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Arbeitgeber muss sich auch bei Insolvenz an Kündigungsverzicht halten

Arbeitgeber muss sich auch bei Insolvenz an Kündigungsverzicht halten

Kernfrage

Im Rahmen von Tarifvereinbarungen können Arbeitgeber und Belegschaft ihre Rechtsbeziehungen festlegen. Die tarifvertraglichen Vereinbarungen oder die Betriebsvereinbarungen sind bindend und für beide Seiten verpflichtend. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte nunmehr darüber zu befinden, ob eine drohende Insolvenz eine solche verbindliche Vereinbarung außer Kraft setzen kann und zwar insbesondere dann, wenn es eine neue, abweichende tarifliche Vereinbarung gibt.

Sachverhalt

Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter hatten eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der der Arbeitgeber auf betriebsbedingte Kündigungen und die Arbeitnehmer im Gegenzug auf Weihnachtsgeld verzichteten. Aufgrund der sich weiter verschlechternden wirtschaftlichen Umstände und damit einer drohenden Insolvenz des Unternehmens, kam es trotz des Verzichts auf betriebsbedingte Kündigung zur Vereinbarung eines Sozialplans mit der Arbeitnehmervertretung und zu betriebsbedingten Kündigungen. Dagegen erhoben die betroffenen Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte zugunsten der Arbeitnehmer. Denn der vereinbarte Kündigungsverzicht wirke individualvertraglich, so dass auch der im Nachhinein abgeschlossene Sozialplan diese Individualabrede nicht außer Kraft setzen konnte. Hinzu kam, dass die drohende Insolvenz auch keinen Grund eröffnete, die betroffenen Arbeitsverhältnisse aus wichtigem Grund betriebsbedingt kündigen zu können.

Konsequenz

Hervorzuheben ist die individualvertragliche Wirkung des Kündigungsverzichts. Diese individuelle Wirkung kann dann auch durch eine andere, kollektivrechtlich wirkende Vereinbarung nicht mehr durchbrochen werden. Dass die drohende Insolvenz kein außerordentliches Kündigungsrecht eröffnet, entspricht allgemeinen Regelungen. Beispielsweise ist auch ein befristetes Mietverhältnis nicht wegen Insolvenz des Vermieters kündbar, es sei denn, es ist ausdrücklich geregelt.

Privater Arbeitgeber muss Besetzung freier Stelle mit Schwerbehinderten prüfen

Privater Arbeitgeber muss Besetzung freier Stelle mit Schwerbehinderten prüfen

Kernaussage

Arbeitgeber sind verpflichtet, zu prüfen, ob sie freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzen können. Um auch arbeitslose oder arbeitssuchend gemeldete schwerbehinderte Menschen zu berücksichtigen, müssen sie frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufnehmen. So bestimmen es die Vorschriften der Sozialgesetzbücher. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun, dass diese Pflicht auch für private Arbeitgeber gilt.

Sachverhalt

Der mit einem Grad von 60 schwerbehinderte Kläger hat eine kaufmännische Berufsausbildung, ein Fachhochschulstudium der Betriebswirtschaft und die Ausbildung zum gehobenen Verwaltungsdienst absolviert. Er bewarb sich bei der beklagten Gemeinde auf deren ausgeschriebene Stelle für eine Mutterschaftsvertretung in den Bereichen Personalwesen, Bauleitplanung, Liegenschaften und Ordnungsamt. Die Gemeinde besetzte die Stelle jedoch anderweitig, ohne zuvor zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden konnte. Sie nahm diesbezüglich auch keinen Kontakt zur Agentur für Arbeit auf. Der Kläger verlangte daraufhin eine Entschädigung nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), weil er sich wegen seiner Behinderung benachteiligt sah. Erst vor dem BAG hatte der Kläger Erfolg.

Entscheidung

Die Pflicht zu prüfen, ob schwerbehinderte Menschen bei der Besetzung freier Stellen berücksichtigt werden können, besteht immer und für alle Arbeitgeber. Sie ist unabhängig davon, ob sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat oder bei seiner Bewerbung diesen Status offenbart hat. Verletzt ein Arbeitgeber diese Prüfpflicht, wird dies als Indiz dafür gewertet, dass er einen abgelehnten schwerbehinderten Menschen wegen der Behinderung benachteiligt hat, weil er seine Förderungspflichten unbeachtet gelassen hatte. Da vorliegend die beklagte Gemeinde die Vermutung einer solchen Benachteiligung nicht widerlegen konnte und auch die Einschaltung der Agentur für Arbeit versäumt hatte, verwies das BAG den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück. Das Gericht hat nun noch über die Höhe der dem Kläger zustehenden Entschädigung zu entscheiden.

Konsequenz

Die gesetzliche Prüfpflicht zur Besetzung freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen trifft alle Arbeitgeber, nicht nur die des öffentlichen Dienstes. Ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber kann sich darauf berufen, dass die Verletzung dieser Pflicht seine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lasse.

Arbeitgeber hat nicht immer Anspruch auf Ersatz von Detektivkosten

Arbeitgeber hat nicht immer Anspruch auf Ersatz von Detektivkosten

Kernaussage

Ist ein Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens einer anderen Beschäftigung nachgegangen und deckt ein vom Arbeitgeber beauftragter Detektiv dies auf, muss der Arbeitnehmer die Detektivkosten nicht zwangsläufig ersetzen. Das Landesarbeitsgericht Hamm entschied kürzlich, dass eine Ersatzpflicht jedenfalls dann ausscheidet, wenn sich die Überwachung des Arbeitnehmers auf einen Zeitraum erstreckte, für den dieser keine Ansprüche geltend macht.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitnehmer war von Februar bis August 2009 als Kraftfahrer für den klagenden Arbeitgeber tätig. Der Arbeitgeber sprach im August 2009 eine Änderungskündigung aus, gegen die der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhob. Er forderte im Laufe des Verfahrens auch Arbeitsentgelt für den Zeitraum von September bis Dezember 2009 ein. Nachdem der Arbeitgeber im Mai 2010 insgesamt 7 fristlose Kündigungen aussprach, schlossen die Parteien im Juli 2010 einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis Ende August 2009 endete und der Arbeitnehmer eine Abfindung in Höhe von 4.400 EUR erhielt. Der Arbeitgeber hatte den Arbeitnehmer im Mai und Juni 2010 durch Detektive überwachen lassen und hierfür rd. 21.000 EUR gezahlt. Der Arbeitgeber trug im Prozess vor, die beauftragten Detektive hätten festgestellt, dass der Arbeitnehmer im Mai und Juni 2010 einer anderweitigen Beschäftigung nachgegangen sei. Dies hatte der Arbeitnehmer vor Abschluss des gerichtlichen Vergleichs wahrheitswidrig verneint. Der Arbeitgeber verlangte Erstattung der Detektivkosten und Auskunft darüber, welche Einkünfte der Arbeitnehmer erzielt habe. Er blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidung

Schon das Arbeitsgericht hatte ausgeführt, der Arbeitnehmer sei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung nicht überführt worden; die Höhe der Detektivkosten stehe auch in keinem angemessenen Verhältnis zum befürchteten Schaden. Der Arbeitgeber benötige keine Auskunft über die Höhe etwaiger Einkünfte, da er die Abfindung nach den Angaben der Lohnsteuerkarte berechnen könne. Für das Landesarbeitsgericht war weiterhin maßgeblich, dass sich die Überwachung durch die Detektive auf einen Zeitraum erstreckte, für den der Arbeitnehmer im vorhergehenden Kündigungsschutzprozess keine Ansprüche geltend gemacht hatte. Es war auch nicht ersichtlich, dass es in Bezug auf diese Zeitspanne zu einer Erweiterung des Vorprozesses gekommen wäre.

Konsequenz

Ein Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Erstattung von Detektivkosten kommt nur dann in Betracht, wenn die arbeitnehmerseitig geltend gemachten Ansprüche nicht in den Zeitraum der Überwachung fallen.

Keine Arbeitnehmer-Haftung bei Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

Keine Arbeitnehmer-Haftung bei Strafanzeigen gegen Arbeitgeber

Kernfrage/Rechtslage

Sogenanntes „Whistleblowing“, das öffentliche Bekanntmachen von Missständen beim Arbeitgeber, ist von dem Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst, so dass eine darauf gestützte fristlose Kündigung unbegründet sein kann. So hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst Arbeitnehmer geschützt, die ihren Arbeitgeber berechtigterweise „an den Pranger“ gestellt haben und dafür gekündigt wurden. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber ungerechtfertigter Weise wegen Missständen beschuldigt, für diejenigen Schäden aufkommen muss, die sein Arbeitgeber dadurch erlitten hat.

Sachverhalt

Nach einer Kündigung gegenüber einer Ärztin gingen gegen die Klinik und den Klinikleiter, gestützt auf interne Fakten, anonyme Anzeigen wegen fahrlässiger Tötung bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Presse ein. Die Vorwürfe waren haltlos; Straftaten nicht zu beweisen. Der Klinik entstand ein Schaden in Millionenhöhe. Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Lebensgefährte der gekündigten Ärztin die anonymen Anzeigen verfasst hatte. Mit ihrer Klage machte die Klinik einen Teil des Schadens gegen die Ärztin und ihren Lebensgefährten geltend und verlor.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht sah keine Haftungsgrundlage für die Arbeitnehmerin und den Lebensgefährten, ließ allerdings die Revision zum Bundesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Zur Begründung führte es aus, dass es an einer ausreichenden Kausalität fehle. Arbeitnehmerin und Lebensgefährte hätten nicht damit rechnen müssen, dass der Fall in dieser konkreten Weise in die Öffentlichkeit getragen würde. Im Übrigen sei die Erstattung einer Strafanzeige ein rechtlich geschütztes Verhalten, das nur bei Mutwilligkeit oder völliger Haltlosigkeit ein kausales pflichtwidriges Verhalten darstellen und zum Schadensersatz führen könne.

Konsequenz

Sollte der Fall in die Revision gehen, wird sein dortiger Ausgang mit Spannung abzuwarten sein. Einstweilen kann sich der Strafanzeige erstattende Arbeitnehmer (wirtschaftlich) sicher fühlen. Im Zusammenspiel mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verwundert die Entscheidung allerdings, weil sich die Rechtslage – verkürzt dargestellt – so verhält, dass der berechtigt Strafanzeige stellende Arbeitnehmer vor Kündigung geschützt ist und der unberechtigt Strafanzeige stellende Arbeitnehmer keine wirtschaftlichen Folgen zu fürchten braucht.

Darf ein Arbeitgeber das Aussehen der Mitarbeiter bestimmen?

Darf ein Arbeitgeber das Aussehen der Mitarbeiter bestimmen?

Kernproblem

Arbeitgeber haben nicht selten den Wunsch, ein einheitliches Erscheinungsbild ihrer Mitarbeiter zu erzielen. Neben einer einheitlichen Dienstkleidung werden hierzu regelmäßig Vorgaben für das Aussehen aufgestellt, die im Einzelnen oftmals Streit auslösen.

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber, der im Auftrag der Bundespolizei Fluggastkontrollen durchführt, hat seinen Mitarbeitern zusätzlich zur Dienstkleidung u. a. vorgeschrieben, Fingernägel nur einfarbig zu lackieren, die außerdem nur max. 0,5 cm die Fingerkuppe überragen dürften, und Unterwäsche zu tragen, die weiß oder in Hautfarbe sein müsse. Darüber hinaus wurde den männlichen Mitarbeitern eine nicht natürlich wirkende Haarfärbung und das Tragen von Haarersatz verboten. Hiergegen ist der Betriebsrat mit teilweisem Erfolg vorgegangen.

Entscheidung

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts verletzen einige der vom Arbeitgeber aufgestellten Vorgaben das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer und sind deshalb unwirksam. Die Trageordnung greife in die Freiheit der Arbeitnehmer ein, sich während der Arbeitszeit so zu kleiden, wie es den persönlichen Wünschen und Vorstellungen entspreche. Dieser Eingriff sei nur gerechtfertigt, wenn er zur Erreichung eines legitimen Anliegens des Arbeitgebers geeignet, erforderlich und angemessen sei. Die Vorgabe, Fingernägel nur einfarbig zu lackieren, sei schon nicht zur Erreichung des Ziels geeignet, da dieses in erster Linie durch eine einheitliche Dienstkleidung erreicht werde. Die Farbe der Fingernägel sei hierfür ersichtlich ohne Bedeutung. Dagegen sei die Vorgabe, nicht zu lange Fingernägel zu tragen, wirksam, da hierdurch eine Verletzungsgefahr bei der Kontrolle von Passagieren möglichst vermieden werden könne. Auch die Vorgabe zum Tragen von Unterwäsche sei wirksam. Denn durch das Tragen von Unterwäsche würden Blusen und Hemden geschützt und weniger schnell abgenutzt. Die Vorgabe zur Farbe der Unterwäsche sei von den Arbeitnehmern hinzunehmen, da keine erhebliche Einschränkung des Persönlichkeitsrechts vorliege. Allerdings seien die Vorschriften, die männlichen Mitarbeitern nicht natürlich wirkende Haarfärbungen und das Tragen von Haarersatz verbieten, unwirksam. Da ohnehin alle Arbeitnehmer unterschiedliche Haarfarben hätten, könne eine solche Vorgabe das einheitliche Erscheinungsbild nicht fördern. Diese sei unverhältnismäßig, da sie ohne erkennbare Rechtfertigung in die körperliche Integrität der Mitarbeiter eingreife.

Konsequenz

Arbeitgeber sollten vor Einführung einer Trageordnung für Berufskleidung in einem ersten Schritt sorgfältig prüfen, welche Regelungen für ein einheitliches Erscheinungsbild überhaupt geeignet sind. In einem zweiten Schritt ist sodann zu beurteilen, ob diese Vorgaben im Einzelfall nicht zu weit in die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter eingreifen.