Steuerliche Anerkennung der Kosten einer künstlichen Befruchtung als außergewöhnliche Belastung

Die steuerliche Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen spielt im deutschen Einkommensteuerrecht eine bedeutende Rolle, insbesondere bei medizinischen Behandlungen. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Februar 2024 (Aktenzeichen VI R 2/22) bestätigt nun, dass die Kosten für eine Präimplantationsdiagnostik (PID) mit anschließender künstlicher Befruchtung steuerlich absetzbar sein können – auch wenn die Behandlung bei einer gesunden Frau erfolgt, aber durch eine Krankheit ihres Partners notwendig wird.

Hintergrund des Urteils

Im vorliegenden Fall klagte eine unverheiratete, gesunde Frau, deren Partner an einer chromosomalen Translokation litt – einer genetischen Veränderung, die das Risiko schwerster Behinderungen oder nicht lebensfähiger Embryonen bei natürlicher Zeugung erheblich erhöhte. Um diesem Risiko vorzubeugen, entschieden sich beide für eine künstliche Befruchtung mit vorheriger Präimplantationsdiagnostik (PID). Die medizinischen Maßnahmen wurden überwiegend an der Klägerin durchgeführt, und die Behandlungskosten beliefen sich auf 22.965 Euro.

Das Finanzamt verweigerte den steuerlichen Abzug mit der Begründung, dass die Kosten nicht ausschließlich die Klägerin beträfen und somit keine persönliche Zwangsläufigkeit im steuerlichen Sinne vorliege. Nach einer teilweisen Anerkennung durch das Finanzgericht Niedersachsen ging die Angelegenheit in die Revision zum BFH.

Entscheidung des Bundesfinanzhofs

Der BFH entschied zugunsten der Klägerin und stellte fest, dass die Kosten für die PID und künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anzuerkennen sind. Ausschlaggebend war:

  • Krankheitskosten sind steuerlich absetzbar, wenn sie durch eine regelwidrige Körperfunktion verursacht werden und zur Linderung oder Heilung einer Krankheit dienen.
  • Die chromosomale Translokation des Partners wurde als solche Krankheit anerkannt.
  • Da eine alleinige Behandlung des Partners nicht möglich war, um die Folgen der Krankheit zu vermeiden, war die Behandlung der Klägerin zwangsläufig.
  • Die PID und künstliche Befruchtung erfolgten in einem medizinisch zugelassenen und rechtlich einwandfreien Verfahren, genehmigt durch die PID-Kommission der Ärztekammer.

Wichtige steuerliche Aspekte

Der BFH stellte klar, dass die Individualbesteuerung gewahrt bleibt, obwohl die Behandlung durch die Krankheit des Partners erforderlich wurde. Entscheidend war, dass die Klägerin die Kosten selbst getragen hat und dadurch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gemindert wurde.

Bedeutung für Steuerpflichtige

Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für Steuerpflichtige, die sich in einer ähnlichen Situation befinden:

  • Behandlungskosten können auch dann absetzbar sein, wenn die Krankheit bei einer anderen Person vorliegt, aber eine medizinische Notwendigkeit für die Steuerpflichtige selbst besteht.
  • Die rechtliche Zulässigkeit der Behandlung spielt eine wichtige Rolle für die steuerliche Anerkennung.
  • Individuell getragene Kosten für medizinische Behandlungen, die eine Krankheit lindern oder deren Folgen vermeiden, können steuerlich berücksichtigt werden.

Fazit

Dieses Urteil stärkt die Rechte von Steuerpflichtigen in besonderen medizinischen Fällen und schafft mehr Rechtssicherheit bei der steuerlichen Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen. Es zeigt aber auch, dass selbst in einem so klaren Fall die steuerliche Berücksichtigung erst durch ein oberstes Gericht entschieden werden musste – ein weiteres Beispiel für die bürokratischen Herausforderungen in Deutschland.

Tipp: Betroffene sollten ihre medizinischen Belege sorgfältig aufbewahren und sich steuerlich beraten lassen, um die bestmögliche Anerkennung der Kosten im Rahmen der Steuererklärung zu gewährleisten.