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Kindergeldanspruch: Wohnsitz im Inland als Voraussetzung

Kindergeldanspruch: Wohnsitz im Inland als Voraussetzung

 

Wer während eines befristeten Auslandsaufenthalts das angemietete Einfamilienhaus zusammen mit Lebensgefährtin und gemeinsamem Kind als einzige Wohnung ständig nutzt, hat weiterhin im Inland einen Wohnsitz. Das gilt insbesondere dann, wenn Miet- und Versorgungsverträge unverändert fortgeführt werden und das Haus in einem ständig nutzungsbereiten Zustand beibehalten wird.

 

Hintergrund

Der Kläger nahm ab 1.12.2014 eine auf 3 Jahre befristete Beschäftigung im Ausland auf. Der Familienkasse teilte er mit, dass der Wohnsitz sowie der Lebensmittelpunkt der Eltern und der Kinder in Deutschland unter der gemeldeten Adresse bleiben. Denn die Entsendung war auf 3 Jahre befristet. Die Familienkasse hob jedoch die Kindergeldfestsetzung ab 1.12.2014 auf. Sie war der Ansicht, dass das alleinige “Innehaben einer Wohnung” für das Beibehalten eines Wohnsitzes nicht ausreicht. Vielmehr muss der Steuerpflichtige die Wohnung jährlich mindestens regelmäßig zweimal zu Wohnzwecken für einige Wochen nutzen. Nach der Entsendung plante der Kläger, an die ursprüngliche Tätigkeitsstätte zurückzukehren. Der Wohnsitz im Inland sollte dann wieder alleiniger Wohnsitz werden.


Entscheidung

Das Finanzgericht folgte den Argumenten des Klägers und gab der Klage statt. Bis zum Beginn seines Auslandseinsatzes hatte der Kläger einen Wohnsitz im Inland gehabt. Diesen gab er nicht mit Beginn seines Auslandseinsatzes auf. Das galt nach Ansicht der Richter auch, obwohl seine Familie mit ihm gegangen war. Denn der Kläger hatte das Einfamilienhaus unverändert und vollständig eingerichtet behalten sowie die Versorgungsverträge weiterlaufen lassen. Damit hatte der Kläger das Einfamilienhaus für eine jederzeitige Nutzung während des Auslandseinsatzes bereitgehalten.

Aus den Verwaltungsvorschriften war nicht zu entnehmen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung jährlich regelmäßig zweimal zu Wohnzwecken über einige Wochen nutzen muss, damit er seinen Wohnsitz im Inland beibehält.

Kindergeldanspruch für behinderte Kinder ab 2012

Kindergeldanspruch für behinderte Kinder ab 2012

Auch nach Wegfall der Einkommensgrenze besteht ein Kindergeldanspruch ab 2012 für behinderte Kinder nur dann, wenn das behinderte Kind nicht in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten.

Bei behinderten Kindern wirkt sich ab 2012 die vorhandene Fähigkeit zum Selbstunterhalt kindergeldschädlich aus. Für die Berechnungen des Grundbedarfs ist anstelle der bisherigen Einkommensgrenze nunmehr der Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in Ansatz zu bringen.

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um Kindergeld für den seelisch behinderten Sohn der Klägerin. Dieser hat seit 2007 einen Grad der Behinderung von 70, bezieht seit 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit und lebt in einem eigenen Haushalt. Die Familienkasse berechnete den Bedarf und die verfügbaren Mittel des Sohns und hob die Kindergeldfestsetzung ab 1.9.2012 auf, da der Sohn durch eigene verfügbare finanzielle Mittel in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 die Einkünfte- oder Bezügegrenze entfallen sei, sodass Kindergeld unabhängig von den eigenen Einkünften des Sohns zu gewähren sei.

Entscheidung
Das Finanzgericht hat entschieden, dass der Sohn der Klägerin in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Ein Kind ist dann imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensunterhalts ausreicht. Der gesamte existenzielle Lebensbedarf des behinderten Kinds setzt sich dabei typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen. Für den Streitzeitraum 2012 ist der Grundbedarf mit 8.004 EUR zu bemessen. Hinzu kommt ein individueller behinderungsbedingter Mehraufwand. Erbringt der Steuerpflichtige keinen Einzelnachweis, kann der jeweils maßgebliche Behinderten-Pauschbetrag als Anhalt für den betreffenden Mehrbedarf dienen. Verfügt das behinderte Kind über ausreichende eigene finanzielle Mittel, besteht für zusätzliche Aufwendungen der Eltern grundsätzlich keine Notwendigkeit.

Auch für verheiratete Kinder gibt es Kindergeldanspruch

Auch für verheiratete Kinder gibt es Kindergeldanspruch

Kernproblem
Für volljährige Kinder steht den Eltern Kindergeld zu, wenn sich die Kinder in Berufsausbildung befinden und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Nach langjähriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erlosch der Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind grundsätzlich mit dessen Eheschließung, weil die Unterhaltsverpflichtung der Eltern infolge der Heirat und der zivilrechtlich vorrangigen Verpflichtung des Ehegatten regelmäßig entfiel. Ein Anspruch auf Kindergeld blieb nur erhalten, wenn die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausreichten und das Kind auch nicht über ausreichende eigene Mittel verfügte (sogenannter Mangelfall). Seit dem Jahr 2012 ist Kindergeld unabhängig von den eigenen Einkünften und Bezügen des Kindes zu gewähren. An der Rechtsauffassung der Familienkassen hat sich aber in Bezug auf verheiratete Kinder nichts geändert. Ob das rechtens ist, hat der BFH jetzt entschieden.

Sachverhalt
Im Streitjahr 2012 hatte der Vater für seine 21-jährige Tochter, die sich in Ausbildung befand, Kindergeld beantragt. Die Tochter war seit dem Vorjahr verheiratet und bezog aus ihrer Ausbildung Einkünfte von über 8.300 EUR. Der Vater hatte selbst keinen Unterhalt geleistet. Die Familienkasse lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass sich die Tochter mit ihrem eigenen Einkommen und dem Unterhaltsbeitrag des Ehemannes selbst unterhalten könne. Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht wurde dem Vater das Kindergeld zugesprochen, weil es seit dem Jahr 2012 nicht mehr auf die Höhe des Einkommens und der Bezüge ankomme und damit auch der Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann unerheblich sei. Die Familienkasse ging in Revision.

Entscheidung
Der BFH hat dem Vater das Kindergeld zugesprochen. Nachdem bereits im Jahr 2010 das bis dahin ungeschriebene Erfordernis einer „typischen Unterhaltssituation“ (im Fall eines Kindes in Vollzeiterwerb) durch den BFH aufgegeben wurde, könne nach Auffassung des Senats seit der Gesetzesänderung mit Wirkung ab Januar 2012 nicht mehr an der früheren Rechtsprechung festgehalten werden. Damit sei der sog. Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen. Der BFH hat durch seine Entscheidung gegen die in der zentralen Dienstanweisung für die Familienkassen niedergelegte Verwaltungsauffassung entschieden.

Konsequenz
Alle hiervon betroffenen Eltern sollten das Kindergeld rückwirkend ab Januar 2012 beantragen, soweit das verfahrensrechtlich möglich und die übrigen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Kindes erfüllt sind. Ein gut verdienender Ehepartner ist dabei „unschädlich“.

Kindergeldanspruch von ausländischen Mitgliedern des Personals einer Botschaft mit einem „Protokollausweis für Ortskräfte“

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 19.2.2013, XI R 9/12

Kindergeldanspruch von ausländischen Mitgliedern des Personals einer Botschaft mit einem „Protokollausweis für Ortskräfte“

Tatbestand

1
I. Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für die Zeit vom 1. November 2003 bis 31. Oktober 2008 für die in den Jahren 1994, 1999 und 2001 geborenen Kinder.
2
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein … Staatsangehöriger, war als örtlich eingestellter Mitarbeiter der Botschaft der Republik L… seit dem 20. Juli 1999 Inhaber eines vom Auswärtigen Amt (AA) der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erteilten „Protokollausweises für Ortskräfte“ mit der Kennzeichnung „OK“ (früher sog. „gelber Ausweis“) und ist seitdem bei der AOK N… versichert. Er reiste für diese Erwerbstätigkeit nach Deutschland ein und nahm sie nach dem 1. April 1999 auf. Die Ehefrau des Klägers hielt sich seit dem 1. Oktober 1999 mit einem Protokollausweis in Deutschland auf.
3
Der Protokollausweis beschreibt den Status des Klägers wie folgt: „Der Inhaber/die Inhaberin dieses Protokollausweises genießt in der Bundesrepublik Deutschland keine Vorrechte und Immunitäten und unterliegt uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit. Der Inhaber/die Inhaberin dieses Ausweises darf in Verbindung mit dem … nationalen Reisedokument nach Deutschland einreisen und sich hier aufhalten sowie in die Staaten einreisen, die das Schengener Durchführungsabkommen anwenden, und sich dort bis zu 3 Monaten aufhalten.“
4
Der Kläger, seine Ehefrau und seine drei in Deutschland lebenden Kinder verfügen seit April 2011 über Aufenthaltserlaubnisse gemäß § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) mit gestatteter Erwerbstätigkeit bis 18. April 2014.
5
Den erstmals im September 2003 gestellten Antrag auf Kindergeld für seine drei Kinder lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) durch bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 16. Oktober 2003 ab. Dem erneuten Antrag des Klägers im Januar 2005 entsprach die Familienkasse mit Bescheid vom 25. Februar 2005 ebenfalls nicht. Der Einspruch blieb erfolglos.
6
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 25. Juli 2007 III R 55/02 (BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758), die einen Sachverhalt betraf, in dem der Kläger seine Tätigkeit bereits vor dem 1. April 1999 aufgenommen hatte, sei auf den Streitfall zu übertragen, in dem die Tätigkeit bei der Botschaft erst nach dem 1. April 1999 aufgenommen worden sei.
7
Die Familienkasse stützt ihre vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts. Sie rügt eine unzutreffende Auslegung des § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
8
Im Gegensatz zu vor dem 1. April 1999 eingereisten Personen, die nicht unter die zum 1. April 1999 neu gefassten Richtlinien fielen, sei beim Kläger von einem nur vorübergehenden Aufenthalt auszugehen. Nach den geänderten Richtlinien des AA sei nach Beendigung der Tätigkeit bei der Botschaft nunmehr die unverzügliche Ausreise der Familie vorgesehen. Es könne daher nicht mehr unterstellt werden, dass der Kläger voraussichtlich auf Dauer in Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehe. Allein die für die Dauer der Tätigkeit bestehende Sozialversicherungspflicht sei entgegen der Auffassung des FG nicht geeignet, das Vorliegen eines voraussichtlichen Daueraufenthalts zu begründen. Es liege keine planwidrige Regelungslücke vor, die im Wege einer Analogie zu schließen sei.
9
Die Familienkasse beantragt,das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
10
Der Kläger beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
11
Die in den BFH-Urteilen vom 25. Juli 2007 (in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758), III R 81/03 (BFH/NV 2008, 196) und III R 56/00 (nicht veröffentlicht –n.v.–, juris) getroffenen Erwägungen würden auch im Streitfall gelten. Er führt ergänzend weiter aus, das AA habe zum 1. Februar 2010 seine Richtlinien für die Einreise und den Aufenthalt von nicht entsandten Mitgliedern des Verwaltungs- und technischen Personals wiederum geändert. Seither sei für den betroffenen Personenkreis der sog. „unechten“ Ortskräfte diplomatischer Missionen nur noch eine maximal fünfjährige Tätigkeit im Bundesgebiet zulässig und ein Familiennachzug ausgeschlossen.
12
Im Zuge dieser Änderung der Richtlinien des AA sei für sog. „unechte“ Ortskräfte eine Altfallregelung erlassen worden, aufgrund deren er, der Kläger, und seine Familienangehörigen inzwischen Aufenthaltserlaubnisse nach § 23 Abs. 1 AufenthG, erhalten hätten.
13
Den geänderten Richtlinien des AA und der in diesem Zusammenhang ergangenen Altfallregelung liege die Wertung zugrunde, dass sich auch „unechte“ Ortskräfte, die ihre Tätigkeit bei der ausländischen Botschaft ab dem 1. April 1999 aufgenommen haben, typischerweise dauerhaft in Deutschland aufhielten und einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgingen.

Entscheidungsgründe

14
II. Die Revision der Familienkasse ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf Kindergeld für die drei minderjährigen Kinder im Streitzeitraum hat.
15
1. Nach dem durch das Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2915) neu gefassten § 62 Abs. 2 EStG, der mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und auf alle noch nicht bestandskräftigen Kindergeldfestsetzungen anzuwenden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG), erhält ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer“Kindergeld nur, wenn er

1. eine Niederlassungserlaubnis besitzt,

2. eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder berechtigt hat, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde

a) nach § 16 oder § 17 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,

b) nach § 18 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes erteilt und die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit darf nach der Beschäftigungsverordnung nur für einen bestimmten Höchstzeitraum erteilt werden,

c) nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den §§ 23a, 24, 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt

oder

3. eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und

a) sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält und

b) im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt.“

16
a) Bei wortgetreuer Auslegung des § 62 Abs. 2 EStG stünde dem Kläger als nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländer kein Kindergeld zu, da er in dem maßgebenden Streitzeitraum keine von der Ausländerbehörde erteilte Niederlassungs- bzw. Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 EStG, sondern nur einen vom AA ausgestellten „Protokollausweis für Ortskräfte“ besaß (vgl. BFH-Urteile in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.2.; in BFH/NV 2008, 196, unter II.2.; III R 56/00, n.v., unter II.2.).
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b) Der BFH hat indes mit Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 entschieden, dass ein „gelber Ausweis“ bei ausländischen Staatsangehörigen, die vor dem 1. April 1999 eine Tätigkeit als Mitglied des Personals einer Botschaft aufgenommen haben und als ständig im Bundesgebiet ansässig behandelt wurden, im Wege der Analogie einer zur Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG gleichzustellen sei. Denn § 62 EStG enthalte eine unbewusste planwidrige Gesetzeslücke, soweit ständig ansässige ausländische Mitglieder des nicht amtlich entsandten Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen Hauspersonals von Botschaften wegen der Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels beim Kindergeld nicht berücksichtigt würden.
18
Der gesetzlichen Regelung liege offensichtlich die Vorstellung zugrunde, ein rechtmäßiger Daueraufenthalt erfordere stets einen von der Ausländerbehörde ausgestellten Aufenthaltstitel. Dabei sei aber nicht bedacht worden, dass u.a. die Mitglieder des Personals einer Botschaft als ständig ansässig angesehen wurden und deshalb sozialversicherungs- und einkommensteuerpflichtig waren (BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.b). Aus der Erteilung des „gelben Ausweises“ ergebe sich, dass sich der Ausweisinhaber rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und hier eine erlaubte Tätigkeit ausübt. Er sei zwar formell kein Titel im Sinne des Ausländergesetzes (AuslG) 1990 oder des AufenthG, die durch ihn dokumentierte Freistellung von einem Aufenthaltstitel (vgl. bis 2004 § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zur Durchführung des AuslG 1990, und seit 2005 § 27 Abs. 1 Nr. 2 der Aufenthaltsverordnung) wirke aber wie eine ausländerrechtliche Statusentscheidung, die für den Anspruch auf Kindergeld Tatbestandswirkung entfalte (BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.d).
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Es widerspräche dem Zweck der Kindergeldregelung und wäre auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich, wenn ausländische Staatsangehörige, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten, voraussichtlich auf Dauer in Deutschland einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in das Sozialversicherungssystem eingegliedert und einkommensteuer-pflichtig sind, vom Kindergeld ausgeschlossen würden, weil sie für ihren rechtmäßigen Aufenthalt kraft gesetzlicher Regelung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit sind und deshalb keinen Aufenthaltstitel erhalten.
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2. Der erkennende Senat schließt sich den dargestellten Erwägungen in dem BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 an, auf dessen Begründung im Einzelnen verwiesen wird. Ihre Anwendung auf den Streitfall führt dazu, dass dem Kläger, der erst nach dem 31. März 1999 seine Tätigkeit im Inland aufgenommen hat, der streitige Kindergeldanspruch (ebenfalls) zusteht.
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a) Nach den am 1. April 1999 in Kraft getretenen, geänderten Richtlinien des AA für die Einreise und den Aufenthalt von nicht entsandten Mitgliedern des Verwaltungs- und technischen Personals, des dienstlichen Hauspersonals und der privaten Hausangestellten (n.v.) durften im Ausland rekrutierte Personen nicht (mehr) zu einer anderen Botschaft wechseln und auch keiner sonstigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Botschaft war dafür verantwortlich, dass die im Ausland rekrutierten Personen nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Botschaft mit ihrer Familie Deutschland unverzüglich verlassen.
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aa) Diese Regelungen unterscheiden sich von den vorangegangen insbesondere dadurch, dass die Botschaft nunmehr dafür verantwortlich ist, dass der Beschäftigte mit seiner Familie Deutschland unverzüglich nach Ende seines Arbeitsverhältnisses wieder verlässt.
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Allerdings galt bereits nach der früheren, dem BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758 zugrunde liegenden Regelung, dass die „gelben Ausweise“ jeweils auf ein Jahr befristet waren und nicht verlängert oder neu ausgestellt wurden, wenn die Bediensteten ihre Stellung bei der Botschaft verloren hatten. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes endete somit schon seinerzeit die Befreiung vom Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung. Die „ausländerrechtliche Statusentscheidung“ der Erteilung eines „gelben Ausweises“ galt somit bereits damals nur solange der Beschäftigte bei der betreffenden Botschaft beschäftigt war.
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bb) Daraus folgt, dass der Kläger solange er bei der Botschaft beschäftigt war und über einen Protokollausweis verfügte, sich sein „ausländerrechtlicher Status“ nicht von demjenigen eines vor dem 1. April 1999 Eingereisten unterschied. Die durch den jeweiligen Ausweis dokumentierte Freistellung von einem Aufenthaltstitel wirkt gleichermaßen wie eine ausländerrechtliche Statusentscheidung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.d).
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b) § 62 Abs. 2 EStG hat zum Ziel, Kindergeld nur solchen ausländischen Staatsangehörigen zukommen zu lassen, die sich rechtmäßig und voraussichtlich auf Dauer in Deutschland aufhalten. Bei Personen, die nur im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sind, muss –so der III. Senat in dem BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.3.b unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1368, 8)– nach Auffassung des Gesetzgebers ein weiteres Indiz hinzukommen, welches einen voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt plausibel erscheinen lasse. Ein solches Indiz sei die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. die Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit. Von einem nur vorübergehenden Aufenthalt sei bei ausländischen Staatsangehörigen auszugehen, deren Aufenthalt in Deutschland erkennbar begrenzt sei, wie z.B. bei denjenigen, die sich nur zu Ausbildungszwecken im Bundesgebiet aufhielten oder bei denen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach Ablauf eines Höchstzeitraumes rechtlich ausgeschlossen sei.
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Im Streitfall ist ein solches weiteres Indiz, das einen voraussichtlichen dauerhaften Aufenthalt plausibel erscheinen lässt, gegeben. Der Kläger hat seit Juli 1999 eine Erwerbstätigkeit bei der Botschaft ausgeübt. Es war ungewiss, wann die Tätigkeit endete. Die dem Kläger sowie seiner Ehefrau und seinen drei Kindern im Streitfall erteilten Aufenthaltserlaubnisse zeigen zudem, dass für Ortskräfte und ihre Familienangehörigen, die sich –wie der Kläger und seine Familie– langjährig rechtmäßig in Deutschland aufgehalten haben, die Möglichkeit der Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, besteht (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 23. September 2004 B 10 EG 2/04 R, BSGE 93, 189, BFH/NV Beilage 2005, 157, zum Anspruch auf Erziehungsgeld).
27
c) Der Kläger ist ferner –wie das FG zutreffend erkannt hat– im Inland als ständig ansässig behandelt worden.
28
Denn er ist seit Juli 1999 –und damit auch während des Streitzeitraums– in das deutsche Sozialversicherungssystem eingegliedert. Wird ein Botschaftsbediensteter hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht als ständig ansässig behandelt, ist auch keine –dem Bezug von Kindergeld ggf. entgegenstehende– Befreiung von der Einkommensteuer gegeben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 356, BStBl II 2008, 758, unter II.1.d; zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Mitgliedern ausländischer Botschaften vgl. z.B. Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 2. Januar 1997 S 1310/1, juris; Verfügung der Oberfinanzdirektion –OFD– Berlin vom 20. Juli 2000 St 127-S 1310-2/94, juris; Rundverfügung der OFD Frankfurt vom 17. Oktober 2012 S 1310 A-5-St 56, juris; a.A. Abschn. 62.6 Abs. 4 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2012).
29
d) Nach den neu gefassten, am 1. Februar 2010 in Kraft getretenen Richtlinien des AA zur Beschäftigung von im Ausland angeworbenen Ortskräften an diplomatischen und berufskonsularischen Vertretungen in Deutschland wird die Beschäftigungsdauer neu eingestellter Ortskräfte auf eine Dauer von maximal fünf Jahren begrenzt und ein Familiennachzug ausgeschlossen.
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Ob aufgrund dieser Richtlinien für Botschaftsbedienstete, die nach dem 31. Januar 2010 ihre Tätigkeit an einer diplomatischen oder berufskonsularischen Vertretung in Deutschland aufgenommen haben, eine andere Beurteilung geboten ist, ist im Streitfall nicht zu entscheiden, weil der Kläger seine Tätigkeit bereits im Juli 1999 aufgenommen hat und sein Aufenthalt nach der damaligen Verwaltungspraxis nicht als nur vorübergehend angesehen werden kann.
31
3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).