Umsatzsteuerbefreiung der eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen

Anpassung des § 4 Nr. 16 UStG durch das Jahressteuergesetz 2020, Anpassung des § 4 Nr. 25 UStG durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften sowie der zu Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g und h MwStSystRL ergangenen BFH-Rechtsprechung

Nach Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

I. Gesetzesänderung

1 Durch Artikel 12 Nr. 5 Buchstabe f des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) wurde § 4 Nr. 25 UStG zum 1. Januar 2020 wie folgt geändert:

  • Mit der Änderung in § 4 Nr. 25 Satz 1 und Satz 2 Buchstabe b Doppelbuchstabe dd UStG wurde der Katalog der begünstigten Leistungen um die Leistungen der Adoptionsvermittlung nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz ergänzt.
  • In Folge der Aufhebung des § 23 UStDV wurde in § 4 Nr. 25 Satz 2 Buchstabe b UStG die Auflistung der anderen anerkannten Einrichtungen mit sozialem Charakter angepasst.

2 Durch Artikel 12 Nr. 2 Buchstabe b des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) wurden in § 4 Nr. 16 UStG zum 1. Januar 2021 folgende Änderungen vorgenommen:

  • In Satz 1 wurde der Satzteil vor Buchstabe a an den Wortlaut des Artikels 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL angepasst. Damit erfolgte eine Klarstellung dahingehend, dass unter den übrigen Voraussetzungen der Norm auch die Leistungen solcher Einrichtungen befreit sein können, die selbst keine Pflege- oder Betreuungsleistungen, sondern lediglich damit eng verbundene Leistungen erbringen.
  • Nach Buchstabe k wurde ein neuer Buchstabe l aufgenommen. Mit der Ergänzung im neuen § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe l UStG werden nunmehr ausdrücklich solche Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a SGB XI besteht.
  • Der bisherige Buchstabe l wurde zu Buchstabe m und hinsichtlich der Berücksichtigung der Verhältnisse des vorangegangenen Kalenderjahrs bei der Berechnung der sog. Sozialgrenze geändert.

II. Rechtsprechung

3 Im Zusammenhang mit der Auslegung des Artikels 132 Abs. 1 Buchstabe g und h MwStSystRL und der Frage, wann ein Leistungserbringer als eine Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannt ist, hat der BFH nachfolgende – u. a. für die Anwendung des § 4 Nr. 16 und Nr. 25 UStG relevante – Feststellungen getroffen. Demnach kann ein Subunternehmer nur unter bestimmten Voraussetzungen eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter sein und seine Leistungen dann umsatzsteuerfrei erbringen:

  • Umsatzsteuerbefreiung von Umsätzen bei Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen (BFH-Urteil vom 19. März 2013 – XI R 47/07, BStBl II 2023 S. xxx);
  • Umsatzsteuerfreie Pflegeleistungen (BFH-Urteil vom 18. August 2015 – V R 13/14, BStBl II 2023, S. xxx);
  • Personenbezogene Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g und i MwStSystRL (BFH-Urteil vom 18. Februar 2016 – V R 46/14, BStBl II 2023, S. xxx);
  • Steuerfreie Leistungen eines Erziehungsbeistands (BFH-Urteil vom 22. Juni 2016 – V R 46/15, BStBl II 2023, S. xxx);
  • Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Eingliederungshilfe und im Rahmen des „Individuellen Services für behinderte Menschen“ durch eine Pflegekraft – Eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen – Einrichtung mit sozialem Charakter (BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016 – XI R 5/15, BStBl II 2023, S. xxx);
  • Umsatzsteuerfreiheit von Eingliederungsleistungen (BFH-Urteil vom 9. März 2017 – V R 39/16, BStBl II 2023, S. xxx);
  • Umsatzsteuerbefreiung von Subunternehmerleistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe (BFH-Urteil vom 13. Juni 2018 – XI R 20/16, BStBl II 2023, S. xxx);
  • Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Gutachtertätigkeiten im Auftrag des MDK (BFH-Urteil vom 24. Februar 2021 – XI R 30/20 (XI R 11/17), BStBl II 2023, S. xxx);

4 Hinsichtlich der Entscheidungen des BFH vom 18. August 2015 – V R 13/14, vom 13. Juni 2018 – XI R 20/16 und vom 7. Dezember 2016 – XI R 5/15, erfolgte durch das BFH-Urteil vom 24. Februar 2021 – XI R 30/20 (XI R 11/17) eine (teilweise) Änderung der Rechtsprechung.

III. Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass

5 Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 11. Juli 2023 – III C 3 – S 7141/21/10002 :001 (2023/0679280), BStBl I Seite xxx, geändert worden ist, wird geändert.

(…)

Anwendungsregelung

6 Die Änderung in Abschnitt 4.25.1 Abs. 2 Satz 3 auf Grundlage der Änderungen in § 4 Nr. 25 UStG in der Fassung des Artikels 12 Nr. 5 Buchstabe f des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2451) sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 erbracht wurden bzw. erbracht werden.

7 Die Änderungen in den Abschnitten 4.16.1, 4.16.3, 4.16.4, 4.16.5 und 4.16.6 UStAE auf Grundlage der Änderungen in § 4 Nr. 16 UStG in der Fassung des Artikels 12 Nr. 2 Buchstabe b des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG 2020) vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 erbracht wurden bzw. erbracht werden.

8 Die Grundsätze der v. g. BFH-Urteile sind für Umsätze in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Umsätze, die bis zum 31. Dezember 2023 erbracht werden, wird es – vorbehaltlich der Regelungen in den Rz. 6 und 7 – nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den o. g. Ausführungen umsatzsteuerpflichtig behandelt bzw. behandelt hat. Die v. g. BFH-Urteile, die sich auf die bis einschließlich 2008 bestehende nationale Rechtslage beziehen, finden aufgrund der Neuregelung des § 4 Nr. 16 UStG durch das Jahressteuergesetz 2009 für Umsätze ab dem 1. Januar 2009 keine Anwendung.

10 Die Grundsätze der Entscheidungen des BFH vom 18. August 2015 – V R 13/14, vom 13. Juni 2018 – XI R 20/16 und vom 7. Dezember 2016 – XI R 5/15, sind, soweit die darin vertretene Rechtsauffassung durch das BFH-Urteil vom 24. Februar 2021 – XI R 30/20 (XI R 11/17) geändert wurde, nicht anzuwenden.

Schlussbestimmung

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 3 – S-7172 / 21 / 10003 :001 vom 12.07.2023