Kindergeld und Zweitwohnsitz

Kindergeld und Zweitwohnsitz

Kernproblem
Innerhalb der Europäischen Union (EU) oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) kann es vorkommen, dass in mehreren Ländern zugleich ein gesetzlicher Anspruch auf Kindergeld entsteht. Für diese Anwendungsfälle existiert die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Hier gibt es Zuständigkeitsregelungen, die eine Sicherung der Ansprüche gewähren oder Doppelberücksichtigung verhindern sollen. Wurde Kindergeld in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig gewährt, führte das zum Wegfall der Begünstigung im Inland. Hier hat sich jedoch die Rechtsprechung weiterentwickelt.

Sachverhalt
Ein deutscher Staatsangehöriger und Vater von 2 Töchtern bewohnte bereits seit 1977 eine Einliegerwohnung seiner Eltern in Rheinland-Pfalz. Nachdem er im Jahr 2005 arbeitslos geworden war, trat er im Jahr 2006 eine Beschäftigung in Prag an. Ehefrau und Kinder zogen mit um. Die bisherige Wohnung wurde beibehalten und mit der Familie während des Urlaub und der Schulferien umfangreich (und nicht mit einer Ferienwohnung vergleichbar) genutzt. Einige Jahre später verlangte die Familienkasse das nach dem Umzug gezahlte Kindergeld zurück, weil kein Wohnsitz in Deutschland vorläge. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zurück. Nach dessen Ansicht hatte zwar ein Zweitwohnsitz in Deutschland vorgelegen; der Anspruch auf Kindergeld sei aber ausgeschlossen, weil nach der VO Nr. 1408/71 das Recht des Beschäftigungsstaates Tschechien gelte, obwohl der Vater dort nach eigener Aussage kein Kindergeld erhalten habe. Der Vater zog vor den Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung
Der BFH bestätigte zunächst die Wohnsitzentscheidung des FG, weil ein Wohnsitz weder den überwiegenden Aufenthalt im Inland (z. B. nach der 183-Tage-Regelung) noch den Lebensmittelpunkt voraussetze. Ob die VO Nr. 1408/71 überhaupt zur Anwendung kam, vermochte der Senat mangels Feststellung des Versicherungsstatus des Vaters nicht zu entscheiden. Er stellte jedoch klar, dass selbst für den Fall der Anwendbarkeit keine Sperrwirkung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats eintrete, folglich Ansprüche allein nach dem deutschen EStG zu beurteilen sind. An der gegenteiligen Auffassung werde nach neuer Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht mehr festgehalten.

Konsequenz
Im Ausland gewährte Ansprüche führen nach Auffassung des Senats nicht zu einer vollständigen Versagung des deutschen Kindergelds, sind aber gegenzurechnen, so dass ein Differenz-Kindergeld zur Auszahlung gelangt.