Umsatzsteuer: Weitergabe von Versicherungsbestätigungskarten

Umsatzsteuer: Frage der Steuerbefreiung der Umsätze aus d. entgeltlichen Weitergabe von Versicherungsbestätigungskarten

 Leitsatz

Durch den Verkauf von Blanko-Versicherungsbestätigungskarten beschränkt sich die Tätigkeit des Stpfl. im Wesentlichen auf die bloße Weitergabe, nämlich das Kaufen und Verkaufen von Angeboten zum Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen. Dies reicht für die Steuerbefreiung nicht aus, da es sich nur um eine Art Handelstätigkeit handelt, die aber keinen spezifischen oder wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweist.

 Gesetze

UStG § 4 Nr 11

 Tatbestand:

Streitig ist, ob durch die entgeltliche Weitergabe von Versicherungsbestätigungskarten getätigte Umsätze nach § 4 Nr. 10 oder Nr. 11 Umsatzsteuergesetz (UStG ) steuerfrei sind.

Die Klägerin (Klin.) ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der F AG in T, welche u.a. Kraftfahrzeugkennzeichen herstellt und sie im In- und Ausland vertreibt. Im Inland erfolgt deren Vertrieb über eigene und fremde Prägestellen, die sich zumeist in der Nähe von Kraftfahrzeugzulassungsstellen befinden. Die Klin. betreibt ebenfalls einen Handel mit Kraftfahrzeugschildern, jedoch in geringem Umfang. Den Großteil ihrer Umsätze erzielte sie in den Streitjahren mit dem Absatz von

Versicherungsbestätigungskarten (sog. Deckungskarte, bis 31.12.2002 auch unter dem Namen „Doppelkarte” bekannt), dessen steuerliche Behandlung hier streitig ist. Die Deckungskarten im vorliegenden Verfahren betrafen den gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungsschutz bei Überführungsfahrten innerhalb Deutschlands (Deckungskarten für Überführungskennzeichen) oder bei der Ausfuhr von Fahrzeugen (Deckungskarten für Ausfuhrkennzeichen). Die Klin. war dabei in eine Leistungskette eingeschaltet, deren Ziel und Ergebnis es war, den Endabnehmern Kurzzeit-Kfz-Haftpflichtversicherungen zu verschaffen.

In den Streitjahren erwarb die Klin. hierzu von verschiedenen Firmen, die selbst keine Versicherungsunternehmen waren, eine Vielzahl von Blanko-Deckungskarten inländischer und ausländischer Versicherungen. Beispielsweise kaufte die Klin. mit Rechnung vom 19.03.2007 2.300 Blanko-Deckungskarten der B S.A. aus Luxemburg von der Firma C aus Belgien zum Gesamtpreis von 85.156 EUR. Die von ihr erworbenen Blanko-Deckungskarten repräsentierten jeweils ein Angebot der jeweiligen Versicherung auf Abschluss einer Kurzzeitversicherung. Die Klin. nahm diese Angebote auf Abschluss der Versicherung nicht selbst an und brachte damit die Versicherungen nicht selbst zum Abschluss. Im Zeitpunkt des Erwerbs der Blanko-Deckungskarten durch die Klin. stand noch nicht fest, wer die jeweilige Kurzzeitversicherung abschließt. Die Klin. vertrieb die Blanko-Deckungskarten dann über eigene Prägestellen oder verkaufte sie an fremde Prägestellen. Hierfür stellte sie die gewünschten Karten nach Anzahl, Versicherungsgesellschaft und Leistung für die jeweiligen Besteller zusammen und verkaufte sie dann ohne Umsatzsteuer (USt) an die Prägestellen, die den Kunden den Versicherungsschutz vermittelten. Die Klin. selbst trat hierbei nie mit den Versicherungen und den Endabnehmern, die die Karten für Überführungsfahrten und Ausfuhren nutzten, in rechtliche Verbindung. Auch bestand kein unmittelbarer Kontakt mit den Versicherern oder den Endabnehmern. Die Endabnehmer erhielten jeweils eine Ausfertigung der mit dem Namen des Versicherten und der Bezeichnung des Versicherungsobjekts versehenen Versicherungskarte über die Straßenverkehrsbehörde, die die Zulassung von dem Eintritt des Versicherungsschutzes abhängig macht. Die Endabnehmer zahlten jeweils die auf der Deckungskarte vermerkte Endprämie (einschließlich Versicherungssteuer). Die Margen/Provisionen, die die Klin. bzw. die anderen Zwischenhändler erhielten, waren in dem auf der Deckungskarte ausgewiesenen Preis inbegriffen.

Die Klin. erklärte in ihren Umsatzsteuer(USt)-Erklärungen lediglich steuerpflichtige Umsätze aus dem Verkauf der Kfz-Kennzeichen. Die Ausgangsumsätze aus der Abgabe der Deckungskarten behandelte sie als umsatzsteuerfrei.

Ab 2007 fand bei der Klin. eine USt-Sonderprüfung statt, die sich auf die USt 2004 bis 2006 und die USt-Voranmeldungszeiträume I. bis IV. Quartal 2007 bezog. Der Prüfer stellte in seinem Bericht vom 03.09.2008 wie folgt fest:

Die von der Klin. mit dem Handel von Kurzzeit-Versicherungskarten erzielten Umsätze seien steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10 a UStG komme nicht in Betracht, da die Klin. weder Versicherer noch Versicherungsnehmer sei. Auch die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 b UStG komme nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift voraussetze, dass der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließe, mithin dass der Unternehmer selbst Versicherungsnehmer sei. Die „Verschaffung von Versicherungsschutz” im Sinne des UStG sei im rechtlichen Sinne zu verstehen, so dass entgegen der Auffassung des Kl.-Vertreters nicht jedwede Leistung darunter falle, die darauf gerichtet sei zu bewirken, dass die an dem Versicherungsschutz Interessierten diesen erhalten würden. Schließlich liege auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG nicht vor. Der Erwerb von Versicherungskarten bei Vermittlungsgesellschaften in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und der Weiterverkauf an Schilderprägestellen oder weitere Zwischenhändler stelle kein Vermitteln von Verträgen durch Versicherungsvertreter und -makler im Sinne der Begriffsbestimmung der §§ 92 und 93 des Handelsgesetzbuches (HGB) dar. Tatbestandsmerkmale eines Strukturvertriebs seien nach seinen Feststellungen nicht gegeben. Etwas anderes gelte nur soweit die Klin. Doppelkarten an Endkunden – Mitarbeitern der F-Gruppe – veräußert habe. Insoweit führe die Klin. selbst eine Vermittlung aus und könne im weitesten Sinne als Versicherungsvertreterin angesehen werden. Die hieraus erzielten Umsätze seien daher weiterhin steuerfrei zu belassen. Soweit die Klin. unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 03.04.2008, Rechtssache C-124/07 (J.C.M. Beheer), geltend mache, dass es für die Steuerbefreiung von Vermittlungsleistungen nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-RL ) nicht darauf ankomme, ob die tätige Mittelsperson, hier die Klin., unmittelbare Rechtsbeziehungen mit einer der Parteien des Versicherungsvertrages unterhalte, sei dem entgegenzuhalten, dass die Tätigkeit „unbestreitbar” die Merkmale eines Versicherungsvertreters oder Versicherungsmaklers aufweisen müsse. Die Klin. sei aber nicht als Versicherungsvertreterin bzw. -maklerin anzusehen. Die steuerpflichtigen Umsätze der Klin. seien damit wie folgt zu erhöhen:

 

 2004:  130.115,52 Euro
 2005:  173.534,48 Euro
 2006:  275.950,09 Euro
 2007:  170.035,72 Euro

 

Der Beklagte (Bekl.) schloss sich den Feststellungen des Betriebsprüfers an und erließ gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte USt-Bescheide 2004 bis 2006 vom 12.09.2008 sowie einen erstmaligen USt-Bescheid 2007 vom 23.09.2008. Hierbei setzte er die USt 2004 auf 22.644,23 Euro, die USt 2005 auf 27.806,67 Euro, die USt 2006 auf 33.045,95 Euro und die USt 2007 auf 102.691,67 Euro fest. Für den Monat März 2008 setzte er die USt-Vorauszahlung im Bescheid vom 01.12.2008 mit 10.755,38 Euro fest.

Mit dem gegen diese Bescheide gerichteten Einspruch machte die Klin. geltend, dass ihre Umsätze im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kurzzeit-Versicherungskarten als umsatzsteuerfrei zu behandeln seien. Durch § 4 Nr. 10a, Nr. 10b und Nr. 11 UStG werde sichergestellt, dass Versicherungsleistungen umsatzsteuerfrei beim Endverbraucher ankommen und keine Steuerkumulierungen dadurch entstehen würden, dass Dritte in den Vertriebsweg eingeschaltet würden. So zahle in der gesamten Versicherungsbranche auch keiner der in den Vertriebsweg eingeschalteten Unternehmer USt. Die Steuerbefreiung ihrer eigenen Leistungen ergebe sich vorrangig aus § 4 Nr. 10b UStG , da sie Personen, die Versicherungsschutz benötigen würden, diesen verschaffen würde. Die Vorschrift sei zudem im Lichte des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL bzw. ab 01.01.2007 im Lichte des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL ) auszulegen, unter deren Regelungsbereich ihre Tätigkeit falle. Aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität folge zudem die Wahlfreiheit des Organisationsmodells, ohne Gefahr laufen zu müssen, die vorgesehene Steuerbefreiung zu verlieren. Unbeachtlich für die Steuerbefreiung sei, dass sie, die Klin., weder mit der Versicherung noch mit dem Endkunden persönlich und unmittelbar in Kontakt getreten sei. Des Weiteren könne allein die körperliche Weitergabe der papiernen Deckungskarten eine Handelstätigkeit ihrerseits nicht begründen.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 17.12.2009 wies der Bekl. den Einspruch wegen USt 2004 bis 2007 und USt-Voranmeldungen März 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er wie folgt aus:

Die Tätigkeit der Klin. erfülle nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung im Sinne des § 4 Nr. 11 UStG und sei damit nicht umsatzsteuerbefreit. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UStG diene der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ). Wesentlich für eine hiernach steuerbefreite Vermittlungstätigkeit sei es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Vermittlung könne dabei in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden solle, beziehen müsse (EuGH, Urteil vom 03.03.2005 Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 ; BFH, Urteile vom 30.10.2008 V R 44/07, BFH/NV 2009, 330 und vom 28.05.2009 V R 7/08, BFH/NV 2009, 1744 ). Nicht steuerbefreit seien hingegen Leistungen, die allenfalls dazu dienen würden, den Versicherer bei dem ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten. Die Tätigkeit der Klin. beschränke sich lediglich darauf, die Kfz-Prägestellen mit Versicherungskarten diverser Versicherungen zu beliefern, damit diese bei Bedarf schnell ihren Kunden die Versicherungsverträge mit dem Versicherer vermitteln und zum Abschluss bringen könnten. Damit habe die Leistung der Klin. keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften. Die Leistung der Klin. bestehe allenfalls darin, andere Unternehmer, hier u.a. Kfz-Prägestellen, die Vermittlungsleistungen erbringen, zu unterstützen.

Auch aus der Freiheit des Organisationsmodells (EuGH, Urteil vom 21.06.2007 Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 ) ergebe sich keine über die Vermittlung von Einzelabschlüssen hinausgehende Steuerfreiheit für Vertriebstätigkeiten. Die

Vermittlung könne zwar in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfallen, die ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sein könnten, doch gelte dies nur dann, wenn es sich bei der einzelnen Leistung um ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes handele, dass die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfülle. Die allgemeine undifferenzierte Weitergabe von Versicherungskarten an einzelne Vertriebsstellen, die diese für sich auf Vorrat kaufen würden, um ihrerseits ihren Kunden bei Bedarf schnell den benötigten Versicherungsabschluss zu ermöglichen, erfülle demnach nicht die Voraussetzung einer Vermittlung (mit Hinweis auf Prätzler, Juris PR-SteuerR 41/2009 Anm. 7).

Es liege auch keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 b UStG vor. Unstreitig schließe die Klin. keinen Versicherungsvertrag mit einem Versicherungsnehmer ab. Schließlich treffe auch die Vorschrift des § 4 Nr. 8 c UStG nicht den Fall. Denn es würden mit den Blanko-Versicherungskarten keine Forderungen verkauft. Die Versicherungskarte selbst beinhalte keine Forderung. Erst durch den Eintritt des Versicherungsfalles entstehe eine Forderung aufgrund des Versicherungsvertrags. Auch sei eine Umsatzsteuerbefreiung unter Anwendung des § 3 Nr. 11 UStG auszuschließen, da die Klin. für eigene Rechnung gehandelt habe.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klin. geltend macht, dass die streitgegenständlichen Leistungen nach § 4 Nr. 10 b UStG bzw. nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei seien.

Zunächst erfülle ihre streitgegenständliche Tätigkeit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 b UStG , da sie den Personen, die gesetzlichen Haftpflichtversicherungsschutz benötigen würden, diesen verschaffen würde. Der Begriff „verschaffen” sei sprachlich ein weiter Oberbegriff für beliefern, besorgen oder vermitteln und sei in dem Sinne zu verstehen, dass jedwede Leistung darunter falle, die darauf gerichtet sei, zu bewirken, dass die an dem Versicherungsschutz Interessierten diesen erhalten würden. Auch würde eine Belastung ihrer Leistungen mit Mehrwertsteuer dem Zweck der Steuerbefreiung, eine Steuerkumulierung durch Versicherungssteuer und Mehrwertsteuer zu vermeiden, zuwiderlaufen. Die besondere Abwicklungsform für den Vertrieb der Versicherungsleistungen sei ebenso wenig steuerschädlich wie beim mehrstufigen Vertrieb von Kreditleistungen. Andere Organisationsformen zur Verschaffung von Versicherungsschutz dürften für die Steuerbefreiung unter Beachtung des Neutralitätsgebots nicht schädlich sein.

Die Einschlägigkeit der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 UStG ergebe sich zudem unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht. Bei Auslegung der deutschen Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 Nr. 10 und 11 UStG im Lichte des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ) seien sowohl die Leistungen des Versicherers (Versicherungsunternehmens) als auch die Leistungen aller mit der Gewährung von Versicherungsschutz verbundenen Verschaffungs-, Besorgungs- und Vermittlungsleistungen steuerfrei. Ihre eigene Tätigkeit sei darauf gerichtet, an dem hier in Rede stehenden spezifischen Haftpflichtversicherungsschutz interessierte Personen und Zwischenpersonen zu finden und diesen den Versicherungsschutz zu verschaffen. Die besondere Form der Vertragsabwicklung, die von den Versicherern bzw. den Eigenheiten der zu versicherten Risiken vorgegeben sei, führe wegen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nicht dazu, dass es sich um sonstige Dienstleistungen außerhalb des Regelungsbereichs der Steuerbefreiungen handele.

Die Richtigkeit eines weiten Grundsatzverständnisses mit der Folge der Steuerbefreiung für die streitgegenständlichen Umsätze werde durch die Entscheidungen des EuGH vom 21.06.2007 (Rs. C-453/05 – Ludwig) und vom 03.04.2008 (Rs. C-124/07 – J.C.M. Beheer) bestätigt. Ebenso wie bei Leistungen für den Kreditvertrieb komme es auch bei Leistungen im Rahmen der Verschaffung bzw. des Vertriebs von Versicherungen nicht auf die Modalitäten an, sondern nur darauf, dass die Leistungen darauf gerichtet seien, Interessenten den Versicherungsschutz entweder zu verschaffen oder ihnen diesen zu vermitteln.

Die Steuerbefreiung ergebe sich ferner aus § 4 Nr. 11 UStG . Diese Vorschrift finde nicht nur bei Versicherungsvertretern und -maklern im Sinne der §§ 92 und 93 HGB Anwendung, was auch der neuen Rechtsprechung zur Kreditvermittlung und auch der geänderten Verwaltungsauffassung entspreche. Sie erfülle den vom BFH in seiner Entscheidung vom 06.09.2007, V R 50/05 für eine steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit aufgeführten wesentlichen Aspekt, „Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen.” Die Käufer der Karten stünden zunächst lediglich mit ihr, der Klin., in Kontakt. Erst mit dem Kauf der Versicherungskarte würden sie in unmittelbarere Geschäftsbeziehungen zu den Versicherungsgesellschaften treten. Nur gegen diese würden Rechtsansprüche erworben. Das vorliegend fehlende Herantreten an die Versicherung bzw. den Endkunden dürfe nicht zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH sei für die Steuerbefreiung ein persönlicher oder unmittelbarer Kontakt und auch eine Einflussnahme auf die Auswahl der Endkunden nicht erforderlich. Aufgrund der umsatzsteuerlichen Neutralität sei sie befugt, das Organisationsmodell zu wählen, das ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen am ehesten entspreche, ohne Gefahr zu laufen, eine Steuerbefreiung zu verlieren.

Zudem könne aus der Dokumentation der vermittelten Versicherungen mittels Deckungskarten nicht gefolgert werden, dass sie als Händlerin tätig werde. Eine solche Betrachtung würde Inhalt und Bedeutung der Versicherungskarte verkennen. Die vollständig ausgefüllte (und von der Versicherung akzeptierte) Deckungskarte bestätige lediglich, dass Versicherungsschutz bestehe. Es ergebe sich daraus aber kein eigenes Recht, da die Karte lediglich eine Versicherungsbestätigung sei und bei der Zulassungsstelle als Nachweis diene, dass für das Fahrzeug Versicherungsschutz bestehe. Bevor die Versicherungskarte nicht vollständig ausgefüllt sei, habe sie keinen eigenständigen Wert. Aus dieser Funktion der Deckungskarte als Versicherungsbestätigung ergebe sich, dass sie, die Klin., nicht als Händlerin tätig werde, sondern Versicherungen (Versicherungsschutz) vermittele. Allein die körperliche Weitergabe der papiernen Deckungskarten, die im Übrigen aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Umstellung auf EDV nicht mehr verwendet würden, würde eine Handelstätigkeit nicht begründen.

Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung ergebe sich auch aus dem Neutralitätsgrundsatz, zu dessen Wahrung sichergestellt sein müsse, dass die Versicherungsleistung beim Endverbraucher umsatzsteuerfrei ankomme und keine Steuerkumulierungen dadurch entstehen würden, dass Dritte in den Vertriebsweg eingeschaltet würden. So zahle keiner der in den Vertriebsweg eingeschalteten Unternehmer USt. Würde sie, die Klin., anders als alle anderen an der Geschäftsabwicklung Beteiligten mit ihren Leistungen der USt unterworfen, entstünde ein strangulierender Wettbewerbsnachteil, da eine Abwälzung der USt auf die Geschäftspartner nicht möglich sei. Dies sei weder vereinbart, noch könnten die Geschäftspartner wegen ihrer USt-Befreiung den Vorsteuerabzug genießen.

Der am 26.01.2010 eingereichten USt-Erklärung 2008 stimmte der Bekl. zunächst zu. Am 23.04.2010 erließ der Bekl. einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten USt-Bescheid für 2008, in dem er die streitigen Umsätze der Klin. weiterhin als steuerpflichtig erkannte und die USt 2008 auf 126.139,29 Euro festsetzte.

Die Klin. beantragt,

dass die USt-Änderungsbescheide 2004 bis 2006 vom 12.09.2008 und der USt-Änderungsbescheid 2007 vom 23.09.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.12.2009 und der USt-Änderungsbescheid 2008 vom 23.04.2010 aufgehoben werden,

hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung führt er ergänzend zu den Ausführungen in der EE wie folgt aus: Die Tätigkeit der Klin. würde sich nachgewiesenermaßen nicht auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden solle, beziehen, sondern würde sich regelmäßig auf den Erwerb und die Weiterveräußerung einer Vielzahl von Blanko-Doppelkarten beziehen. Es fehle am Handeln gegenüber dem individuellen Vertragsinteressenten, so wie es bei der Vermittlung gegenüber „F-Mitarbeitern” der Fall sei. Des Weiteren fehle der Klin. die Möglichkeit, wenigstens mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken zu können.

Auch die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10 b UStG komme nicht in Betracht, da die Verschaffung von Versicherungsschutz im rechtlichen Sinne zu verstehen sei, d. h. sie liege nur dann vor, wenn der Unternehmer unmittelbar mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließe.

Die Sache ist am 31.01.2013 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die vom Bekl. vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die USt-Änderungsbescheide 2004 bis 2006 vom 12.09.2008 und der USt-Änderungsbescheid 2007 vom 23.09.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.12.2009 und der USt-Änderungsbescheid 2008 vom 23.04.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO ).

Der Bekl. hat die von der Klin. im Zusammenhang mit der entgeltlichen Weitergabe von Blanko-Versicherungsbestätigungskarten getätigten Umsätze zu Recht der USt unterworfen. Die Umsätze sind steuerpflichtig und insbesondere nicht gemäß § 4 Nr. 10 oder 11 UStG steuerbefreit.

Die hier streitigen Umsätze der Klin. sind nicht gemäß § 4 Nr. 11 UStG bzw. unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (ab 01.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ) umsatzsteuerfrei.

§ 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die im vorliegenden Klageverfahren allein in Betracht kommende Tätigkeit der Klin. als Versicherungsmaklerin bedarf der Auslegung im Lichte des Unionsrechts, da § 4 Nr. 11 UStG der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (ab 01.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ) dient. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.

Die von Art. 13 der 6. EG-RL bzw. Art. 132 ff. MwStSystRL verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 20.11.2003, Rs. C-8/01 (Taksatorringen), UR 2004, 82 , Rn. 36; Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 , Rn. 25; Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 14 und 15) autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems eine in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. Die autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriffe sind eng auszulegen, da die Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Auf die handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsmaklers und -vertreters nach §§ 92 f. HGB kommt es damit nicht an (BFH, Urteil vom 06.09.2007 V R 50/05 , BStBl II 2008 , 829 ; Urteil vom 28.05.2009 V R 7/08, BStBl II 2010, 80).

Der Begriff des Versicherungsmaklers ist mit dem Begriff des Versicherungsvermittlers gleichzusetzen (EuGH, Urteil vom 20.11.2003, Rs. C-8/01 (Taksatorringen), UR 2004, 82 Rn. 44). Die Anerkennung der Eigenschaft eines Versicherungsmaklers und damit – vermittlers hängt vom Inhalt der in Rede stehenden Tätigkeit ab (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 17). Zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 , Rn. 36; BFH, Urteil vom 06.09.2007 V R 50/05 , BStBl II 2008, 829). Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehen muss (BFH, Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07 , BFH/NV 2009, 330 ; Urteil vom 28.05.2009 V R 7/08, BStBl II 2010, 80). So hat der EuGH in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL entschieden, dass die Vermittlungstätigkeit u. a. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat (EuGH, Urteil vom 13.12.2001, Rs. C-235/00 (CSC Financial Services), UR 2002, 84 , Rn. 39; Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 , Rn. 28). Nicht steuerfrei sind hingegen Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten, wie z.B. bei der Festsetzung und Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter (zu sog. „Backoffice”-Tätigkeiten EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 , Rn. 37, 38; BFH, Urteil vom 28.05.2009 V R 7/08 , BStBl II 2010, 80). Demgemäß sind nach der Rechtsprechung des BFH nicht steuerfrei die Tätigkeit eines Werbeagenten, der Kundendaten zur Vorbereitung eines Versicherungsabschlusses erhebt (BFH, Urteil vom 06.09.2007 V R 50/05 , BStBl II 2008, 829) oder eines „Overhead-Handelsvertreters”, der Betreuungs-, Schulungs- und Überwachungsleistungen erbringt (BFH, Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07 , BFH/NV 2009, 330 ). Derartige Leistungen sind nur steuerfrei, wenn der Unternehmer, der die Leistungen der Betreuung, Überwachung oder Schulung übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist (BFH, Urteil vom 09.07.1998 V R 62/97 , BStBl II 1999, 253; Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07, BFH/NV 2009, 330 ).

Wie der EuGH in seinem Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , ausführt, schließt Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL seinem Wortlaut nach nicht grundsätzlich aus, dass die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sich in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Daher können auch Untervermittler, die bei der Vermittlung von Verträgen ohne unmittelbare Beauftragung durch eine der beiden Parteien des abzuschließenden Vertrags tätig werden, steuerfreie Vermittlungsleistungen erbringen. Dies folgt aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wonach die Wirtschaftsteilnehmer befugt sind, das Organisationsmodell zu wählen, das ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen am ehesten entspricht, ohne Gefahr zu laufen, eine Steuerbefreiung zu verlieren. Hierzu gehört auch die Befugnis, die Dienstleistungen eines Versicherungsvertreters i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL in verschiedene Dienstleistungen aufzuteilen (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 27, 28). Soweit eine Vermittlungstätigkeit in verschiedene Dienstleistungen aufgeteilt ist, kann die Dienstleistung jedes einzelnen Unternehmers allerdings nur dann als ein von der Steuer befreiter Umsatz qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt (zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 , Rn. 36; zu Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 27; zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 05.06.1997, Rs. C-2/95 (SDC), Slg. 1997, I-03017, Rn. 66, und EuGH, Urteil vom 13.12.2001, Rs. C-235/00 (CSC Financial Services), UR 2002, 84 , Rn. 25, zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 04.05.2006 , C-169/04 (Abbey National), UR 2006, 352 , Rn. 70). Der Begriff der Vermittlung setzt daher nicht unbedingt voraus, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien tritt, um alle Klauseln des Vertrags auszuhandeln; Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit z. B. nicht nur auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt (EuGH, Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 , Rn. 38).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat der Bekl. zu Recht die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG versagt, weil die Tätigkeit der Klin. nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung erfüllt.

Die Klin. war nicht an der Suche nach potentiellen Interessenten beteiligt und führte diese auch nicht mit Versicherern zusammen. Die Klin. verkaufte lediglich Blanko-Versicherungsbestätigungskarten, die das Angebot der jeweiligen Versicherung beinhalteten, einen konkreten Versicherungsvertrag abzuschließen. Die Klin. gab damit zwar grundsätzlich die Gelegenheit zum Abschluss eines Versicherungsvertrags entgeltlich weiter. Doch trat sie hierbei nicht mit den Endabnehmern in Kontakt, sondern nur mit Prägestellen, die gerade keine Versicherungsverträge selbst abschließen wollten und die selbst und ohne Hilfestellung durch die Klin. nach potentiellen Interessenten suchten. Die Klin. konnte keinen Einfluss auf die Auswahl der Endabnehmer nehmen. Insbesondere die fremden Prägestellen handelten auch nicht im Namen oder für die Klin., so dass deren Nachweistätigkeit auch nicht der Klin. zuzurechnen war. Indem die Klin. eingekaufte Versicherungsangebote nach den Wünschen der Prägestellen zusammenstellte und an diese verkaufte, erbrachte sie schließlich auch keine Verhandlungstätigkeit in dem hier erforderlichen Sinne in Form von beratenden Gesprächsterminen oder Ähnlichem. Auch die Auswahl der Versicherungsprodukte erfolgte letztlich durch die Prägestellen, die die von ihr benötigten Versicherungsangebote der Klin. mitteilten, welche daraufhin lediglich die jeweils bestellte Menge zusammenstellen musste, um sie an die Prägestellen zu verkaufen. Damit beschränkte sich die Tätigkeit der Klin. im Wesentlichen auf die bloße Weitergabe, nämlich das bloße Kaufen und Verkaufen von Angeboten zum Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen. Dies reicht aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine Art Handelstätigkeit handelt, die aber keinen spezifischen oder wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweist.

Die Tätigkeit der Klin. war auch nicht vergleichbar mit der Tätigkeit der Klägerin in dem vom FG München entschiedenen Fall (FG München, Urteil vom 19.05.2010 3 K 134/07 , juris, mit Kommentar Zugmaier, NWB 2011, 3913 ). Die dortige Klägerin hat über ein Internetportal die Möglichkeit gegeben, sich unter Angabe persönlicher Daten sowie aller relevanter Fahrzeugdaten eine Übersicht der sieben günstigsten Kfz-Versicherungstarife anzeigen zu lassen und hat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Daten über eine Schnittstelle an die vom Kunden gewählte Versicherung weitergeleitet oder aber dem potentiellen Kunden ein schriftliches Vertragsangebot zugesandt. Die Tätigkeit der dortigen Klägerin betraf somit anders als die der hiesigen Klin. den Kernbereich der Vermittlungstätigkeit, da sie aktiv an der Suche nach am Abschluss einer Versicherung interessierten Personen und der Zusammenführung mit dem Versicherer beteiligt war.

Selbst unter Berücksichtigung der Wahlfreiheit hinsichtlich des Organisationsmodells der Vermittlung mit der Möglichkeit der Aufteilung der Vermittlungstätigkeit in verschiedene Dienstleistungen kann die Dienstleistung der Klin. nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz qualifiziert werden. Denn der bloße Erwerb und Verkauf von Willenserklärungen zum Vertragsabschluss ist nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit erfüllt, anzusehen. Die Klin. hat noch nicht einmal einen Ausschnitt der Tätigkeit eines Versicherungsmaklers erbracht.

Auch nach nationaler Definition des Begriffs der Vermittlung handelt es sich vorliegend nicht um eine Versicherungsvermittlungstätigkeit. Denn hiernach erfordert eine Vermittlereigenschaft, dass der Unternehmer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt (vgl. BFH, Urteil vom 15.05.2012 XI R 16/10 , BFH/NV 2012, 2094 ). Die Klin. handelte jedenfalls nicht für fremde Rechnung, weil sie die Versicherungsangebote zunächst für eigene Rechnung einkaufte, um sie dann für eigene Rechnung zu verkaufen. Sie trug das Risiko der Nichtabnahme. Damit wurde sie auch nicht mittelbar für Rechnung der Versicherungen tätig.

Schließlich kann die Klin. die Steuerbefreiung ihrer Umsätze auch nicht unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL beanspruchen (EuGH, Urteil vom 10.09.2002, Rs. C-1441/00 (Kügler), UR 2002, 513 ; Urteil vom 08.06.2006 Rs. C-106/05 (L.u.P. GmbH), UR 2006, 464 ; BFH, Urteil vom 28.09.2006 V R 57/05 , BFH/NV 2007, 371 ), weil diese keine im Vergleich zum nationalen Recht weitergehende Befreiung regelt.

Die hier streitigen Umsätze der Klin. sind zudem nicht gemäß § 4 Nr. 10 b UStG umsatzsteuerbefreit. Diese Vorschrift dient ebenfalls der Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL bzw. ab 01.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL . Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der „Versicherungsumsätze” umfasst auch die Verschaffung von Versicherungsschutz (EuGH, Urteil vom 25.02.1999 C-349/96, Card Protection Plan (CPP), UR 1999, 254 , Rn. 19).

Nach § 4 Nr. 10 b UStG sind Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, umsatzsteuerbefreit. Die Verschaffung von Versicherungsschutz i.S. von § 4 Nr. 10 b UStG liegt vor, wenn der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließt (BFH, Urteil vom 16.01.2003 V R 16/02 , BStBl II 2003, 445; Urteil vom 09.10.2002 V R 67/01, BFH/NV 2003, 130 ), mithin der Unternehmer selbst einem Dritten Versicherungsschutz verschafft. Versicherungsnehmer muss hiernach der Unternehmer selbst sein. Unerheblich ist, ob das Recht, im Versicherungsfall die Versicherungsleistung fordern zu können, unmittelbar gegenüber dem Versicherungsunternehmen oder mittelbar über den Unternehmer geltend gemacht werden kann. Damit wird die „Verschaffung von Versicherungsschutz” im rechtlichen Sinne verstanden und nicht wie von der Klin. vorgetragen als sprachlich sehr weit gefasster Oberbegriff, welcher jede Leistung erfasst, die darauf gerichtet ist zu bewirken, dass die an dem Versicherungsschutz Interessierten diesen erhalten.

Vorliegend verschafft die Klin. den Endkunden keinen Versicherungsschutz in dem von § 4 Nr. 10 b UStG geforderten Sinne, weil sie nicht selbst Versicherungsnehmerin wird, sondern die Willenserklärungen der Versicherungen auf Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen lediglich „weiterreicht”, ohne die Angebote auf Vertragsabschluss vorher selbst anzunehmen. Die Klin. räumt Dritten lediglich die Befugnis ein, einen Versicherungsvertrag abschließen zu können. Diese Tätigkeit fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 10 b UStG .

Die Klin. erbringt schließlich auch keine Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses (§ 4 Nr. 10 a UStG ), da ein solches bei Verkauf der Deckungskarten durch die Klin. noch gar nicht bestand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO ).