Umsatzsteuer | Zum Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft (EuGH)

Beteiligungsgesellschaft; Holding; Kapitalanteil; Mehrwertsteuer; Umsatzsteuer; Verwaltungsdienstleistung

 Rechtsfrage

Steht es im Widerspruch zur korrekten Auslegung des Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1997, wenn die portugiesische Steuerverwaltung von der Rechtsmittelführerin – einer Holdinggesellschaft – aus dem Grund, dass deren Hauptgesellschaftszweck die Verwaltung von Kapitalanteilen anderer Gesellschaften ist, verlangt, für die gesamte auf ihre inputs angefallene Mehrwertsteuer die Methode des Pro-Rata-Abzugs anzuwenden, selbst wenn diese inputs (erworbene Dienstleistungen) einen direkten, unmittelbaren und eindeutigen Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen – Dienstleistungserbringungen – aufweisen, die anschließend im Rahmen der rechtlich zulässigen Nebentätigkeit der Erbringung von technischen Verwaltungsdienstleistungen durchgeführt werden?

Kann eine Einheit, die als Holdinggesellschaft zu qualifizieren ist und die Mehrwertsteuer zu zahlen hat, wenn sie Gegenstände und Dienstleistungen erwirbt, die anschließend in vollem Umfang unter Erhebung von Mehrwertsteuer an ihre Beteiligungsgesellschaften weitergegeben werden, die gesamte bei diesen Erwerben angefallene Mehrwertsteuer mittels Anwendung der in Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Abzugsmethode der tatsächlichen Zuordnung abziehen, wenn diese Erwerbe eine Nebentätigkeit – Erbringung von technischen Verwaltungs- und Managementdienstleistungen – im Verhältnis zur Haupttätigkeit – Verwaltung von Gesellschaftsanteilen – darstellen?

 Gesetze

RL 77/388/EWG Art 17 Abs 2

 Instanzenzug

(anhängig gemeldet seit 15.12.2011)

Tribunal Central Administrativo Sul (Portugal) 26.09.2011 (ABl EU 2011, Nr. C 362, 13), Vorabentscheidungsersuchen

EuGH 06.09.2012 C-496/11

 erledigt durch:

06.09.2012 – Urteil

 Erläuterungen zu EuGH C-496/11 Stand: 15.12.2011

Bei dem portugiesischen Verfahren  C-496/11  geht es um die Auslegung der Vorsteuerabzugsregelung in Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 168 MwStSystRL). Die Klägerin ist eine portugiesische Holding mit Unternehmereigenschaft, deren Gesellschaftszweck im Halten und Verwalten von Kapitalanteilen ihrer Beteiligungsgesellschaften sowie in der Erbringung technischer Verwaltungs- und Managementdienstleistungen gegenüber den Gesellschaften besteht. Im Rahmen ihrer Tätigkeit bezog die Klägerin mit MwSt belastete Leistungen, die sie zum selben Preis einer oder mehreren ihrer Beteiligungsgesellschaften unter Ausweis von MwSt in Rechnung stellte. Die Klägerin nahm den Vorsteuerabzug hinsichtlich ihrer gegenüber ihren Beteiligungsgesellschaften erbrachten technischen Verwaltungs- und Managementdienstleistungen mittels Anwendung der Methode der tatsächlichen Zuordnung ihrer Eingangsumsätze zu ihren steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen vor.

Die portugiesische Steuerverwaltung korrigierte den Vorsteuerabzug der Klägerin, indem sie nach Art. 23 Abs. 1 des CIVA sämtliche Vorsteuerbeträge der Pro-rata-Regelung i.S.v. Art. 17 Abs. 5 i.V.m. Art. 19 der 6. EG-Richtlinie (jetzt Art. 173 bis 175 MwStSystRL) unterwarf. Die Steuerverwaltung ist der Auffassung, der grundlegende Zweck von Holdinggesellschaften bestehe in der Durchführung steuerbefreiter Umsätze, da diese unter Art. 9 Abs. 28 des CIVA fielen. Da neben diesen Umsätzen als Nebentätigkeit die Durchführung steuerpflichtiger Umsätze (gegenüber allen oder einigen Beteiligungsgesellschaften erbrachte technische Verwaltungs- und Managementdienstleistungen) zugelassen werden könne, übten solche Holdinggesellschaften im Grunde genommen nur eine einzige Tätigkeit aus. Die Verwaltung des ständigen Beteiligungsportfolios erfordere normalerweise ein ausgefeiltes Verwaltungs-Know-how, das den Beteiligungsgesellschaften eine effektive Unterstützung biete, wobei die Erbringung von technischen Verwaltungs- und Managementdienstleistungen mit der eigentlichen Beteiligungsverwaltung untrennbar verbunden sei. Im Fall der Klägerin sei für den Vorsteuerabzug daher nicht die Methode der tatsächlichen Zuordnung, sondern die Pro-Rata-Methode anzuwenden.

Der EuGH muss entscheiden, ob – nach dem Umständen des Ausgangsverfahrens – beim Vorsteuerabzug einer Holdinggesellschaft für die gesamte auf die inputs angefallene MwSt die Methode des Pro-Rata-Abzugs angewendet werden muss, selbst wenn die inputs einen direkten, unmittelbaren und eindeutigen Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen aufweisen, die im Rahmen einer rechtlich zulässigen Nebentätigkeit (Erbringung von technischen Verwaltungsdienstleistungen) erbracht werden. Umgekehrt muss der EuGH prüfen, ob eine Holdinggesellschaft ihren Vorsteuerabzug mittels der Abzugsmethode der tatsächlichen Zuordnung geltend machen kann, wenn ihre Vorbezüge nur für eine Nebentätigkeit (Erbringung von technischen Verwaltungs- und Managementdienstleistungen) – im Verhältnis zu ihrer Haupttätigkeit (Verwaltung von Gesellschaftsanteilen) verwendet werden.

Der EuGH dürfte – aus Gründen der Neutralität – im vorliegenden Fall den Vorsteuerabzug nach der direkten Zuordnungsmethode bejahen. Auf die Frage, ob die Managementleistungen im Vergleich zu der Haupttätigkeit der Holdinggesellschaft von untergeordneter Bedeutung sind, dürfte es nicht ankommen. Für das deutsche Recht hat das Verfahren kaum Bedeutung, weil das deutsche Recht die Pro-rata-Regelung nach Art. 173 bis 175 MwStSystRL nicht kennt.