jahre vor Aufdeckung des Diesel-Abgasskandals von dem Hersteller gekauft und diesen nach Bekanntwerden der Manipulation durch eine unzulässige Abschalteinrichtung zunächst zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages aufgefordert, was der Hersteller abgelehnt hatte. Die vom Kläger daraufhin beim Landgericht erhobene Klage wurde u. a. mit der Begründung abgewiesen, dass eine aktive Täuschungshandlung des Herstellers vom Kläger nicht dargelegt sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung hatte Erfolg. Nach Ansicht des zuständigen Senats des Oberlandesgerichts – der sich bereits in einer anderen Sache zu hier einschlägigen Rechtsfragen positioniert hatte (vgl. Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 1. Juli 2019 – 7 U 33/19) – haftet der Hersteller dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf Schadensersatz.

Dieselfahrzeuge, in denen eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde, sind nach Ansicht des Bundesgerichtshofs mangelhaft (Hinweisbeschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17). Durch das Inverkehrbringen von aufgrund einer Softwaremanipulation mangelhaften Fahrzeugen – so argumentiert das Oberlandesgericht Celle in dieser Sache – täusche der Hersteller alle potentiellen Käufer darüber, dass diese Fahrzeuge im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar seien und über eine unbeschränkte Betriebserlaubnis verfügten, was wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung tatsächlich nicht der Fall sei. Den Fahrzeughaltern drohten vielmehr der Widerruf der Typengenehmigung und eine damit einhergehende Stilllegung des Fahrzeugs. Durch die nachträgliche Installation eines Software-Updates werde der dem Käufer entstandene Schaden nicht kompensiert. Dieser bleibe vielmehr mit den Folgen des ungewollten Kaufvertragsabschlusses belastet.

Bei lebensnaher Betrachtung müsse auch davon ausgegangen werden, dass der Hersteller Schädigungsvorsatz gehabt und in Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen, gehandelt habe. Der Käufer müsse deshalb so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn er das betreffende Fahrzeug nicht erworben hätte; er könne deshalb entweder das Fahrzeug behalten und den Minderwert sowie etwaige weitere Schadenspositionen beanspruchen oder aber – wie der Kläger in dem vom 7. Zivilsenat zu entscheidenden Fall – die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen. Im letzteren Fall müsse er sich allerdings eine Nutzungsvergütung für die mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer anrechnen lassen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, weil zur Frage der deliktischen Haftung in Fällen des Diesel-Abgasskandals in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

Quelle: OLG Celle, Pressemitteilung vom 20.11.2019 zum Urteil 7 U 244/18 vom 20.11.2019 (nrkr)