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BVerfG zu Richtervorlage des BFH zum Entfallen eines Verlustvortrags

BVerfG zu Richtervorlage des BFH zum Entfallen eines Verlustvortrags

Kernaussage
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Unzulässigkeit einer Richtervorlage des Bundesfinanzhofs (BFH) festgestellt. Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle betrifft eine Übergangsvorschrift aus dem Körperschaftsteuergesetz (KStG), die den zeitlichen Anwendungsbereich einer im Jahr 1997 verschärften Vorschrift zum Entfallen des Verlustvortrags beim sogenannten Mantelkauf definiert.

Sachverhalt
Das KStG gewährt unter bestimmten Voraussetzungen Verluste aus dem laufenden Jahr in spätere Jahre vorzutragen. Hierzu wird ein sogenannter „verbleibender Verlustvortrag“ gesondert festgestellt. Um der Veräußerung von Verlustvorträgen durch Übertragung von Geschäftsanteilen einer im Wesentlichen vermögenslosen Kapitalgesellschaften entgegenzuwirken, war Voraussetzung unter anderem die Beibehaltung der wirtschaftlichen Identität der Gesellschaft. Seit dem Jahr 1997 liegt wirtschaftliche Identität insbesondere dann nicht vor, wenn mehr als die Hälfte der Anteile einer Kapitalgesellschaft übertragen werden und die Gesellschaft mit überwiegend neuem Betriebsvermögen fortgeführt wird. Die verschärfte Regelung gilt grundsätzlich erstmals für den Veranlagungszeitraum 1997, ausnahmsweise aber erst für den Veranlagungszeitraum 1998, wenn der Verlust der wirtschaftlichen Identität zwischen dem 1.1. und dem 5.8.1997 (Tag des Gesetzesbeschlusses) eingetreten ist. Die Klägerin im Ausgangsverfahren ist eine GmbH, die bereits vor dem 1.1.1997 ihre wirtschaftliche Identität verloren hatte.

Entscheidung
Der BFH war der Auffassung, dass die in der Übergangsvorschrift enthaltene Stichtagregelung nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar sei. Das BVerfG hielt die Richtervorlage für unzulässig. Der Vorlagebeschluss entspreche nicht den Begründungsanforderungen zur Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm. Er setze sich nicht ausreichend mit der einschlägigen fach- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung auseinander. Zudem vernachlässige er die sich aufdrängende Frage, inwieweit das Interesse des Unternehmens an einer tatsächlichen oder bestmöglichen Nutzung von Verlusten in späteren Veranlagungszeiträumen überhaupt schutzwürdig sei. Die Übergangsregelung diene weniger dem Vertrauensschutz als vielmehr der Abmilderung der wirtschaftlichen Konsequenzen der verschärfenden Regelung.

Konsequenz
Erneut stellte das BVerfG die Verfassungskonformität der Regelungen zum Entfallen des Verlustvortrags fest und erteilte dem BFH eine klare Absage.

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Istbesteuerung für Freiberufler

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Istbesteuerung für Freiberufler

Kernaussage

Während bei der Sollbesteuerung die Umsatzsteuer mit Erbringung der Leistung entsteht, ist dies bei der Istbesteuerung erst der Fall, wenn der Kunde zahlt. Im Gegensatz zur Sollbesteuerung entfällt daher bei der Istbesteuerung eine Vorfinanzierung der Umsatzsteuer. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied dazu jüngst, dass eine Steuerberatungs-GmbH mit buchführungspflichtigen Umsätzen nicht zur Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten (Istbesteuerung, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) berechtigt ist.

Sachverhalt

Die klagende Steuerberatungs-GmbH beantragte im Januar 2004, ab dem Veranlagungszeitraum Januar 2004 ihre Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) zu versteuern (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Dies lehnte das beklagte Finanzamt ab. Einspruch und Klage dagegen hatten keinen Erfolg. Auch der BFH hat entgegen der von der Verwaltung akzeptierten Praxis daraufhin überraschend allen Freiberuflern die Anwendung der Istbesteuerung untersagt, sofern sie zur Buchführung verpflichtet sind bzw. freiwillig Bücher führen.

Entscheidung

Die Umsätze der klagenden Steuerberatungs-GmbH müssen bereits vor dem Erhalt des Entgelts versteuert werden. Der BFH modifiziert damit seine bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass zukünftig auch Steuerberater und Steuerberatersozietäten nicht mehr zur Istbesteuerung berechtigt sind, wenn sie freiwillig Bücher führen und ihren Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln. Der BFH stützt dies darauf, dass die Istbesteuerung für Umsätze aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG) voraussetzt, dass der Unternehmer nicht buchführungspflichtig ist. Dementsprechend wäre es nicht folgerichtig, einem Unternehmer, der zwar nicht buchführungspflichtig ist, aber freiwillig Bücher führt, die Istbesteuerung zu gestatten. Der BFH hält die sog. Sollbesteuerung, nach der der Unternehmer seine Leistung bereits mit der Leistungserbringung und nicht erst mit der Entgeltvereinnahmung zu versteuern hat, für verfassungsgemäß. Daher ist das Urteil also auch insoweit von grundsätzlicher Bedeutung. Zwar ist der Unternehmer bei der Soll- anders als bei der Istbesteuerung zur Vorfinanzierung der Umsatzsteuer insoweit verpflichtet, als er die Umsatzsteuer für seine Leistungen ggf. bereits vor der Vereinnahmung der Umsatzsteuer von seinem Kunden an den Fiskus abzuführen hat. Nach Ansicht der Richter ist diese Ungleichbehandlung jedoch nicht zu beanstanden, da die Sollbesteuerung des Unternehmers bei Uneinbringlichkeit des Entgeltanspruchs (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG) entfällt und an den Begriff der Uneinbringlichkeit zur Wahrung der Besteuerungsgleichheit keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen.

Konsequenzen

Mittlerweile ist das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig. Das Bundesfinanzministerium (BMF) wird dem Urteil voraussichtlich folgen, hat aber erklärt, Konsequenzen nur für die Zukunft ziehen zu wollen. Damit besteht für Freiberufler zunächst keine Veranlassung zur Sollbesteuerung zu wechseln. Allerdings wird sich dann Handlungsbedarf ergeben, wenn das BMF das Urteil umsetzt. Hier ist dann zu prüfen, ob auf Grundlage des beim BVerfG anhängigen Verfahrens gegen die Vorgaben des BMF vorgegangen werden kann und soll.