Steuerliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung 2.0?

Das steuerpolitische Jahr beginnt mit einem Aspekt des Koalitionsvertrags von Union und SPD: Der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Die FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN drängen auf Erleichterungen bei der steuerlichen Förderung. In der öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags gibt der DStV als Sachverständiger seine Einschätzungen zu rechtlichen Fragestellungen ab.

Nach dem Koalitionsvertrag von Union und SPD sollen neue Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung geprüft werden (Rz. 2857 – 2858). Der Koalitionsausschuss der Großen Koalition griff den Aspekt Ende 2019 im Rahmen des Konzepts zur Grundrente auf. Mitarbeiterkapitalbeteiligungen tragen danach zur Vermögensbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei. Um ihre Attraktivität zu erhöhen, solle der steuerfreie Höchstbetrag nach § 3 Nr. 39 EStG von derzeit 360 Euro auf 720 Euro angehoben werden – so die Absicht der Regierungsparteien.

Opposition erhöht den politischen Druck

Für einen Teil der Opposition gehen die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug. Die FDP-Bundestagsfraktion brachte den Antrag „Eigentumsturbo – Mitarbeiterbeteiligung schnell durchsetzen“ ( BT-Drs. 19/14786 ) in den Deutschen Bundestag ein. Kurz darauf folgte die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit dem Antrag „Mitarbeiterbeteiligung erleichtern – In Start-ups und etablierten Unternehmen“ ( BT-Drs. 19/15118 ). Beide Parteien erachten die Rahmenbedingungen in Deutschland als höchst unattraktiv, wodurch deutsche Unternehmen und dabei insbesondere Startups der digitalen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb stark benachteiligt seien.

Mit den von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Lösungsvorschlägen befasste sich der Finanzausschuss des Deutschen Bundestags in einer öffentlichen Anhörung Ende Januar. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) zeigte in seiner Stellungnahme S 02/20 und als Sachverständiger in dem Hearing auf, welche rechtlichen Hürden es zur Steigerung der Attraktivität des Instruments zu überwinden gäbe. In der Anhörung erörterten die Bundestagsabgeordneten mit den Sachverständigen unter anderem folgende Aspekte.

Öffentliche Anhörung zeigt akuten Handlungsbedarf

Die Ausführungen der Vertreter der Wirtschaft demonstrierten eindrucksvoll den Druck im Wettbewerb um internationale Spitzenkräfte für deutsche Technologie-Unternehmen. Der Gründer des Online-Touristikunternehmens GetYourGuide Deutschland, Johannes Reck, führte etwa aus, dass in seinem Unternehmen nur 15 % aus Deutschland stammende Mitarbeiter beschäftigt seien. Die Anzahl der Universitätsabgänger im IT-Bereich würde schon lange nicht mehr reichen, um den Bedarf zu decken. Wenn er internationale Talente anwerben wolle, sei die Beteiligung am Unternehmen das wichtigste Argument – so Recks Erfahrung mit dem Bewerbermarkt. Allerdings sei eine Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland doppelt so teuer wie im Silicon Valley. Für Reck gehe es hier um den politischen Willen, in Deutschland Champions aufzubauen.

Auch Christian Vollmann, Bundesverband Deutsche Startups, legte die Dringlichkeit dar. Sein Verband werde oft gefragt, wann das deutsche „Google“ oder das deutsche „Facebook“ komme. Wenn in Deutschland solche Unternehmen von Weltformat aufgebaut werden sollen, müssten die besten Köpfe nach Deutschland geholt werden. Deutschland stehe dabei nicht nur im internationalen Wettbewerb mit dem Silicon Valley, sondern auch mit Paris, London, Madrid, Tel Aviv etc. Das Top-Talent sei international mobil. Es gehe hier also auch um einen Wettbewerb der Standorte. Insofern sei es nach Vollmann nicht überzogen, zu sagen, dass die Mitarbeiterbeteiligung der entscheidende Faktor ist, um die besten Talente nach Deutschland zu holen. Der Status quo sei für Startups leider extrem unbefriedigend.

Anhebung und Aufsplittung des steuerfreien Höchstbetrags?

Unter Verweis auf die hohen Freibeträge in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Niederlande (1.200 Euro), Österreich (3.000 Euro), Italien (2.100 Euro) oder Ungarn (3.200) regen sowohl die FDP-Bundestagsfraktion als auch die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Anhebung des Freibetrags in Höhe von gegenwärtig 360 Euro an. Der Antrag der FDP sieht eine Staffelung vor: Zum 01.01.2020 soll der Freibetrag auf 500 Euro, zum 01.01.2021 auf 1.000 Euro, zum 01.01.2022 auf 1.500 Euro und langfristig auf 5.000 Euro steigen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehen einen anderen Weg: Sie regen eine Erhöhung des Freibetrags beim Erhalt von Mitarbeiterbeteiligungen in jungen, innovativen Unternehmen gemäß der KMU-Definition der EU und des INVEST-Programms auf 5.000 Euro an. Darüber hinaus soll der Freibetrag beim Erhalt von Mitarbeiterbeteiligungen in sonstigen Unternehmen sukzessive ebenfalls spürbar steigen.

Einige Sachverständige stimmten den Anregungen der Opposition dem Grunde nach zu. Auch der DStV unterstützt die Zielsetzung der Anträge: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine unmittelbare Teilhabe am Erfolg der Unternehmen zu gewähren, kann die Beschäftigten binden, deren Leistungsbereitschaft steigern und die Eigenkapitalbasis von Unternehmen stärken. Insofern sprach er sich in dem Hearing dafür aus, dass der Freibetrag im internationalen Vergleich deutlich angehoben werden müsste. In einem ersten Schritt regte er einen Betrag von 1.500 Euro an. Der im Kompromiss der Koalition zur Grundrente angesetzte Betrag von 720 Euro sei zu gering.

Der DStV verwies jedoch darauf, dass die Mitarbeiterbeteiligung nur ein Baustein von vielen Möglichkeiten zur Mitarbeiterbindung sei. Nach der jüngsten Auswertung einer Bitkom-Umfrage rangiere das Instrument am Ende der Wunschliste von Arbeitgebern und Arbeitnehmern (vgl. Bitkom-Mitteilung vom 06.01.2020 „ Der Dienstwagen hat ausgedient: So werben Arbeitgeber um neue Mitarbeiter “). Angebote wie Jobtickets, Gleitzeit, Weiterbildung oder flexible Arbeitszeiten stünden danach höher im Kurs. Nach Auffassung des DStV sollte die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Anreizwirkung der verschiedenen Werkzeuge zur Mitarbeiterbindung evaluieren.

Der von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagenen Aufsplittung der Freibeträge nach Unternehmensarten steht der DStV zurückhaltend gegenüber. In der Anhörung wies er darauf hin, dass sie das Steuerrecht verkomplizieren und streitanfällig machen würde. Darüber hinaus könne sie vom Gesetzgeber unerwünschte Gestaltungsspielräume eröffnen.

Besteuerung im „Zuflusszeitpunkt“?

Sehr deutlich zeigte sich in der Anhörung, dass die Anhebung des Freibetrags zwar eine Möglichkeit wäre, das Instrument attraktiver zu gestalten. Vollmann strich jedoch heraus, dass allein eine Anhebung des Freibetrags nach § 3 Nr. 39 EStG die Situation von Startups nicht erleichtere. Eines der Hauptprobleme sei die Besteuerung im „Zuflusszeitpunkt“ – das „Dry Income“-Problem. Das heißt, dass der Mitarbeiter direkt bei unentgeltlichem oder verbilligtem Erhalt der Mitarbeiterbeteiligung Steuern auf den Vorteil zahlen muss, obwohl ihm noch keine Gewinne (tatsächliche Geldmittel) durch die Beteiligung zugeflossen sind. Die entstehende Steuerschuld muss aus dem Lohneinkommen beglichen oder die Beteiligung sofort nach Ausübung veräußert werden. Wie die FDP in ihrem Antrag herausarbeitet, widerspreche diese Wirkung dem eigentlichen Zweck der Mitarbeiterbeteiligung, eine langfristig angelegte Bindung des Mitarbeiters an seinen Arbeitgeber.

In der Anhörung identifizierten weitere Sachverständige das „Dry Income“-Problem als ein maßgebliches Hindernis – so RA/StB/FAfStR Dr. Peter Möllmann, Schnittker Möllmann Partners Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB, oder Marc Schmitz, Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Vollmann und Reck betonten, dass es dies der Grund sei, warum es heute in Startups keine echten Kapitalbeteiligungen, sondern nur virtuelle Beteiligungsmodelle gäbe. Damit würde das Problem zwar umgangen, weil sie einen sehr schnellen und einfachen Weg für Arbeitgeber darstellten, Mitarbeiter zu beteiligen. Virtuelle Anteile führten aber bei einem Börsengang zu großen technischen Hürden, wenn ein Cash-Bonusprogramm in ein Aktienprogramm umgewandelt werden müsse. Hier käme es zu Rechtsunsicherheiten.

Geschlossen vertraten sie die Auffassung, dass das „Dry Income“-Problem nur gelöst werden könne, wenn eine Versteuerung des geldwerten Vorteils im Zeitpunkt des „Exits“, also der Veräußerung des Anteils, erfolge. Die FDP schlug insoweit die Einführung eines Stundungsmodells vor.

Die Besteuerung nach dem Zuflusszeitpunkt stellt auch aus Sicht des DStV ein Hemmnis für die Attraktivität des Instruments dar. Er führte im Hearing allerdings aus, dass sie lohnsteuerlichen Grundätzen entspreche. Ob die Gesetzessystematik ausnahmsweise für den Bereich der steuerlichen Förderung der Mitarbeiterbeteiligungen aufgegeben werden sollte, sei eine gesetzgeberische bzw. politische Entscheidung.

Mindesthaltefrist als gesetzliche Bedingung für die Steuerbefreiung?

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN regen in ihrem Antrag an, die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG von einer Mindesthaltefrist von fünf Jahren abhängig zu machen. Der DStV sieht eine gesetzliche Mindesthaltefrist kritisch. Sie würde die Flexibilität des Instruments für Arbeitgeber und Arbeitnehmer einschränken. Dessen Attraktivität würde somit eher gemindert als gefördert. Es stellt sich zudem die Frage, ob es insofern einer gesetzlichen Regelung bedarf. Nach der Wahrnehmung des DStV haben Unternehmen ein eigenes Interesse, die Mitarbeiterbeteiligungen mit Haltefristen zu verknüpfen und sie in den vertraglichen Grundlagen festzuhalten. Dies bestätigte Vollmann: Eine gesetzliche Mindesthaltefrist erhöhe die Bürokratie und Komplexität der Regelung, ohne einen Mehrwert zu leisten. Mitarbeiterbeteiligungsprogramme dienten gerade dazu, den Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Die Parteien vereinbarten daher ein sog. „Vesting“, also eine Regelung, dass der Mitarbeiter eine gewisse Zeit bleiben muss, um in den vollen Genuss des Vorteils zu kommen. Der Bundesverband Deutsche Startups und der DStV lehnten den Vorschlag in der Anhörung entsprechend ab.

Abbau weiterer Hemmnisse?

Der DStV identifizierte eine weitere Hürde, die die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 39 EStG maßgeblich schwächen dürfte. Um in ihren Genuss zu kommen, müssen Arbeitgeber das Beteiligungsprogramm allen Arbeitnehmern des Unternehmens anbieten (§ 3 Nr. 39 Satz 4 EStG). Diese Restriktion mildert das Gesetz nur insofern ab, als die Beteiligung mindestens allen Arbeitnehmern offenstehen muss, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen. Damit kann der Arbeitgeber die Gruppe der Arbeitnehmer, die weniger als ein Jahr bei ihm beschäftigt sind, von dem Angebot ausschließen. Eine weitere Differenzierung hat der Gesetzgeber nicht zugelassen, um eine Diskriminierung einzelner Gruppen zu verhindern ( BT-Drs. 16/10531, S. 15 ). Hinsichtlich der Konditionen, zu denen die Vermögensbeteiligungen überlassen werden, kann der Arbeitgeber bei den einzelnen Arbeitnehmern jedoch differenzieren (BMF-Schreiben vom 08.12.2009, Rz. 1.2)

Der DStV hält es für praxisfern, dass Unternehmen motiviert sind, alle Mitarbeiter gleichermaßen zu binden. Die Möglichkeit, unterschiedliche Konditionen anzubieten, bietet zwar eine gewisse Flexibilität. Sie bildet aber nach dem Verständnis des DStV die Motivation des Arbeitgebers und die Wünsche der Arbeitnehmer nicht zielgenau ab. Eine Öffnung der Förderung nach § 3 Nr. 39 EStG um weitere Differenzierungsgründe dürfte die Attraktivität der Förderung spürbar steigern.

Vollmann bestätigte die Einschätzung des DStV. Für Startups wäre es sinnvoll, wenn sie jeweils selbst entscheiden könnten, welchen Beschäftigten sie eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung gewähren. In seinem Unternehmen seien die Führungskräfte, also ca. ein Drittel der Mitarbeiter beteiligt – so Vollmann.

Rainald Thannisch, Deutscher Gewerkschaftsbund, hielt es bei einer steuerlichen Förderung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen hingegen für zentral, dass die Vorteile allen Beschäftigten des Unternehmens offenstehen müssen.

Der DStV war in der öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestags durch die stellvertretende Geschäftsführerin RAin/StBin Sylvia Mein vertreten.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 13.02.2020