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Unangemessen niedrige Streitwertfestsetzung – Betrug?

Unangemessen niedrige Streitwertfestsetzung – Betrug?

Kernaussage

Anwälte müssen an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung mitwirken. Tun sie dies nicht, kann das Gericht den Streitwert so hoch festsetzen, dass Anwälte ihrer Mitwirkungspflicht im Rahmen des Antrags auf Streitwertkorrektur nachkommen. Die vorherige Ansetzung eines zu geringen Streitwerts kann als versuchter Betrug gewertet werden.

Sachverhalt

Die Parteien stritten vor dem Landgericht Düsseldorf über eine Patentverletzung im Bereich der UMTS-Technik. Den maßgeblichen Gesamtumsatz der Beklagten bis zum voraussichtlichen Ablauf des Klagepatents gab die Klägerin nach eigener Auswertung mit rund 2 Mrd. EUR an. Auf diesen Betrag sollte die Beklage vorgerichtlich im Rahmen eines Vergleichsangebots einen Lizenzsatz von 0,5 % (ca. 11,15 Mio. EUR) zahlen. Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift den Streitwert mit 5 Mio. EUR angegeben. Das Landgericht hat den Streitwert auf 30 Mio. EUR geschätzt und festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, die eine Herabsetzung des Streitwerts auf 11,15 Mio. EUR begehrt.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat die Beschwerde zurückgewiesen. Der Streitwert ist vom Gericht nach freiem Ermessen festzusetzen. Maßgeblich ist das wirtschaftliche Interesse, das die Klägerin mit der Klage objektiv verfolgt. Entscheidende Kriterien sind die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents, Umsatz, Größe und Marktstellung des Klägers. Unter Berücksichtigung des mitgeteilten Umsatzes und eines Lizenzsatz von 1,5 % erschien der geschätzte Streitwert als angemessen. Zugleich bestand gegenüber der Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten der Verdacht eines versuchten Betruges zu Lasten der Landeskasse. Nach Erfahrung des Senats stellt es eine regelmäßige Praxis dar, dass beide Parteien kollusiv zulasten der Landeskasse zusammenwirken, um mit einem niedrigen Streitwert Gerichtskosten zu sparen. Der Grund hierfür liegt in der streitwertunabhängigen Abrechnung der Parteivertreter nach Stundensätzen. Durch die „eingesparten“ Gerichtsgebühren steht den Anwälten ein weiterer Spielraum für die Abrechnung zusätzlichen eigenen Honorars zu.

Konsequenz

Es bleibt abzuwarten, ob das OLG straf- und berufsrechtliche Maßnahmen einleiten wird und ein Strafgericht einen Betrug nachwiesen kann. Die Begründung des OLG erscheint nicht nachvollziehbar und ist mit der gängigen anwaltlichen Praxis auch nicht in Einklang zu bringen. Soweit der Kläger obsiegt, würde eine Kostenerstattung durch den unterlegenen Prozessgegner nur zu einem entsprechend geringeren Teil erfolgen. Rechtsstaatlich bedenklich ist nach der Begründung auch, dass sich ein Anwalt mit dem Antrag auf Streitwertkorrektur stets der Gefahr des Betrugsversuchs aussetzen kann.