Umsatzsteuer; Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten durch die Angehörigen der freien Berufe (§ 20 Satz 1 Nr. 3 UStG);

Konsequenzen des BFH-Urteils vom 22. Juli 2010, V R 4/09
GZ IV D 2 – S 7368/10/10002
DOK 2013/0719183

Nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausführt, die Umsatzsteuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Mit Urteil vom 22.Juli 2010, V R 4/091, hat der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a. F. nicht anwendbar ist, wenn der Unternehmer in Bezug auf die in der Vorschrift genannten Umsätze buchführungspflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer insoweit freiwillig Bücher führt. Die gegen das Urteil eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2013, 1BvR 3063/10, nicht zur Entscheidung angenommen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der  Länder gilt Folgendes:
1
Das Urteil wird zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.

I. Anwendung des BFH-Urteils vom 22.Juli 2010, V R 4/09
Die Genehmigung der Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG für Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ab sofort nicht mehr zu erteilen, wenn der Unternehmer für diese Umsätze Bücher führt. Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer
gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig geführt werden. Hat der vom Unternehmer im Kalenderjahr 2012 erzielte Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) allerdings nicht mehr als 500.000 Euro betragen, erfüllt der Unternehmer die Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG; in diesem Fall kann ihm die Berechnung der Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten unter dem Vorbehalt desjederzeitigen Widerrufs genehmigt werden.

Sollte im Einzelfall eine bereits auf der Grundlage des § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG oder dessen Vorgängervorschrift unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilte Genehmigung nach § 130 i. V. m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO zurückzunehmen sein (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1982, VIIIR 9/80, BStBl 1983 II S. 187), ist die Wirkung der Rücknahme auf
nach dem 31. Dezember 2013 ausgeführte Umsätze zu beschränken. Zur Behandlung von Umsätzen, die vor dem Wechsel der Berechnungsart ausgeführt wurden, wird auf Abschnitt 13.6 Abs. 3 UStAE hingewiesen. Von einer Rücknahme der Genehmigung ist jedoch abzusehen, wenn der im Kalenderjahr 2012 erzielte Gesamtumsatz des Unternehmers
(§ 19 Abs. 3 UStG) nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat und eine Genehmigung nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erteilt werden könnte. In diesem Fall ist der Unternehmer darauf hinzuweisen, dass die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen ist, wenn der Gesamtumsatz des Kalenderjahres 2013 oder eines späteren Kalenderjahres den jeweils maßgeblichen Betrag übersteigt.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Abschnitt 20.1 Abs. 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010, BStBl I
S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 12.Juli 2013
– IV D 3 – S 7179/09/10003-05 (2013/0666997) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„(1) 1
Der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten kann bis
zum Eintritt der formellen Bestandskraft der jeweiligen Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung gestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 10. 12. 2008, XI R 1/08, BStBl 2009 II
S. 1026).
2
Dem Antrag kann grundsätzlich entsprochen werden, wenn der Unternehmer eine
der Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG erfüllt. 3
Eine Genehmigung ist unter
den Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zu stellen und erstreckt sich wegen des
Prinzips der Abschnittsbesteuerung stets auf das volle Kalenderjahr. 4
Es handelt sich um

einen begünstigenden Verwaltungsakt, der unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131 AO
zurückgenommen oder widerrufen werden kann. 5
Die Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 2
UStG kommt nur bei besonderen Härten, wie z.B. dem Überschreiten der nach § 20 Satz 1
Nr. 1 UStG bestehenden Umsatzgrenze aufgrund außergewöhnlicher und einmaliger
Geschäftsvorfälle, nicht aber allgemein auf Grund einer fehlenden Buchführungspflicht in
Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 11. 2. 2010, V R 38/08, BStBl II S. 873). 6
Die Genehmigung der Istversteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG ist nicht zu erteilen, wenn der Unternehmer für die in der Vorschrift genannten Umsätze Bücher führt. 7
Dabei ist es unerheblich, ob die Bücher auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung oder freiwillig
geführt werden (vgl. BFH-Urteil vom 22. 7. 2010, V R 4/09, BStBl 2013 II S. XXX).“
Die Regelungen in Abschnitt I dieses Schreibens sind in allen Fällen anzuwenden. Die Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses in Abschnitt II tritt am 1. August 2013 in Kraft.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und steht ab sofort für eine
Übergangszeit auf den Internet-Seiten des Bundesministeriums der Finanzen
(http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten –
Umsatzsteuer – Umsatzsteuer-Anwendungserlass zum Herunterladen bereit.