Steuerliche Beurteilung des Ausfalls eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen – alles auf Anfang?

Der Bundesfinanzhof hat 2017 seine langjährige Rechtsprechung zur Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen aufgegeben. Jetzt steuert der Gesetzgeber dagegen. Mit einer neuen Definition nachträglicher Anschaffungskosten i. S. d. § 17 EStG will er zurück zum alten Rechtsverständnis. Übergangsprobleme sind vorprogrammiert.

Der Ausfall eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen beschäftigt seit geraumer Zeit die Gemüter. Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften („JStG 2019″) ( BR-Drs. 552/19 ) kommt nun eine gesetzliche Neuerung. Der Steuerrechtsausschuss des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. (DStV) nimmt dies zum Anlass für eine Kurzinformation:

Aufgabe langjähriger Rechtsprechung zur Berücksichtigung ausgefallener Finanzierungshilfen

Im Sommer 2017 gab der Bundesfinanzhof seine langjährige Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung ausgefallener eigenkapitalersetzender Finanzierungshilfen auf ( Urteil v. 11.07.2017, IX R 36/15 ). Mit Inkrafttreten des MoMiG am 01.11.2018 sei die gesetzliche Grundlage für die bis dato geltende normspezifische Auslegung des Anschaffungskostenbegriffs entfallen. Diese Grundsatzentscheidung hat der Bundesfinanzhof inzwischen bestätigt ( Urteil v. 02.07.2019, IX R 13/18 ).

Für eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfen, die bis zur (Online-)Veröffentlichung des Urteils (27.09.2017) gewährt bzw. die bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend wurden, hat der Bundesfinanzhof eine Vertrauensschutzregelung ausgesprochen. Die Finanzverwaltung hat die Übergangsregelung in dem BMF-Schreiben v. 05.04.2019 (IV C 6 – S-2244 / 17 / 10001, BStBl I 2019, S. 257) bestätigt.

Private Darlehnsverluste können Steuern mindern

Im Herbst 2017 entschied der BFH, dass ab Einführung der Abgeltungsteuer 2009 der Ausfall einer Kapitalforderung in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 EStG führt ( Urteil v. 24.10.2017, VIII R 13/15 ). Durch die Einführung der Abgeltungsteuer sollte – so der BFH – eine vollständige steuerliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden. Damit sei die traditionelle Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen hinfällig.

In der Literatur herrscht die Meinung vor, dass die Grundsätze dieses Urteils auch auf den Ausfall bzw. den Verzicht von Gesellschafterdarlehen anzuwenden sein dürften (Ott, DStZ 2019, 412, Stenert/Selle, Ubg 2018, S. 183; Moritz/Strohm, DB 2018, S. 88). Während zum Ausfall einer Darlehensforderung noch die Revision zum Urteil des FG Köln vom 18.01.2017 (Az. 9 K 267/14) anhängig ist (Az. X R 9/17), hat der Bundesfinanzhof inzwischen – entgegen der Verwaltungsauffassung in Rz. 61 des BMF-Schreibens vom 18.01.2016 – die Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG und des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b i. V. m. Satz 2 EStG bei einem Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil einer Darlehensforderung grundsätzlich bejaht (Urteil v. 06.08.2019, VIII R 18/16 ). Voraussetzung ist allerdings, dass der Steuerpflichtige für den nicht werthaltigen Teil der Forderung Anschaffungskosten getragen hat (was im Urteilssachverhalt nicht der Fall war).

Damit können Gesellschafter, die zu mindestens 10 % an einer darlehensnehmenden Kapitalgesellschaft beteiligt sind, grundsätzlich ihre Verluste durch einen Darlehensausfall vollständig steuerlich berücksichtigen – während eine Berücksichtigung im Rahmen des § 17 EStG aufgrund des Teileinkünfteverfahrens auf 60 % beschränkt wäre. Ungeklärt ist derzeit noch das Verhältnis der Vertrauensschutzregelung im Rahmen des § 17 EStG zu § 20 Abs. 2 EStG.

Änderungen durch das „JStG 2019″

Der Referentenentwurf des „JStG 2019″ verhieß zunächst nichts Gutes. Er sah noch eine Anpassung des § 20 Abs. 2 EStG vor, die dazu geführt hätte, dass der durch den Ausfall einer Kapitalforderung entstandene Verlust steuerlich unbeachtlich gewesen wäre. Es sollte ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich die BFH-Rechtsprechung vom 24.10.2017 korrigiert werden. Diese Neuerung hat es letztlich nicht durch das parlamentarische Verfahren geschafft.

Stattdessen hat der Gesetzgeber mit der Ergänzung in § 17 Abs. 2a Satz 3 EStG einen anderen Weg eingeschlagen: Er hat die Anschaffungskosten im Sinne des § 17 EStG neu definiert. Demnach gelten u. a. Darlehensverluste sowie Ausfälle von Bürgschaftsregress- und vergleichbaren Forderungen explizit als nachträgliche Anschaffungskosten, soweit die Gewährung des Darlehens oder dessen Stehenlassen in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Der neue § 17 Abs. 2a EStG gilt grundsätzlich bereits ab dem 31.07.2019.

Gesellschafter können daher aufatmen. Abweichend von der genannten Rechtsprechung aus dem Sommer 2017 sind Darlehensverluste künftig wieder gewinnmindernd im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen; auch wenn das Darlehen nach den Grundsätzen des MoMiG zu behandeln ist. Eigen- und Fremdkapital werden steuerlich mithin wieder gleichbehandelt. Die neue Definition der Anschaffungskosten gilt erfreulicherweise auch für Kleinanleger mit einer Beteiligung von weniger als 10 %.

Etwaige Übergangsprobleme in der Praxis

Auf Antrag kann der Steuerpflichtige die Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG auch für Altfälle anwenden. Betroffene sollten jedoch beachten, dass keine Pflicht besteht, die Neuregelung auch für Altfälle anzuwenden. Unter Umständen kommt für die Zeit nach Ablauf der Vertrauensschutzregelung am 27.09.2017 bis zum Inkrafttreten des § 17 Abs. 2a EStG am 31.07.2019 auch eine Verlustberücksichtigung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i. V. m. Satz 2 und Abs. 4 EStG in Betracht. Für Gesellschafter mit einer Beteiligung von mindestens 10 % käme dann womöglich ein 100 %-iger Verlustausgleich auch mit anderen Einkunftsarten in Betracht.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 04.12.2019