Steuern: Kommission verklagt Polen wegen ermäßigter Mehrwertsteuer auf Medizin- und Brandschutzprodukte

Polen wegen ermäßigter Mehrwertsteuer auf Medizin- und Brandschutzprodukte verklagt

EU-Kommission, Pressemitteilung vom 26.09.2013

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Polen vor dem Gerichtshof der Europäischen Union zu verklagen, weil es rechtswidrig auf medizinische Geräte zum allgemeinen Gebrauch und pharmazeutische Produkte einen ermäßigten MwSt-Satz erhebt. Nach der MwSt-Richtlinie der EU können die Mitgliedstaaten auf medizinische Geräte und andere Vorrichtungen unter zwei Bedingungen einen ermäßigten MwSt-Satz erheben: Sie müssen der Linderung und Behandlung von Behinderungen dienen und ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten bestimmt sein. Polen geht jedoch darüber hinaus, indem es auch für medizinische Geräte zum allgemeinen Gebrauch, wie sie z. B. in Krankenhäusern verwendet werden, und bestimmte nichtmedizinische pharmazeutische Erzeugnisse wie Desinfektions- oder Wellnessprodukte einen ermäßigten MwSt-Satz einräumt.

Außerdem verklagt die Kommission Polen vor dem Gerichtshof, weil es den ermäßigten MwSt-Satz rechtswidrig auch auf Brandschutzprodukte anwendet. Nach den EU-MwSt-Vorschriften darf ein ermäßigter MwSt-Satz nur auf solche Dienstleistungen und Gegenstände angewandt werden, die in einer erschöpfenden Liste aufgeführt sind. Nach der Richtlinie kann Polen auf Brandschutzprodukte keinen ermäßigten MwSt-Satz erheben, da die Liste solche Produkte nicht enthält. Die polnischen Bestimmungen gehen also über das hinaus, was in der MwSt-Richtlinie vorgesehen ist. Die EU-MwSt-Vorschriften müssen genau so ausgelegt und eingehalten werden, wie sie von allen EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen und angenommen wurden.

Die Kommission als Hüterin der Verträge verlangt von den Mitgliedstaaten, die MwSt-Vorschriften einzuhalten, die sie selbst, also auch Polen, einstimmig befürwortet haben. Die Anwendung ermäßigter Steuersätze außerhalb dessen, was nach der MwSt-Richtlinie zulässig ist, kann zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU führen. Das EU-Recht zu ermäßigten MwSt-Sätzen ist eng auszulegen. Dieser Grundsatz wurde vom Gerichtshof aufgestellt und vielfach, so auch wieder Anfang dieses Jahres in einem Urteil zu medizinischen Geräten (vgl. z. B. C-360/11), bestätigt.

Hintergrund
Polen ist der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission vom Januar 2013 (vgl. MEMO/13/22) nicht nachgekommen und wendet auch weiterhin auf medizinische Geräte für den allgemeinen Gebrauch und bestimmte nichtmedizinische pharmazeutische Produkte wie Desinfektions- und Wellnessprodukte einen ermäßigten MwSt-Satz an. Außerdem hat Polen die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission vom Februar 2013 (vgl. MEMO/13/22) missachtet und den ermäßigten MwSt-Satz für Brandschutzprodukte beibehalten. Da Polen es versäumt hat, seine Rechtsvorschriften mit den EU-MwSt-Vorschriften in Einklang zu bringen, hat die Kommission beschlossen, Polen wegen dieser beiden Sachverhalte vor dem Gerichtshof zu verklagen.

Pressemitteilungen zu Vertragsverletzungsverfahren im Steuerwesen:

http://ec.europa.eu/taxation_customs/common/infringements/infringement_cases/index_de.htm

Neueste allgemeine Information zu Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten:

http://ec.europa.eu/community_law/index_en.htm

Zu den Vertragsverletzungsbeschlüssen im September siehe: MEMO/13/820

Zum Vertragsverletzungsverfahren allgemeine siehe: MEMO/12/12

Quelle: EU-Kommission