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Abgrenzung Betriebsstilllegung und -übergang

Abgrenzung Betriebsstilllegung und -übergang

Rechtslage

Verliert ein Arbeitgeber im Dienstleistungsbereich einen Auftrag an einen Konkurrenten und führt dieser den Auftrag nahtlos, mit im Wesentlichen gleichen Personen und gleicher Organisation fort, dann kommt es von Seiten der (nicht übernommenen) Arbeitnehmer regelmäßig zum Streit. Gestritten wird darüber, ob nicht ein Betriebsübergang vorgelegen hat, der dazu führt, dass Kündigungen, die der ehemalige Auftragnehmer wegen des Auftragswegfalls ausgesprochen hat, unwirksam wären. Zu dieser Abgrenzung zwischen Betriebsstilllegung wegen Auftragswegfalls und Betriebsübergang wegen nahtloser Fortsetzung der Tätigkeit hat jüngst das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entschieden.

Sachverhalt

Die Kläger waren bei der Beklagten in dem spezialisierten Bereich der Flugzeuginnenreinigung beschäftigt. Als die Beklagte den Auftrag einer Luftfahrtgesellschaft an ein Schwesterunternehmen verlor, kündigte sie einigen Beschäftigten (andere wurden von der Schwestergesellschaft übernommen), weil beim bisherigen Arbeitgeber mit dem Auftragswegfall der Bereich Flugzeuginnenreinigung nicht mehr existiere. Die Kläger gingen dagegen von einem Betriebsübergang auf die Schwestergesellschaft aus.

Entscheidung

Das Gericht urteilte zugunsten der Kläger und ging ebenfalls von einem Betriebsübergang auf die Schwestergesellschaft aus. Dieser ergebe sich daraus, dass die Reinigungsaufträge nahtlos und in gleicher Weise von der Schwestergesellschaft ausgeführt würden, die Schwestergesellschaft einen wesentlichen Teil der Belegschaft übernommen habe und die Arbeitsmethodik im Wesentlichen gleich geblieben sei.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt die Abgrenzungslinie zwischen Betriebsstilllegung und Betriebsübergang. Insbesondere im Bereich der Auftragsneuvergabe ist wesentliches Kriterium einer identitätswahrenden Betriebsfortführung die Übernahme von wesentlichen Teilen der Stammbelegschaft. Kommt dann noch hinzu, dass gleiche Arbeitsmethodik verwendet wird und es zu keiner Unterbrechung der Tätigkeiten kommt, wird regelmäßig ein Betriebsübergang anzunehmen sein.

Betriebsteilverlagerung ins grenznahe Ausland ist keine Betriebsstilllegung

Betriebsteilverlagerung ins grenznahe Ausland ist keine Betriebsstilllegung

Kernfrage

Wird ein Betrieb stillgelegt, sind betriebsbedingte Kündigungen zulässig. Wird dagegen „nur“ eine Betriebsstätte verlegt, ist zu prüfen, ob nicht ein Betriebsübergang vorliegt, der Kündigungen wegen des Betriebsübergangs unzulässig macht. Diese Grundsätze des deutschen Rechts gelten auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. So hatte das Bundesarbeitsgericht jetzt darüber zu entscheiden, ob die Verlagerung einer Betriebsstätte aus Deutschland in die Schweiz zur Betriebsstilllegung (in Deutschland) oder zu einem Betriebsübergang (in die Schweiz) führt.

Sachverhalt

Der Arbeitgeber war eine in Grenznähe zur Schweiz ansässige Konzerntochter, deren Mutter auch in der Schweiz Unternehmen hat. Zum 1.1.2009 wurde ein Betriebsteil in Deutschland eingestellt und in die Schweiz verlegt; konkret wurden die wesentlichen materiellen und immateriellen Produktionsmittel zu einem weniger als 60 Kilometer entfernten neuen Standort in der Schweiz gebracht. Dem Kläger gegenüber wurden vom deutschen Arbeitgeber 2 Kündigungen seines nach deutschem Recht bestimmten Arbeitsverhältnisses wegen Betriebsstilllegung ausgesprochen. Das Angebot eines neuen Arbeitsvertrages mit dem Schweizer Unternehmen lehnte er ab. Gegen die Kündigung wehrte sich der Arbeitnehmer mit dem Einwand, es liege ein Betriebsübergang vor, der die Kündigung unwirksam mache.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab dem Kläger Recht. Wenn für einen Arbeitsvertrag deutsches Recht maßgeblich sei, so sei die Frage, ob ein Betriebsübergang vorliege, nach deutschem Recht zu beurteilen. Dies gelte auch, wenn ein Betriebsteil wie im konkreten Fall ins – jedenfalls grenznahe – Ausland verlagert werde. Hier komme es zu einem nach deutschem Recht zu beurteilenden Betriebsübergang, der eine Rechtfertigung der ausgesprochenen Kündigungen durch dringende betriebliche Gründe ausschließe. Eine Berufung auf eine Betriebsstilllegung sei ausgeschlossen, da der Betriebsteil auf das ausländische Unternehmen übertragen worden sei.

Konsequenz

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Die Frage, welche Ansprüche gegen das übernehmende ausländische Unternehmen bestehen und ob sich auch diese nach deutschem Recht richten können, hat das Bundesarbeitsgericht allerdings nicht entschieden. Festzuhalten bleibt, dass die deutschen Betriebsübergangsregelungen jedenfalls nicht an der Grenze Halt machen. Dies gilt zumindest für einen grenznahen Bereich.