Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für eine Zweite Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen

Sehr geehrter Herr ,
wir bedanken uns für die Einladung zu der Öffentlichen Anhörung zum oben bezeichneten Gesetzentwurf, an der wir gern teilnehmen. Unsere in der Anlage beigefügten Anmerkungen beziehen sich ausschließlich auf die Änderungen steuerlicher Vorschriften.
Wir möchten insbesondere auf zwei Aspekte vorab hinweisen:
Im Zusammenhang mit dem Entwurf der Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 und dem Entwurf des BeitrRLUmsG möchten wir eindringlich auf eine u. E. sehr brisante Problematik in Bezug auf Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften aufmerksam machen.
Einerseits gilt der koordinierte Ländererlass vom 20. Oktober 2010 (BStBl. I 2010, S.1207) zu „ Leistungen von Gesellschaftern und Dritten an Kapitalgesellschaften (R 18 ErbStR, H 18 ErbStH) weiterhin, da die ErbStR 2011 in dieser Hinsicht unbesetzt geblieben sind. Andererseits sollen nach der im BeitrRLUmsG vom Bundesrat ergänzten Nummer 1a (§ 7 Abs. 8 ErbStG – neu) verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen der Schenkungsteuer unterliegen.
Nach der vom Bundesrat eingefügten Fiktion ist jegliche Leistung an eine Gesellschaft bzw. jede Einlage eine Schenkung an die Mitgesellschafter, soweit sie zu einer Werterhöhung in ihren Anteilen führt. Zwar wird das Ziel erreicht, Besteuerungslücken zu schließen, jedoch hat die Vorschrift u. E. einen stark überschießenden Charakter, denn es werden auch solche Leistungen erfasst, die nicht freigebig sondern betrieblich veranlasst sind.
Die Folgen für alle Kapitalgesellschaften sind weitreichend und für die einzelnen Unternehmen kaum überschaubar.
In Bezug auf die Schenkungsteuerbarkeit einer vGA beruft man sich auf Rechtsprechungsgrundsätze des BFH (BFH-Urteil vom 7. November 2007, Az. II R 28/06). Betrachtet man diese BFH-Rechtsprechung näher, stellt sich allerdings heraus, dass es sich nur um ein obiter dictum in einem einzelnen Fall handelt. Es ist nicht klar, ob der BFH in einem ähnlichen Fall wieder so entscheiden würde. Eine gesetzliche Grundlage für diese Sichtweise gibt es nicht und sie lässt sich auch nicht nach den allgemeinen Grundsätzen erklären.
Vor diesem Hintergrund erscheint die vorgeschlagene gesetzliche Änderung als überhastet und sollte im Zusammenhang mit den Änderungen in den ErbStR 2011 u. E. noch einmal überdacht werden.
Der Bundesrat schlägt in seiner Stellungnahme sowohl im Einkommensteuergesetz als auch in der Abgabenordnung Änderungen vor, die letztlich das Fiskusprivileg in der Insolvenz wieder einführen.
Die Bundessteuerberaterkammer lehnt die Wiedereinführung des Fiskusprivilegs im Insolvenzverfahren ab und hat dies bereits in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Haushaltbegleitgesetzes 2011 zu den dort vorgesehenen Änderungen der Insolvenzordnung, die den Fiskus gegenüber anderen Gläubigern begünstigen, kritisch beurteilt.
Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahre 1999 gilt im deutschen Insolvenzrecht der Grundsatz, dass – anders als in der vorgehenden Konkursordnung – alle Gläubiger gleich zu behandeln sind. Durch die Besserstellung des Fiskus soll dieser in der Praxis seit mehr als zehn Jahren bewährte Grundsatz zum Nachteil der anderen Gläubiger lediglich aus haushalterischen Gründen aufgegeben werden. Der kurzfristigen Sanierung des Bundeshaushaltes stehen jedoch im Falle der Insolvenz der Unternehmen die dauerhafte Belastung der Sozialkassen durch arbeitslos gewordene Beschäftigte und Steuerausfälle gegenüber. Die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung der Unternehmen verschlechtern sich.
Auch vor dem Hintergrund des ESUG, welches auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ausgerichtet ist, sollte vom Fiskusprivileg in der Insolvenz Abstand genommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
i. V.
Jörg Schwenker
Geschäftsführer

 

Anlage

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG)

Artikel 2: Änderung des Einkommensteuergesetzes

Der Regierungsentwurf enthält umfassende Regelungen für den Bereich der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Mit den gesetzlichen Maßnahmen sollen die lohnsteuerlichen Verfahrensvorschriften damit an das elektronische Verfahren angepasst werden, welches ab 2012 angewendet werden soll.

Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) begrüßt grundsätzlich das Vorhaben der Finanzverwaltung, dieKommunikation zwischen Bürger, Unternehmen und Finanzamt individuell, papierlos und sicher auf elektronischem Wege zu ermöglichen. Die Einführung und Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale sehen wir generell als geeignet an, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und Verfahrenskosten zu senken.

Zu Nr. 3 i. V. m. Nr. 30: (§ 10a Abs. 3 Satz 2, § 79 EStG)
Die vorgesehene Gesetzesänderung stellt sicher, dass zukünftig alle – unmittelbar und mittelbar – Zulageberechtigten den Mindestbeitrag von 60,00 € in ihren Riestervertrag einzahlen und es damit bei einem Übergang von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Zulageberechtigung nicht mehr zu Versäumnissen kommen kann. Da die vom mittelbar Zulageberechtigten nun zu zahlenden 60,00 € beim Sonderausgabenabzug des Ehegatten auch zusätzlich berücksichtigt werden können, kommt es bei diesem zu keiner Verschlechterung.

Die Änderungen sind daher zu unterstützen.
Zu Nr. 11 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 2 Nummer 6a – neu – (§ 39 Abs. 2a – neu – EStG))
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum BeitrRLUmsG eine Regelung vorgeschlagen, die die Insolvenzanfechtung gezahlter Lohnsteuern deutlich einschränkt.
Vorgesehen ist, § 38 EStG um einen neuen Absatz 2a zu ergänzen, wonach „die Entrichtung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber in den Fällen des Absatzes 1 als eine Leistung des Schuldners im Sinne des § 142 Satz 1 der Insolvenzordnung gilt“. Das heißt, es wird die Fiktion eines Bargeschäfts geschaffen, welches nur unter bestimmten Voraussetzungen anfechtbar ist.

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umgangen werden, nach der es sich bei der Zahlung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber an das Finanzamt um eine Leistung aus dem eigenen Vermögen des Arbeitgebers handelt, die den allgemeinen insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln unterliegt. Der Bundesrat sieht hier im Fall der Insolvenzanfechtung beträchtliche Steuerausfälle des Fiskus, die mit der neuen Vorschrift aufgefangen werden sollen.
Die BStBK lehnt die Privilegierung des Fiskus im Insolvenzverfahren ab. Vergleiche auch unsere Ausführungen zu Nr. 23 der Stellungnahme des Bundesrates.

Die Wiedereinführung eines Fiskusprivilegs ins Insolvenzverfahren widerspricht der Vereinbarung im Koalitionsvertrag der 17. Legislaturperiode, die die Gleichbehandlung aller Gläubiger als wesentliche Errungenschaft der Insolvenzordnung sieht. Unter Ziffer „1.3 Investitionsbremsen lösen“ heißt es zur Reform des Insolvenzrechts: „Hiermit (Gleichbehandlung aller Gläubiger) nicht vereinbar ist die in der letzten Wahlperiode gegen den Willen der Rechtspolitiker aller Fraktionen erfolgte Privilegierung der Sozialkassen im Insolvenzverfahren. Diese werden wir beenden.“

Diese Aussage bezieht sich auf § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV mit nachfolgendem Wortlaut: „Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht.“ Damit sollte die Möglichkeit der Anfechtung dieser Zahlung im Insolvenzverfahren eingeschränkt werden. Nach Auffassung des BGH kann die Zahlung der Arbeitnehmeranteile auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge allerdings ungeachtet dieser Regelung als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle angefochten werden (BGH Urteil vom 7.4.2011 IV ZR 118/10; BHGZ 183, 86). Auch diesen Teil der Sozialversicherungsbeiträge leiste der Arbeitgeber aus seinem Vermögen. Die Leistung der von den Arbeitnehmern geschuldeten Lohnsteuer sei anfechtungsrechtlich nicht anders zu beurteilen. Zwar seien Schuldner der Steuer allein die Arbeitnehmer. Die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolge jedoch ebenso wie die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Vermögen des Arbeitgebers.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Fiktion eines Bargeschäftes, mit der Rechtsfolge der eingeschränkten Anfechtbarkeit, ist aus den vorgenannten Gründen nicht nachvollziehbar und wird von uns abgelehnt.
Darüber hinaus ist es nicht nachvollziehbar, dass Regelungen, die das Insolvenzverfahren betreffen, in einem Gesetz „versteckt“ werden, welches in erster Linie der Umsetzung von EU-Richtlinien gilt.
Zu Nr. 26 Buchst. b) und c): (§ 51a Abs. 2c und Abs. 2e EStG)

Das Gesetz sieht vor, die bisher bestehende Wahlmöglichkeit, die Festsetzung der Kirchensteuer auf Kapitaleinkünfte im Zuge der Veranlagung vorzunehmen, entfallen zu lassen. Der Abzug der Kirchensteuer soll vielmehr durch ein automatisiertes Abzugsverfahren ersetzt werden.

Vom Grundsatz her unterstützt die BStBK den automatisierten Abzug als mit dem Grundgedanken einer Abgeltungsteuer im Einklang stehendes Verfahren. Bei der Umsetzung sind jedoch zwei Vorgaben besonders zu beachten.

Zum einen sollte das Verfahren möglichst einfach ausgestaltet werden. Zum anderen sind dabei aber Datenschutzaspekte zu beachten. Wie diese beiden Vorgaben angemessen kombiniert werden können, kann nur konkret mit den Kirchensteuerabzugsverpflichteten erörtert werden. Aus unserer Sicht können aus Vereinfachungsgründen dabei auch pauschale Lösungen zum Tragen kommen.
Ergänzender Vorschlag: Änderung des § 22a Abs. 3 EStG:
Es sind in der Vergangenheit verschiedentlich Fälle aufgetreten, in denen die Mitteilungen der Rentenversicherung an das Finanzamt Fehler enthielten. Derartige Probleme gibt es dem Vernehmen nach hauptsächlich bei Renten, die keine Altersrenten sind, wie z. B. Erziehungsrenten, Waisenrenten oder Witwenrenten.

Die Finanzämter sind an die Mitteilungen der Rentenversicherungsträger gebunden. Der Steuerpflichtige oder sein steuerlicher Berater erfahren jedoch oftmals nicht, welche Werte der Rentenversicherungsträger an das Finanzamt gemeldet hat. Der Steuerpflichtige erfährt lediglich, dass eine solche Meldung gemacht wurde. Um eine Überprüfung der Inhalte dieser Mitteilungen durch den Steuerpflichtigen oder den Steuerberater bereits vorab zu ermöglichen und erforderliche Berichtigungen nicht erst mittels eines Einspruchsverfahren durchsetzen zu müssen, schlagen wir folgende Änderung des § 22a Abs. 3 EStG vor:
„Der Mitteilungspflichtige hat den Leistungsempfänger jeweils darüber zu unterrichten, welche Leistung der zentralen Stelle mitgeteilt wird.“

Artikel 4: Änderung des Körperschaftsteuergesetzes
Zu Nr. 1: Aufhebung des § 8c Abs. 1a KStG:
Die vorgesehene Aufhebung des Absatzes 1a der Vorschrift beruht auf der Entscheidung der EU-Kommission vom 26. Januar 2011, wonach die sog. Sanierungsklausel gegen EU-Beihilferecht verstößt. Nach Auffassung der EU-Kommission weicht die Sanierungsklausel vom allgemeinen Prinzip im Unternehmenssteuerrecht Deutschlands ab, welches einen Verlustvortrag genau dann verhindert, wenn bei dem betroffenen Unternehmen ein maßgeblicher Eigentümerwechsel stattgefunden hat. Die Sanierungsklausel verschafft dagegen angeschlagenen Unternehmen und möglicherweise ihren Käufern einen klaren finanziellen Vorteil durch die Möglichkeit einer Verlustverrechnung trotz maßgeblichen Wechsels in der Eigentümerstruktur.
Nach unserer Auffassung verkennt die EU-Kommission bei ihrer Entscheidung, dass grundsätzlich, ungeachtet auch der Einschränkungen durch die Mindestgewinnbesteuerung des § 10d EStG, in Deutschland die Verrechnung von Verlusten zulässig ist und aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips im Steuerrecht auch zulässig sein muss. Ein struktureller Fehler des § 8c KStG liegt allerdings insoweit vor, als diese Norm, anders als ihre Vorgängervorschrift § 8 Abs. 4 KStG a. F., nicht mehr erkennbar auf die Verhinderung von Missbräuchen ausgerichtet war. Dies ist in der Literatur auch von Anfang an immer wieder kritisiert worden (vgl. etwa Suchanek/Herbst, FR 2007, S. 863; Schwedhelm, GmbHR 2008, S. 404; Lang, DStZ 2009, S. 751). Die allgemeine Geltung der Norm führt aber gerade dazu, dass eine Ausnahmeregelung für Härtefälle, eine Sanierungsklausel also, wirtschaftlich geboten ist.

Die Bundesregierung hat allerdings Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der EU-Kommission erhoben, so dass deren Entscheidung noch einmal überprüft werden wird. Vor diesem Hintergrund wäre es u. E. verfrüht, § 8c Abs. 1a EStG bereits jetzt aufzuheben.
Artikel 11: Änderung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
Zu Nr. 1 b): § 2 Abs. 3 – neu –

Wir begrüßen die vorgeschlagene Ergänzung des § 2 als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings geht das Urteil des EuGH in der Rs. Mattner (Rs. C-510/08 vom 22. April 2010), das dieser Gesetzesänderung zugrunde liegt, über die vorgeschlagene Änderung hinaus.
Denn der EuGH hatte über einen Fall der beschränkten Schenkungsteuerpflicht zu entscheiden, so dass das im Gesetzentwurf normierte Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht, hier auf Antrag, zumindest als problematisch anzusehen ist. Insoweit ist die Gesetzesbegründung aus unserer Sicht auch nicht zwingend, denn der BFH hat in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH gerade Zweifel daran geäußert, ob eine Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht auch auf dem Gebiet der Schenkungsteuer angebracht sei, da in diesem Fall ausschließlich der zugewendete Vermögensgegenstand einer Besteuerung unterliege und es somit keine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige gäbe.

Die zu den vier Grundfreiheiten gehörende Kapitalverkehrsfreiheit schützt ausdrücklich auch den Kapitalverkehr in Bezug auf Drittstaaten. Dies ist allerdings nicht berücksichtigt worden und an dieser Stelle erweist sich diese Regelung als zu kurz.
Bedenklich ist es u. E. auch, dass der Freibetrag nach § 16 Abs.1 ErbStG Gebietsfremden nur dann gewährt wird, wenn diese einen Antrag stellen. Es ist hier eine faktische Ungleichbehandlung zwischen Gebietsfremden und Steuerinländern zu erkennen, denn nicht jeder zulässige Antrag wird an dieser Stelle gestellt werden, was in der Natur der Sache liegt (Unkenntnis oder Berührungsängste mit einem fremden Steuerrechtssystem).
Zu Nr. 22 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 11 Nr. 1a.: § 7 Abs. 8 – neu –)

Nach Satz 1 des neuen Absatzes 8 soll auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ein Gesellschafter durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt, als Schenkung gelten.
Wir halten diese Regelung in der vorgesehenen Form für ungeeignet und überschießend, und wir lehnen sie daher nachdrücklich ab.

Ziel der Finanzverwaltung ist es, Gestaltungen abzuwehren, in denen die Erbschaft- und Schenkungsteuer dadurch umgangen wird, dass Vermögen in eine Kapitalgesellschaft eingelegt wird, an der die zu beschenkende Person beteiligt ist. Dies ist durchaus nachvollziehbar. Solche Schenkungen sind jedoch u. E. nur bei Familiengesellschaften bzw. zwischen Angehörigen z. B. im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge denkbar. Nach der vorgeschlagenen Formulierung des Gesetzestextes wären jedoch auch disquotale Einlagen und vGA bei Gesellschaften betroffen, bei denen die Gesellschafter lediglich Geschäftspartner sind. Im normalen Geschäftsverkehr ist aber nicht davon auszugehen, dass Geschäftspartner sich gegenseitig beschenken wollen.

Beispiel 1:
Beteiligt an der A&B-GmbH sind A mit 35 % und B mit 65 %; zwischen A und B bestehen keinerlei verwandtschaftliche Verhältnisse. B hatte Geld am Kapitalmarkt angelegt, das nun fällig wird. Wegen der niedrigen Zinsen ist die Investition in die eigene Gesellschaft rentabler als eine Neuanlage am Kapitalmarkt.
Eine Schenkung an A ist in diesem Fall nicht vorgesehen. Die Entscheidung für die Einlage erfolgt auf der Grundlage rein betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Um hier eine Schenkungsteuer zu vermeiden, könnte B an Stelle einer Einlage der GmbH allenfalls ein Gesellschafterdarlehen geben. Das volkswirtschaftliche Ziel einer verbesserten Eigenkapitalausstattung von Unternehmen würde durch die vorgesehene Fiktion einer freigebigen Zuwendung damit deutlich behindert.

Beispiel 2:
B habe der A&B-GmbH (vgl. oben) im Jahr 01 ein Gesellschafterdarlehen gegeben. Im Jahr 04 gerät die GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. B verzichtet daher auf seine Forderung gegen die GmbH.
Auch hier würde eine Schenkung des B an den A fingiert, da bei dem Verzicht eines Gesellschafters auf seine Forderung eine betriebliche Veranlassung in aller Regel verneint wird. Eine solche wird allenfalls dann anerkannt, wenn alle Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten. Ein gleichlaufender Verzicht des A ist aber hier nicht möglich, da er der GmbH kein Darlehen gegeben hat. Ziel des B ist aber nicht eine freigebige Zuwendung an den Mitgesellschafter, sondern lediglich die Sicherung der Zahlungsfähigkeit der GmbH und damit des Fortbestandes der Gesellschaft und der Chance, zukünftig weiterhin Einkünfte aus ihr zu erzielen.
Bei der Umsetzung der Gesetzesänderung hat im Ergebnis nicht nur die GmbH Ertragsteuern auf den werthaltigen Teil der erlassenen Forderung zu leisten, sondern es entsteht auch Schenkungsteuer zum Steuersatz von 30 %, ohne dass es eine Rolle spielt, ob oder zu welchem Anteil die erlassene Forderung überhaupt noch werthaltig war.

Beispiel 2 sollte erkennen lassen, dass die vorgesehene Regelung auch und gerade für in wirtschaftliche Schieflage geratene Gesellschaften eine weitere Verschärfung der Situation mit sich bringt. Dies gilt nicht nur für den Fall eines Forderungsverzichts, sondern ggf. auch bereits bei einem Verzicht auf die Verzinsung des gegebenen Darlehens. Eine Sanierung solcher Gesellschaften bringt bereits jetzt aus ertragsteuerlicher Sicht erhebliche Probleme mit sich. Diese würden zukünftig noch erweitert um eine lediglich auf einer Fiktion beruhenden Belastung mit Schenkungsteuer. Statt hier später zu versuchen, mit einer neuen Sanierungsklausel nachzubessern, sollte die Regelung in der vorgesehenen Form gar nicht erst verabschiedet werden.
Eine Sonderregel gilt nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG-E in der Sphäre zwischen den Kapitalgesellschaften. Sie soll die Folgen des Satz 1 und die Folgen einer der Erbschaftsteuer unterliegenden vGA für Wertverschiebungen innerhalb eines Konzerns entschärfen.

Voraussetzung ist, dass diese Vermögensverschiebungen betrieblich veranlasst sind. Der offene Rechtsbegriff sorgt an dieser Stelle für weiteren Zündstoff. Es stellt sich die Frage, was unter einer betrieblichen Veranlassung zu verstehen ist. Die Auffassung in der Entwurfsbegründung ist u. E. nicht haltbar. Hiernach liegt eine betriebliche Veranlassung regelmäßig nicht vor, wenn der leistende und der begünstigte Gesellschafter nahe Angehörige sind. Eine solche Vermutung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Die Sonderregel nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG-E ist zwar dem Grunde nach zu begrüßen, reicht aber nicht weit genug, da die normale mittelständische GmbH mit nicht verwandten, natürlichen Personen als Gesellschafter davon nicht profitiert. Betroffen von der Neuregelung sind damit insbesondere die Gesellschaften, bei denen eine missbräuchliche Gestaltung am wenigsten wahrscheinlich ist.

Zu Nr. 22 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 11 Nr. 1b.: § 15 Abs. 4 – neu –)
Nach § 15 Abs. 4 ErbStG-E soll bei einer Schenkung durch eine Kapitalgesellschaft das persönliche Verhältnis des Erwerbers zu der unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Person zugrunde gelegt werden, durch die die Schenkung veranlasst ist.

Dieser Punkt ist stark zu kritisieren. Zum einen wird hier unterstellt, dass eine ertragsteuerliche vGA, die beim Gesellschafter zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, gleichzeitig der Schenkungsteuer unterliegt.
Dass diese aus einem obiter dictum eines BFH-Urteils (BFH-Urteil vom 7. November 2007, Az. II R 28/06) abgeleitete Konsequenz an dieser Stelle im Gesetz eingeordnet wird, ist nicht nachvollziehbar und vollkommen unsystematisch. Paragraf 15 ErbStG kann erst einschlägig sein, wenn unter einen steuerbaren Tatbestand subsumiert worden ist.

Der koordinierte Ländererlass vom 20. Oktober 2010 (BStBl. I 2010, S.1207) geht zu Unrecht davon aus, dass bei einer vGA Schenkungen der Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter bzw. an nahestehende Personen in Betracht kommen können. Eine Kapitalgesellschaft kann bei einer vGA nicht Zuwendender im Sinne des ErbStG sein – es fehlt ihr an einem eigenständigen Willen zur Unentgeltlichkeit. Die ertragsteuerliche wirtschaftliche Betrachtungsweise der vGA findet grundsätzlich im ErbStG keinen Niederschlag.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es hier zu einer Kollision zwischen Ertragsteuer und Schenkungsteuer kommen würde. Steuersystematisch ist hier eigentlich kein Raum für eine Schenkungsteuerbarkeit im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner, da ein entgeltlicher Vorgang (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) vorliegt.

Zusammenfassung

Angesichts der weiten Auswirkung des vorgeschlagenen Gesetzestextes würde sich für Teile des Mittelstandes u. E. aufgrund der neuen hohen Risiken von nachträglich im Zuge einer Außenprüfung erhobenen Schenkungsteuerforderungen durchaus die Frage stellen, ob die GmbH noch eine geeignete Rechtsform darstellen kann. Um die tatsächlichen Umgehungsfälle ohne unüberschaubare Kollateralschäden für die gesamte Wirtschaft zu treffen, muss die Regelung noch einmal überdacht und neu formuliert werden.
Als Mindestforderung sollte die (gesetzlich geregelte) Fiktion der Schenkung nur in Fällen greifen, wo tatsächlich Besteuerungslücken bzw. Umgehungstatbestände bestehen und sollte nur dann greifen, wenn die beteiligten natürlichen Personen Angehörige i. S. d. § 15 AO sind.
Artikel 12: Änderung der Abgabenordnung
Zu Nr. 23 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 12 (Abgabenordnung) )

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf völlig überraschend und u. E. systematisch verfehlt eine Änderung der Abgabenordnung vorgeschlagen, mit der eine erneute Privilegierung des Fiskus im Rahmen des Insolvenzverfahrens eingeführt werden soll.

Danach sollen die von einem anderen Unternehmer für das Unternehmen des Insolvenzschuldners und die vom Insolvenzschuldner ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen für die Aufrechnung durch Finanzbehörden nicht als Rechtshandlungen im Sinne der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung gelten. Das heißt, die Aufrechnung durch die Finanzbehörde unterliegt nicht den Regeln der Anfechtung nach der Insolvenzordnung.
Der Bundesrat begründet seine Forderung mit einem Urteil des BFH, welches die Aufrechnungsmöglichkeiten des Fiskus erheblich einschränke und damit zu beträchtlichen jährlichen Mindereinnahmen des Fiskus führe. Der Bundesrat sieht demzufolge eine zuverlässige Haushaltsplanung des Bundes und der Länder als erschwert bzw. unmöglich an. Mit der Gesetzesänderung solle diese Schieflage im Hinblick auf die Aufrechnung mit Umsatzsteueransprüchen beseitigt werden.

Der Leitsatz der Entscheidung des BFH vom 2. November 2010 (VII R 6/10) lautet:
„Die Verrechnung von Insolvenzforderungen des Finanzamts mit einem aus der Honorarzahlung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners ist, sofern bei Erbringung der Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131 InsO vorgelegen haben, unzulässig (Änderung der Rechtsprechung).“
Der BFH hat hier entschieden, dass der Aufrechnung des Finanzamts die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die vom Bundesrat jetzt vorgeschlagene Regelung will dieses insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot umgehen. Der Fiskus erhielte somit auch dann eine Aufrechnungsmöglichkeit, wenn diese durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt wurde.

Die BStBK hat sich bereits in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Haushaltbegleitgesetzes 2011 zu den dort vorgesehenen Änderungen der Insolvenzordnung, die den Fiskus gegenüber anderen Gläubigern begünstigen, kritisch geäußert.

Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahre 1999 gilt im deutschen Insolvenzrecht der Grundsatz, dass – anders als in der vorgehenden Konkursordnung – alle Gläubiger gleich zu behandeln sind. Dieser Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung beherrscht das gesamte Insolvenzverfahren. Durch die Besserstellung des Fiskus soll dieser in der Praxis seit mehr als zehn Jahren bewährte Grundsatz zum Nachteil der anderen Gläubiger lediglich aus haushalterischen Gründen aufgegeben werden. Der kurzfristigen Sanierung des Bundeshaushaltes stehen jedoch im Falle der Insolvenz der Unternehmen die dauerhafte Belastung der Sozialkassen durch arbeitslos gewordene Beschäftigte und Steuerausfälle gegenüber. Die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung der Unternehmen verschlechtern sich.

In Frage gestellt werden mit der geplanten Regelung ebenfalls die Regelungen des derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Nach Auffassung des Bundesjustizministeriums sollte mit dem Gesetzentwurf ein Mentalitätswechsel für eine andere Insolvenzkultur eingeleitet werden. Das Recht solle stärker auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ausgerichtet werden und damit auch der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht werden.

Gleichzeitig soll an der Befriedigung der Gläubiger festgehalten werden.
Aufgrund der geplanten umfassenden Privilegierung des Fiskus ist der Anreiz für diesen gering, an Sanierungsversuchen im Insolvenzverfahren mitzuwirken. Zudem werden sich durch die Regelung weitere institutionelle Gläubiger, wie z. B. die Sozialversicherungsträger veranlasst sehen, für sich auf eine ähnliche Bevorzugung zu drängen.

Die Bevorzugung bestimmter Gläubiger im Insolvenzverfahren vermindert die Liquidität der Unternehmen und mögliche Sanierungschancen. Eine Abkehr vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung muss vermieden werden.

Die BStBK lehnt die Einführung des vorgeschlagenen § 226 Abs. V AO deshalb entschieden ab.
Artikel 12a: Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Zu Nr. 24 der Stellungnahme des Bundesrates
Zu Artikel 12a – neu – ( § 20 Abs. 2 UStG)

Zum 31. Dezember 2011 wird die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung automatisch wieder auf 250.000,00 € gesenkt. Die BStBK begrüßt es sehr, dass es vom Bundesrat und der Bundesregierung befürwortet wird, die derzeit geltende Grenze von 500.000,00 € um ein weiteres Jahr zu verlängern.
Wir regen jedoch an, den Vorschlag der Bundesregierung aufzunehmen und die Umsatzgrenze von 500.000,00 € für die Ist-Besteuerung auf Dauer beizubehalten.
Dies begründen wir wie folgt:

Für betroffene Unternehmen, die bis zu einer Umsatzgrenze von 500.000,00 € gem. § 140 AO nicht buchführungspflichtig sind, ist eine dauerhafte Beibehaltung der Umsatzgrenze von 500.000,00 € für die Ist-Besteuerung sehr vorteilhaft und bewahrt diese vor einer erheblichen Arbeitsmehrbelastung bei der Erfüllung Ihrer steuerlichen Pflichten. Unternehmen, die Ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln und somit nicht buchführungspflichtig sind, zeichnen nur Ihren Zahlungseingang nach dem Ist-Prinzip auf. So wäre es für diese Unternehmen ein erheblicher Mehraufwand, wenn für Zwecke der Umsatzsteuer die Sollbesteuerung anzuwenden ist. Die Angleichung beider Vorschriften durch die einheitliche Umsatzgrenze von 500.000,00 € trägt zur Steuervereinfachung bei.

Eine wiederholte nur befristete Verlängerung der Anhebung der Umsatzgrenzen führt zur Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Unternehmen. Die Unternehmen können sich nicht dauerhaft darauf einstellen, wann und ob sie wieder in die Sollbesteuerung zurückfallen, da diese Regelung wieder um ein Jahr befristet wird.
Die Beibehaltung der Umsatzgrenze von 500.000,00 € ist auch gerade deshalb notwendig geworden, weil die Rückkehr zur Sollbesteuerung bei den betroffenen Unternehmen dazu führt, dass diesen Liquidität entzogen wird. Der Abstand zwischen dem Zeitpunkt der Umsatzsteuerzahlung durch das Unternehmen und der späteren Zahlungsleistung seiner Abnehmer bei der Sollbesteuerung führt dazu, dass den betroffenen Unternehmen wieder ein Finanzierungsnachteil entsteht. Wenn diese Unternehmen dann ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sind diese Unternehmen doppelt bestraft.

Die BStBK würde es begrüßen, wenn die dauerhafte Anhebung der Grenzen der Ist-Besteuerung – auch aus Gründen der Planungssicherheit – durchgesetzt werden könnte.