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Steuerermäßigung bei Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen

Steuerermäßigung bei Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen

Kernproblem
Die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen wird mit einer Steuerermäßigung auf die Einkommensteuer von bis zu 20 % der Aufwendungen für Arbeitskosten, höchstens aber 1.200 EUR begünstigt. Voraussetzung ist, dass die Arbeiten in einem inländischen Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden. Was alles zum Haushalt gehört, ist oft streitbefangen.

Sachverhalt
Für eine Dichtigkeitsprüfung der Abwasserleitung seines privat genutzten Wohnhauses mittels einer Kamera wurde der Abzug der Personalkosten als steuerermäßigende Handwerkerleistung begehrt. Aus Sicht des Steuerpflichtigen zählen dazu auch Kontrollmaßnahmen zur Erhaltung der Immobilie, unabhängig davon, ob es sich um Arbeiten im oder am Haus handelt.

Entscheidung
Die Finanzrichter erkennen die Personalaufwendungen als steuerermäßigende Handwerkerleistungen an. Die Kamerauntersuchung wurde zum Zwecke des Dichtheitsnachweises angeordnet. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verpflichtung steht, die Abwasserleitung instand zu halten.

Konsequenz
Das Urteil ist aus Sicht der Steuerpflichtigen zu begrüßen. Diese sollten vergleichbare Aufwendungen in ihren Steuererklärungen entsprechend ansetzen. Das letzte Wort wird aber wiederum der Bundesfinanzhof (BFH) haben.

Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 35 EStG

Einkommensteuer 2009

Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 35 EStG

Niedersächsisches Finanzgericht 10. Senat, Urteil vom 15.08.2013, 10 K 241/12

§ 35 Abs 1 S 2 EStG

Tatbestand

 

1
Zwischen den Beteiligten ist die Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) streitig.

2
Der Kläger erzielte im Streitjahr unter anderem gewerbliche Einkünfte aus verschiedenen Beteiligungen sowie Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit als Hausverwalter. Ferner erwirtschaftete er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus insgesamt 4 Objekten sowie aus 2 weiteren Beteiligungen und erzielte daneben Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie sonstige Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Beklagte (das Finanzamt – FA -) veranlagte den Kläger erklärungsgemäß und setzte zunächst eine Einkommensteuer von 0 € fest. Aufgrund verschiedener Mitteilungen über geänderte Beteiligungseinkünfte änderte das FA den Einkommensteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer in Höhe 4.646 € fest. Es berücksichtigte gewerbliche Einkünfte aus Beteiligungen in Höhe von 31.622 €. Auf der Grundlage der anteiligen Gewerbesteuermessbeträge aus Beteiligungen von insgesamt 2.597 € berücksichtigte das FA eine Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte nach § 35 EStG in Höhe von 1.661 €.

3
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Einspruch. Er war u. a. der Auffassung, die Ermittlung der Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte sei vom FA fehlerhaft vorgenommen worden. Im Laufe des Einspruchsverfahrens änderte das FA den Bescheid gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO und half dem Einspruch des Klägers in weiteren Streitpunkten ab. Die Einkommensteuer in dem geänderten Bescheid setzte das FA in Höhe von 976 € fest und berücksichtigte dabei eine Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte nach § 35 EStG in Höhe von 3.738 €. Es ermittelte die Einkommensteuer wie folgt:

 

4
Vorspalte Betrag Pos. Eink.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
aus Beteiligungen
mit positiven Ergebnis  95.078 €  95.078
mit negativen Ergebnis -63.456 €  31.622 €
Einkünfte aus selbständiger Arbeit  9.189 €  9.189
Einkünfte aus Kapitalvermögen  1.989 €  1.989
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
aus bebauten Grundstücken
Objekt 1 Ferienwohnung  4.537 €  4.537
Objekt 2 Ferienwohnung  2.585 €  2.585
Objekt 3 ETW  2.688 €  2.688
Objekt 4 Bürogebäude  -2.457 €
aus Beteiligungen
Nr. 1 A-GbR -23.667 €
Nr. 2 B.-GbR)  3.255 €  -13.059 €
Sonstige Einkünfte  4.656 €  4.656
Summe der Einkünfte  34.397 € 120.722
Ab Altersentlastungsbetrag  – 1.900 €
Gesamtbetrag der Einkünfte  32.497 €
gezahlte Kirchensteuer  -29 €
Geleistete Zuwendungen § 10b EStG  -477 €
Vorsorgeaufwendungen  -5.069 €
Einkommen / zu versteuernden Einkommen  26.922 €
Einkommensteuer nach Grundtarif  4.745 €
Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte  -3.738 €
Steuerermäßigung nach § 34g Nr. 1 EStG  -31 €
festzusetzende Einkommensteuer 2009  976 €
Nachrichtlich
Summe der positiven gewerblichen Einkünfte  95.078 €
Summe aller positiven Einkünfte  120.722 €
Quotient i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG  0,78758
Tarifliche Einkommensteuer  4.745
Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte  3.738
 

5
Der Kläger war der Auffassung, der Ermäßigungshöchstbetrag sei in Höhe von 4.362 € zu berücksichtigen. Der Quotient zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages sei zu bilden aus der Summe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb – hier 31.622 € – und der Summe aller Einkünfte – hier: 34.397 € -. Das FA gehe zu Unrecht in seiner Berechnung davon aus, dass der Quotient zu bilden sei aus der Summe ausschließlich positiver gewerblicher Einkünfte und der Summe aller ausschließlich positiven Einkünfte, dass also weder ein horizontaler Verlustausgleich, im Rahmen einer Einkunftsart, noch ein vertikaler Verlustausgleich, zwischen den einzelnen Einkunftsarten, vorzunehmen sei.

6
Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens teilte das FA dem Kläger mit, dass es die Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages entsprechend der Tz. 16 des BMF-Schreibens vom 24. Februar 2009 – IV C 6 – F 2296 – a/08/10002-2007/0220243 vorgenommen habe. Als positive Einkünfte seien daher nur die positiven Einkünfte aus der jeweiligen Einkunftsquelle anzusehen (so genannte quellenbezogene Berechnung). Eine Saldierung der positiven mit den negativen Einkunftsquellen innerhalb der gleichen Einkunftsarten und auch zwischen den verschiedenen Einkunftsarten fände nicht statt. Ergänzend wies es daraufhin, dass ihm jedoch bei der Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages ein Fehler unterlaufen sei. Es habe zu Unrecht bei den Vermietungseinkünften die beiden Beteiligungsergebnisse saldiert und in einer Summe erfasst. Dadurch sei die maßgebliche Summe aller positiven Einkünfte i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG um 3.255 € zu niedrig angesetzt worden. Es teilte dem Kläger mit, dass es über den Einspruch des Klägers entscheiden werde und gem. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO die Einkommensteuer auch zu seinem Nachteil ändern werde. Nachdem der Kläger dem FA mitgeteilt hatte, dass er auch weiterhin an seinem Einspruchsbegehren festhalte, wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück und erhöhte gleichzeitig die Einkommensteuer auf 1.075 €. Zur Begründung führte es erneut aus, dass eine Saldierung der positiven und negativen Einkünfte zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages gemäß § 35 EStG nicht in Betracht käme, es sei weder ein horizontaler noch ein vertikaler Verlustausgleich durchzuführen. Entsprechend sei die Einkommensteuer, wie bereits im Einspruchsverfahren angekündigt noch einmal zu Ungunsten des Klägers korrigiert worden:

7
Die Beteiligungseinkünfte aus Vermietung und Verpachtung seien zu Unrecht saldiert worden, es seien weitere 3.255 € aus der Beteiligung B.-GbR zu berücksichtigen. Dies führe zu positiven Einkünften von 123.977 €. Der Quotient zur Berechnung der Steuerermäßigung betrage 95.078 €/123.977 €, also 0,76690 und führe zu einer Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 3.639 €.

8
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Er ist der Auffassung, zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages sei jeweils der positive Saldo der gewerblichen Einkünfte wie auch der Summe aller Einkünfte zu verstehen.

9
Der Gesetzeswortlaut sei nicht eindeutig, wenn der Gesetzgeber von „positiven gewerblichen Einkünften“ bzw. „Summe aller positiven Einkünfte“ spreche.

10
Der Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache BT 16/7036 zu Nr. 14a – neue – (§ 35 EStG), folgend, habe der Gesetzgeber einen horizontalen wie auch vertikalen Verlustausgleich der Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages zu Grunde legen wollen. Entsprechend ermittle sich der Ermäßigungshöchstbetrag wie folgt:

 

11
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 31.622
Einkünfte aus selbständiger Arbeit 9.189
Einkünfte aus Kapitalvermögen 1.989
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung  – 13.059
Sonstige Einkünfte  4.656
Summe aller positiven Einkünfte 34.397
 

12
Der Quotient im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 2 EStG betrage daher 31.622 / 34.397, dies entspräche 0,91932 und einem Ermäßigungshöchstbetrag von 4.362 €.

13
Der Kläger beantragt sinngemäß,

14
den Einkommensteuerbescheid 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2012 dahingehend zu ändern, dass eine Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte in Höhe von 4.362 € berücksichtigt wird und die Einkommensteuer entsprechend in Höhe von 352 € festgesetzt wird.

15
Der Beklagte beantragt,

16
die Klage abzuweisen.

17
Er bleibt bei seiner bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung, dass zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages weder ein horizontaler noch ein vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen sei. Die Berechnung des Quotienten im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 2 EStG entspräche den Vorgaben des BMF.

Entscheidungsgründe

 

18
Die Klage ist unbegründet.

19
Der Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig, der Kläger in seinen Rechten nicht verletzt (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

20
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer höheren Steuerermäßigung gemäß § 35 EStG.

21
Ziel des § 35 EStG ist es, die gewerbesteuerliche Belastung gewerblicher Einkünfte dadurch zu kompensieren, dass die tarifliche Einkommensteuer um das 3,8-fache des jeweils für den dem Veranlagungszeitraum entsprechenden Erhebungszeitraum nach § 14 Gewerbesteuergesetz (GewStG) für das Unternehmen festgesetzten Steuermessbetrages bzw. für den Mitunternehmer festgesetzten anteiligen Steuermessbetrages gemindert wird. Der Abzug ist auf den Ermäßigungshöchstbetrag begrenzt.

22
Erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008 enthält das EStG eine Regelung zur Berechnung dieses Ermäßigungshöchstbetrages.

23
Zuvor gab es lediglich Verwaltungsanweisungen, die die Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages regelten. Danach war der Abzug nach § 35 EStG begrenzt auf die tarifliche Einkommensteuer, die auf die im zu versteuernden Einkommen enthaltenen gewerblichen Einkünfte entfiel. Verluste anderer Einkunftsarten führten danach zu einer anteiligen Kürzung der begünstigten gewerblichen Einkünfte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die entsprechenden Verwaltungsanweisungen verwiesen, BMF-Schreiben vom 15. Mai 2002 IV A 5 – S 2296 a – 16/02, BStBl I 02, 533; BMF-Schreiben vom 12. Januar 2007 IV B 2 – S 2296 a – 2/07, BStBl I 07, 108.

24
Der Bundesfinanzhof (BFH) teilte die Auffassung der Finanzverwaltung zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages nicht. Er ging in seinem Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04, BStBl II 2007, 694 von dem Meistbegünstigungsprinzip aus. Zur Ermittlung der gewerblichen Einkünfte sei der so genannte horizontale Verlustausgleich durchzuführen, positive und negative gewerbliche Einkünfte seien zu verrechnen. Weitere negative Einkünfte anderer Einkunftsarten seien im so genannten vertikalen Verlustausgleich zu berücksichtigen. Dabei seien aber nach dem Meistbegünstigungsprinzip – entgegen der Verwaltungsanweisung – diese Verluste vorrangig mit nicht gemäß § 35 EStG tarifbegünstigten Einkünften zu verrechnen.

25
In der Folgezeit ist die Finanzverwaltung der Auffassung des BFH gefolgt und hat die alten Anwendungsschreiben aufgehoben, BMF-Schreiben vom 19. September 2007, IV B 2 – S 2296 – 9/07, DStR 2007, 1769.

26
Doch mit dem Jahressteuergesetz 2008 ist § 35 EStG geändert worden, Gesetz vom 20. Dezember 2007 BGBl I 2007, 3150. Seit dem enthält § 35 Abs. 1 S. 2 EStG unter anderem eine Formel zur Ermittlung des Ermäßigungshöchstbetrages:

27
Summe der positiven gewerblichen Einkünfte   x   geminderte tarifliche Steuer
Summe aller positiven Einkünfte

 

28
Dem Wortlaut dieser Neuregelung lässt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, ob bei der Ermittlung der Einkünfte ein horizontaler bzw. vertikaler Verlustausgleich vorzunehmen ist.

29
1) In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass weder der horizontale noch der vertikale Verlustausgleich bei den Einkünften vorzunehmen ist, so Derlien in Littmann/Pust EStG § 35 Rz. 103, Korezkij in Der neue § 35 Abs. 1 S. 2 EStG, DStR 2008, 491. Der Gesetzgeber habe ausschließlich von positiven Einkünften gesprochen, Verluste seien nicht angesprochen. Andernfalls hätte er von der positiven Summe aller (gewerblichen) Einkünfte sprechen müssen.

30
Auch die Finanzverwaltung geht in ihren Verwaltungsanweisungen davon aus, dass ein Verlustausgleich nicht durchzuführen ist – weder horizontal noch vertikal. Dies würde zu dem Ergebnis führen, dass ausschließlich die positiven Einkünfte aus jeder einzelnen Einkunftsquelle zu berücksichtigen wären (vgl. BMF–Schreiben vom 24. Februar 2009 IV C 6 – S 2296 – a/08/10002, BStBl. I S. 440).

31
Im Streitfall würde dies den in der Einspruchsentscheidung ermittelten Quotienten von 95.078/123.977 = 0,76690 ergeben.

32
2) Betrachtet man jedoch den Willen des Gesetzgebers, so ist die Verwaltungsauffassung noch einmal zu überdenken.

33
Dem Bericht des Finanzausschusses vom 8. November 2007, BT-DS 16/7036 zu Nr. 14a – neu – (§ 35 Abs. 1) ist zu entnehmen, dass zunächst der horizontale Verlustausgleich bei den gewerblichen Einkünften gewollt war. Denn der Finanzausschuss führt aus, dass unter der Summe der positiven gewerblichen Einkünfte der Betrag zu verstehen sei, der sich aus der Saldierung der Gewinne und Verluste nach § 15 EStG aus allen Gewerbebetrieben des Steuerpflichtigen sowie aus seinen Beteiligungen an Mitunternehmerschaften oder als persönlich haftender Gesellschafter aus Kommanditgesellschaften auf Aktien ergebe. Bei zusammenveranlagten Ehegatten, die beide gewerbliche Einkünfte erzielten, seien die Einkünfte ebf. zu einem Betrag zusammenzufassen.

34
Darüber hinaus sollten alle Verluste grundsätzlich das Volumen des Ermäßigungshöchstbetrages mindern. Eine Überkompensation, wie sie nach der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 27. September 2006 X R 25/04 (im Rahmen der Meistbegünstigung) möglich gewesen wäre, sollte vermieden werden. So sei gesetzlich geregelt worden, dass Verluste aus den jeweiligen Einkunftsarten bei der Ermittlung des Höchstbetrages im Rahmen der hierfür maßgebenden Verhältnisrechnung zu einer anteiligen Kürzung der nach § 35 EStG tarifbegünstigten gewerblichen Einkünfte führe.

35
In diesem zweiten Absatz der Gesetzesbegründung bleibt unklar, welche Verhältnisrechnung der Gesetzgeber im Rahmen des vertikalen Verlustausgleichs gemeint hat. Möglicherweise hatte er beabsichtigt, die ursprüngliche Verwaltungsregelung aus den beiden aufgehobenen BMF-Schreiben aus 2002 und 2007 wieder aufleben zu lassen (so z.B. Dr. Korezkij, Der neue § 35 Abs. 1 S. 2 EStG in DStR 2008, 491 m.w.N).

36
Der mutmaßliche gesetzgeberische Wille beinhaltet demnach sowohl einen horizontalen als auch einen vertikalen Verlustausgleich, der sich jedoch mit dem Wortlaut des Gesetzes zumindest nicht in vollem Umfang vereinbaren lässt.

37
a) Anders als das Gewerbesteuerrecht kennt das Einkommensteuerrecht nur in Ausnahmefällen eine quellen- bzw. betriebsorientierte Sichtweise. Denn das Einkommensteuergesetz unterscheidet in § 2 Abs. 1 EStG lediglich die verschiedenen Einkunftsarten, nicht jedoch die Einkunftsquellen. Eine quellenbezogene Betrachtungsweise kennt das Einkommensteuerrecht nur in Ausnahmefällen, wie z.B. bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht oder quellenbezogener Verlustverrechnungsverbote. In diesen Einzelfällen kann die quellenbezogene Sichtweise auch sachgerecht sein. Demgegenüber erscheint die quellenbezogene Sichtweise im Rahmen von § 35 EStG keineswegs zwingend, sondern stellt einen Verstoß gegen das einkommensteuerrechtliche Grundprinzip der einkunftsorientierten Betrachtungsweise dar. Hechtner geht in seinem Beitrag sogar soweit, dass er eine solche quellenorientierte Betrachtungsweise als willkürlich und von fiskalpolitischen Zielen geleitet bewertet (vgl. Hechtner in Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben (…), BB 2009, 1556).

38
b) Der Begriff der „Summe aller positiven Einkünfte“ ist im Einkommensteuerrecht kein Neuer. Bereits in § 2 Abs. 3 S. 2 EStG in der Fassung des StEntlG 1999/2000/2002 verwendete der Gesetzgeber diesen Begriff. Auch dort wurde dies dahingehend verstanden, dass die Summe aller Einkünfte mit positivem Gesamtergebnis gemeint war (vgl. Seeger in Schmidt EStG § 2 Rz. 62). Alleine durch die Ergänzung in § 35 EStG des Begriffs „aller“ kommt es zu keiner anderen Begrifflichkeit (so auch Hechtner in Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben (…) BB 2009, 1556), gemeint ist die positive Summe aller gewerblichen Einkünfte.

39
3) Aus den genannten Gründen ist, entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, die in dem aktuellen BMF-Schreiben vom 24. Februar 2009 IV C 6 – S 2296 – a/08/10002, BStBl. I S. 44 dargestellt ist, dem gesetzgeberischen Willen folgend, bei der Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrages ein horizontaler Verlustausgleich sowohl bei der Ermittlung der „Summe aller positiven Einkünfte“ als auch bei der „Summe der positiven gewerblichen Einkünfte“ vorzunehmen.

40
Der Auffassung von Hechtner in Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben BB 2009, 1556, nach der ein horizontaler Verlustausgleich für die Ermittlung der „Summe aller positiven gewerblichen Einkünfte“ nicht in Betracht kommt, ist nicht nachvollziehbar. Obwohl er zuvor, wie bereits dargestellt eine quellenbezogene Betrachtungsweise abgelehnt hat, wendet er sie nun doch wieder an. Hier ist jedoch einheitlich zu verfahren. Bei der Bildung eines Quotienten kann die Ermittlung des Zählers nicht anderen Grundsätzen folgen, als der des Nenners. Wird die einkunftsorientierte Betrachtungsweise, der das Gericht folgt, gewählt, ist diese insgesamt anzuwenden (vgl. Blaufuß/Hechtner in Die Gewerbesteuerkompensation BB 2008,80).

41
4) Ein vertikaler Verlustausgleich zwischen den verschiedenen Einkunftsarten zur Ermittlung „der Summe aller positiven Einkünfte“, wie ihn der Kläger fordert, kommt aufgrund des entgegenstehenden Wortlauts der Vorschrift nicht in Betracht (im Ergebnis so auch Wacker in Schmidt EStG § 35 Rz. 12).

 

42
Der Ermäßigungshöchstbetrag errechnet sich daher wie folgt:

 

43
Vorspalte Betrag Pos. Eink.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
aus Beteiligungen
mit positiven Ergebnis  95.078 €
mit negativen Ergebnis -63.456 €  31.622 € 31.622
Einkünfte aus selbständiger Arbeit  9.189 €  9.189
Einkünfte aus Kapitalvermögen  1.989 €  1.989
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
aus bebauten Grundstücken
Objekt 1 Ferienwohnung  4.537 €
Objekt 2 Ferienwohnung  2.585 €
Objekt 3 ETW  2.688 €
Objekt 4 Bürogebäude  -2.457 €
aus Beteiligungen
Nr. 1 A-GbR) -23.667 €
Nr. 2 B-GbR)  3.255 €  -13.059 €
Sonstige Einkünfte  4.656 €  4.656
Summe der Einkünfte  34.397 €  47.456
Ab Altersentlastungsbetrag  – 1.900 €
Gesamtbetrag der Einkünfte  32.497 €
gezahlte Kirchensteuer  -29 €
Geleistete Zuwendungen § 10b EStG  -477 €
Vorsorgeaufwendungen  -5.069 €
Einkommen / zu versteuernden Einkommen  26.922 €
Einkommensteuer nach Grundtarif  4.745 €
Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte  -3.161 €
Steuerermäßigung nach § 34g Nr. 1 EStG  -31 €
festzusetzende Einkommensteuer 2009  1.553 €
Nachrichtlich
Summe der positiven gewerblichen Einkünfte  31.622 €
Summe aller positiven Einkünfte  47.456 €
Quotient i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 2 EStG  0,66634
Tarifliche Einkommensteuer  4.745
Steuerermäßigung für gewerbliche Einkünfte  3.161
 

44
Da die bisher berücksichtigte Steuermäßigung gemäß § 35 EStG in Höhe von 3.639 € höher ist als der vom Gericht ermittelte Betrag von 3.161 €, bleibt es bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung; eine verbösernde Entscheidung ist ausgeschlossen.

45
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

46
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Steuerermäßigung für den Einbau des Kachelofens

Steuerermäßigung für den Einbau des Kachelofens

Kernproblem
Die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen beschäftigt immer mehr die Finanzgerichte. Nicht selten ist in den Jahren seit der Einführung festzustellen, dass die Steuererklärung beim Finanzamt weitgehend ungeprüft bleibt, während der Schornsteinfeger für noch nicht mal 70 EUR nachzuweisen ist. Dabei war die Vorschrift anders gedacht und sollte ursprünglich die Schwarzarbeit bekämpfen. Dass man es auch mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht so genau nehmen soll, hat einmal mehr ein Finanzgericht bestätigt.

Sachverhalt
Für gerade einmal 619 EUR Steuermäßigung ging es diesmal zum Finanzgericht nach Sachsen. Anlass war der Einbau eines Kachelofens mit Edelstahlschornstein. Den sah das Finanzamt als schädliche Neubaumaßnahme, weil es nach dessen Ansicht durch diese „zusätzliche Heizungsanlage“ (es bestand noch eine Gasheizung) zu einer Nutz- und Wohnflächenerweiterung kam. Eine begünstigte Modernisierungsmaßnahme sollte dagegen ausscheiden, da die mit dem Kachelofen bezweckte Wärmegewinnung durch Verbrennung von Holz gegenüber der bisherigen Wärmeerzeugung nicht als fortschrittlich angesehen werden könne. Angesichts der Tatsache, dass die Verwaltungsanweisungen sogar für den nachträglichen Einbau einer Fußbodenheizung die Steuerermäßigung zulassen, hatten die Steuerpflichtigen für diese Haltung des Finanzamts kein Verständnis.

Entscheidung
Das Finanzgericht gewährte die Steuerermäßigung und brachte es in seiner Begründung auf den Punkt: Die in der Praxis häufig auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten würden es nahelegen, diese Dogmatik nicht ohne zwingenden Grund in die Auslegung der Steuerermäßigung zu importieren. Auch der Begriff „Modernisierung“ verlange nicht, dass nach Abschluss der Arbeiten eine fortschrittlichere Gestaltung als zuvor vorliegen müsse. Der Kachelofen und das Kaminrohr seien jedoch Ergebnis handwerklicher Leistungen im Haushalt und modernisierten die Wärmegewinnung. Das reichte aus.

Konsequenz
Die Finanzverwaltung hat in einer Anlage zum Anwendungsschreiben der Steuerermäßigung bereits eine „Beispielhafte Aufzählung begünstigter und nicht begünstigter haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen“ vorgenommen, die in der Praxis häufig weiterhilft. Der Kachelofen fehlt (noch).