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Ausbildung und Studium: Wann liegt eine einheitliche Ausbildung vor?

Ausbildung und Studium: Wann liegt eine einheitliche Ausbildung vor?

Besteht eine Ausbildung aus mehreren Teilen, z. B. betriebliche Ausbildung und anschließendes Studium, stellt sich die Frage: Liegt eine einheitliche Ausbildung vor? Oder ist das Studium eine Zweitausbildung?

Hintergrund

Die Tochter des Klägers schloss ihre Schulausbildung im März 2011 mit dem Abitur ab. Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen, die sie am 22.1.2014 erfolgreich abschloss. Im September 2014 begann sie berufsbegleitend ein Studium mit der Fachrichtung „Betriebswirt (VWA)“. Sie reduzierte die Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden. Die Familienkasse vertrat die Auffassung, dass das Kind mit der Abschlussprüfung zur Kauffrau im Gesundheitswesen eine abgeschlossene Ausbildung habe und das nachfolgend begonnene Studium als Zweitstudium anzusehen sei, sodass Kindergeld aufgrund der mit mehr als 20 Wochenstunden nachgegangenen Erwerbstätigkeit nicht mehr zu gewähren sei.

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage ab und entschied, dass die Ausbildung des Kindes zur Kauffrau im Gesundheitswesen als erstmalige Berufsausbildung anzusehen ist.

Zwar können mehraktige Ausbildungsmaßnahmen Teil einer einheitlichen Erstausbildung sein, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das angestrebte Berufsziel erst über den weiter führenden Abschluss erreicht werden kann. Hierfür ist jedoch Voraussetzung, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung sind und die Klammer zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten durch den Anbieter des Ausbildungsganges gebildet wird.

Hier hatte das Kind jedoch selbst von vornherein eine praktische Ausbildung mit anschließendem Aufbaustudium geplant, um sein eigentliches Berufsziel zu erreichen.

Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung elterlicher Aufwendungen für ein zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachtes volljähriges Kind

Mit Urteil vom 20. Februar 2013 (Az. 5 K 217/12) hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts entschieden, dass gegen die im Jahr 2009 geltenden gesetzlichen Regelungen der §§ 33 a Abs. 2 Satz 1 EStG und § 32 Abs. 6 EStG zur Höhe der steuerlichen Berücksichtigung elterlicher Aufwendungen für ein zu Ausbildungszwecken auswärtig untergebrachtes Kind keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Geklagt hatten die Eltern einer im Veranlagungszeitraum 2009 19-jährigen Studentin, die außerhalb ihres elterlichen Wohnortes im September 2009 ein Studium aufgenommen und an ihrem Studienort eine eigene Wohnung bezogen hatte. Die Tochter der Kläger erhielt aufgrund der eigenen Einkommenssituation und derjenigen ihrer Eltern keine BAföG-Leistungen. Die Eltern kamen für den allgemeinen Lebensunterhalt, Miete und Krankenversicherungsbeiträge ihrer Tochter auf. Das Finanzamt hatte im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 entsprechend den gesetzlichen Regelungen zum einen die doppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in Höhe von insgesamt 6.024 Euro (Kinderfreibetrag in Höhe von 1.932 Euro sowie Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf in Höhe von 1.080 Euro) vom Einkommen der Eltern abgezogen. Zum anderen hatte das FA im Hinblick auf § 33 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung einen – bezogen auf den Beginn des Studiums der Tochter im September – anteiligen Ausbildungsfreibetrag in Höhe von 308 Euro berücksichtigt. Über diese Freibeträge hinaus konnten nach Auffassung des Finanzamts nach den gesetzlichen Regelungen keine weiteren Aufwendungen der Eltern steuermindernd Berücksichtigung finden.

Hiergegen wandten sich die Kläger. Sie waren der Auffassung, dass Eltern, deren Kinder keine BAföG-Leistungen erhielten, gegenüber denjenigen Eltern, deren Kinder durch BAföG-Leistungen staatlich unterstützt würden, schlechter gestellt würden. Den konkreten Bedarf eines auswärtig untergebrachten Studenten habe der Gesetzgeber im BAföG gewissermaßen als studentisches Existenzminimum definiert. Zumindest in diesem Umfang müsse auch eine steuerliche Entlastung derjenigen Eltern erfolgen, deren Kinder nicht in den Genuss der staatlichen BAföG-Leistungen kämen.

Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Nach den gesetzlichen Regelungen stünden den Klägern lediglich die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und § 33 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 EStG in der gewährten Höhe zu. Dies sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschlüsse vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346; vom 12. Januar 2006 2 BvR 660/05, NJW 2006, 1866), der das Gericht folgte, seien Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern, insbesondere auch für deren auswärtige Unterbringung, von Verfassungs wegen nicht genauso zu behandeln wie Aufwendungen für die Sicherung des Existenzminimums. Über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten entscheide der Gesetzgeber in erweiterter Gestaltungsfreiheit. Wähle er den Weg einkommensteuerlicher Absetzbarkeit, liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz jedenfalls dann nicht vor, wenn der Gesetzgeber die Absetzbarkeit auf die „Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten“ begrenze. Der Gesetzgeber müsse also nicht die Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe oder in Höhe der BAföG-Sätze zum Abzug zulassen. Letztere könnten jedoch Ausgangspunkt für die Bemessung der „Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten“ sein. Zudem nahm das Gericht auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487; vom 25. November 2010 III R 111/07, BFHE 21, 567) Bezug, wonach bei der Frage, ob die steuerliche Entlastung von Eltern mit volljährigen, zu Ausbildungszwecken auswärts untergebrachten Kindern ausreichend sei, das gesamte betroffene Normengeflecht zu betrachten, § 33 a Abs. 2 EStG mithin insoweit nicht isoliert zu betrachten sei.

Von diesen Grundsätzen ausgehend bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Streitjahr geltende Beschränkung des Abzugs. Nehme man die Summe der doppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG und des Freibetrags nach § 33 a Abs. 2 EStG übersteige diese sogar noch den sich aus den monatlichen BAföG-Sätzen für den allgemeinen monatlichen Bedarf (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 BAföG) und den allgemeinen zusätzlichen Unterkunftsbedarf bei auswärtiger Unterkunft (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG) ergebenden Jahresbetrag. Auch sei die Vorgabe des BVerfG („Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit zumindest auf die Hälfte der aus Sicht des Gesetzgebers üblicherweise anfallenden Kosten“) selbst dann erfüllt, wenn man bei den BAföG-Sätzen auch noch einen erhöhten Bedarf für nachweislich höhere Mietkosten (§ 13 Abs. 3 Satz 1 BAföG) und Krankenversicherungsbeträge (§ 13 a Abs. 1 BAföG) mit in die Vergleichsbetrachtung einbezöge. Auch darüber hinaus sei keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung festzustellen. Es lägen keine vergleichbaren Sachverhalte vor. Bei den BAföG-Leistungen handele es sich um staatliche Sozialleistungen. Deren Zielrichtung stimme bereits nicht mit der hier in Rede stehenden Zielrichtung der steuerlichen Freibeträge für unterhaltsverpflichtete Eltern überein. Darüber hinaus sei auch noch zu berücksichtigen, dass auch die BAföG-Leistungen – jedenfalls im Rahmen der hier in Rede stehenden Förderung einer Ausbildung an einer Hochschule – im Streitjahr nicht in vollem Umfang als Zuschuss, sondern grundsätzlich zur Hälfte lediglich als Darlehen gewährt wurden (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 BAföG), wenn auch unverzinslich und mit großzügigen Rückzahlungsregelungen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.06.2013 zum Urteil 5 K 217/12 vom 20.02.2013