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Reverse-Charge: Deutsche können im Ausland ansässig sein

Reverse-Charge: Deutsche können im Ausland ansässig sein

Rechtslage

Unternehmer, die Dienstleistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern beziehen, sind verpflichtet, die Umsatzsteuer auf diese Leistungen einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (Reverse-Charge). Wer dies übersieht, wird vom Fiskus zur Kasse gebeten.

Sachverhalt

Bisher reichte nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung schon der private Wohnsitz eines Unternehmers in Deutschland aus, damit er als im Inland ansässig galt. Er musste dann seine in Deutschland steuerbaren Umsätze mit Umsatzsteuer abrechnen; dies galt auch, wenn er seine Dienstleistungen von einem im Ausland belegenen Betrieb aus erbrachte. Wie so oft, ergaben sich jedoch Zweifel, ob die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung den Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) entspricht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte nun das letzte Wort.

Entscheidung

Der EuGH stellt zunächst klar, dass es nicht auf die Ansässigkeit im Ausland ankommt, sondern auf die Nicht-Ansässigkeit im Inland. Als nicht im Inland ansässig gilt, wer weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung in Deutschland hat. Nur wenn ein solcher Sitz bzw. eine feste Niederlassung fehlen, kommt es auf den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort an.

Konsequenzen

Hat ein Unternehmer den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland, so gilt er als nicht im Inland ansässig. Er fällt damit grundsätzlich unter das Reverse-Charge-Verfahren. Ein etwaiger Wohnsitz in Deutschland steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Dies gilt allerdings nur, wenn es sich um einen realen Sitz handelt. Liegt hingegen ein fiktiver Standort vor, z. B. eine Briefkastenfirma, so ist auf den Wohnsitz abzustellen. Die Sichtweise des EuGH ist, wie häufig, praxisnäher als die der deutschen Verwaltung. Denn nun ist der Leistungsempfänger in der Regel nicht mehr gezwungen, Nachforschungen über den privaten Wohnsitz seines Dienstleisters anzustellen. Soweit Leistungsempfänger Zweifel an der Ansässigkeit ihres Dienstleisters im Inland haben, müssen sie sich diese durch eine entsprechende Bescheinigung des Finanzamts des Dienstleisters nachweisen lassen. Wird in solchen Fällen die Bescheinigung (USt 1 TS) nicht eingeholt, schuldet der Leistungsempfänger die zu Unrecht nicht einbehaltene Umsatzsteuer.

Reverse-Charge für Handys: Neuer Erklärungsversuch des BMF

Reverse-Charge für Handys: Neuer Erklärungsversuch des BMF

Kernaussage

Mit Wirkung vom 1.7.2011 wurde die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge) auf die Lieferung von Mobilfunkgeräten und integrierten Schaltkreisen ausgeweitet, soweit das Entgelt für die jeweilige Lieferung mindestens 5.000 EUR beträgt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte mit Schreiben vom 24.6.2011 zur Neuregelung Stellung bezogen. Praxistauglich war dieses Schreiben jedoch nicht. Das BMF räumt selbst „Anwendungsprobleme“ ein, die nun durch ein weiteres Schreiben beseitigt werden sollen.

Neue Verwaltungsanweisung

Im Vergleich zur bisherigen Verlautbarung ergeben sich folgende wesentliche Neuerungen: CB-Funkgeräte und Walkie-Talkies gelten nicht als Mobilfunkgeräte i. S. dieser Vorschrift. – Die Abgrenzung zwischen unverbauten (Reverse-Charge) und verbauten integrierten Schaltkreisen (kein Reverse-Charge) wird präzisiert. – Aus Vereinfachungsgründen können Gegenstände, die unter die Zollposition 85423190 fallen, als integrierte Schaltkreise angesehen werden. – Lieferungen stellen einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang dar, der maßgeblich für das Erreichen der Grenze von 5.000 EUR ist, wenn sie im Rahmen eines einzigen Erfüllungsgeschäftes ausgeführt werden. Lieferungen aus einem Konsignationslager sowie aufgrund eines Rahmenvertrages, der lediglich die Lieferkonditionen, nicht jedoch die zu liefernde Menge festlegt, gelten nicht als einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang. Dies gilt ebenso für Sammellieferungen im Rahmen von dauerhaften Geschäftsbeziehungen, denen jedoch jeweils einzelne Erfüllungsgeschäfte zugrunde liegen. – Ist nicht klar, ob die Grenze von 5.000 EUR erreicht wird, können die Vertragspartner vereinfacht von der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgehen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Vertragspartner hierüber einig sind und der Leistungsempfänger die Umsätze auch korrekt versteuert.

Konsequenzen

Das BMF-Schreiben klärt einen wesentlichen Teil der Fragen, die das erste Schreiben noch offen ließ. Trotzdem trägt die Regelung nicht gerade zu einer Vereinfachung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bei. Unternehmer, die mit den betroffenen Produkten handeln, müssen sich mit der Auffassung der Finanzverwaltung auseinandersetzen.

Reverse-Charge Verfahren: Vom Zweifel haben und hätte haben müssen

Reverse-Charge Verfahren: Vom Zweifel haben und hätte haben müssen

Kernaussage

Wer Dienstleistungen von Unternehmern bezieht, die nicht im Inland ansässig sind, ist verpflichtet, die Umsatzsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen (Umkehr der Steuerschuldnerschaft bzw. Reverse-Charge-Verfahren). Hat der Leistungsempfänger Zweifel, ob sein Dienstleister im Inland ansässig ist, so kann er auf den Einbehalt der Umsatzsteuer nur verzichten, wenn ihm der Dienstleister eine amtliche Bescheinigung vorlegt, aus der seine umsatzsteuerliche Registrierung im Inland hervorgeht.

Sachverhalt

Die klagende Private Limited Company (Limited) mit Sitz in England, aber Ort der Geschäftsleitung in Deutschland, erbrachte Geschäftsbesorgungsleistungen in Deutschland an eine Kommanditgesellschaft (KG). Das beklagte Finanzamt forderte von der Limited die Umsatzsteuer für die erbrachten Leistungen. Hiergegen wehrte sich die Limited mit dem Argument, dass nicht sie, sondern die KG Steuerschuldnerin sei. Die KG hätte Zweifel haben müssen, ob die Limited tatsächlich im Inland ansässig sei. Aufgrund dieser Zweifel wäre die KG verpflichtet gewesen, sich die Ansässigkeit von der Limited bescheinigen zu lassen. Da die KG dies unterlassen habe, sei sie Schuldnerin der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht wies die Klage ab; die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde blieb vor dem Bundesfinanzhof (BFH) erfolglos.

Entscheidung

Der BFH bestätigt die Vorinstanz, wonach die Limited, als im Inland ansässiges Unternehmen die Umsatzsteuer schuldet. In diesem Fall ist unerheblich, ob die KG die Ansässigkeit der Limited hätte bezweifeln müssen. Hat ein Unternehmer mit statuarischem Sitz im Ausland eine sonstige Leistung im Inland erbracht, steht aber fest, dass er tatsächlich nicht im Ausland, sondern im Inland ansässig war, kommt eine Steuerschuld des Leistungsempfängers für diese Leistungen nicht in Betracht, und zwar unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger Zweifel hinsichtlich der Ansässigkeit des Leistenden hatte oder hätte haben müssen.

Konsequenzen

Die Anwendung des Reverse-Charge Verfahrens aufgrund der Ansässigkeit kommt grundsätzlich nicht in Frage, wenn der leistende Unternehmer im Inland ansässig ist. Für den Leistungsempfänger bedeutet dies, dass er nur für die Umsatzsteuer haftet, wenn er Dienstleistungen eines tatsächlich nicht im Inland ansässigen Unternehmers bezieht und keine entsprechende Bescheinigung eingeholt hat.