Steuerfreiheit für Offshore-Unternehmen als unzulässige Beihilfe

Steuerfreiheit für Offshore-Unternehmen als unzulässige Beihilfe

Kernproblem

Staatliche Beihilfen, die eine Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Branchen beinhalten und somit einen Einfluss auf den innergemeinschaftlichen Liefer- und Leistungsverkehr haben, sind grundsätzlich mit dem höherrangigen Europarecht nicht vereinbar. Von diesem generellen Beihilfeverbot kann in Ausnahmefällen abgewichen werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass vor deren Umsetzung ein Antrag bei der europäischen Wettbewerbskommission gestellt und von dieser genehmigt wird. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war ein Antrag des Vereinigten Königreichs aus dem Jahr 2002 zur Reform der Körperschaftsteuer in Gibraltar. Diese sah eine vollständige Aufhebung des alten Steuersystems und die Einführung von nur 3 Steuern für alle Unternehmen in Gibraltar vor: Neben einer Eintragungsgebühr waren dies insbesondere eine Lohnsummensteuer sowie eine Gewerbegrundsteuer, wobei für die beiden letztgenannten Steuern eine Obergrenze von 15 % der Gewinne gelten sollte.

Sachverhalt

Der Antrag wurde 2004 durch die Europäische Kommission abgelehnt, da die angemeldeten Vorschläge zur Reform des Körperschaftsteuersystems in Gibraltar eine staatliche Beihilfenregelung darstellten und daher mit dem Europarecht nicht vereinbar seien. Die hiergegen gerichtete Klage der Regierung von Gibraltar und des Vereinigten Königreichs bleib schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erfolglos, er bestätigte die Entscheidung der Kommission.

Entscheidung

Eine Steuerregelung, die so konzipiert ist, dass Offshore-Unternehmen der Besteuerung entgehen, stellt eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe dar. Der EuGH begründet dies damit, dass durch die Regelung insbesondere Offshore-Unternehmen begünstigt werden (sollen) und somit eine unzulässige selektive Begünstigung vorliege. Die geplante Steuerregelung in Gibraltar sei durch eine Kombination von Lohnsummen- und Gewerbegrundsteuer gekennzeichnet, die im Ergebnis eine Besteuerung von Offshore-Unternehmen von vornherein ausschließe, da diese keine Arbeitnehmer beschäftige und auch keine Geschäftsräume nutze.

Konsequenzen

Eine unmittelbare Bedeutung kommt dem Urteil insoweit nicht zu, weil die streitige Reform bislang nicht in Kraft getreten ist. Das Urteil stellt indes eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Beihilferecht dar, welches bislang im Steuerrecht eine eher untergeordnete Rolle spielte. Die erhebliche Bedeutung des Beihilferechts im Steuerrecht zeigt sich z. B. auch in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom Januar 2011, wonach die im Körperschaftsteuergesetz (§ 8c KStG) enthaltene Sanierungsklausel eine unzulässige Beihilfe darstellen soll. Die Bundesregierung hat hiergegen eine Nichtigkeitsklage beim EuGH erhoben, deren Entscheidung mit Spannung zu erwarten ist.